Gesamt_2017-02_IBF
Heft 2_17
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»Ich habe nicht eine einzige Stimme vernommen,<br />
die die Analyse oderden Handlungsbedarf<br />
infrage gestellt hätte.« ANDREA ENRIA<br />
die Krise nicht für beendet erklären, bis<br />
wir dieses Problem nicht behoben haben.<br />
Die Reaktion auf Ihre Idee kann man als<br />
eher durchwachsen bezeichnen.<br />
Enria: Mein Eindruck ist, dass es eine<br />
breite Zustimmung darüber gibt, dass es<br />
das Problem gibt. Ich habe nicht eine einzigeStimme<br />
vernommen, diedie Analyse<br />
oder den Handlungsbedarf infragegestellt<br />
hätte. Es gibt unterschiedliche Meinungen<br />
über die Lösungsansätze. Aber selbst<br />
dabeigilt:Niemand bestreitet,dass Asset-<br />
Management-Gesellschaften eine wichtigeRolle<br />
beiden Bilanzsäuberungen spielen<br />
könnten. Ich wollteeine Debattedarüber<br />
in Gang setzen. Jetzthaben wir dieso<br />
wichtigeDiskussion.<br />
Deutschland war gar nicht glücklich über<br />
die Idee.<br />
Enria: Auch in Deutschland hat eskeine<br />
Stimme dazu gegeben, die das Problem<br />
kleinredet. In Deutschland ist die<br />
Hauptsorge, dasseseine Vergemeinschaftung<br />
der Risiken gibt. Dazu könnte dann<br />
gehören, dass deutsches Geld dafür verwendet<br />
werden müsste, schlechte Entscheidungen<br />
in anderen Mitgliedsländern<br />
zu subventionieren. Aber ich kann Ihnen<br />
versichern: Als wir unseren Vorschlag erarbeitet<br />
haben, waren wir sehr vorsichtig,<br />
um genau diese Vergemeinschaftung<br />
zu vermeiden. Sollten im Verkaufsprozess<br />
der Assets Verluste anfallen, dann<br />
müssen diese von den Ländern aufgefangen<br />
werden, in denen die jeweiligen Banken<br />
beheimatet sind. Es gibt verschiedene<br />
Möglichkeiten, die Vergemeinschaftung<br />
von Verlusten zu verhindern. Wir<br />
haben immer deutlich gemacht, dass das<br />
Asset Management kein Werkzeug sein<br />
darf, Verluste aufzuteilen. Zudem sage<br />
STATIONEN UND VITA<br />
BANKENEXPERTE<br />
ich auch ganz deutlich: Wir sollten nicht<br />
in eine Situation zurückkehren, in der der<br />
Steuerzahler für das ganze Dilemma zahlen<br />
muss. Wir müssen uns innerhalb der<br />
neuen Regeln bewegen und sicherstellen,<br />
dass es dieprivatenInvestorensind, diezuallererst<br />
für Verlusteaufkommenmüssen.<br />
Muss es denn ein einziger Asset-Manager<br />
sein?<br />
Enria: In unserem Vorschlag präferieren<br />
wir eine europäische Asset-Management-<br />
Gesellschaft. Esist aber durchaus auch<br />
vorstellbar, dass wir eine Art europäische<br />
Blaupause erstellen, vonder ausnationale<br />
Asset-Management-Gesellschaften<br />
entwickelt werden können. Dass wir bei<br />
der Richtliniezur Sanierung und Abwicklung<br />
vonKreditinstituten (BRRD) und bei<br />
staatlicher HilfeStandards gesetzthaben,<br />
ist natürlicheine sehr großeHilfe. Derzeit<br />
haben wir beiden Non-Performing Loans<br />
einen sehr engen Markt, an dem sich nur<br />
sehr spezialisierte Investoren beteiligen.<br />
Unsere Idee ist es, einen Markt zu schaffen,<br />
der transparenterund liquider ist, damit<br />
neue Investoren dazukommen.<br />
Nochmal konkret: Kommt die nächste Finanzkrise<br />
auf uns zu, wenn das Problem<br />
nicht gelöst wird?<br />
Enria: Es gibt keine unmittelbare Gefahr<br />
für die Finanzstabilität. Invielen Fällen<br />
haben wir es mit Banken zu tun, die lebensfähig<br />
sind, aber zu viele dieser faulen<br />
Kredite inden Büchern haben. Das<br />
hemmt sie in ihrer eigentlichen Aufgabe<br />
der Kreditvergabe,was wiederum der Profitabilitätund<br />
dem Geschäftsmodell schadet.<br />
Wenn das Thema nicht angegangen<br />
wird, kann das zu einem sehr ernsthaften<br />
Problem werden.<br />
Um welche Länder geht es konkret?<br />
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde<br />
EBAwurde 2011 als Konsequenz<br />
aus der Finanzkrise gegründet. Der<br />
55-jährige Italiener Andrea Enria führt<br />
die EU-Behörde seit Beginn. Nach<br />
seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften<br />
begann Enria 1988 für die<br />
Banca d'Italia zu arbeiten. Von1999 bis<br />
2004 wirkte er in Frankfurtbei der EZB,<br />
wo er bereits mit der Regulierung und<br />
Aufsicht von Banken befasst war.Danach<br />
kehrte Enria zur Banca d'Italia zurück.<br />
Enria: Es gibt zehn Länder, imdenen die<br />
durchschnittliche NPL-Quote über 10 Prozent<br />
liegt. Aber es gibt einzelne Banken<br />
mit einer solchen Rate in praktisch jedem<br />
Mitgliedsland.<br />
Waspassiertdenn, wenn niemand diese Assets<br />
kaufen will?<br />
Enria: Investoren kaufen keine Assets,<br />
wenn siekeine Informationen haben und<br />
es Unsicherheit über die Qualität der<br />
Schuldner gibt. Ich habe aber den Eindruck,<br />
dass das Zinsumfeld den Appetit<br />
aufrisikoreichereAssets erhöht.<br />
Sie haben das Thema Profitabilität bereits<br />
erwähnt. Sind die Banken da auf dem richtigen<br />
Weg?<br />
Enria: Es gibt einige Treiber von geringer<br />
Profitabilität, auf die Banken tatsächlich<br />
keinen Einfluss haben. Dazu gehören natürlich<br />
die Geldpolitik und das Niedrigzinsumfeld.<br />
Aber es gibt Bereiche, indenen<br />
Banken selbst aktiv werden müssen.<br />
Die Kosteneffizienz muss bei vielen Banken<br />
verbessert werden. Im Durchschnitt<br />
decken die Zinseinkommen der europäischen<br />
Banken nicht die operativen Kosten.<br />
Die Banken haben es auch immer<br />
noch mit Rechtsstreitigkeiten und Vergleichen<br />
zu tun. Am Anfang haben wir<br />
alle gedacht, dass es sich um Einzelfälle<br />
handelt. Aber noch immer steigen die<br />
Zahlungen für diese Rechtsstreitigkeiten.<br />
Unglücklicherweise sind dievergangenen<br />
Episoden von Fehlverhalten noch nicht<br />
abgeschlossen.<br />
Würde es helfen, wenn die EZB die Zinsen<br />
erhöht?<br />
Enria: Es ist eine Stärkedes europäischen<br />
Bankensektors, dass es ein großes Ökosystem<br />
mit einer Vielfalt von Geschäftsmodellen<br />
gibt. Dennoch müssen wir feststellen,<br />
dass manche Geschäftsmodelle<br />
schlichtweg nicht überlebensfähig sind.<br />
Das ist der Grund, warum die RegulierersovielWertauf<br />
dieNachhaltigkeitder<br />
Modelle legen. Es liegt noch ein Weg vor<br />
uns, aber ich würde sagen, dass es Fortschrittegibt.<br />
Nämlich?<br />
Enria: Banken besinnen sich mehr aufihr<br />
Kerngeschäft, verschlanken ihre Strukturen<br />
und verkaufen, was nicht mehr zu ihnen<br />
passt. Das alles ist von Kosteneinsparungen<br />
begleitet. Der Prozess ist aber v<br />
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