gebären zu können», schreibt Friedrich Nietzsche in seinem Werk Zarathustra — so wächst und gedeiht das Kreative in der Unordnung meist besser als in fixen Mustern und durchgeplanten Abläufen. Wer Neues schaffen oder neue Wege einschlagen will, sollte bestenfalls keine festgefahrenen Ansichten haben und sich in entscheidenden Momenten auf seine Intuition verlassen können. Kreativ sein braucht manchmal auch ein bisschen Mut, denn es heisst, aus dem Mainstream herauszuspringen. «Damit das Mögliche entsteht, muss immer das Unmögliche versucht werden», sagte der Schriftsteller Hermann «Kreativ zu sein braucht manchmal auch ein bisschen Mut, denn dies heisst auch, aus dem Mainstream herauszuspringen.» Hesse. Vieles von dem, was heute unverzichtbar zu unserem Leben und Alltag gehört, galt einst als unmöglich und ist nur deshalb verändert worden oder überhaupt erst entstanden, weil visionäre Denker hartnäckig an ihrer Idee und deren Umsetzung festgehalten haben. In der medizinischen Forschung beispielsweise sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Errungenschaften erzielt worden wie Impfungen, Antibiotika, Anästhesie — oder auch die Antibabypille, die eine völlig neuartige Form von Verhütung ermöglichte und dadurch die Sexualität revolutionierte. Zwar sind diese und andere bahnbrechende wissenschaftliche Errungenschaften in der Regel nicht auf die Leistung eines Einzelnen zurückzuführen — denn oft entsteht Grosses in einem Team — doch aber auf einzelne <strong>Mensch</strong>en, die bedingungslos an ihre Vision glaubten und nichts unversucht liessen, wenn es darum ging, diese in die Realität umzusetzen. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in Politik, Wirtschaft, Kunst, Sport oder selbst im Privatleben lösen Visionen ungeahnte Kräfte aus. Grosse Ziele setzen viel in Bewegung: Wer weiss, wohin er will, nimmt Stolpersteine und Hindernisse in Kauf und kommt viel eher ans Ziel. Dazu gehören neben Engagement, Ausdauer und Mut auch eine bedeutende Portion Beharrlichkeit, Intuition und manchmal das nötige Quäntchen Glück oder — insbesondere in der Kunst — der Kuss einer Muse. Dieser sogenannte «Musenkuss» führt auf die Antike zurück, wo man noch davon ausging, dass Ideen sich nicht selbst entwickeln, sondern von Göttern und Musen eingegeben werden. Nur darauf zu vertrauen, von der Muse geküsst und die richtige Idee eingeflüstert zu bekommen, scheint unrealistisch, jeder ist weitgehend des eigenen Denkens Schmied, und trotzdem sind wir — unabhängig davon, was wir machen — auf Inspiration angewiesen und verstehen sie als etwas, das von aussen kommt. Visionäres Denken ist immer auch eine Sache der Einstellung. «Think different», riet beispielsweise Steve Jobs, der seinerzeit die Computerwelt revolutioniert und Apple zu nahezu unermesslichem Erfolg geführt hat. Ebenfalls hielt Steve Jobs immer dazu an, manchmal einen Schritt zurückzutreten und einen Blick auf das grosse Ganze zu werfen. So gelingt es, Zusammenhänge zwischen Dingen herzustellen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Visionen haben auch mit Selbstbewusstsein zu tun, nur wer an sich und seine Idee glaubt, und es schafft, andere dafür zu begeistern, wird ans Ziel gelangen. Oder mit den Worten von Antoine de Saint-Exupéry ausgedrückt: «Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, offenen Meer.»
Jonas Baumann «Apollo — Gott der Künste»