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VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2013

2. Akt - Zulassungsstopp light / Gastroenterologie/Rheumatologie

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Perspektiven<br />

Unglaubliche Fallgeschichten<br />

aus der Medizin<br />

Ein strahlender Urlauber<br />

Die Situation war hochnotpeinlich. Sicherheitsbeamte nahmen den 46-Jährigen am<br />

Check-in des Flughafens von Orlando fest. Er musste sich eine Leibesvisitation gefallen<br />

lassen. Spürhunde umschnüffelten ihn. Dann wurde er verhört. Zu verdanken hatte er<br />

dies seiner Schilddrüse und der Angst vor Terrorattacken.<br />

Andere Patienten erlebten ähnliche Situationen bei der Ankunft am Flughafen von Wien<br />

oder Miami, in der U-Bahn von Manhattan, beim Betreten eines Banktresorraums oder<br />

während einer Busfahrt von New York nach Atlantic City. Sie wurden behandelt wie<br />

Verbrecher, waren aber in Wahrheit nur harmlose, schilddrüsenkranke Reisende oder<br />

am Herz untersucht worden.<br />

Bei dem 46-Jährigen hatte alles rund ein halbes Jahr zuvor begonnen. Damals suchte<br />

der Mann einen Arzt auf, weil er Gewicht verlor. Seine Hände zitterten leicht, er schwitzte<br />

mehr und sein Herz schlug schneller. Auch an Durchfall litt der Patient. Schilddrüsenüberfunktion,<br />

also ein Zuviel an Schilddrüsenhormonen, stellten die Ärzte fest und<br />

behandelten das Organ mit radioaktivem Jod. Um Hormone herzustellen, braucht die<br />

Schilddrüse Jod. Dabei unterscheiden die Zellen nicht zwischen radioaktivem und normalem<br />

Jod. Das machen sich die Nuklearmediziner zunutze. Sie verabreichen den Patienten<br />

radioaktives Jod-131. Vor allem die kranken, überaktiven Zellen in der Schilddrüse<br />

nehmen es auf. Beim Zerfall setzt Jod-131 radioaktive Strahlung frei und zerstört<br />

damit die Zellen. Da diese Betastrahlung nur etwa einen halben Millimeter weit reicht,<br />

ist die Behandlung für andere Organe oder andere Menschen praktisch gefahrlos. Neben<br />

dem Jod-131 verwenden die Ärzte, zum Beispiel bei Herzuntersuchungen, auch radioaktives<br />

Thallium oder andere radioaktive Isotope. Weder die Nuklearmediziner noch<br />

ihre Patienten wussten jedoch, wie empfindlich die Detektoren sind, denen man seit den<br />

Terrorattacken vom 11. September 2001 an vielen Orten begegnen kann. Über 12 000<br />

Handgeräte wurden in der Zwischenzeit allein in den USA durch staatliche Stellen verteilt.<br />

Obwohl ihre Behandlung zum Teil länger zurücklag, lösten die Betroffenen Alarm aus.<br />

Der 46-Jährige, der seinen Urlaub in den USA verbringen wollte, war bereits sechs Wochen<br />

vorher behandelt worden. Die Detektionsgeräte aber schlagen bis zu 95 Tage nach der<br />

Radiojodtherapie an. Sie registrieren die Strahlung derart fein, dass in Wien sogar die<br />

Ehefrau eines 69-jährigen Patienten unter Terrorverdacht geriet. Sie kehrte mit ihrem<br />

Mann von einer Reise nach Frankfurt zurück (wo sie keinen Alarm verursacht hatte).<br />

Durch den engen Kontakt mit ihrem Gatten strahlte sie offenbar selbst ganz minimal.<br />

Nachdem sich die Patienten teils massiv bei ihren (von den Behörden nicht informierten)<br />

Ärzten beschwert hatten, gaben diese den Kranken entsprechende Schreiben mit. Darin<br />

wird erklärt, woher die Strahlung rührt. Doch auch das schützt nicht in allen Fällen vor<br />

Problemen. Geflissentlich zeigten zwei Patienten – die gar keinen Alarm ausgelöst<br />

hatten – ihr Zertifikat den Sicherheitsbeamten am Flughafen. Der Erfolg: Sie wurden<br />

gründlichst befragt und untersucht. <br />

■<br />

50 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2013</strong>

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