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antriebstechnik 8/2015

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GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN<br />

Elemente Simulation bestimmt. Bild 01<br />

zeigt exemplarisch das Modell eines Planetenträgers,<br />

wo sich unter Einwirkung<br />

eines Torsionsmoments der Übergang von<br />

Schaft zu Käfig (siehe Vergrößerung) als<br />

kritischste Bauteilstelle erweist. Im Hinblick<br />

auf einen statischen Nachweis wird<br />

für diesen Hotspot der Verlauf der ersten<br />

Hauptnormalspannung über der Wandstärke<br />

unter Einwirkung von Extremlasten<br />

bestimmt, während beim zyklischen Nachweis<br />

dieser analog unter Einwirkung eines<br />

Lastkollektivs ermittelt wird.<br />

Der Beanspruchung widersetzt sich die<br />

dritte wichtige Eingangsgröße, die Beanspruchbarkeit<br />

des Werkstoffs. Der Planetenträger<br />

wird regulär im Sandgussverfahren<br />

aus EN-GJS-700-2 gefertigt. Diese<br />

graue Gusseisengüte mit Kugelgraphit<br />

zeichnet sich durch eine Zugfestigkeit von<br />

etwa 700 MPa und einer Bruchdehnung<br />

von rund 2 % aus. Der hohen Festigkeit<br />

steht eine extrem niedrige Zähigkeit gegenüber,<br />

wie es Bild 03 mit dem Verlauf<br />

der Kerbschlagarbeit über der Temperatur<br />

verdeutlicht. Für einen Kaltwetterstandort<br />

sind die Komponenten einer Windenergieanlage<br />

für -40 °C auszulegen. Hier befindet<br />

sich EN-GJS-700-2 bereits in der Tieflage,<br />

was die werkstofftypische niedrige Zähigkeit<br />

nochmals verschärft.<br />

Die Linear Elastische Bruchmechanik,<br />

welche unterstellt, dass plastische Bereiche<br />

von vernachlässigbarem Ausmaß sind,<br />

ist geeignet das Werkstoffverhalten von<br />

EN-GJS-700-2 zu beschreiben. Im Rahmen<br />

eines statischen Nachweises ist für spröde<br />

Werkstoffe die Bruchzähigkeit der kritische<br />

Grenzwert. Wird diese von der Beanspruchung<br />

überschritten, setzt Rissinitiierung<br />

ein, unmittelbar gefolgt von Rissinstabilität.<br />

Im Rahmen eines zyklischen Nachweises<br />

sind der Schwellwert für Rissausbreitung<br />

sowie die Parameter eines Rissfortschrittsgesetztes<br />

zu bestimmen. Somit kann beurteilt<br />

werden, ab welcher Beanspruchung<br />

ein Riss wächst und wie schnell dies erfolgt.<br />

Welche Strukturmodelle bieten sich an?<br />

Das Strukturmodell soll sowohl die Bauteilgeometrie<br />

als auch den darin enthaltenen<br />

Riss und die auf ihn wirkende Beanspruchung<br />

wiedergeben. Es existieren<br />

zahlreiche Modelle, die eine Substitution<br />

der komplexen Bauteilstruktur erlauben<br />

und für die eine analytische Lösung des<br />

Spannungsintensitätsfaktors, der die Verhältnisse<br />

an der Rissspitze beschreibt,<br />

vorliegt. Auf Grund der äußeren Gestalt<br />

des Planetenträgers bieten sich das Modell<br />

einer Platte oder insbesondere das eines<br />

Hohlzylinders an. Letzteres zeigt Bild 04<br />

schematisch mit azimutal orientiertem<br />

Oberflächenriss (rot hervorgehoben).<br />

Wie wird der Nachweis erbracht?<br />

Zunächst wird im Rahmen eines statischen<br />

Nachweises die kritische Risslänge bestimmt.<br />

Hierzu wird die durch äußere<br />

Beanspruchung hervorgerufene Spannungsintensität<br />

der Bruchzähigkeit gleichgesetzt.<br />

Unter Berücksichtigung von<br />

Sicherheitsfaktoren gilt der Nachweis als<br />

erbracht, wenn die berechnete, kritische<br />

Risslänge größer als die im Fehlermodell<br />

spezifizierte Ausgangsrisslänge ist.<br />

Im Rahmen des zyklischen Nachweises<br />

wird ausgehend von der Ausgangsrisslänge<br />

der Risszuwachs unter Einwirkung eines<br />

Lastkollektivs berechnet. Wenn die sich<br />

ergebende Endrisslänge kleiner als die<br />

kritische Risslänge des statischen Nachweises<br />

ist, gilt das Bauteil als sicher.<br />

Derzeit erfolgt die Überführung des<br />

Einheitsblattes 23902 in eine englischsprachige<br />

Ausgabe. Abhängig von den Standortbedingungen<br />

könnte ein bruchmechanischer<br />

Nachweis auch für zähere Gusseisengüten<br />

notwendig werden. Die Ausarbeitung einer<br />

entsprechenden Richtlinie unter Berücksichtigung<br />

der Elastisch Plastischen Bruchmechanik<br />

ist derzeit in Planung.<br />

www.iwm.rwth-aachen.de<br />

Literaturhinweise: [1] VDMA 23902 − Leitlinie für<br />

den bruchmechanischen Nachweis von Planetenträgern<br />

aus EN-GJS-700-2 für Getriebe von Windenergieanlagen,<br />

Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2014.<br />

[2] IEC 61400-1 Wind turbines − Part 1: Design<br />

requirements, Genf, 2005.<br />

[3] IEC 61400-4 Wind turbines − Part 4: Design<br />

requirements for wind turbine gearboxes, Genf, 2012.<br />

[4] DIN EN 12680-3 Gießereiwesen − Ultraschallprüfung<br />

− Teil 3: Gussstücke aus Gusseisen mit<br />

Kugelgraphit, Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2012.<br />

[5] DIN EN 1369 Gießereiwesen − Magnetpulverprüfung,<br />

Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2013.<br />

[6] DIN EN 1371-1 Gießereiwesen − Eindringprüfung<br />

− Teil 1: Sand-, Schwerkraftkokillenund<br />

Niederdruckkokillengussstücke, Berlin: Beuth<br />

Verlag GmbH, 2012.<br />

[7] DIN EN ISO 148-1 Metallische Werkstoffe<br />

− Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy − Teil 1:<br />

Prüfverfahren, Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2011.<br />

[8] C. Berger, Bruchmechanischer Festig -<br />

keits nachweis für Maschinenbauteile,<br />

Frankfurt, M: VDMA-Verlag, 2009.<br />

03 Kerbschlag arbeit über Temperatur bestimmt an Probe mit V-Kerbe nach<br />

DIN EN ISO 148-1 [7] und Gefügeaufnahme für EN-GJS-700-2<br />

04 Strukturmodell eines Hohlzylinders mit<br />

Oberflächenriss (rot hervorgehoben) [8]

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