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Beelitzer Nachrichten - Dezember - Weihnachten 2016

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DIE WEIHNACHTSGESCHICHTE<br />

Seite 5<br />

sonst irgendwo“, grollte er.<br />

„Natürlich, ganz wie ihr verlangt.“<br />

Nachdem der Kaufmann sich getrollt<br />

hatte, begann Marie die Schüsseln abzuräumen.<br />

„Ich sollte Heinrich Pfister aufknüpfen<br />

lassen“, schimpfte ihr Onkel.<br />

„Das kannst Du nicht“, wand die junge<br />

Frau vorsichtig ein.<br />

„Ach, und warum nicht?“, brauste er<br />

auf, obwohl er die Antwort kannte.<br />

„Weil Du niemanden hast, der hinausgehen<br />

würde, um ihn zu stellen. Und weil<br />

er ein Bürger dieser Stadt ist - wie die<br />

meisten seiner Leute.“<br />

„War, meine Liebe. Er war ein Bürger<br />

dieser Stadt. Bevor er und die anderen<br />

uns alle im Stich gelassen haben, als wir<br />

den Quitzow für seinen Hochverrat zur<br />

Rechenschaft gezogen haben.“<br />

Und es gab noch einen Grund, weshalb<br />

Marie Pfisters Bande um jeden Preis<br />

schützen wollte. Doch den konnte sie<br />

ihrem Onkel unmöglich verraten.<br />

***<br />

Nachdem Marie die ersten fetten Gänse<br />

des Jahres geschlachtet, gerupft und im<br />

Hof aufgehängt hatte und nachdem das<br />

Brot gebacken und der Haushalt in Ordnung<br />

gebracht worden war, fand sie<br />

noch Zeit für einen Spaziergang durch<br />

die Stadt und einen Besuch auf dem<br />

Kirchhof. Ihre Eltern waren bei einem<br />

Brand gestorben, als Marie noch ein<br />

Kind gewesen war. Georg von Neuendorff<br />

hatte sich seiner Nichte angenommen,<br />

immerhin hatte er es als Gewandschneider<br />

zu einigem Wohlstand gebracht<br />

und genug Platz im Haus. Seine<br />

Frau war mit dem Erstgeborenen im<br />

Kindbett gestorben, und so hatten die<br />

beiden nur einander.<br />

Als Marie im Dunkeln vor ihrer Haustür<br />

stand, legte sich eine Hand auf ihre<br />

Schulter. Erschrocken fuhr sie herum -<br />

und blickte in jenes kecke Gesicht, das<br />

sie so sehr mochte und das sie allzu oft<br />

vermisste .<br />

„Habe ich dich erschreckt?“, fragte Hans<br />

in unschuldigem Ton.<br />

„Mich nicht, aber wenn dich Strauchdieb<br />

jemand anderes sieht, könnte sich<br />

die ganze Stadt erschrecken“, sagte sie<br />

und zog ihn von der Eingangstür weg in<br />

den Hof.<br />

„Was machst Du hier? Mein Onkel ist<br />

Euretwegen außer sich vor Wut“, flüsterte<br />

Marie während sie sich an ihren<br />

Liebsten drückte.<br />

„Ach, war der Pfeffersack bei Euch? Ich<br />

habe gesehen, wie er aufs Stadttor zulief.<br />

Dem haben wir einen ordentlichen<br />

Schrecken eingejagt“.<br />

„Ja, und wir mussten ihm seinen Verlust<br />

ersetzen“, bemerkte Marie verärgert.<br />

„300 Denare hat uns der Kaufmann abgeluchst.<br />

Mein Onkel hat gesagt, dass er<br />

Euch am liebsten hängen würde.“<br />

Hans hätte fast laut losgelacht. „Er hätte<br />

den Kaufmann aufhängen sollen. Der<br />

Lump hatte gerade mal 20 Denare bei<br />

sich gehabt.“ Marie entgleisten die Gesichtszüge,<br />

was Hans‘ Heiterkeit nur<br />

noch beflügelte.<br />

Nach einer kostbaren schweigenden<br />

Weile der Zweisamkeit ließen sie einander<br />

los und Hans sagte: „Da wir ja ohnehin<br />

des Todes sind, könnten wir unseren<br />

Kredit beim gestrengen Georg von<br />

Neuendorff ja noch ein wenig ausreizen.“<br />

Damit griff er nach zwei der nackten<br />

Gänse, die vom Balken herabhingen.<br />

„Übertreib es nur nicht“, mahnte Marie,<br />

nahm ihm eine Gans wieder ab und<br />

hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.<br />

Sie wusste, dass er wieder gehen musste,<br />

bevor der Nachtwächter seine Runde<br />

machte und es zu gefährlich würde, über<br />

die Stadtmauer zu klettern.<br />

***<br />

Hans Pfister war glücklich. Trotz seiner<br />

Abtrünnigkeit hielt Marie, die er schon<br />

als Kind kannte, ihm die Treue und wartete<br />

auf bessere Zeiten, in denen sie heiraten<br />

und fortan alle Tage zusammen<br />

sein konnten. Wie sie das ihrem Onkel<br />

beibringen wollten, wusste er freilich<br />

noch nicht. Sein Vater hatte dagegen nur<br />

ein Schulterzucken übrig gehabt. „Ihr<br />

seid beide erwachsen.“<br />

Nachdem Hans die Stadt im fahlen<br />

Mondlicht verlassen hatte und wie er<br />

nun - die Gans über der Schulter - querfeldein<br />

zurück zum Lager lief, sah er in<br />

einiger Entfernung ein rötliches Leuchten.<br />

Dort, hinter der Senke, lag Schönefeld<br />

- und der flackernde Schein, der<br />

darüber lag, verhieß nichts Gutes.<br />

Je näher er sich heranschlich, um so<br />

deutlicher konnte er erkennen, dass das<br />

Dorf überfallen und die Häuser gebrandschatzt<br />

worden waren.<br />

„Das war Dietrich von Quitzow“, meldete<br />

sich eine raue Stimme hinter ihm.<br />

Es war einer der Dörfler, die sich - aus<br />

reichlicher Erfahrung schlau geworden -<br />

beim ersten Klang von Hufen in die Büsche<br />

geschlagen hatten. Nun, da die<br />

Plünderer fort waren, kamen sie wieder<br />

aus ihren Verstecken und betrachteten<br />

fassungslos, wie Heim und Herd in<br />

Rauch aufgingen.<br />

***<br />

„Ich habe sie reden gehört. Wittbrietzen<br />

haben sie schon niedergemacht, nun<br />

unser Dorf, jetzt wollen sie gegen Beelitz<br />

ziehen“, berichtete der alte Mann,<br />

den Hans ins Lager mitgebracht hatte.<br />

Heinrich Pfister runzelte die Stirn, während<br />

er sich den Bericht anhörte.<br />

„Sieht ganz danach aus, als wollte der<br />

alte Dietrich eine alte Rechnung begleichen“,<br />

sinnierte Konrad Langfinger<br />

halblaut, während er einen Schluck aus<br />

dem Weinschlauch nahm.<br />

„Wie viele Männer hat er?“, fragte Heinrich<br />

den Mann, der den ihm angebotenen<br />

Wein dankbar entgegennahm.<br />

„Es müssen mindestens hundert, wenn<br />

nicht sogar zweihundert sein.“<br />

„Woher hat der Quitzow so viele Leute?“<br />

Heinrichs Frage richtete sich an<br />

niemanden Bestimmtes, doch sein Sohn<br />

antwortete: „In der Stadt erzählt man<br />

sich, das er jetzt im Dienste des Magde-

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