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KRANKENHAUS<br />

OPERATIONEN<br />

Bis zu drei<br />

Viertel aller<br />

Intensivpatienten<br />

erleiden<br />

ein Delir<br />

Raum, umtriebig, mitunter sogar aggressiv<br />

– meist aber träge und teilnahmslos. Oft<br />

ist die Prognose nicht so gut, dass sie nach<br />

einem Delir wieder ganz gesund werden.<br />

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko,<br />

dass das Delir den Allgemeinzustand derart<br />

verschlechtert, dass man nicht mehr auf<br />

die Beine kommt, oder gar stirbt. Unmittelbar<br />

in den Tod führt das Delir nicht, das<br />

macht die Sache problematisch. „Noch in<br />

den 1990er-Jahren hatten wir für dieses<br />

Erkrankung überhaupt keinen Namen“,<br />

erinnert sich Dr. Simone Gurlit. Sie ist als<br />

Anästhesistin heute mit einer halben Stelle<br />

in das Team integriert. „Als Ärztin im Praktikum<br />

habe ich erlebt, dass Patienten nach<br />

einer Narkose und eigentlich unproblematischen<br />

Operation plötzlich länger versorgt<br />

werden mussten. Uns war damals nicht<br />

klar, wie ungünstig das für den Patienten<br />

Das Setting macht’s!<br />

ist – das haben wir erst mit der Zeit realisiert.“<br />

Die Erkenntnis brachte die Idee,<br />

dass eine Lösung in der Prävention liegen<br />

könnte. Die Anästhesiologische Abteilung<br />

um Professor Dr. Michael Möllmann etablierte<br />

bereits 2003 ein Konzept zur Delir-<br />

Prävention in Münster. Delir ist mittlerweile<br />

ein populäres Thema geworden. Wie<br />

viele Klinken in Deutschland ihre Patienten<br />

speziell auf Delir nach Operationen<br />

untersuchen, ist nicht bekannt. Manche<br />

greifen auf ehrenamtliche Helfer zurück,<br />

die mit den Patienten lesen. Andere stützen<br />

sich auf die Umsetzung der Leitlinien<br />

zur Analgesie, Sedierung und zum Delir-<br />

Management, in denen das Delir allerdings<br />

nur am Rande erwähnt wird.<br />

Verkettung<br />

unglücklicher Umstände<br />

Dass die Umgebung Patienten bei der Genesung hilft, ist durch mehrere Studien belegt.<br />

Eine der ersten Untersuchungen (1984) basiert auf dem Vergleich zweier Patienten gruppen<br />

in Texas. Beide hatten identische OPs erlebt und waren anschließend in unterschiedlichen<br />

Zimmern untergebracht. Die Gruppe, die von ihrem Zimmer auf einen Park blickte,<br />

benötigte weniger Analgetika, wurde seltener depressiv und konnte schneller ent lassen<br />

werden als die Vergleichsgruppe, die auf eine Betonmauer starrte. Das Projekt „Healing<br />

Architecture“ der Charité in Berlin richtete dafür eigene Zimmer ein – mit angenehm<br />

gestalteten Decken, Möbeln und Medizingeräten. Die Produktlinie Linea von Dräger stützt<br />

mit optisch angenehmer Einbindung der notwendigen Versorgungsgeräte. Kombiniert zum<br />

Beispiel mit dem Noise Display SoundEar, Lautstärkeindikator zur Über wachung und<br />

Darstellung des Geräuschpegels, lässt sich ein Umfeld schaffen, das für den Patienten auch<br />

akustisch eine angenehme Umgebung schafft – und so den Stress reduziert.<br />

In den vergangenen Jahren ist die Erforschung<br />

des Phänomens vorangetrieben<br />

worden. Und doch wurden die genauen<br />

Prozesse des Delirs bis heute nicht vollständig<br />

entschlüsselt. Schätzungen<br />

zufolge entwickeln bis zu drei Millionen<br />

Deutsche jährlich ein Delir, einer aktuellen<br />

Studie des Vanderbilt University Medical<br />

Center in Nashville/Tennessee zufolge<br />

sogar drei Viertel aller Intensivpatienten.<br />

Das Statistische Bundesamt verzeichnete<br />

im Jahr 2014 mehr als 40.000 stationäre<br />

Fälle. „Da das Delir immer noch zusätzlich<br />

auf einen meist ohnehin schon vielfältigen<br />

Katalog an Erkrankungen und Symptomen<br />

kommt, wird es leider oft nicht<br />

dokumentiert“, erklärt Gurlit die Dunkelziffer.<br />

Wissenschaftler vermuten, dass<br />

Entzündungsstoffe diesen Zustand auslösen,<br />

die der Körper dann während einer<br />

schweren Erkrankung oder nach einem<br />

chirurgischen Eingriff ausschüttet. Diese<br />

Stoffe könnten die Blut-Hirn-Schranke<br />

überwinden und Gehirnzellen angreifen.<br />

Neue Studien belegen, dass die Narkosetiefe<br />

ebenso ursächlich an der Entwicklung<br />

eines Delirs beteiligt sein kann – je<br />

tiefer die Narkose, desto ungünstiger. Das<br />

intra operative Neuro monitoring mit speziellem<br />

Augenmerk auf sogenannte „Burst<br />

Suppression Muster“ – also Phasen regelmäßiger<br />

hoher Hirnaktivität, die sich mit<br />

dem Ausfall jeglicher Aktivität abwechseln<br />

– trägt deswegen zur Prävention bei.<br />

Zudem wurden Medikamente herausgefiltert,<br />

Benzodiazepine, die zwar im OP gern<br />

angewendet werden, um die Patienten zu<br />

beruhigen, sich aber als außergewöhnlich<br />

delirogen herausstellten.<br />

Vor allem scheint es die Kombination<br />

aus Ausnahmesituation, ungewohntem<br />

Umfeld und Veränderung der Wahrnehmung<br />

zu sein, die das Delir begünstigt.<br />

„Das Delir, ausgenommen das Alkoholentzugsdelir,<br />

trifft besonders häufig ältere,<br />

multimorbide Menschen“, sagt Simone<br />

Gurlit. Kleinere Kinder gelten auch als<br />

gefährdet, ihre Prognose sei aber ungleich<br />

besser. Gurlit engagierte sich mithilfe von<br />

Fördergeldern zunächst projektweise, später<br />

dann fest im Klinikalltag eingebunden,<br />

für die geriatrische Spezial behandlung<br />

chirurgischer Patienten. Das bedeute<br />

zum Beispiel, den Patienten nach der<br />

Ankunft im Krankenhaus zu begleiten:<br />

mit ihm im Zimmer anzukommen, ihm<br />

beim Auspacken zu helfen, ihn zum Röntgen<br />

zu bringen und eben auch in den Operationssaal.<br />

„Delir-Patienten haben einen<br />

erhöhten Betreuungsbedarf“, bekräftigt<br />

16 DRÄGERHEFT 400 | 2 / 2016

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