Ausgabe 6/2011 - Webway
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3. Neuseeland und Australien<br />
In Neuseeland hat Mascarenhas die Einführung des NPM analysiert<br />
6 . Mascarenhas widmet sich besonders der Messung von Regierungs-<br />
und Verwaltungs handeln. Er unter sucht den „State Sector Act“<br />
aus dem Jahr 1988 und den „Public Finance Act“ aus dem Jahr 1989,<br />
die beide wesentliche Impulse für die Veränderungen im öffentlichen<br />
Sektor brachten. Wichtig aus der Sicht von Mascarenhas ist besonders<br />
der Implementationsprozess von Reformen.<br />
Nachdem das Land in den 1970er-Jahren in eine wirtschaftliche<br />
Rezession gefallen war, setzte die Regierung seit Mitte der 1980er-Jahre<br />
auf neoliberale Konzepte. Durch eine ver stärkte Deregulierung und<br />
durch Privatisierungen sowie erhebliche Einschnitte in die so zialen Sicherungssysteme<br />
wurden die öffentlichen Haushalte saniert. Erste Erfolge<br />
zeigten sich in einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, in einer<br />
signifikanten Reduzierung der Ar beitslosigkeit und einem deutlichen<br />
Wirtschaftswachstum. Der Abschied vom Ver sor gungs staat alten Musters<br />
führte allerdings auch zu einer starken Abnahme der sozialen Sicherheit.<br />
Hauptelemente der Modernisierung durch die Labour-Regierung waren:<br />
> Reform des Budgetierungsverfahrens,<br />
> Einführung neuer Haushaltsmittelbewirtschaftungssysteme,<br />
> Verbesserung der Rollentrennung zwischen Politik und Verwaltung<br />
und zwischen „be stellenden“ und „ausführenden“ Verwaltungseinheiten,<br />
> Reform des öffentlichen Dienstrechtes und<br />
> Auslagerung in öffentliche Betriebe, teilweise auch vollständige Privatisierung<br />
der öffentlichen Betriebe unter dem Verbot der Wettbewerbsverzerrung.<br />
Auch auf kommunaler Ebene gab es einschneidende Veränderungen.<br />
Eine Verwaltungs re form, die eine Trennung von politischer und<br />
operativer Verantwortung zum Gegenstand hat te 7 , steigerte die Qualität<br />
der Dienstleistungen und wirkte sich gleichzeitig kosten mindernd<br />
aus. Besonders bekannt wurden in diesem Zusammenhang die Aktivitäten<br />
der Stadt Christ church, die <strong>2011</strong> von heftigen Erdbeben erschüttert<br />
wurde. Die Stadtverwaltung besteht aus dem City Council mit einem<br />
Bürgermeister und zwölf Stadträten, die in sechs Wahlbezirken<br />
gewählt werden sowie sechs Gemeindeausschüssen, für jeden Stadtbezirk<br />
einen, mit jeweils drei Mitgliedern plus dem jeweiligen Stadtrat.<br />
Auf regionaler Ebene agie ren: Canterbury Regional Council mit vier<br />
Abgeordneten für Christchurch, Canterbury District Health Board mit<br />
fünf Mitgliedern für Christchurch und verschiedene District Councils<br />
in den um liegenden Gemeinden Banks Peninsula, Selwyn und Waimakariri.<br />
In Australien wurde ein großer Teil der öffentlichen Vermögenswerte<br />
veräußert, Aufgaben wie die Arbeitsvermittlung wurden ausgegliedert.<br />
Der traditionellen Verwaltung wurde ein ergebnisorientiertes<br />
Management entgegen gesetzt, dessen wesentliche Elemente sind:<br />
Out put-Orientierung, Dezentralisierung, Leistungsmessung, strategische<br />
Planung, Evaluation usw. Auf der Regierungsebene wird ein Verzicht<br />
auf detaillierte Regulierungsmaßnahmen versucht, da diese als<br />
ineffizient gelten 8 .<br />
4. England<br />
Das Vereinigte Königreich gliedert sich in die Landesteile England,<br />
Schottland, Wales und Nordirland. Jeder Landesteil hat eine unterschiedliche<br />
Kommunalstruktur. Großbritannien wies bis in die 1970er-<br />
Jahre eine ausgeprägte dezentrale Politik- und Ver waltungsstruktur<br />
auf. Die kommunale Ebene war für viele (soziale) Dienstleistungen zu -<br />
ständig. Durch eigene kommunale Steuern besaßen die Kommunen eine<br />
recht hohe finanzielle Selbstständigkeit. Die Durchschnittsgröße der<br />
districts betrug nach der kommunalen Ge bietsreform von 1974 rund<br />
130.000 und die der counties rund 700.000 Einwohner.<br />
In England war der Ausgangspunkt für die Veränderungen in den<br />
90-er Jahren eine Art zwei stufiger Verwaltung („two-tier councils“):<br />
www.buergermeisterzeitung.at | de<br />
FACHTHEMA<br />
auf der Stufe der county councils mit einer Be völkerung zwischen<br />
500.000 und 1.500.000 Einwohnern und den district councils mit zwi -<br />
schen vier und 14 Einheiten innerhalb eines county councils mit jeweils<br />
etwa 100.000 Ein wohnern. Die county councils waren für Aufgaben<br />
wie Bildung, soziale Dienste, Verkehr, Pla nung, Polizei und Feuerwehr,<br />
Verbraucherschutz und Bibliothekswesen zuständig. Die di strict<br />
councils waren für die örtlichen Planungen, Wohnungswesen, örtliche<br />
Schnell stra ßen, Bau wesen, Umweltschutz und Abfallbeseitigung zuständig,<br />
zum Teil für Freizeit und Kul tur. In den Ballungszentren („major<br />
urban areas“) mit Ausnahme von London gab es je weils nur eine<br />
Verwaltungsstufe.<br />
In den 90er-Jahren hatte die Regierung festgestellt, dass dieses<br />
zweistufige Verwaltungs system ineffizient geworden war. Die county<br />
councils waren zu weit von den Bürgern ent fernt. Ihre Funktionen<br />
wurden daher auf die district councils übertragen, kleinere Bezirke<br />
wurden zusammen gelegt. Durch verschiedene Maßnahmen wurde<br />
versucht, sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Akzeptanz der<br />
neuen district councils zu erhöhen. Im Jahr 2006 hat die Regierung<br />
dann ihr lang erwartetes „white paper on local government“ ver -<br />
abschiedet, dass eine Stärkung der Bürgermeister, eine stärkere Dezentralisierung<br />
und eine verbesserte Zurechenbarkeit kommunaler<br />
Dienste („accountability“) vorsah.<br />
Die Verwaltungsgliederung Englands ist letztmalig 2009 in einigen<br />
Landesteilen reformiert worden. England gliedert sich derzeit in neun<br />
Regionen, darunter Greater London. Die acht Regionen außerhalb von<br />
Greater London sind auf drei verschiedene Arten gegliedert.<br />
Seit 2009 bestehen dort:<br />
> 6 Metropolitan Counties, die in insgesamt 36 Metropolitan Boroughs<br />
untergliedert sind<br />
> 27 Non-Metropolitan Counties, die in insgesamt 201 Districts untergliedert<br />
sind (Gebiete mit zweistufiger Verwaltungsstruktur)<br />
> 56 Unitary Authorities (Gebiete mit einstufiger Verwaltungsstruktur)<br />
Die Boroughs, Districts und Unitary Authorities können unterschiedliche<br />
Zusatztitel haben, die sie entweder aus historischer Zeit führen<br />
oder auch in jüngerer Zeit (z. B. wegen ihrer Größe) erhalten haben.<br />
Man unterscheidet Cities, Boroughs bzw. Metropolitan Boroughs und<br />
London Boroughs.<br />
In den letzten Jahrzehnten erlebte Großbritannien auf der kommunalen<br />
Politik- und Ver waltungsebene zwei wesentliche Veränderungswellen.<br />
Die Regierung Thatcher war ab 1979 fest entschlossen, die<br />
Kompetenzen der Kommunen zu beschneiden und die öffentlichen<br />
Leistungen durch Ausschreibung und Wettbewerb zu privatisieren.<br />
1980 wurde eine Folge von Gesetzen erlassen, durch die die Kommunen<br />
verpflichtet wurden, ihre Auf gaben durch Ausschreibungen zu erfüllen.<br />
Das System erhielt die Bezeichnung „Compulsory Competitive<br />
Tendering“ (CCT). Die Folge war bei vielen Kommunen eine interne<br />
Reor ganisation, vor allem in Form einer or ganisatorischen Trennung in<br />
Besteller- und An bie tereinheiten. Ein großer Teil der Aus schreibungen<br />
wurde von privaten Anbietern gewonnen, die kommunalen Anbieter<br />
erwiesen sich aber durchaus als konkurrenzfähig. Der Preis für die teil -<br />
weise deutlichen Kostenein sparungen waren schlechtere Beschäftigungs-<br />
und Ent loh nungsbedingungen. Mancherorts war auch zu be -<br />
obachten, dass private Anbieter mit gün stigen Angeboten zunächst<br />
den Markt eroberten und danach die Preise erhöhten 9 .<br />
Ab 1997 folgte ein eher vorsichtiges Zurückrudern durch die New<br />
Labour-Regierung unter Tony Blair. Dessen Politik eines „Third Way“<br />
wollte sich von der gemeindefeindlichen Vor gängerregierung zwar<br />
dis tanzieren, hielt an dem Zugriff auf die Kommunen allerdings fest.<br />
Im merhin legte die Blair-Regierung ein Konzept für eine Reaktivierung<br />
der Kommunen vor, die eine Stärkung der Entscheidungsstrukturen<br />
6 Mascarenhas (1993 und 1996).<br />
7 Vgl. dazu Grünenfelder (2000). Grünenfelder war an der Entwicklung der<br />
Schweizerischen Va riante des NPM beteilgt, der „wirkungsorientierten Verwaltungsführung“,<br />
die weiter unten dar ge stellt wird.<br />
8 Davis (2003), S. 182-183.<br />
9 Vgl. Wollmann (2004), S. 3-4.<br />
Bürgermeister Zeitung 6/<strong>2011</strong><br />
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