Beelitzer Nachrichten - März 2017
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AUS DER STADTGESCHICHTE<br />
Seite 11<br />
„Der werthen Stadt Beelitz<br />
zur Nachricht hat man<br />
bey Gelegenheit der<br />
schlechten und betrὑbten<br />
Zeiten, welche der seel.<br />
Herr George Michaelis<br />
mit erlebet, allerhand<br />
unglὑckliche Zufἁlle an<br />
Krieg, Brand oder Feuer-<br />
Schaden, Plὑnderung und<br />
Pest, so sich innerhalb<br />
200. Jahren, als von Ao.<br />
1478. bis 1700. in gedachter<br />
alten Chur-Stadt Beelitz<br />
zugetragen, bemercken,<br />
und guten Theils<br />
aus dem Breviario Historico<br />
Henr. Sebaldi (...)<br />
extrahiren wollen.“<br />
Die <strong>Beelitzer</strong> Vergangenheit<br />
ist durch wenige Persönlichkeiten<br />
überliefert. Zu ihnen<br />
gehört Heinrich Sebald<br />
(1588-1679), der ab 1613<br />
Pfarrer in Beelitz war. In<br />
seinem 1655 erschienenem<br />
Geschichtswerk „Breviarium<br />
Historicum“ befindet sich<br />
ein knapp 70-seitiges Kapitel<br />
von „der Stadt Beelitz,<br />
Ursprung oder Anfang (…)<br />
etlichen Widerwertigkeiten<br />
und was sich sonsten allda<br />
begeben“.<br />
Sebalds Aufzeichnungen<br />
sind Grundlage einer um<br />
1700 erschienenen Schrift,<br />
die in loser Folge in den<br />
<strong>Beelitzer</strong> <strong>Nachrichten</strong> nachgedruckt<br />
wird. Dieses Mal<br />
erscheinen die Aufzeichnungen,<br />
die das Jahr 1628<br />
betreffen. M. Fließ<br />
D<br />
en 3. Febr.<br />
als am 4.<br />
Sontag post<br />
Epiph<br />
[Epiphanie/<br />
Erscheinung, Offenbarwerden<br />
– bezeichnet<br />
den 6. Januar und<br />
bezieht sich auf drei<br />
Ereignisse im Leben<br />
Jesu] kamen etliche<br />
Corner Reuter von<br />
Teltow des Weges<br />
herunter, nahmen<br />
Quartier theils aus<br />
den umliegenden<br />
Dὁrffern als Sticken,<br />
Schlunckendorff,<br />
Rἁhstorff, Schὁpe,<br />
Steindorff, Borck,<br />
Schὁnefeld, Rieben,<br />
Elßholtz, Wittbrietzen<br />
und ferner bis an<br />
Brietzen, alhier lag<br />
der Stab in die 300.<br />
Mann, die Commendanten<br />
waren Montecuculi<br />
und der Obr.<br />
Schἁffer, hielten 2.<br />
Nacht aus und presseten<br />
weidlich Geld.<br />
Mein Collega der<br />
Diaconus, wollte<br />
nicht 6. Thlr. herschiessen<br />
(ob er wohl<br />
in seinem Eigenthum<br />
wohnte) als ich thun<br />
muste, da legten sie<br />
ihm einen Reuter mit<br />
einer bὁsen bestien<br />
ein, die machte den<br />
FICHTENWALDE - Wohl selten erreicht<br />
eine Lesung ein so großes Publikum:<br />
500 Anmeldungen waren im Vorfeld der<br />
Veranstaltung der Sicherheitspartnerschaft<br />
Fichtenwalde mit dem bekannten<br />
Rechtsmediziner Michael Tsokos Ende<br />
Februar eingegangen.<br />
Kurzfristig musste die<br />
Lesung vom Hans-<br />
Grade-Haus in die<br />
Sporthalle verlegt werden,<br />
um zumindest 300<br />
interessierten Bürgern<br />
einen Einblick in die<br />
Welt der Toten zu gewähren<br />
- und das bei<br />
erhöhten Sicherheitsbedingungen.<br />
Denn die Moderation übernahm Erardo<br />
Rautenberg, Generalstaatsanwalt des<br />
Seinigen den Tag zur<br />
Nacht, die Reuter<br />
bekamen seine und<br />
der Frauen Harts-<br />
Kappe, zogen sie an<br />
und machten<br />
Fastnach vor der Zeit,<br />
nahmen auch endlich<br />
seine mit hinweg.<br />
Den 17. Febr. ward<br />
eine neue Kriegs-<br />
Capitulation aufgerichtet,<br />
hatte aber<br />
damit keinen Bestand,<br />
denn ob wohl<br />
alsbald drauf aus<br />
Brandenburg die<br />
Guarnisonen anher<br />
schrieben, wieviel<br />
das Land und eine<br />
jede Stadt, zu ihrer<br />
Verpflegung solten<br />
geben, dabey auch<br />
angedeutet ward, daß<br />
wir keinem andern<br />
Quartier sollten geben,<br />
bey 100. Thlr.<br />
Straffe, wie uns denn<br />
auch ein Soldat zur<br />
salva Guardi ward<br />
gesandt, so kamen<br />
doch bald den 8.<br />
Martii, als Sonnabens<br />
vor Reminiscere, in<br />
die 200. Fuß-Knechte<br />
und etliche Reuter,<br />
mit vielen Weibern,<br />
war loß Gesindel und<br />
wollten in 2. Tagen<br />
nicht weichen, biß<br />
man ihnen 45 Pferde<br />
Landes und seit Kurzem Kandidat der<br />
SPD für die Bundestagswahl im Wahlkreis<br />
60. Tsokos, der die Rechtsmedizin<br />
an der Berliner Charité leitet und darüber<br />
hinaus als Buchautor und Gast in<br />
Fernsehsendungen gefragt ist, hat dann<br />
einige „Irr-tümer über<br />
die Rechtsmedizin“ aus<br />
seinem Buch „Sind Tote<br />
immer leichenblass?“<br />
vorgelesen und diese<br />
jeweils mit anschaulichem,<br />
für das Publikum<br />
teilweise schockierendem,<br />
Bildmaterial aus<br />
seiner rechtsmedizinischen<br />
Arbeit unterlegt und ausführlich<br />
erläutert. Vor allem gingen die Fälle<br />
Mohammed und Elias dem Auditorium<br />
zum Vorspann, ihre<br />
Sachen und Krancken<br />
fortzuschaffen, verschaffete.<br />
Den 18. Martii<br />
kam an ein Colloredischer<br />
[coleretisch<br />
- Gallenfluss fördernd]<br />
Obristter,<br />
Winckel genannt, mit<br />
400. Reutern, lagen<br />
eine Nacht im Quartier.<br />
Den 9. Iunii kamen<br />
etliche 1000. Fuß-<br />
Knechte von der Dessauschen<br />
Schantze,<br />
und zogen nach Kleinen<br />
Briesen auf der<br />
Goltze, dahin musten<br />
die Bauren allerley<br />
Proviant an Vieh und<br />
Futterage schaffen,<br />
dieses Stἁdtlein sollte<br />
etliche 30. Tonnen<br />
Bier schicken, kamen<br />
endlich mit 16. Tonnen<br />
und 15. Cent.<br />
Brod loß, it. 2.<br />
Schefl. Saltz.<br />
Den 23. Iunii zog<br />
der Oberste Paland<br />
zwar durch mit 500.<br />
Mann, aber man<br />
muste mit 60. Thlr.<br />
ihm die Einquartirung<br />
abkauffen.<br />
Den 17. August<br />
kam Graff Iohann<br />
Iselon (hatte kein<br />
Haar auf dem Kopf)<br />
Riesiger Zuspruch für Tsokos-Lesung<br />
300 interessierte Zuhörer erhielten exklusiven Einblick in die Welt der Rechtsmedizin<br />
Rautenberg und Tsokos (v.l.) in Fichtenwalde.<br />
Foto: Scheiper<br />
mit vielen Crabaten<br />
[kroatische Reiter]<br />
und andern Volk hie<br />
an, deren eine grosse<br />
Menge durchzogen,<br />
er theilte den Officirern<br />
starcke Ordere,<br />
daß sie niemand solten<br />
Schaden thun<br />
lassen, er aber bliebe<br />
mit dem Stab allhie<br />
2. Tage.<br />
Den 17. September<br />
folgete nach der Obr.<br />
Graff Christoff Philip<br />
Kratz, hatte auch viel<br />
Volcks bey sich, der<br />
Stab und eine ziemliche<br />
Menge Curassierer<br />
blieben alhier 4.<br />
Tage, das ander<br />
Volck lag auf dem<br />
Lande. Uber das alles<br />
nun, und so viel Einquartirungen,<br />
Pressuren<br />
und Beschwerungen,<br />
so von Fremdden<br />
dieses Stἁdtlein<br />
und umliegenden<br />
Oerter und Dὁrffer<br />
erlitten und ausgestanden,<br />
hat auch<br />
dieses einige Jahr<br />
1200. Thlr. (wie die<br />
Quitung besagen) die<br />
arme Bὑrgerschafft<br />
zu Unterhaltung und<br />
Verpflegung unsers<br />
gnἁdigsten Herrn<br />
Soldatesque hergeschossen.<br />
nah. Tsokos, der im vergangenen Jahr<br />
die Autopsie übernahm, zeigte Aufnahmen<br />
vom Leichenfundort, wo er Elias<br />
eigenhändig ausgegraben habe. In der<br />
Gesprächsrunde wurde unter anderem<br />
gefragt, wie er mit dem Erlebten seiner<br />
Tätigkeit umgehe, ob es Leichengifte<br />
gebe oder warum die Berliner Rechtsmedizin<br />
im Fall Elias tätig wurde.<br />
Trotz oder gerade wegen der schweren<br />
Thematik wurde der Abend für die Sicherheitspartner<br />
ein voller Erfolg - auch<br />
wenn vonseiten der Landespolitik niemand<br />
erschienen war. Das wiederum<br />
hätte sich vor allem Tsokos gewünscht,<br />
der gegen die allgemeine Sparpolitik in<br />
seinem Fachgebiet ankämpft.<br />
Einen ausführlichen Beitrag finden Sie<br />
auf www.fichtenwalde-bloggt.de Red.