Wirtschaftszeitung_24042017
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24 GELD &GESCHÄFT<br />
Der Betrieb als Marke<br />
Beim Personaltag der Handwerkskammer wurden Ideen vorgestellt und Möglichkeiten diskutiert.<br />
„Wie verkaufe ich mich als Arbeitgeber?“<br />
Diese Frage müssten sich<br />
Unternehmer auf jeden Fall stellen,<br />
und nicht nur dann, wenn sie neues<br />
Personal einstellen wollten. Die<br />
Attraktivität des Arbeitgebers und<br />
damit seines Unternehmens sei ein<br />
wichtiges Kriterium für die „Marke<br />
Arbeitgeber“, sagt Professorin Henriette<br />
Strotmann. Unternehmer könnten<br />
(und sollten) mehr Marketing für<br />
sich machen.<br />
„Eigenverantwortliches Handeln<br />
steht bei uns im Mittelpunkt.“<br />
Annabel Tenbrink<br />
Zwölf Foren wurden beim Personaltag<br />
des Handwerks angeboten,<br />
darunter „Marke.<br />
Arbeitgeber“. Und dazu gehören<br />
Bekanntheit des Unternehmenssowie<br />
Attraktivität und Vertrauen,<br />
die der Arbeitgeber und der Betrieb<br />
ausstrahlen – „und ganz wichtig ist die<br />
Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers“, betont<br />
HenrietteStrotmann, die an der Fachhochschule<br />
Münster lehrt.<br />
Der Arbeitgeber müsse potenzielle Lehrlinge<br />
und neue Mitarbeiter glaubwürdig<br />
vom Betrieb überzeugen und bei der Suche<br />
nach Auszubildenden bereits in der<br />
Schule –und dabei<br />
nicht erst in<br />
der Abschlussklasse<br />
–beginnen.<br />
Betriebspraktika,<br />
Informationstage,<br />
Berufsinformationsmessen<br />
gehören<br />
dabei zu<br />
den „Klassikern“. Ganz wichtig sind persönliche<br />
Gespräche und die Möglichkeit,<br />
den eventuellen Ausbildungsbetrieb und<br />
die weiteren Möglichkeiten und Chancen<br />
kennenzulernen, so berichteten Unternehmer<br />
aus eigener Erfahrung.<br />
Ein Unternehmensleitbild nicht nur entwickeln,„sondern<br />
dieses Leitbild auchleben“.<br />
Das gehört für Annabell Tenbrink<br />
zum betrieblichen Marketing. „Unsere Vision<br />
für das Jahr 2030 wurde mit allen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt“,<br />
sagt die Geschäftsführerin der Firma<br />
Tenbrink Ladenbau in Stadtlohn. Ein<br />
fester monatlicher Informations-Termin<br />
für alle Beschäftigten ist Teil des Leitbilds<br />
(„der Informationsflf uss muss stimmen“),<br />
auch eine jährliche Mitarbeiter-Befragung<br />
und Angebotezur Weiterbildunggehören<br />
dazu.<br />
„Eigenverantw<br />
ortliches Handeln steht bei<br />
uns im Mittelpunkt“, betont AnnabellTen-<br />
„Der Bekanntheitsgrad ist ein wichtiger Faktor“, sagt Malermeister Thomas Caruso (r., auf unserem Foto mit seinem Mitarbeiter Denis<br />
Poselenzer).<br />
Foto: Hubertus Kost<br />
brink. Auch das sei ein Teil der Attraktivität<br />
des Arbeitsplatzes. Ein weiteres Beispiel:<br />
Angebote zur Gesundheitsförderung.<br />
Es gibt ein festes jährliches Budget<br />
für Gesundheitsmaßnahmen.<br />
Wichtig ist dem Unternehmen, das rund<br />
120Fachkräftebeschäftigt, der Kontakt zu<br />
deren Familien. Sowerden zum Beispiel<br />
zu Jubilarehrungen oder Feiern auch die<br />
Familienmitglieder eingeladen. „Wir sind<br />
ein Familienbetrieb in der viertenGeneration“,<br />
sagt die Geschäftsführerin,„und das<br />
machen wir immerwieder gern deutlich.“<br />
Um den berufl<br />
ichen Nachwuchs muss sich<br />
der Handwerksbetrieb keine Sorgen machen.Bis<br />
zu 150Bewerbungen erhält das<br />
im In- und Ausland tätige Unternehmen,<br />
fünf Lehrlingewerden jährlicheingestellt.<br />
Für besondere Aufmerksamkeit über die<br />
Firma hinaus sorgt die Wahl zum „Azubi<br />
des Monats“, an der sich alle Beschäftigten<br />
beteiligen. Der oder die Ausgewählte<br />
darfdann einen Monat auf Kosten der Firma<br />
mit dem Azubi-Car fahren.Auch damit<br />
erweist sich Tenbrink Ladenbau als attraktiver<br />
Arbeitgeber.<br />
Welche Möglichkeiten haben kleine Betriebe,<br />
sich als attraktiver Arbeitgeber zu<br />
präsentieren? „Wir nutzen unseren Bekanntheitsgrad,“<br />
schmunzelt Thomas Caruso.<br />
Das sei natürlich nicht alles,sagt der<br />
Malermeister aus Münster, der vor ein<br />
paar Jahrenden Betrieb vonseinem Vater<br />
Mario übernahm. Vier Facharbeiter und<br />
ein Meister arbeiten ganz überwiegend<br />
für privateKunden, einLehrling wirdausgebildet.<br />
Der Betrieb bezahlt seine Mitarbeiter<br />
über Tarif und kümmert sich um<br />
diebetriebliche Altersvorsorge.Weiterbildung<br />
ist ebenfalls angesagt, zwei bis drei<br />
Mal proJahr.Das werdezum großen Teil<br />
als Arbeitszeit angerechnet, sagt der Chef,<br />
der selbst an Kursen oder Seminaren teilnimmt,<br />
„denn ich habe ja auch etwas davon,<br />
wenn sich Mitarbeiter weiterbilden“.<br />
Hubertus Kost<br />
FAMILIE UND BERUF STATT FAMILIE ODER BERUF<br />
Die Attraktivität des Handwerks als Arbeitgeber wird zunehmend auch nach den Möglichkeiten der<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf beurteilt. „Familie und Beruf statt Familie oder Beruf“ sei das<br />
Ziel, betont Gisela Goos von der Handwerkskammer. Und dabei gehe es nicht nur darum, die Kinder<br />
während der Arbeit gut versorgt zu wissen, sondern auch um pflegebedürftige Angehörige.<br />
Eine weitere Variante: Teilzeitarbeit und der Wunsch, zumindest einen Teil der Arbeitszeit frei gestalten<br />
zu können. „Das fördert die Motivation enorm“, sagt Frank Winter. Als Beispiel nennt der Unternehmer<br />
(Heizung –Sanitär –Elektro) aus Münster die Situation eines Mitarbeiters, der an vier Tagen länger<br />
als die andere Kollegen arbeitet und freitags freihat, um dadurch auch seine sehr lange Anfahrtszeit<br />
zu reduzieren. Die hohe Flexibilität ist für Frank Winter eine Sache der Abstimmung –„und das machen<br />
die Mitarbeiter untereinander“. Schriftliche Regeln seien nicht notwendig. Freizeit wird hoch bewertet:<br />
„Wir haben keinen Mitarbeiter, der Überstunden ausbezahlt haben möchte“, sagt der Unternehmer.<br />
Mehrarbeit werde durch Freizeit vergütet.<br />
Arbeitszeiten anpassen, den Arbeitsumfang reduzieren, kurzfristige Freistellungen vornehmen, längere<br />
Urlaubsphasen organisieren. „Alles ist möglich“, erläutert Andrea Runge. Sie leitet mit zwei Geschwistern<br />
die Feinkostfleischerei Hidding in Nordwalde mit Filialen im Münsterland. „Wer mit mir spricht,<br />
dem kann ich helfen“, lautet ihre Devise. So fließen Wünsche zur Arbeitszeit in die Arbeitsplanung ein.<br />
Dabei wird auch auf feste private Termine Rücksicht genommen. Andrea Runge erwartet Flexibilität<br />
von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Das ist keine einseitige Angelegenheit.“<br />
Bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird oft an Frauen gedacht, die sich um Kinder kümmern. Das<br />
machen aber zunehmend auch Männer, zum Beispiel Jörg Elke. Der Leiter der Hidding-Filiale inMünster-Nienberge<br />
muss schon mal kurzfristig Termine an der Schule wahrnehmen. Wenn es eben möglich<br />
ist, dann nehmen er und seine Frau gemeinsam daran teil. Für den Vater ist es einfacher, sich auch<br />
schnell mal freizunehmen. „Wir können unsere Arbeitszeit auch kurzfristig untereinander tauschen.“<br />
Natürlich müsse der betriebliche Ablauf gesichert sein. Gegenseitiges Vertrauen sei dabei wichtig. hko<br />
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