FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
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DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
EINE SONDERBEILAGE DES TRE TORRI VERLAGS · DER VERLAG FÜR ESSEN, TRINKEN UND GENUSS 1 |2017
ISSEY MIYAKE, MEISTER UND MAGIER DER MINIMALISTISCHEN MODE
VERLEGER UND HERAUSGEBER
Ralf Frenzel
ralf.frenzel@fine-magazines.de
CHEFREDAKTEUR
Thomas Schröder
thomas.schroeder@fine-magazines.de
REDAKTION
Katja Richter
ART DIRECTION
Guido Bittner
MITARBEITER DIESER AUSGABE
Ellen Alpsten, Ralf Bastian, Hannah
Conradt, Uwe Kauss, Krisztina Koenen,
Stefan Pegatzky, Stuart Pigott, Angelika
Ricard-Wolf
FOTOGRAFEN
Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes Grau,
Marco Grundt, Christof Herdt
TITEL-FOTO
Issey Miyake – Beaute Prestige
International
VERLAG
Tre Torri Verlag GmbH
Sonnenberger Straße 43
65191 Wiesbaden
www.tretorri.de
Geschäftsführer: Ralf Frenzel
Wilhelm Weil, Hans-Joachim Vauk, Klaus Westrick
zum Beispiel: Was mögen die drei wohl gemeinsam
haben, was könnte sie verbinden? Eines gewiß:
Alle drei sind Meister ihres Fachs – der Winzer, der Schuhmacher,
der Media-Geschäftsmann. Sie alle haben sich mit
dem normal Erwartbaren nicht zufrieden gegeben, haben das
Besondere ihrer Profession gesucht und so ein Maß gesetzt,
an dem andere gemessen werden. Und wie die genialen Modedesigner
Issey Miyake, Narciso Rodriguez, Wolfgang Joop oder
das Pariser Duo Zadig & Voltaire (eigentlich Cecilia Bönström
und Thierry Gillier) samt ihrer Parfüm-Kreateure schöpfen sie
nicht nur selbst aus dem vollen Vorrat ihrer Inspiration; ihre
Produkte, ihre Handlungen und Haltungen inspirieren stets
auch andere. Dieses Heft zeigt Menschen, deren Kreativi tät sie
immer wieder zu Schaffens- und Erfindungslust bewegt. Ein
stumpfer Geist erdenkt eben kein geschliffenes Produkt.
ANZEIGEN
Judith Völkel
Tre Torri Verlag GmbH
+49 611-57 990
anzeigen@fine-magazines.de
DRUCK
Prinovis Ltd. & Co. KG · Nürnberg
FINE Das Magazin für Genuss und Lebensstil
ist eine Sonder beilage des Tre Torri Verlags
und erscheint im Verbund mit FINE
Das Wein magazin viermal Jährlich im ausgesuchten
Zeitschriftenhandel.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion
wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt
eingereichte Manuskripte, Dateien, Datenträger
und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten
Artikel sind urheberrechtlich geschützt.
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INHALT
WEINE FÜR JUNGE WELTBÜRGER
Jetzt macht er auch Wein in Rheinhessen: Der Rheingauer Winzer Wilhelm Weil geht neue Wege
SUBTILER VERFÜHRER: NARCISO RODRIGUEZ
Der amerikanische Designer liebt die Nuancen: in der Mode wie bei den Düften
»MEINE WÄHRUNG SIND DIE MEDIEN«
Klaus Westrick, Chef der XLS Media Group, beweist, dass in der modernen Wirtschaft Tauschhandel funktioniert
EIN ATHLET DES PURISMUS
Der japanische Modeschöpfer Issey Miyake ist ein Meister der Reduktion
MEMBERS ONLY
67, Pall Mall – der exklusive Club für Weinliebhaber in London
ROCK ME BABY!
Wie das Label Zadig & Voltaire die Duft- und Fashionszene aufmischt
KARATE-KOSMETIK
Zwei Tänzerinnen boxen ein neues Schönheitsserum von Shiseido in den Markt
VERTEUFELUNG DER REINHEIT
Stuart Pigott ist dagegen, Fehltöne im Wein als authentisch zu verkaufen
DAS DEUTSCHE KÜCHENWUNDER
Die Kulinarik im Nachkriegs-Deutschland erlebte ihren Aufschwung dank einer europäischen Agrarpolitik
DIE WILDNIS IM BLICK
Für seinen neuen Duft WOW! lässt Joop eine alte Ikone wieder aufleben: Tarzan
SCHUHE FÜR EIN GANZES LEBEN
Hans-Joachim Vauk fertigt seit dreißig Jahren feinste Maßschuhe für Kunden in der ganzen Welt
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT
Die trauen sich was: Veuve Clicquot präsentiert »Rich«-Champagner – süß und zum Mixen »on the rocks«
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 3
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Alles für
den Garten
FÜR EINE ENTSPANNTE UND
GENUSS VOLLE GARTENSAISON 2017.
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WEINE FÜR
JUNGE
WELTBÜRGER
Rheinhessischer Wein – erzeugt von einem Rheingauer Winzer: Mit seinem
Projekt »Robert Weil Junior« erregt der berühmte Kiedricher Weinmacher
Wilhelm Weil Aufsehen. Und erfüllt sich zugleich einen Generationenwunsch.
Von RALF BASTIAN
Fotos RUI CAMILO
Foto: Guido Bittner
Als die Nachricht vor wenigen Wochen die Runde machte, zuckten
einige zusammen und dachten: Was macht denn der Weil da? Dass
das Weingut Robert Weil nun auch Wein auf der linken Seite des
Rheins, in Rheinhessen, erzeugt, dürfte eine der größten Überraschungen
dieses Weinjahrs sein. Bis jetzt war das unvorstellbar für
die Familie Weil, es wäre fast einem Sakrileg gleichgekommen: Vier
Generationen lang war sie ausschließlich in Kiedrich, auf der rechten
Seite des Stroms, tätig. Robert Weil, das stand bislang für hundert
Prozent Riesling und für hundert Prozent Rheingau in »Reinstkultur«,
wie Wilhelm Weil, der Gutsdirektor des Weinguts, sagt.
Viele sehen im Weingut Robert Weil sogar ein welt weites Symbol
deutscher Riesling- Kultur. Wer kennt nicht das himmelblaue Etikett,
das für die Faszination des Rieslings steht? Robert Weil – das war
immer ein messerscharf gezogenes, präzis aus gerichtetes Konzept:
Hundert Hektar Riesling, die »im Zirkelschlag« um das Weingut
liegen, etwas anderes kam nicht in Frage. Diesen Weg hat Wilhelm
Weil nun mit dem Jahrgang 2016 ver lassen und drei Burgunder- Weine
von der »left bank«, vom linken Ufer des Rheins, vor gelegt. »Der
Rheingau ist eine wunderbar blühende Wiese«, sagt der Winzer,
»aber es gibt auch noch andere begehrenswerte Welten.«
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 7
SUBTILER
Der amerikanische Designer Narciso Rodriguez versteht sich auf
die Kunst der Nuancen. In seiner Mode wie in seinen Parfüms
Von ANGELIKA RICARD-WOLF
Fotos MARCO GRUNDT
10 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
VERFÜHRER
»Sind Sie der mit den Düften?« fragte der italienische Beamte bei der Passkontrolle. »Ich
bin der Mode macher«, antwortete Narciso Rodriguez. Klar, Parfüms macht er auch. Sehr
erfolgreich sogar. Dass er dafür in einigen Ländern bekannter ist als wegen seiner hin reißend
schönen Fashionlinie, nimmt er gelassen. Schließlich ist es in jedem Fall seine unverwechselbare
Handschrift, die man mit seinem Namen verbindet – die zeitloser Eleganz.
Kaum ein Designer versteht sich so auf die Kunst
subti ler Verführung wie Rodriguez. Das gilt für seine
Düfte wie für seine Mode. Nie würde er etwas entwerfen,
was im übertragenen Sinn »laut« ist. Ein schrilles
Nichts von Kleid etwa, das gerade mal für ein Paparazzi-
Foto auf dem Roten Teppich taugt, aber dann nie wieder
auftaucht, schon gar nicht in den Läden. Oder ein grelles
Parfüm, das seine Trägerin (und ihre Umgebung) erschlägt.
Derlei Effekthascherei liegt ihm nicht. »Ich möchte Dinge
kreieren, die Bestand haben, die bleiben. Die man heute
so gut wie morgen tragen kann, Dinge eben, die lebendig
bleiben.«
Wie gekonnt er die Klaviatur feiner Nuancen beherrscht,
zeigt sich in seinen Mode-Kollektionen, bei denen stets Weiß,
Schwarz und Nude den Ton angeben. Nur selten bricht er
diesen Signatur-Farbcode – wie gerade in der aktuellen Frühjahrslinie.
Darin wagt er sogar mal ein leuchtendes Orange
für einige wenige, ausgesuchte Einzelteile. Grundsätzlich
bestechen seine Outfits durch ihre exzellent geschnittene
Linie, die den Körper fließend umspielt und sublim betont.
Ex-First-Lady Michelle Obama und Film schauspielerinnen
wie Jessica Alba oder Kate Winslet sind seit Jahren treue
Kundinnen.
Zu dieser Mode passt die DNA seiner Düfte. Sie wird
von Musk orchestriert, eine der wichtigsten Basisnoten der
Parfümerie. Schon seinem ersten Damenduft »For her«,
der 2003 herauskam, gibt diese fein holzige Note mit ihrer
fruchtigen Süße Substanz und sinnliche Wärme. »Moschus
ist das Herz jedes meiner Düfte und mein Favorit«, sagt
der Sechsundfünfzigjährige. Er nehme diese Note selbst
gern, »weil sie unglaublich sexy und betörend ist. Ich mag
es, immer mal eine oder mehrere andere Nuancen darüber
zu tragen.«
Seine Lieblingsduftzutat ist daher auch wieder in den
beiden neuesten Parfüms der Marke zu finden. In »Narciso
Eau de Parfum Poudrée« entwickelt sie gemeinsam mit
Jasmin- und Rosenblüten und im Einklang mit Zedernholz
eine zarte Pudrigkeit. Bei »Fleur Musc for her« spielt sie,
wie der Name verspricht, sogar die Hauptrolle – begleitet
vom Aroma rosafarbener Blüten, rosa Pfeffer, Patschuli
und Amber. »Es ist ein Duft, der Charme und Anmut verströmt«
beschreibt Narciso Rodriguez die jüngste Komposition,
den die Parfümeurinnen Calice Becker und Sonia
Constant mit ihm komponiert haben.
Glaube ja nicht einer, die Duftkreation würde der
56-Jährige, der in New York lebt und arbeitet,
komplett anderen überlassen und nur das Endergebnis
abnicken. Er ist aktiv in den Findungsprozess involviert.
Schon aus Prinzip, weil er nach eigenem Bekunden
»pingelig« ist und auch hier – wie im Modeatelier – auf
jedes Detail achtet. Abgesehen davon, sind Parfüms längst
ein Eckpfeiler seines internationalen Erfolgs.
»Die Chance zu haben, Parfüms entwickeln zu können,
spielt auf meinem Lebensweg eine wichtige Rolle«,
sagt er. Denn nur kurz nachdem er sich 2001 mit seinem
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 11
Subtiler Verführer | Narciso Rodriguez
eigenen Label selbständig gemacht hatte, kam schon die
Parfümschmiede Beauté Prestige International, kurz BPI,
mit dem Angebot auf ihn zu, für und mit ihm eine Duftlinie
aufzubauen.
Sinnlich, elegant, modern: Das
Herz seiner Düfte ist Moschus, das
Gesicht seines neuen Parfüms ist
Raquel Zimmermann. Das brasilianische
Topmodel verkörpert perfekt
die charismatisch-verführerische
Narcisco-Rodriguez-Frau.
Für Rodriguez, der sein Handwerk an der renommierten
Parsons School in New York gelernt und im Anschluss
für Modemacher wie Nino Cerruti, Donna Karan
und Calvin Klein gearbeitet hat, war das ein Glücksfall. So
konnte er seine Stilvision parallel realisieren, dank gelungener
Duftlancierungen zusätzlich Geld verdienen und seinen
Bekanntheits grad durch den Bonus des Imagetransfers
zwischen Duft und Mode sukzessive auszubauen – nicht
nur für den Moment einer Passkontrolle auf dem Mailänder
Flughafen.
Es war nämlich nicht gerade einfach für ihn, sich zu
jener Zeit als Neuling im Fashionbusiness zu etablieren.
Doch der Sohn kubanischer Einwanderer, der in Newark/
New Jersey zur Welt kam und aufgewachsen ist, vertraute
auf die ihm eigene Beharrlichkeit. Schon als Junge wollte
er »irgendetwas mit den Händen machen, gestalten. Ich
merkte, dass ich ein Talent für Stoffe und Schnitte hatte.«
Sein Berufsweg war damit praktisch vorgezeichnet, allen
Unkenrufe der Familie zum Trotz.
Sie hätte es wissen müssen. Selbstverwirklichung hat
für einen im Sternzeichen des Wassermann Geborenen
wie ihn nun mal oberste Priori tät. »Auch in schwierigsten
Zeiten habe ich zielstrebig alles daran gesetzt, meine
Arbeit voranzutreiben.«
Das tut er heute noch. Jeden Morgen pilgert er von
seinem Apartment in Chelsea, das er mit seinem Partner,
dem Anzeigenleiter Thomas Tolan teilt, zu seinem Studio
am Irving Place. Es liegt in der Nähe des Union Square
mitten in Manhattan. Sein Vorteil beim Fußmarsch: kein
Stau, kein Stress. Sondern Zeit für Müßig-Gang, zum Sehen,
zum Wahrnehmen.
Das macht ihn aus. Er ist ein Zugewandter, den Menschen,
der Natur, den Sachen gegenüber. Dinge, die an
anderen vorbeirauschen – Narciso Rodriguez realisiert
sie. Im Kopf nimmt er sie mit. So manches kauft er im Vorbeigehen.
Was kontinuierlich das kreative Chaos rund um
seinen Schreibtisch vergrößert, auf dem neben Computer,
Laptop, Telefon, gerahmten Fotos, Büchern und stylischen
Musikboxen sogar noch eine Orchidee Platz hat.
»Ich liebe es, Dinge zu sammeln«, sagt der Modemacher
mit Blick auf die rundum angepinnten Fotos (die
der leidenschaftliche Fotograf meist selbst gemacht hat) und
Zeichnungen, auf die Bilder, die auf dem Fußboden stehen
und gegen die Wand lehnen. Sein Faible für kleine Kunstgegenstände
dokumentiert sich in zauberhaften Skulpturen,
die sich vor und zwischen die unzähligen Bücher in
die Regale geschmuggelt haben. Ein Lämmchen, ein Sparschwein
lugen da hervor. Dazwischen liegen ein paar besonders
schöne, von Reisen mitgebrachte Steine, faszinierend
in ihrer Haptik und Farbe.
Inspiration, wohin man schaut. Der Flusskiesel da, wo
hat man dessen kaum wahrnehmbaren Roséton bloß schon
mal gesehen? Ach ja, natürlich, als zarten Überfang auf dem
Flakon von »Eau Poudrée.«
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Von Spezialisten angebaut, geerntet, exportiert und geröstet.
»MEINE
WÄHRUNG
SIND DIE
MEDIEN«
Auch in der modernen monetarisierten Wirtschaftswelt
gibt es Möglichkeiten für Tauschgeschäfte, die
ganz ohne die Vermittlung des Geldes auskommen.
Wie diese Nischen gewinnbringend genutzt werden
können, weiß Klaus Westrick, Gründer und Geschäftsführer
der XLS Media Group.
Von KRISZTINA KOENEN
Fotos CHRISTOF HERDT
Wer überhaupt weiß, was Bartergeschäfte sind, verortet
sie in die Frühzeit der Menschheits geschichte.
Damals, vor der Erfindung des Geldes oder eines
wie auch immer gearteten allgemeinen Äquivalents,
tauschte man eben, was man hatte, gegen Dinge, die
man brauchte. Aber kann es sinnvolle Barter- also
Tauschgeschäfte in unserer durch und durch monetarisierten
Wirtschaft geben? Klaus Westrick beantwortet
die Frage mit einem eindeutigen Ja. Sein Unternehmen,
die XLS Media Group, hat sich auf eben
solche Tauschgeschäfte spezialisiert und dies ganz
offensichtlich mit großem Erfolg.
Das legen die edlen Büroräume in bester Wiesbadener Lage zumindest
nahe, und die Annahme wird vom jugendlich schwungvoll
herbeieilenden Geschäftsführer und Firmengründer gerne
bestätigt. Es sei den meisten Menschen gar nicht bekannt, wie viele
Nischen die moderne Wirtschaft für Tauschgeschäfte biete, sagt er.
Und natürlich dafür, mit diesen Tauschgeschäften Geld zu verdienen.
Am ver breitetsten sind Unternehmen, die – wie auch XLS – im Bereich
Media bartering tätig sind. Das bedeutet: Kunden bezahlen die Werbeleistungen,
die sie benötigen, nicht mit Geld, sondern mit ihren eigenen
Produkten. Gerade weil es um das Ausfüllen von Nischen handelt, haben
Unter nehmen, die solche Geschäfte vermitteln, eine nützliche Funktion.
Von der hohen Warte der Volkswirtschaft aus gesehen sind sie damit
befasst, auf ihrem Gebiet die Reibungsverluste der Markt wirtschaft
zu reduzieren.
Das Geschäftsmodell Mediabarter ist in den Vereinigten Staaten
nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Die Betriebe, die während des
Krieges für die Rüstung gearbeitet hatten, stellten wieder auf die zivile
Produktion um, hatten aber kaum flüssige Mittel für Werbung. Also
bezahlten sie für ihre Werbeauftritte mit Waren oder Dienst leistungen.
Die so entstandene Barterindustrie sah sich als Clearing stelle für Unternehmen
mit Warenüberschüssen und half ihnen, ihre Waren zu kapitalisieren
und damit mehr Werbe präsenz zu generieren.
Als Klaus Westrick sein Unternehmen im Jahr 2000 gegründet hatte,
passte er das amerikanische Geschäftsmodell den deutschen Verhältnissen
an. Während es in den Vereinigten Staaten üblich war, die Warenleistung
des Kunden in Credits, also Handelsgutschriften auszudrücken,
die dann später bei den Werbeträgern gegen Flächen oder Werbezeiten
ein getauscht werden konnten, hatte sich der Firmengründer für den
reinen Tausch entschieden: Medien gegen Ware. »Unsere Währung
sind die Medien«, erklärt er. Bezahlt werden die Produkte der Hersteller
mit Media volumina, das heißt Fernseh- und Radiospots, Plakataktionen,
Anzeigen in Print medien und natürlich auch in den neuen
elektronischen Medien. Klaus Westrick begründet diese Präferenz für
den reinen Tausch damit, dass dieser für alle Beteiligten transparenter
sei. Transparenz sei in Deutschland, wo Bartergeschäfte auf viele Vorbehalte
treffen, besonders wichtig. Er ist davon überzeugt, dass die Transparenz
einer der Gründe für seinen Erfolg war und auch bleiben wird.
Wie aber muss man sich so ein Bartergeschäft vorstellen? Und wie
kommen die daran interessierten zusammen? Zum Beispiel so: Die Firma
XLS steht im Kontakt mit einem Hersteller von Fernseh geräten, der wegen
eines Modellwechsels tausend Fernseher der vorher gehenden Generation
auf Lager hat. Diese binden Kapital, belegen Lagerkapazitäten und
14 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Von Ihnen gebrüht.
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»Meine Währung sind die Medien« | Klaus Westrick
Tauschhandel modern:
Um im Bartergeschäft
erfolgreich zu sein,
braucht Klaus Westrick
vor allem drei Dinge –
Kontakte, Kontakte
und Kontakte. Dazu
profunde Medienkenntnis,
professionelles
Markt- und
Branchenwissen und
ein lücken loses Netzwerk.
Sein Handel von
Produkten gegen freie
Werbeflächen in den
Medien floriert.
müssen unter Umständen sogar
abgeschrieben werden. Zugleich
aber möchte das Unternehmen
seine neuen Geräte bewerben.
XLS erwirbt die Geräte zum Großhandels
preis und bezahlt sie mit
Werbezeiten einer Sendergruppe,
bei der das Unternehmen davon
ein größeres Kontingent besitzt.
Der Hersteller hat nun die alten
Geräte verkauft und kann Werbung
für die neuen Geräte schalten,
für die ihm sonst die liquiden
Mittel gefehlt hätten.
Nun wiederum muss XLS die
Geräte verkaufen, ohne seinem
Kunden zu schaden oder ihm
auf dem Markt Konkurrenz zu
machen. Da kommen die guten
Kontakte von Klaus Westrick zu
den Importeuren von Autos ins
Spiel. Die TV-Geräte werden
einem Autoimporteur verkauft,
der diese Geräte für eine Werbeaktion
nutzen will. Er bezahlt XLS
nur zum Teil mit Geld, den anderen
Teil bilden Fahrzeuge, die
auch eingesetzt werden, um die
Werbeaktion des Importeurs im
Radio und auf Plakaten zu finanzieren.
Am Ende profitiert auch
der TV-Produzent, weil durch die
Autowerbung auch seine Marke
öffentlich stärker wahr genommen
wird.
Nicht alle Tauschgeschäfte
sind so komplex wie die gerade
dargestellten. Eine Molkerei, die
ungenutzte Kapazi täten für die Herstellung von Yoghurt hatte, bezahlte
eine großangelegte nationale Plakatwerbeaktion mit diesem Produkt,
das wiederum von XLS an Gefängnisse geliefert wurde. Solche Geschäfte
kommen immer wieder zustande, weil Hersteller von Konsumgütern
häufig Überhänge haben, die Lager blockieren und Kapital binden:
Das betrifft vor allem Saisonware oder Produkte mit einem schnellen
Innovations zyklus wie beispielsweise Unterhaltungselektronik. Sie
möchten die Waren auf anderen Wegen in den Markt bringen, auf jeden
Fall so, dass sie damit dem neueren Produkt keinen Schaden zufügen.
Zugleich haben diese Unternehmen auch einen Bedarf an Media präsenz,
um die neuen Waren zu bewerben.
Die Kernkompetenz von XLS sind die Medien. Diese Kompetenzen
sind durch die intensive Zusammenarbeit mit den Media agenturen
im Laufe der Jahre gewachsen
und heute wesentlich für das
Geschäfts modell. Die Interessen
der Medien am Barter geschäft
hätten ebenfalls mit Überangebot
zu tun, erklärt Klaus Westrick.
»Alle Medien haben freie Kapazitäten«,
sagt er, »und das ist die
Grundlage unseres Geschäfts:
Media ist ein handel bares Gut.
Werbe zeiten und - flächen verfallen,
wenn sie nicht genutzt
werden. Sie sind auch substituierbar:
Eine Zielgruppe kann man bei
RTL genauso erreichen wie bei
ProSiebenSat 1. Deshalb haben die
Medien ein Interesse an unserer
Tätigkeit. Wir handeln mit Werbeflächen
und ermöglichen unseren Kunden, dafür mit Ware zu bezahlen.
Dadurch werden zusätzliche Werbebudgets generiert, was den Interessen
der Medien entspricht.« Es geht also darum, die freien Kapazitäten
der Medien zu vermarkten, und für den Medieneinsatz bis dahin
brachliegendes Kapital zu mobilisieren. Durch die Kunden, die mit
Ware bezahlen, entsteht die begehrte zusätzliche Auslastung.
Westrick kennt sich mit dem Geschäft der Medien aus. Er arbeitet
eng zusammen mit den Medienhäusern, die das Plus an Vermarktung
ihrer Werbeflächen durchaus begrüßen. Die persönlichen und vertraulichen
Kontakte sind über Jahre gewachsen, und so sind Geschäftsmodelle
ent standen, die allen Beteiligten Vorteile bieten. Das war in der
Berufs biographie Westricks nicht vorgezeichnet. Ursprünglich kommt
er aus der Finanzwelt, genau genommen vom Aktien handel. 1996 ist er
dann in den Werbezeiten-Handel eingestiegen, und das war die Initialzündung
für die Entwicklung des neuen Geschäftsmodells.
Seine Tätigkeit erfordert Expertise auf gleich drei Gebieten: im
Bereich der Medien, der Konsumgüter produzierenden Industrie
und der Märkte, auf denen die als Gegenleistung für Mediapräsenz
erworbenen Güter veräußert werden. Diese letztere Aufgabe ist
besonders heikel und erfordert viel Phantasie. Denn der Verkauf darf
nicht zur Selbstkannibalisierung des Kunden führen, er darf den ohnehin
schon gesättigten Markt auf keinen Fall überschwemmen und ihn
noch enger machen. Die Verwertung wird deshalb sorgfältig mit dem
Kunden abgestimmt. Dafür in Frage kommen aus ländische, bis dahin
unbearbeitete Märkte oder geschlossene Kreisläufe, wie innerbetriebliche
Bonusprogramme, Preisausschreiben oder auch Werbeaktionen
wie im Falle der Fernseher für Autokäufer.
Die Zukunftschancen seines Unternehmens sieht Westrick sehr
optimistisch. Durch die Digitalisierung würde die Brutto-Werbefläche
schnell weiter wachsen, während die Netto-Werbebudgets der Unternehmen
eher stagnierten. »Da wir Budgets mobilisieren, Waren kapitalisieren
und so zusätzliche Gelder für die Werbebudgets heben, bleiben
wir für die Mediapartner weiterhin sehr interessant«, erklärt er. Der
Kampf um die Werbegelder werde täglich stärker, ebenso der Bedarf
der Kunden, die Budgets zu optimieren. »Durch unsere Arbeit ist die
Gesamt akzeptanz auf diesem kleinen Werbemarkt gewachsen«, fügt
er weiter hinzu, wobei er sich der Grenzen des Wachstums bewusst ist:
»Wir werden weiterhin eine Nische bleiben.«
Wie erfolgreich XLS in dieser Nische agiert, beweisen die Zahlen,
die erst für das Jahr 2015 vorliegen: Seit der Unternehmensgründung
hat der Marktführer etwa 550 Millionen Euro Umsatz gemacht, 11 500
Automobile verkauft, 55 000 TV-Spots und 44 000 Radiospots geschaltet
– das alles mit nur vier festen Mitarbeitern. Das wichtigste Kapital
von XLS ist das Knowhow, die Kontakte und die sorgsam gepflegten
Beziehungen zu den wichtigen Akteuren auf dem Werbemarkt. Dieser
Aufgabenstellung kommt die Persönlichkeit Klaus Westricks sicherlich
entgegen. Er ist nicht nur eloquent, wenn es gilt, die Vorteile von
Barter geschäften zu schildern, er ist auch der geborene Netzwerker, und
wenn ein Geschäft es erforderlich macht, Vertraulichkeit zu bewahren,
kann er auch unerschütterlich verschwiegen sein.
16 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Foto: Brigitte Lacombe
EIN ATHLET
Als Meister der Reduktion setzt der japanische Designer Issey Miyake
auf Minimalismus, Klarheit und Zeitlosigkeit – wie seine Mode und seit
fünfundzwanzig Jahren auch seine Parfüms beweisen.
18 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Der Mann ist beim Kaiser. Privataudienz im Palast. Für ein Tässchen Tee mit dem Tenno versetzt Mode- und Duft-Visionär Issey Miyake
eine Handvoll Journalisten, die eigens für ein Treffen mit ihm nach Japan gereist sind. Eine Frage der Etikette, Majestät geht allemal vor
(Presse-)Volk. Doch diese Einladung sei ihm wirklich gegönnt. Gewährt für seine bahnbrechenden Ideen, die er seit der Gründung seines
eigenen Design-Studios in Tokio 1970 entwickelt und umgesetzt hat. Ein Lebenswerk, dem Nippons National Art Center ver gangenes
Jahr eine umfassende Werkschau widmete. Die hatte auch Throninhaber Akihito gesehen, beeindruckt und zwecks Anerkennung im
Nachhinein zu dieser Einladung bewogen.
Fotos: Beaute Prestige International
Vermutlich war Issey Miyake darüber nicht nur der
Ehre wegen erfreut, sondern auch ein bisschen, weil
er nun eine plausible Ausrede hatte, den Interviewtermin
zu schwänzen. Er steht nicht gern im Mittel punkt,
ist keiner dieser in seiner Branche so verbreiteten Spezies
von Selbstdarstellern, die immer auf Publicity aus sind. Das
war er noch nie. Schon von Anfang an, als er in den frühen
achtziger Jahren als auf gehender Stern in Paris für seine
ausgefallenen und mutigen Kollektionen gefeiert wurde,
tauchte sein voller schwarzer Haarschopf nach dem Defilee
nur kurz aus der Kulisse auf, um sich beim Publikum für
den Beifall zu bedanken. Jetzt, er ist inzwischen grau haarig
und vor ein paar Tagen neunundsiebzig Jahre alt geworden,
macht er sich erst recht rar und schickt stattdessen lieber
seine engste Vertraute vor.
Das ist Midori Kitamura, die vor mehr als vierzig Jahren
als Haus model bei der Marke angefangen hat und heute die
Präsidentin der Miyake Design Studios ist. Formvollendet
übernimmt die große, aparte Japanerin mit dem klassisch
geschnittenen Gesicht und den zu einem Knoten zurückgenommenen
Haaren denn auch an diesem Tag das Kommando.
Sie führt die Gäste durch eine Galerie in der City,
um dort zwischen lauter hauchdünnen Glasobjekten, die
wie dicke Seifen blasen aussehen, das neue Parfüm »Pure«
zu präsentieren. Die klare Duft komposition und der tropfenförmige
Flakon, unter dem wachsamen Kontrollblick des
Meisters vom New Yorker Designer Todd Bracher entworfen,
fügen sich nahtlos in das stringente olfaktorische
Konzept des japanischen Stilisten. Der schuf dafür bereits
1992, also exakt vor fünfundzwanzig Jahren, mit »L’Eau
d’Issey« den Prototyp.
Als Miyake das Parfüm herausbrachte, war es ein absolutes
Feder gewicht im Vergleich zu den damals so beliebten,
opulenten Mischungen wie »Trésor« von Lancôme oder
»Venezia« von Laura Biagiotti. Auch im Auftritt wirkte
der schlichte Glaskegel – im Vergleich zu anderen Flakons
– eher bescheiden. Aber gerade weil dieses Parfüm
so anders roch und aussah, erregte es Aufmerksamkeit und
brachte mit seiner Unbeschwertheit und Transparenz frischen
Wind in die Parfümerie.
Ein Vierteljahrhundert später ist »L’Eau d’Issey« immer
noch ein Bestseller, von dem alle fünf Minuten irgendwo
auf der Welt ein Exemplar verkauft wird. Durch ihn haben
typisch japanische Zutaten wie Nashi-Birne, Lotus, Yuzu
(eine Zitrusart), Bambus oder Ingwer das Portfolio der
Parfümeure erweitert. Eaux wurden wieder modern, mit
ihrer unaufdringlichen Frische gehören sie heute zu den
beliebtesten Duftkonzentrationen.
Eine Entwicklung, ganz im Sinne von Miyake, der aus
einem Land stammt, in dem traditionsgemäß – sieht man
mal von der schrägen Streetfashion in Tokios Trend vierteln
Shibuya oder Harajuku ab – Reduktion und Purismus stilbestimmend
sind. »Wenn ich zurückschaue«, mokiert sich
der sympathische Designer mit den warmen braunen Augen
und einem feinen Lächeln unter dem kessen schmalen
Ober lippen bärtchen, »war es nicht mal so ein Handicap,
in Japan geboren zu sein.« Wohl wahr, denn mit seinem
ausgeprägten Sinn für Minimalismus hat er nicht nur in
der Parfümerie seine Spuren hinterlassen, sondern auch
im Interior- Bereich und vor allem in der Mode.
Alles, was er je entworfen hat, beziehungsweise mit
nie erlahmen dem Enthusiasmus immer noch entwirft,
ist nicht fashionable im eigentlichen Sinn,
sondern futuristisch in Form und Funktion und seiner Zeit
weit voraus. Experimentierfreudig wie kein Zweiter schuf
er bereits als junger Mann Plastik-Bodies, mehr Harnisch
als Bustier, ließ Metall spiralen als »Bodyarmband« um
die Körper der Models wickeln, Stoffe aus mit Baumwolle
überzogener Angelschnur weben, Pullis verkehrt herum
tragen und Kleider aus Taschentüchern nähen. Legendär
auch seine Oversize-Mäntel mit überdimensionaler
Kapuze, die einem Herren- Kimono nachempfunden waren
und heute jedem Preisboxer, der unter Fanfarenklängen
gen Ring schreitet, den ultimativen Gladiatoren status verleihen
würden.
Miyake ist ein Vordenker, ein Forscher was die Entwicklung
neuer Schnitte, Stoffe, Webverfahren und Techniken
angeht. Stets versucht er, ungewöhnliche Materialien
wie Papier, Bambus oder Jute auch für Normalverbraucher
kleidertauglich zu machen. Seine legendären »Pleats
please«-Kollektionen (»Falten bitte«) lässt er beispielsweise
aus Polyester fertigen. Ihr Plissee bekommen die koffertauglichen
Kleidungsstücke erst nach dem Nähen verpasst –
Begehrt: Miyakes Duftklassiker
»L’Eau d’Issey«
verkauft sich weltweit noch
immer im Minuten-Takt.
DES PURISMUS
Von ANGELIKA RICARD-WOLF
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 19
Ein Athlet des Purismus | Issey Miyake
Wegweisend: Eine
Retrospektive in Tokio
zeigte kürzlich vom
Linen Jumpsuit bis zum
Gewand aus Pferdehaar
avantgardis tische
Schöpfungen des japanischen
Designers.
Fotos: Hiroshi Iwasaki
so hält es dauerhaft. »132.5« ist die Bezeichnung einer Art
Origami-Mode. Aus einem flachen Quadrat entfaltet sich
ein einziges, raffiniert geschnittenes Stück Stoff zu einem
tragbaren Gewand – vorausgesetzt, man ver heddert sich
darin nicht beim Anziehen.
Die ungewöhnliche Arbeitsweise von Issey Miyake
nennt man auf Japanisch »Mono-zukuri«. Es bedeutet
so viel wie »Dinge fertigen«. Akribisch – bis sie
ausgereift sind. Miyake »fertigt« denn auch keine Mode,
sondern ein Bekleidungsstück. Keine Lampe, sondern einen
Leuchtkörper. Kein Parfüm, sondern ein Duftwasser. Keinen
Flakon, sondern ein Behältnis.
»Natürlich gab es harte Zeiten, in denen das, was ich
entworfen habe, nicht verstanden wurde«, sagt er, »aber ich
Taufrisch: Der neue
Duft »Pure« im
tropfen förmigen
Flakon fügt sich
ganz in die Miyake-
Tradition – optisch
wie olfaktorisch.
habe versucht, mir mein Anderssein zum Vorteil zu machen.
Dadurch bin ich den unterschiedlichsten Menschen begegnet.«
Grafikern, Architekten und Tänzern, Lichtkünstlern,
Wissenschaftlern und Sportlern: Mit allen hat er zusammengearbeitet,
sich von deren Metiers inspirieren lassen und
mit ihnen oder für sie Neues erdacht und entworfen. Bauwerke,
Druck techniken, Taschen, Kostüme, Lampen und
mit dem Uniform- Projekt sogar die komplette Ausstattung
der Olympia-Mannschaft von Litauen, das nach dem
Zerfall der Sowjetunion erstmals ein eigenes Team aufstellen
konnte. »Ich wollte immer herausfinden, was ich entdecken
und erschaffen konnte, um damit das Leben vieler
Menschen zu berühren und nicht nur das einiger weniger«,
beschreibt er seine Motivation als Designer.
Diesen, seinen ganz eigenen Weg konsequent zu gehen,
hat er früh lernen müssen. Als siebenjähriger Junge, er
radelte gerade zur Schule, verlor Miyake durch den Atomangriff
der Amerikaner auf Hiro shima einen großen Teil seiner
Familie. Seine Mutter erlag den Folgen des Anschlags, er
selbst litt als Jugendlicher an einer Knochenmark erkrankung,
durch die sein rechtes Bein steif blieb. Seine Träume von
einer Laufbahn als Athlet musste er deshalb aufgeben. Das
Talent und die sportliche Statur dazu hätte er gehabt. Stattdessen
studierte er Grafik und Design an der Tama-Universität
in Tokyo.
Im Anschluss ging er Anfang der sechziger Jahre nach
Paris, um die Feinheiten der Haute Couture kennenzulernen.
Dort arbeitete er für Guy Laroche und Hubert de
Givenchy, später für Geoffrey Beene in New York. Ein Intermezzo,
Lehrjahre im besten Sinne. Denn als Couturier im
herkömmlichen Sinn versteht er sich ganz und gar nicht.
Mode püppchen wurden und werden bei ihm und seinen
diversen Kollektionen nicht fündig. »Die Menschen brauchen
japanische Designer, weil sie eine andere Art Ästhetik
haben«, sagt er – ohne jede Spur von Eitelkeit.
In Tokios feiner Einkaufszeile Omotesando Avenue reiht
sich Shop an Shop, in denen seine »andere Art Ästhetik«
anhand seiner zahl reichen, nicht eben preiswerten
Linien stylisch präsentiert wird. Mit zarten Vogeldrucken
auf gefälteltem Stoff liegen bei »me« T-Shirts und Blusen
im Schaufenster, bei »Bao Bao« gibt es in allen Farben die
angesagten beweglichen Taschen aus Polyester-Triangeln,
bei »Pleats please« tanzen Inkas über das Plissee. Und
auch die Männer kommen mit transparenten Shrink-Sakkos
nicht zu kurz. Lauter modernis tische Linien, die für
Frauen und Männer mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein
und Sinn für Funktionalität gemacht sind. Miyake zu tragen
ist ein Statement.
Mit seiner Konzentration auf das Positive und Schöne
ist es Issey Miyake – zumindest nach außen – gelungen,
die schrecklichen Erlebnisse seiner Kindheit zu kompensieren.
Statt über die Vergangenheit zu sprechen, hat er
sich der Zukunft verschrieben. »Ich habe es hinbekommen
zu überleben, weil ich Dinge gemacht habe«, meint
er rück blickend. Er sagt Dinge, nicht Design oder Mode
oder Parfüm.
Ob man den Namen des Schöpfers dieser »Dinge«
kenne, sei ihm egal. So wie er den Namen eines Designers
für absolut nebensächlich hält. »Was zählt ist das, was er
erschafft.« Wenn das so ist, sollte Issey Miyake möglichst
vielen ein Begriff sein.
20 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
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WEINGUT
EMIL BAUER
& SÖHNE
MEMBERS
ONLY
67, PALL MALL – DER
EXKLUSIVE CLUB
FÜR WEINLIEBHABER
Von ELLEN ALPSTEN Fotos CHRISTOF HERDT
Variatio delectat, Abwechslung macht Spaß: Das ist
seit eh und je der Leitfaden des Londoner Lebens, und
die zahlreichen Privatclubs in Englands Hauptstadt
bilden da keine Ausnahme. Ob Gentlemen oder Ladies
only, mit rechter, linker oder liberaler Gesinnung, ob
echt englischer Kreativer, Herzog oder internationaler
Medien-Mogul – bisher fand noch jeder einen Club
nach seinem Geschmack. Dem Geschmack huldigt nun
ein Neuankömmling auf der Londoner Club Szene in
ganz besonderer Weise: 67, Pall Mall – benannt nach
der Adresse des Hauses nahe dem St James’s Palace
und dem Green Park – ist ein Members- only- Club
für Weinliebhaber.
Allein das von der Architektenlegende Sir Edward Lutyens entworfene
und unter Denkmal schutz stehende Gebäude ist spektakulär:
Das ehemalige Haupt quartier der Londoner Privatbank
Hambros stand Jahrzehnte lang leer. Grant Ashton, der Gründer des
Clubs, verzieht jedoch das Gesicht, wenn man ihn auf den architektonischen
Schatz anspricht, und sagt düster: »Alle haben mich gewarnt,
dieses Wagnis einzugehen. Zu Recht, wenn man sieht, wie viel Zeit und
Geld dieses Projekt verschlungen hat!« Dann aber lacht er – denn er
ist ein Mann, der gern lacht, feiert und Wein trinkt! – und sieht sich
zufrieden um: All die Mühe hat sich gelohnt. Der Speisesaal mit seiner
zehn Meter hohen Decke badet in golde nem süd-westlichen Licht, das
das Interieur wie Pfauenfedern schimmern lässt. Die Innen einrichterin
Simone McEwan erklärt: »Wir wollten den Art-Deco-Charakter des
Raums beibehalten. So habe ich zwar die Eichenholz vertäfelungen
bewahrt, und man sitzt auch immer noch auf Ledersesseln. Aber ich
habe das Ganze mit vielen anderen, feminineren Elementen gemischt
und aufgelockert.«
Eine kluge Wahl, denn Grant Ashton will gerade junge, solvente
Frauen als Mitglieder werben. »Banker um die Vierzig und mit
Geheimrats ecken haben wir genug«, sagt er an der Bar seines Hauses,
einem langen Marmortresen vor opulent bestückten, verglasten Weinregalen.
Viele der Flaschen lagen einst in Grant Ashtons eigenem Keller –
als er noch der gestresste Eigentümer eines Londoner Hedge-Fonds war.
Dann kam einiges zusammen. »Mein Bruder ist technischer Direktor
bei Ronnie Scott’s, einem der bekanntesten Jazz-Clubs von London.
Also erhielt ich Einblick in die Gastronomie und die Club-Szene.« Was
noch? Grant Ashton, Geldmann bis auf die Knochen, grinst: »Außerdem
hatte ich einfach die Nase voll davon, in einem Restau rant einen
geradezu wahnwitzigen Aufschlag auf eine Flasche Wein zu bezahlen,
22 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
selbst wenn sie außergewöhnlich war. Und ich wollte an einem gemütlichen
Freitagabend daheim nicht gerade meine erlesenste Flasche zu
einem Teller Spaghetti Bolognese öffnen.«
Was tun? Grant Ashton überlegte, eine kleine Wein-Bar zu
eröffnen: irgendwo in Marylebone vielleicht, dem intellektuellsten
und noch verstecktesten der inneren Londoner
Stadtviertel. Eine Art Absatzmarkt für seinen eigenen Weinkeller wie
auch den seiner Freunde. Die waren von der Idee so begeistert, dass sie
wuchs und wuchs: Am Ende hatte Grant Ashton (der ausgesprochen
über zeugend sein kann) neununddreißig Investoren. Im Herbst 2015
war es dann soweit: 67, Pall Mall öffnete seine Pforten – oder seine
meterhohen doppel- flügeligen Türen –, und Grant Ashton konnte
gemeinsam mit seinem Manager Niels Sherry, der sich seine Lorbeeren
sowohl im Savoy als auch in Ian Schragers Hotels verdient hat,
sowie dem Top-Sommelier Ronan Sayburn erste Mitglieder aus aller
Welt begrüßen.
Denn schon vor der Eröffnung war die Liste für neue Mitglieder
fast komplett – mehr als zwölfhundert sollen es nicht werden – und
neue Anträge stapeln sich auf Ashtons Schreibtisch. »Unsere Liste ist
wunderbar bunt gemischt. Bankiers und Hedgefonds-Manager, aber
auch Weingutsbesitzer, Mode designer, Schriftsteller, Händler oder
private Weinliebhaber. Das einzige Kriterium, das für mich zählt, ist
die Leidenschaft für, wie auch die Neugier auf den Wein. Es geht nicht
um Alter, Wissen, Geld oder die Größe des Weinkellers. Ich will eine
dynamische und hoffentlich junge Mischung.«
Passioniert: Für Chef und Gründer Grant
Ashton ist 67, Pall Mall eine Mischung
aus Geschäft und Vergnügen. Im Herbst
2015 eröffnete der Weinkenner und
frühere Eigentümer eines Hedgefonds
den exklusiven internationalen Club
im Herzen des historischen Londoner
Stadtteils St James’s.
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 23
ROCK ME
Cecilia Bönström und Thierry Gillier mischen mit ihrem
Label Zadig & Voltaire die Duft- und Fashionszene auf
Von ANGELIKA RICARD-WOLF
Sie war ein Model, und sie sieht gut aus. Cecilia Bönström ist langbeinig,
blond, schmal. Mit ihren sechsundvierzig Jahren verkörpert
sie perfekt die Frau, die sie als Chefdesignerin der französischen
Lifestyle-Marke Zadig & Voltaire auch anzieht: diesen leicht schlaksigen,
aber dennoch ewig mädchenhaft wirkenden Jane-Birkin-Typ.
Seit elf Jahren prägt das
Ex-Model Cecilia Bönström
den Stil der rockig-femininen
Modemarke Zadig & Voltaire
und feiert so auf dem
Laufsteg noch heute
Erfolge.
Der liebt es lässig. Bloß nicht gestylt aussehen, sondern so, als
habe man Jeans, Top, Lederjacke oder Pulli schnell aus dem
Schrank gegriffen und übergeworfen, bevor man in die Boots
oder Sneaker steigt und die Wohnung verlässt. Klar, das Top ist aus
Seide, der Oversize-Pulli aus hauchdünnem Federkaschmir und ein
Schlangenrelief prägt die roséfarbenen Ziegenleder-Boots – aber das
sehen nur Eingeweihte auf den ersten, alle anderen, wenn überhaupt,
auf den zweiten Blick. Easy luxury nennt man diesen unaufgeregten,
leicht abgerockt wirkenden Style auf hohem Niveau. Ein bisschen
Vintage, ein Hauch androgyn, ein wenig Bohémien, aber immer fashionable
und unglaublich sexy.
Ein unvergleichlicher Mix, den man erstmal hinkriegen muss. Cecilia
Bönström hat ihn quasi verinnerlicht. Fünfzehn Jahre war die gebürtige
Schwedin bei einer legendären Elite-Agentur unter Vertrag, ist für Gucci,
Prada und Co. über die Catwalks gelaufen und hat unzählige Shootings
für Spitzenfotografen und Magazine absolviert. Wer, wenn nicht sie,
wüsste nicht genau, was die Kolleginnen backstage am liebsten tragen?
Abgesehen davon hatte ihre kreative Mutter sie und ihre Zwillingsschwester
(die immer noch modelt) schon als Kinder an eine Art Freestyle
gewöhnt. Denn es war damals auch in Gothenburg, wie Göteborg
einmal hieß, nicht üblich, zwei blondbezopfte Mädchen mal mit
apfelgrünen Zottelstiefeln, mal mit riesigen weißen Hüten zur Schule
zu schicken. Das prägt.
Trotzdem hatte Cecilia Bönström ziemlichen Bammel, als sie aufgrund
der Erkenntnis »Ich kann ja nicht ewig modeln« all ihren Mut
zusammennahm, um sich bei Zadig & Voltaire als Modeaspirantin vorzustellen.
Da wollte sie arbeiten, die Marke hatte es ihr angetan, die
schicke Simplizität der Läden, der Klamotten.
Also das Ideenbuch unter den Arm geklemmt und nix wie hin ins
Zentrum der Marke an der Avenue d’Iéna mitten in Paris. Das war 2003,
und sie war dreiunddreißig. Prompt bekam sie einen Job als Assistentin,
drei Jahre später den als Chefdesignerin. Sie rockte den Laden –
und den Chef. Mit Firmengründer Thierry Gillier ist sie inzwischen
ver heiratet. Das Paar hat drei Söhne.
This is her. So ist sie. Da liegt es nahe, dem neuen Damenparfüm der
Marke diesen Namen zu geben. Denn der ist laut Werbeslogan »für die
freie, rebellische Frau« entworfen. Dazu passt, fanden die Parfümeure
Sidonie Lancesseur und Michel Almairac, eine »rockige Jasminnote«,
die mit Nuancen von Kastanie, Vanille, Sandelholz und – versteht sich –
Fotos: Zadig & Voltaire
26 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
BABY!
einer Prise Pfeffer abgerundet wird. Fragt man Cecilia Bönström, welche
Art Frau sie sich vorgestellt habe, als sie dieses Parfüm in Auftrag gab,
antwortet sie: »Eine Frau, die sehr jung ist. Im Geist. Nicht unbedingt
nach Jahren. Feminin, aber modern. Nicht süß, nicht romantisch. Sie
weiß, was sie will, aber sie ist dabei relaxed. Nonchalant.«
Eigenschaften, denen Thierry Gillier nicht widerstehen konnte,
als er sie 2003 einstellte. Diese Schwedin sah eben verdammt gut aus,
und binnen Kurzem entpuppte sie sich auch noch als Naturtalent für
Mode und Design. Sie war wie geschaffen, um ihn ebenso wie sein
Label zu umgarnen.
Gillier hatte es schon 1997 gegründet. Ein logischer Schritt für
den damals 38-jährigen Franzosen. So modisch vorbelastet,
wie er ist (er stammt aus einer Strickwarenhersteller-Dynastie,
die auch die Marke Lacoste mitbegründete), war eine Fashion-Karriere
praktisch programmiert. Nach einem Studium an der Parsons School,
der berühmten Designer-Schmiede in New York, arbeitete er unter
anderem für Thierry Mugler und Yves Saint Laurent.
Deren große Zeit als namhafte Couturiers begann Anfang der neunziger
Jahre abzulaufen. Gillier hatte das früh erkannt, sich längst neuen
Aufgaben zugewandt und mehrere Mode-Läden eröffnet, in denen es
verschiedene Marken zu kaufen gab. Aus der Zusammenarbeit mit einem
schottischen Kaschmirproduzenten entwickelte sich zuerst eine legere
Pullover-Kollektion, die erweitert wurde und aus der das eigene Label
entstand: Zadig & Voltaire.
Wie um alles in der Welt ist er bloß auf diesen Namen gekommen?
Kein Zufall, wohl eher Methode. Zadig ist der Titelheld eines Romans,
den der französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire 1747
ver öffent lichte. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der nach
allerhand Verwicklungen dank himmlischer Fügung ein Happy End
erfährt. Ihr Titel lautet »Zadig ou la destinée«, Zadig oder das Schicksal,
die Bestimmung.
Ganz im Sinne Voltaires steckt in dem Namen eine hintergründige
Ironie, mit der Gillier seinen rebellischen Look damals auf den Mainstream
losgelassen hat. Ob er damit Erfolg haben würde oder nicht …
Schicksal eben!
Ein bisschen Hasardeur: das darf ’s schon sein für ihn – auch wenn
er seine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst mit einer Neuerwerbung
vergrößert. »Ich muss immer etwas zu weit gehen«, sagte
er einmal in einem Interview über seinen Mut als Käufer und Sammler.
Und fügte zum besseren Vergleich einen Nachsatz hinzu: »Genau wie
bei der Arbeit, wie im Beruf.«
This is him. So ist er. Einer der wagt, um zu gewinnen. Diese Aura
unterstreicht nun ein Herrenduft gleichen Namens mit Auszügen aus
Grapefruit, Pfeffer, Weihrauch, Sandelholz und Vanille. Es ist eine
Komposition der Parfümeure Nathalie Larson und Aurelien Guichard.
»This is him« oder »This is her« eignen sich übrigens hin wie her zum
Mixen. »Sie harmonieren absolut perfekt miteinander«, beschreibt
Cecilia Bönström die Eaux de Toilette.
So wie dieses Powerpaar, das sich gesucht und gefunden zu haben
scheint. Zwanzig Jahre nach der Markengründung führt es ein Firmenimperium
mit Kollektionen für Damen, Herren und Kinder, unterhält
dreihundert Boutiquen in vierundzwanzig Ländern der Welt und zählt
zu den hundert reichsten Familien Frankreichs.
Wer sein Label Zadig nennt, kann dem Schicksal eben vertrauen.
Stand doch schon bei Voltaire.
Die Entwürfe des
französischen Rock-
Chic-Labels Zadig &
Voltaire vereinen
immer einen Hauch
Grunge mit einer Prise
Rock’n’Roll und einem
Touch Pariser Chic.
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 27
KARATE-KOSMETIK
Wie zwei Tänzerinnen in Beauty-Mission ein Schönheitsserum in den Markt boxen
Von ANGELIKA RICARD-WOLF
»Stark, unterhaltsam, großartig«. Jason Sutton ist vom Werbeclip für das Gesichtspflegeserum
»Ultimune Power Infusion Concentrate« von Shiseido total begeistert. Dabei vergisst
der renommierte Fotograf und Regisseur vor lauter Enthusiasmus vollkommen sein
angeborenes britisches Understatement – den Spot hat er nämlich selbst gedreht.
Aber der Mann hat ja Recht. Es ist wirklich außergewöhnlich,
was er da als Werbung für ein Kosmetikprodukt
zur Immunstärkung der Haut wortwörtlich
auf die Beine gestellt hat.
Es sind deren vier, und sie gehören den beiden Japanerinnen
Aya Sato und Bambi Naka. Unter dem Namen
»Ayabambi« genießen die beiden wegen ihres einzigartigen
Tanzstils in der Musik- und Fashionszene Kultstatus.
Bands engagieren sie für ihre Video-Clips, Modemacher
für ihre Kampagnen und Schauen, Madonna holt sie
als Showact zu sich auf die Bühne. Doch für Shiseido und
unter Suttons Obhut tanzen sie auch mal dreißig Sekunden
aus der Reihe, um der Power eines Wirkstoffkonzentrats
Ausdruck zu verleihen.
Alles Eurhythmie oder was? Weit gefehlt. Hier geht
es in Kung-Fu-Manier zur Sache. Der Schwarz-Weiß-Clip
besticht mit Scherenschnitt-Optik und rasanten Cuts, die
perfekt zum atemraubenden Bewegungsablauf passen,
den Aya und Bambi aufs Studioparkett legen. Jede Bewegung
sitzt. Abgezirkelt, exakt, im Sekundentakt. Das Ganze
mal zwei, immer synchron! Rhythmik in Perfektion ist das
Marken zeichen des Duos. Dass die beiden ihre Namen zu
einem verschmolzen haben, spiegelt ihre Verbundenheit.
Im Privat leben wie auf der Bühne.
Die zwei jungen Frauen aus Yokohama, die sich zufällig
beim Vortanzen kennenlernten, sind seit drei Jahren ein
Paar und seit zwei Jahren absolute Stars auf Youtube. Ihre
Clips werden millionenfach geklickt. Was an ihrer prägnanten
Performance liegt. Sie ist vom Voguing beeinflusst,
einer streng linearen Tanzform mit rechtwinkligen Arm-
Ungeschützt ist zarte Haut den Unbilden der Umwelt ausgesetzt, Ultimune
von Shiseido wehrt die täglichen Attacken unbezwingbar wie mit Kampfhandschuhen
ab.
und Beinbewegungen, die in der Subkultur der Ballrooms
im New Yorker Stadtteil Harlem in den achtziger Jahren
entstand. Zusammen mit Tutting, dem Street- Dance- Stil
der Funk- und Hip-Hop-Tänzer und Industrial-Gothic-
Einflüssen ergeben sich daraus faszinierende Bewegungsabläufe,
die so schnell aufeinander folgen, als wären sie im
Zeitraffer gedreht.
Der »Ultimune«-Auftritt bedient sich dieser Elemente,
ist so elegant wie kraftvoll und zusätzlich von Karate- und
Kung-Fu-Anleihen geprägt, die Ayabambi voller Absicht
eingebaut hat. Sinnbildlich dienen die Kampfsportbewegungen
als schlagender Beweis für die Selbstverteidigung,
zu der »Ultimune« der Haut mit einem ausgeklügelten
Wirkstoffomplex verhelfen soll. Dahinter verbirgt
sich ein Mix aus Ginkgo-Biloba-Blattextrakt, Perilla, einem
Sesamblatt und wildem Thymian, dazu ausersehen, die
Langerhans-Zellen in der Haut zu animieren, ihre Abwehrkräfte
zu stärken und die Barriereschutzfunktion der Haut
zu verbessern.
Ein Serum mit – wenn auch avantgardistisch verpackter
– Martial Art in den Markt zu pushen, ist mehr als ungewöhnlich.
Macht aber Sinn. Oder ist es vielleicht nicht die
Haut und gerade die ungeschützte im Gesicht, die sich gegen
Wind, Regen, UV-Strahlen, Smog und andere Umwelteinflüsse
verteidigen, sich quasi durchs Leben boxen muss?
Eben.
Eine Message, die Aya Sato und Bambi Naka mit ihrer
ausdrucksstarken Körpersprache in bewegte Bilder
übersetzen. Shiseido bricht mit diesem Spot bewusst
die klassischen Codes der Kosmetikwerbung, auch um eine
jüngere Zielgruppe anzusprechen. Dennoch hat Regisseur
Sutton darauf geachtet, traditionelle japanische Kulturelemente
subtil in den Film einzuarbeiten. Die weiß gekalkten
Gesichter und die ausdrucksvoll schwarz umrahmten
Augen der beiden Tänzerinnen sind eine gekonnte
Mischung aus überkommener Kabuki-Ästhetik und modernem
Gothic-Look. Trotz dieses grafisch wirkenden Makeups
entsprechen die Protagonistinnen noch der japanischen
Idealvorstellung von einer jungen Frau. Sie sehen
»kawaii« aus, was man mit »süß« übersetzen könnte. Ihre
Outfits sind zwar aus Leder und erinnern an die Kluft der
Samurai, doch sie wirken dank zarter Schleier schwerelos.
Wie der rasant durchchoreografierte Tanz von Aya
Sato und Bambi Naka. Schließlich hatten sich die Zwei in
bester Samurai-Pflichterfüllung auf den Dreh vorbereitet –
mit jeder Menge Karate-Videos.
Fotos: Shiseido
28 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
DER KLEINE JOHNSON
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DIE VERTEUFELUN
Weinkritiker Stuart Pigott findet dumm und falsch, Fehltöne im Wein als Zeichen von
Drehen wir die Uhr ein paar Jahre zurück,
in die hellen, modernen Räumlichkeiten der
Weinhandlung Kössler & Ulbricht in Nürnberg.
Martin Kössler hatte eine Gruppe von
Stammkunden vor sich und war sichtbar gut
gelaunt. Er strahlte ein souveränes Selbstvertrauen
aus. Das machte seine Worte umso
überraschender und schockierender für mich.
Er sprach plötzlich von der »übertriebenen
Sauberkeit der Weine von Weingütern wie
Robert Weil im Rheingau und Dönnhoff
an der Nahe«. Ich gab Kontra, doch solche
Stimmen wurden immer zahlreicher, in manchen
Kreisen haben sie eine gewisse Selbstverständlichkeit
erlangt. Warum ist das so?
Gehen wir der Sache auf den Grund.
Nicht umsonst wird Deutschland weltweit mit Sauberkeit
und Ordnung assoziiert, obgleich hier heute
endlich alles etwas weniger Sagrotan-süchtig wirkt
und deutlich mehr kreatives Chaos wachsen darf. Meine
ersten Eindrücke von Westdeutschland bekam ich Mitte der
1970er-Jahre in der Chemiestadt Ludwigshafen am Rhein,
und selbst die waren von allgegenwärtiger Sauberkeit und
Ordnung geprägt. Damals habe ich auch zum ersten Mal
deutschen Wein getrunken – vor allem Pfälzer Riesling und
Müller-Thurgau –, und der frische, klare und frucht betonte
Geschmack passte zu meinem allgemeinen Eindruck.
Als ich Anfang der 1980er-Jahre begann, mich in den
deutschen Wein richtig zu vertiefen, begriff ich die Kernprobleme
des Weinbaus hierzulande. In der damaligen
klimatischen Situation war es unmöglich, in Deutschland
regel mäßig gute Weine zu erzeugen. Ich weine den
dünnen, grünen und sauren Weinen aus den unreifen Jahrgängen
1977, 1978, 1980 und 1984 keine Träne nach. Hinzu
kamen die oft üppigen Erträge (Stichwort chemischer
Stickstoffdünger) und die nachlässige Weinbergspflege,
die zu Fäulnis und dadurch zu unsauberen Weinen führte.
Im Keller wurden die Weine dann verarztet. Mithilfe von
Schönungs mitteln bekam man sie zwar sauber, doch das
nahm ihnen oft auch den letzten Rest an positiven Aromen.
Das Ziel der guten Winzer bestand verständlicherweise
in möglichst reifen Trauben und wenig korrektiven Eingriffen
im Wein.
Inzwischen ist das Problem unsauberer Weine dank
besserer Arbeit im Weinberg – die wichtigste Errungenschaft
der Geisenheimer und anderer deutscher Weinbauschulen!
– weitgehend gelöst. Wie der Jahrgang 2014
gezeigt hat, entfernen sämtliche guten deutschen Winzer
bei Fäulnis problemen die betroffenen Trauben durch
aufwendige Selektionen während der Lese. Das erhöht
die Kosten und reduziert die Erntemenge, führt aber fast
immer zu sauberen Weinen, die sich mit Freude trinken lassen.
Und dank der Klimaerwärmung werden die Trauben
jedes Jahr mehr oder minder reif. Dies und der enorm gestiegene
Ehrgeiz der Winzer sind die Hauptgründe, warum der
deutsche Wein im internationalen Vergleich inzwischen so
gut positio niert ist.
Zugleich hat eine Revolution in der Keller technik stattgefunden,
die weltweit zu einem großen Qualitätssprung
bei günstigen Alltagsweinen führte. Wie
Jancis Robinson gern bemerkt: »Noch nie war der Unterschied
in der Qualität zwischen den einfachsten und den
besten Weinen so gering.« Richtig schlechte Weine gibt
es nur noch selten, und der Hauptgrund dafür ist menschliches
Versagen (etwa nicht korrekt gereinigte Schläuche
oder Geräte im Keller). Die Weine im Supermarktregal
sind zwar oft banal, aber sie sind trotzdem frisch, klar und
fruchtbetont. Auch gesellschaftliche Trends tragen zu der
steigenden Popularität des Weins in vielen Ländern bei.
Spontangärung des Weins ist nie
ohne Risiko. Aber im Keller von
Moselwinzer Joh. Jos. Prüm und
anderen führt sie zu wunder bar
filigranen Rieslingen.
Foto: Guido Bittner
30 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
G DER REINHEIT
Authentizität zu werten.
Eine bestimmte Gruppe in der internationalen Weinszene
hingegen hat darauf konträr reagiert, hat »frisch, klar und
fruchtbetont« mit industrieller Produktion gleichgestellt
und diesen Weintypus deswegen regelrecht verteufelt.
Hier liegt der Ursprung der »Natural«-Wein- Bewegung,
die sich massiv in die entgegensetzte Richtung bewegt,
möglichst weit weg von moderner Technik. Auf der einen
Seite sind dadurch einige sehr originelle Gewächse entstanden,
und die stilis tische Vielfalt des Weins hat sich deutlich
vergrößert. Auf der anderen Seite stehen Weine mit
klassischen Weinfehlern, also Weine, die den alten »Weinschmutz«
zurückbringen. In der »Natural«-Weinszene wird
dies allerdings gern als Zeichen von Authentizität gefeiert.
Die Anhänger dieser Bewegung neigen dazu, solche
Töne als natürlich und daher unantastbar zu betrachten,
was zu einer tendenziell unkritischen Haltung gegenüber
den betreffenden kellerwirtschaftlichen Problemen führt:
Diese Gewächse gelten gerade deswegen als cool, weil sie
nicht klar, frisch und fruchtbetont schmecken.
Eine deutlich abgemilderte Variante dieser Tendenz
stellt die Verherrlichung der Spontan gärung dar,
einer Gärung ohne zugesetzte gezüchtete Hefen.
Diese Reinzuchthefen werden von einem beachtlichen
Teil der Weinszene als neue und industrielle Mittel verteufelt,
obwohl sie bereits im späten 19. Jahrhundert vor
der Industrialisierung des Weinbaus zum Einsatz kamen.
Eine gelungene Spontangärung in einem Keller, in
dem erstklassige Trauben sauber ver arbeitet werden, ist
eine wunderbare Sache, wie etwa die Weine der Betriebe
Joh. Jos. Prüm in Bernkastel-Wehlen/Mosel, Zehnthof
Luckert in Sulzfeld/Franken oder Koehler-Ruprecht in Kallstadt/Pfalz
beweisen. Die Jungweine aus diesen Gütern zeigen
eine ziemlich konstante hefige Note, die einen wichtigen
Bestandteil ihrer besonderen Persönlichkeit darstellt.
Solche höchst eigenständigen Weine sind in ihrer Jugend
nicht einfach zu verstehen, machen sich aber großartig
auf der Flasche.
Viele »Sponti«-Verfechter suchen hände ringend nach
dem Sponti-Ton im Wein, also einer mehr oder weniger
stinkigen sulfidischen Note. Sie beruht auf gestressten Hefen,
die sich langsam und schwächelnd durch die Gärung quälen.
Für manche Weintypen ist genau dies der ideale Gärverlauf,
wie das Beispiel der restsüßen Rieslinge vom Weingut Joh.
Jos. Prüm zeigt; es handelt sich um die filigransten deutschen
Rieslinge überhaupt mit immenser Lagerfähigkeit.
Aber genau wie manche »Natural«-Weine unharmonisch
(vor allem zu tanninlastig) wirken, kann eine Sponti-Note
zu dominant sein. Das passiert, wenn sich ein bösartiger
Hefestamm durchsetzt, und wird noch verstärkt, wenn
fäulnisbefallene Trauben im Spiel sind. Ein Wein, der aufdringlich
nach verbranntem Gummi riecht, bereitet keine
Freude. Doch offenbar suchen manche nach genau solchen
Tönen in mehr oder weniger ausgeprägter Form.
Dies sind zusammengefasst die unmittel baren Hintergründe
zu Äußerungen wie jener eingangs zitierten von
Martin Kössler. Seine Worte klingen allerdings richtig
milde im Vergleich zu dem, was heute kursiert. Weingüter
wie Robert Weil und Dönnhoff werden inzwischen
von manchen gnadenlos in die Pfanne gehauen, weil ihre
Weine, »too clean,« zu sauber, sind! Aus der verständlichen
Suche nach Weinen, die in Weinberg und Keller
weniger mani puliert werden, sind dogmatische Wein-
Weltanschauungen entstanden, die schon missionarisch
eifernde Züge tragen.
Problematisch wird es meiner Meinung nach, wenn
die Dogmatiker grundsätzlich von allen Winzern
die gleiche »puristische« Arbeitsweise einfordern,
wenn sich alle ständig einigen simplen Regeln unterordnen
sollen. Die Besonder heiten spezieller Weinbauorte und die
genetischen Eigenarten bestimmter Rebsorten werden
dabei komplett ignoriert, weil sie alles viel zu kompliziert
machen würden und damit dem zwang haften Streben nach
einer moralisch ein fachen Welt im Weg stehen.
Ein Teil der Weinszene hat das Prinzip der Toleranz
für diverse Weinstile und des Respekts für unterschiedliche
Geschmäcker schon auf gegeben und damit einen grundsätzlichen
Aspekt der Demokratie. Es mag sein, dass dies
nicht bewusst vorangetrieben wurde, aber wenn bestimmte
Weine nicht nur technisch als richtig oder falsch bewertet
werden, sondern eine moralische Dimension hinzukommt,
dann spielt es eigentlich keine Rolle, wie man
dahin gekommen ist.
Betrachten wir die Weingüter Robert Weil und Dönnhoff,
die besonders häufig angegriffen werden, etwas genauer, um
zu sehen, wie das alles konkret funktioniert. Als ich 1986
das Weingut Robert Weil zum ersten Mal besuchte, war es
ein eher kleiner Familienbetrieb. Wenig später wurde es
vom Getränkekonzern Suntory übernommen, bis heute
Hauptaktionär, mit Robert Weils Sohn Wilhelm als Direktor.
Das Gut ist inzwischen auf neunzig Hektar angewachsen
und produziert allein vom trocknen Gutsriesling jährlich
mehrere hunderttausend Flaschen.
Damit sind bereits einige Punkte genannt, die häufig
als »Industrialisierung« dargestellt werden.
Trotzdem schmecke ich erhebliche Unterschiede
zwischen den Jahrgängen der Weil-Weine; die 2013er
Kollektion etwa fand ich allgemein sehr gut balanciert
und strahlend in ihrer Art. Die Lagenweine sind außerdem
immer ganz klar erkennbar, und mir persönlich gefallen
die rassigen, schlanken Weine aus dem Turmberg mit ihrer
an weiße Pfirsiche erinnernden Note besonders gut. Das
ist nicht gerade das, was ich unter Gleichmacherei oder
Nivellierung verstehe.
Dass mir gelegentlich Weine aus anderen, kleineren
Rheingauer Gütern wie Eva Fricke in Eltville, Fred Prinz
in Hallgarten oder Peter Jakob Kühn in Oestrich noch
besser gefallen, ändert daran nichts. Keiner dieser drei
Betriebe ist ein »deutsches Riesling- Château« mit globaler
Aus strahlung, wie ein Kollege mir gegenüber das
Weingut Robert Weil nach dem letzten großen Umbau
beschrieb. Wer das Gut herunterredet, lehnt es auch aus
irgend welchen politischen und/oder moralischen Gründen
ab und lässt sich in seiner Argumentation von selektiver
Wahrnehmung leiten.
Bei dem echten Familienweingut H. Dönnhoff wird das
alles noch krasser. Auch hier ist man in den letzten zwanzig
Jahren auf fünfundzwanzig Hektar und somit kräftig gewachsen.
Aber der allgemeine Stimmungsumschwung mancher
Kreise scheint mehr mit dem Generations wechsel von
Helmut Dönnhoff auf seinen Sohn Cornelius zu tun zu haben.
Der anfangs schüchterne Cornelius wurde zur Projektionsfläche
manch paranoider Fantasien in der Weinszene, für
die auf den märchenhaften Aufstieg (Helmut) zwangs läufig
der Untergang (Cornelius) folgt.
Cornelius mache die Weine zu weich und zu voluminös,
habe ich oft gehört, obwohl diese Veränderung viel eher
auf der Klimaerwärmung beruht. Darauf folgt dann häufig:
»Und die Weine sind viel zu clean.« Was bedeutet: Sie passen
definitiv nicht in die Kategorie der »Natural«-Weine,
haben meist auch nicht einmal die gesuchte Sponti-Note
zu bieten. Dieses Gerede begann, als die Jahrgänge 2011
und 2012 auf den Markt kamen und sich herumsprach,
dass Cornelius Dönnhoff die Keller arbeit übernommen
hatte. Häufig wurden die Dönnhoff- Rieslinge der Jahrgänge
2008 und 2010 als schlanke, mineralische »Helmut-Weine«
gelobt, während die üppigeren Rieslinge aus 2011 und 2012
als »Cornelius- Weine« geschmäht wurden. In Wahrheit
sind aber alle waschechte »Cornelius- Weine«, weil der
schon 2007 die Kellerarbeit übernommen hat!
Vor einigen Monate fand eine Vertikalprobe der
trocknen und restsüßen Dönnhoff- Rieslinge in der
Cordobar in Berlin statt. Als die Großen Gewächse
aus den Lagen Hermannshöhle und Felsenberg der Jahrgänge
2010 bis 2014 begutachtet wurden, zehn strahlende,
filigrane, trockne Rieslinge, kam das Gespräch auf die
besondere Weinstilistik des Hauses. Alle Anwesenden
waren begeistert von der klaren Art der Weine, bis jemand
bemerkte, dass es diesbezüglich wohl Gegenstimmen gebe.
Bei Cornelius Dönnhoff, der diese Stilistik von seinem
Vater übernommen hat, traf dies offensichtlich einen Nerv.
»Ich glaube, dass die Klarheit unserer Weine mit der
Geschwindigkeit zu tun hat, mit der wir die Trauben verarbeiten«,
erklärte er, »wir wollen unbedingt diese Klarheit
und arbeiten gezielt darauf hin. Wir machen die Weine so,
wie wir glauben, dass sie schmecken sollen.« Und genau
das ist es, was das Ziel jedes begabten Winzers sein sollte,
welche Stilistik er auch immer anstrebt. Nur so entstehen
Spitzenweine. Und bestimmt nicht durch Dogmen.
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 31
DER KALTE KRIEG,
FRANKREICHS BAUERN UND
DAS DEUTSCHE
KÜCHENWUNDER
Vor sechzig Jahren wurden die Römischen Verträge ratifiziert: Der 25. März 1957, der den Beginn der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft markiert, ist nicht zuletzt auch für Feinschmecker ein denkwürdiger
Tag. Dank der »Gemeinsamen Agrarpolitik« fanden von da an landwirtschaftliche Produkte
aus Frankreich immer mehr den Weg ins Wirtschaftswunder-Deutschland. Was für unsere kulinarische
Bildung zunächst ein Segen war, hatte aber auch fatale Folgen.
Von STEFAN PEGATZKY
Foto: Rainer Zenz via Wikimedia Commons
Am Anfang war der Hunger. Nachdem Nazi-Deutschland besiegt war
und die Alliierten das Land in Besatzungszonen aufgeteilt hatten,
brach die Versorgung zusammen. Am schlimmsten war es im Frühsommer
1947, als die Frühkartoffelernte wegen mangelhaftem Saatgut
ausfiel und lang erwartete Weizenimporte ausblieben. Selbst in
den letzten Kriegswochen hatte ein passabler Ernährungs standard
aufrechterhalten werden können. Nun fiel der Kalorienspiegel pro
Person mancherorts unter tausend – etwa die Hälfte der durchschnittlich
benötigten Tagesration und deutlich unter der Grenze
zu extremer Unterernährung. Die Menschen sammelten Bucheckern
im Wald oder kochten Wassersuppe aus Kartoffelschalen,
sofern sie welche finden konnten. Erst 1952 sollte sich die Nahrungsmittel
situation in Westdeutschland normalisieren. Der Hunger verschwand,
das Trauma blieb.
32 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Fotos: Französische Kochkunst – von den großen Meistern der Küche. Genf: H. Studer S. A. 1953 Foto: Hedwig Maria Stuber: Ich helf dir kochen – was allen schmeckt.
Die Normalisierung war auch der weltpolitischen
Situation geschuldet. Unmittelbar nach Ende des
Krieges war Deutschland zwar besiegt, aber immer
noch »Feindstaat« und wurde entsprechend behandelt.
Doch die beginnende Blockbildung gegen die UdSSR, aber
auch die Einsicht, dass das besiegte Deutschland nur als
ein gebundener Partner zu kontrollieren sei, änderte die
Perspektive. Ab 1947 begann die eigentliche Arbeit an der
europäischen Integration, die sowohl auf die Verhinderung
einer erneuten Vormachtstellung Deutschlands als auch
auf die Eindämmung der sowjetischen Aggression zielte.
Erster Meilenstein auf diesem Weg war 1951 die Montanunion,
der gemeinsame Markt für die kriegs wichtigen
Schlüssel industrien Kohle und Stahl. Diese von Frankreich
aus gehende Initiative bot den ehemaligen Kriegs gegnern
eine Win-Win-Situation: Sie verhinderte ein erneutes Aufrüsten
Deutschlands – und ermöglichte dem noch unter
inter nationaler Kontrolle stehendem Ruhrgebiet einen
wirtschaftlichen Neubeginn.
Die Erinnerung an die Missernten von 1947 war der
Grund, warum zur gleichen Zeit auch über einen gemeinsamen
europäischen Wirtschaftsraum für Agrar erzeugnisse,
den »Pool Vert«, nachgedacht wurde. Tatsächlich war die
Versorgung der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg
auch in Frankreich problematisch gewesen und konnte
nur durch Lebensmittelversorgungen der Amerikaner
sicher gestellt werden. Die aber ließen sich diese Hilfe in
harten Dollar bezahlen, wodurch Mittel für den Ankauf
dringend benötigter Investitionsgüter fehlten und das chronische
Zahlungs bilanzdefizit Frankreichs noch vergrößert
wurde. Nach Beginn des Koreakrieges drängten zudem
die Vereinigten Staaten ihre europäischen Bündnis partner,
eine Selbstversorgung zu erreichen, da im Kriegsfall die
Transport kapazitäten für Nahrungsmittel nicht ausreichen
würden. So setzte sich in Paris die Erkenntnis durch, dass
die Situation nur durch eine dramatische Intensivierung der
Produktion und die Erschließung neuer Exportmärkte gelöst
werden konnte – vor allem in die junge Bundes republik,
wo der wirtschaftliche Aufschwung mächtig Fahrt aufnahm.
Was die Montanunion für die deutsche Wirtschaft war, sollte
der gemeinsame Agrarmarkt für die französische sein.
Für die Grande Nation waren das völlig neue Überlegungen.
Das ländliche, agrarisch geprägte Frankreich
mit seinen kleinen Familienbetrieben bildete den innersten
Kern der nationalen Identität des Landes, die »France
profonde«, die ganz unabhängig von Paris und dessen
intellektuellen Debatten existierte. Der Herzog von Sully
hatte im 16. Jahrhundert das Wort geprägt, wonach »Ackerbau
und Viehzucht die beiden nährenden Brüste Frankreichs«
– les deux mamelles de France – seien. Und daran
hatte sich bis ins 20. Jahrhundert nicht viel geändert. Um
1950 arbeiteten noch immer circa dreißig Prozent der französischen
Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, wogegen
es in Deutschland zwanzig und in den Niederlanden nur
dreizehn Prozent waren. Die aber waren, worauf warnende
Stimmen seit Jahrzehnten hingewiesen hatten, wesentlich
produktiver, von Farmern in Übersee, in den USA, Argentinien
oder Neuseeland ganz zu schweigen.
Darauf brauchte man lange Zeit keine Rücksicht zu
nehmen, weil Frankreichs Agrarwirtschaft in einen romantischen,
fast sakralen Nebel gehüllt war. Die »Vocation
Agricole de la France«, die göttliche Berufung der französischen
Landwirtschaft, galt als eine der wesentlichen Stützpfeiler
der sprichwörtlichen Grandeur unseres Nachbarlandes.
Soviel nationaler Chauvinismus diesen Mythos
auch beflügelt haben mag – völlig grundlos war er nicht.
Denn in Frankreich hatte sich mit der Erfindung der Haute
Cuisine am Hofe von Versailles ein wichtiger Schritt im Prozess
unserer Zivilisation vollzogen. 1654 hatte Nicolas de
Bonnefons in seinem Buch »Les délices de la campagne«
das grundlegende Prinzip der modernen Kulinarik formuliert:
»Es muss, so sage ich, die Kohlsuppe nach Kohl schmecken,
die Lauchsuppe nach Lauch, die Rübchen suppe nach
Rübchen und so fort … Und was ich über die Suppe sage,
muss allgemein gelten und als Gesetz für alles, was man isst.«
Das war ein Bruch mit den Kochtraditionen des Mittelalters,
wo jeder Eigengeschmack bis zur Unkenntlichkeit
überdeckt worden war. Und mehr noch: Mit der Ent deckung
des Eigengeschmacks eines Produktes hatte Bonnefons die
Lebensmittel von ihrer reinen Ernährungsfunktion emanzipiert.
Hinter ihn trat selbst die feudale Rangordnung des
Produkts (an der Spitze Adler oder Steinbock) oder die
barocke Kuriositätensehnsucht (wie Pfauenpasteten) mehr
und mehr zurück. Die neue Kategorie des Eigengeschmacks
bildete von nun an die »Entwicklungsachse« ( Jean-Pierre
Poulain) der Kulinaristik − von Marie-Antoine Carême
über Jean Anthelme Brillat-Savarin und Auguste Escoffier,
die zehn Gebote der »Nouvelle Cuisine« von Henri Gault
und Christian Millau bis hin zu Alain Ducasse. Von nun an
beruhte die Raffinesse der französischen Küche auf dem
Geschmack der Lebensmittel. Das machte sie, die sich im
Prinzip bis dahin wenig von den Küchen ihrer Nachbarländer
unterschieden hatte, einzigartig.
Der Eigengeschmack bildete zugleich ein völlig neues
Beurteilungssystem für die Produkte der höfischen
Lieferanten. Hatte man zuvor allenfalls über die
Verbindung von Herkunft und Geschmack bei Wein und
Käse diskutiert, so wird von nun an in der französischen
Literatur mit Leidenschaft auch über die Herkunft der besten
Masthühner oder Austern gestritten. Die Bauern richten
sich nach den neuen Anforderungen der hohen Herren –
und nicht nur im Umkreis der Krone. Denn von Versailles
aus, dem Zentrum des barocken Absolutismus, schwappt die
neue Mode, wie alles, was am Hof der Bourbonen erdacht
wird, in konzentrischen Kreisen an all die kleineren Höfe
der Provinzen. So entstand in vielen Regionen Frankreichs
so etwas wie ein unsichtbarer Pakt zwischen Bauern und
Gourmets – ein Pakt, der selbst die Revolution über dauerte,
nach der die ehemaligen Leibköche der Aristokraten die
ersten Restaurants eröffnen und die Gastronomie für das
neue Bürgertum neu erfinden. Es entstand jenes französische
»Savoir Vivre«, von dem Heinrich Heine in den Reisebildern
schrieb: »Man lebt in lauter Lust und Pläsier, so
recht wie Gott in Frankreich. Man speist von Morgen bis
Abend, und die Küche ist so gut …«
Das war in Deutschland anders. Hier herrschte kein
sinnen froher Katholizismus, der das Essen heiligte, weil
man sich in ihm etwas von der Substanz Gottes aneignete,
sondern in weiten Teilen die Reformation. Welche Auswirkungen
diese auf die deutsche Küche hatte, hat Peter in
Armes Deutschland: Toast
Hawaii, Sardellen-Ei, gefüllte
Tomaten und »Fliegenpilze« –
so zaghaft wagte die deutsche
Kulinarik ihren Nachkriegsstart.
Pariser Köche exzellierten schon
mit Kreationen wie Galantine
de Faisan, Poularde glacée
und Langouste à la Parisienne.
Glückliches Frankreich!
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 33
Der erste Fernsehkoch
Frankreichs: Von 1954 an führte
Küchenchef Raymond Oliver seine
Zuschauerinnen viele Jahre lang
in die Geheimnisse der Haute
Cuisine ein. Er war zugleich Inhaber
des Pariser Gourmet-Tempels
»Le Grand Véfour« im Palais Royal.
seiner »Kulturgeschichte der deutschen Küche« dar gestellt.
Die »Freiheit des Christenmenschen« verwarf zwar die
katholischen Fastengebote, aber gebot doch jedermann
»mäßig, nüchtern und züchtig zu leben«. In der Sitte des
bescheidenen Abendbrots wurde das Nachtmahl zur privaten
Veranstaltung, Auswärtsessen galt als Verschwendung.
Hausmannskost wurde zum Inbegriff der guten Küche, also
das, was durch landwirtschaftliche Selbstversorgung hergestellt
werden konnte. Auswärtige Delikatessen dagegen
zeugten von Hochmut.
Das reformatorische Ethos der Enthaltsamkeit wurde
verstärkt durch die vielen Kriege auf deutschem
Boden: die Bauernkriege, der Dreißig jährige
Krieg, der Pfälzische Erbfolge- und der Siebenjährige
Krieg, die Napoleonischen und die Deutschen Einigungskriege,
ganz zu schweigen von denen, die danach kommen
sollten. Es ist kein Wunder, dass diese Notzeiten auch bei
den Eliten Vorstellungen von Entsagung und »strengem
Glück« (Thomas Mann) formten, in denen wenig Platz
für sinnliche Genüsse war. Schwäbischer Pietismus und
an holländisch- calvinistischem Gedankengut inspiriertes
preußisches Ethos werden Leitideologien Deutschlands
auf dem Weg in die Moderne – mit entsprechendem Einfluss
auf die deutsche Küche. Nur in einigen vom Katholizismus
geprägten Regionen, zumeist in grenznahen Gebieten
in West- und Süddeutschland, sowie in einigen prosperierenden,
latent glaubensneutralen Handels- und See städten
überlebt eine nennenswerte deutsche Küchenkultur.
Beides, die permanente Drohung wirtschaftlicher Not
wie die religiös grundierte Entsagungsethik hinterließ tiefe
Spuren in der deutschen Landwirtschaft. Produziert wurden
überwiegend Grundnahrungsmittel, ins besondere in den
großen Gütern »Ostelbiens«. Mit der einen Ausnahme des
Weinbaus vornehmlich im Mittel- und Ober rhein, die sich
durch die Kleinbauernstruktur stark von den übrigen agrarischen
Regionen in Deutschland unterschied und wo sich
der Riesling als Leitrebe durchsetzen konnte, entschied
man sich im Zweifelsfall für einfache und schnell zu produzierende
Produkte in großen Volumina. Die Geflügelzucht
in Deutschland etwa favorisierte traditionell die
eier legenden Rassen, während in Frankreich die Vervollkommnung
der aufwendiger zu haltenden Fleischrassen im
Vordergrund stand. Ähnlich in der Rinderzucht: Hier standen
die »Milchrassen« im Vordergrund, in Frankreich dagegen
ebenfalls die Fleischrassen – was bis heute zur Folge
hat, dass deutsche Schlachthöfe dem Verbraucher zumeist
nur qualitativ deutlich schlechteres Jungbullenfleisch liefern,
während in Frankreich besseres Färsen- und Ochsenfleisch
von geeigneteren Rassen angeboten wird.
Ungeachtet dieser Gegebenheiten stand auch in
Deutschland die Agrarromantik in hohem Kurs. Der Dichter
der Befreiungskriege, Ernst-Moritz Arndt, erblickte
im Bauernstand den kraftvollen und sittlichen Urzustand
des Menschen: Noch nicht entartet durch westliche Zivilisation
und welschen Tand sei er der treueste Verteidiger
des Vaterlandes – eine Ideologie, die noch in den Reden
des Reichsbauernführers Walther Darré im Dritten Reich
widerklingen sollte. Doch während Arndt vom Bauern als
Damm gegen die Revolution und der eigentlichen Zukunft
der deutschen Nation schwadronierte, hatte längst auch in
der Landwirtschaft die Moderne begonnen.
England hatte bereits im frühen 18. Jahrhundert mit
dem High Farming begonnen, einer Vier-Felder-
Wirtschaft ohne Brachen mit intensiver Düngung.
Am Ende des Jahrhunderts begann dort zudem, ausgelöst
nicht zuletzt durch den Bevölkerungsdruck der zunehmend
industriell geprägten Gesellschaft, die moderne Nutztierzucht,
in der in lokale Landschläge Rassen aus Fernost eingekreuzt
wurden, um deren Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Deutschland folgte mit deutlicher Verspätung und weniger in
der Praxis als in der Theorie: Albrecht Daniel Thaers Lehre
der »Rationellen Landwirtschaft« gilt als die Begründung
der modernen Agrarwissenschaft. Dennoch fehlte hierzulande
das, was im 19. und frühen 20. Jahrhundert etwa
die Landwirtschaft von Dänemark und den Niederlanden
so leistungsfähig machen sollte, die Verklammerung von
Fachausbildung und landwirtschaftlicher Intensivierung.
Seit 1880 erschienen in Deutschland erste Schriften zur
»Krise der Landwirtschaft«. Tatsächlich wurden die heimischen
Märkte immer stärker von massiven Exporten insbesondere
aus Übersee bedroht, die Frage von Schutzzöllen
beherrschte die Politik des jungen Deutschen Reiches und
seiner europäischen Nachbarn. Zugleich führt der massive
Arbeitskräfteabbau in der Landwirtschaft zur Verarmung
weiter Teile der europäischen Landbevölkerung. Soziale
Unruhen waren die Folge. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise
gelang es den politischen Parteien in vielen europäischen
Ländern – nicht nur in Deutschland – nicht mehr,
den sich zunehmend radikalisierenden Bauernstand an
sich zu binden. Es waren diese Erfahrungen, die die jungen
Demokratien Nachkriegseuropas – nicht nur in Deutschland,
auch in Frankreich und Italien hatte es ja politische
Systemwechsel gegeben – dazu bewegten, mit hohen Subventionen
um die Loyalität besonders der ländlichen Bevölkerung
zu werben, etwa indem der Einkommensindex an
den der Industriearbeiterschaft gekoppelt wurde.
Für das Frankreich der Vierten Republik, deren Politiker
unablässig von der Landwirtschaft als dem zentralen
nationalen Interesse des Landes sprachen, war also um
1950 die Frage einer grundsätzlichen Neuorientierung der
Agrarwirtschaft, möglichst im europäischen Rahmen, eine
Frage des politischen Überlebens. Doch das Europa der
Sechs, das sich in der Montanunion, der Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl, zu bilden begonnen
hatte, verfügte über völlig unterschiedliche wirtschaftliche
Zielsetzungen und Agrarsysteme. Die marktliberalen
Nieder lande favorisierten für ihre hochmoderne, exportorientierte
Landwirtschaft möglichst niedrige Zölle. In
Frankreich war dagegen traditionell der Staat ein wesentlicher
Akteur der Wirtschaftspolitik, der seinen Wirtschaftsraum
durch hohe Zölle schützte. Italien war hingegen ein
Fotos: alchetron.com/Raymond-Oliver-1360076-W
Der erste Fernsehkoch Deutschlands:
Er hatte nie Kochen gelernt. Clemens
Wilmenrod war Schauspieler in prekärer
Lage gewesen. Aber seit 1953 zeigte
er elf Jahre lang in seiner populären
TV-Sendung den deutschen Hausfrauen,
dass das Improvisieren am
Herd Teil der Kochkunst ist.
Fotos: ullstein bild - Röhnert
34 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Fotos: ullstein bild – sobotha und ullstein bild
Prachtschau der Agrarwirtschaft: Der
Internationalen Grünen Woche 1957
in Berlin macht auch Kanzler Konrad
Adenauer seine Aufwartung, begrüßt
vom »Regierenden« Otto Suhr und
dem Präsidenten der Berliner Abgeordnetenkammer
Willy Brandt. Landwirtschaft
war jetzt Gegenstand
hoher europäischer Politik.
direkter Konkurrent, dem es vor allem um Mittel aus einem
möglichen Investitionsfonds zur Entwicklung des rückständigen
Südens und um Arbeitnehmerfreizügigkeit ging.
Und Deutschland, der Erzfeind, neigte eigentlich der liberalen
Position der Niederlande zu, wenngleich die existierenden
heimischen Marktordnungen für Lebensmittel im
Grunde protektionistischer Natur waren.
Dass sich Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien,
Luxemburg und die Niederlande schließlich nach
Jahren der Verhandlungen einigten, ist eine außerordentliche
politische Leistung. Sie ist ohne den Hintergrund
des Kalten Krieges und Ereignisse wie den Koreakrieg, die
drohende Annäherung der Bundesrepublik an die UdSSR
nach dem Besuch Adenauers in Moskau 1952, Frankreichs
Verlust von Indochina 1954 und die Suezkrise von 1956
undenkbar. Den führenden Politikern in Frankreich war klar
geworden, dass die Nation keine Weltmacht mehr war und
dass, um es mit de Gaulle zu sagen, die Geschichte Frankreich
»die Ehe mit Deutschland« auf erlegt habe. Immerhin
war es eine »Gemeinsame Agrar politik« nach französischem
Modell: massiv subventioniert und dirigistisch.
Adenauer glaubte für Deutschland an dieser Stelle nachgeben
zu können, weil er längst die Weichen dafür gestellt
sah, dass die Zukunft des Landes in der Industrie- und
Dienstleistungsgesellschaft liegen würde. Und er wusste,
dass der gemeinsame Markt ein entscheidender Meilenstein
war auf dem Weg zur Wieder gewinnung der nationalen
Souveränität.
Die unmittelbaren Folgen für den deutschen Verbraucher
waren hoch erfreulich. Frankreich gab sich erhebliche
Mühe, Deutschland als Exportland für seine Agrarerzeugnisse
und Lebensmittel zu erschließen. Dass dem
Erfolg beschieden sein würde, war bei den unterschiedlichen
Mentalitäten und der Vorgeschichte kaum abzusehen.
Wo in unseren Breiten noch Bücher erschienen mit Titeln
wie »Das Kochen mit knappen Mitteln« (1946), gründeten
in Frankreich die führenden Gourmets ihrer Zeit die Zeitschrift
»Cuisine et Vins de France« (1947). Einige Jahre
später, 1953/54, trat im französischen Fernsehen Raymond
Oliver als Fernsehkoch auf – zur gleichen Zeit wie bei uns
Clemens Wilmenrod. Mit dem Unterschied, dass Oliver
Chefkoch des mit drei Guide-Michelin-Sternen geadelten
»Grand Véfour« in Paris war, Wilmenrod aber ein erfolgloser
Schauspieler, der der Nachwelt so unsterbliche Rezepte
wie den »Toast Hawaii« hinterlassen hat.
Als es aber Anfang der 1960er-Jahre mit den ersten
gemeinsamen europäischen Marktordnungen ernst wurde,
verstärkte Frankreich seine Export-Anstrengungen. 1961 rief
die Grande Nation die Sopexa ins Leben, die Gesellschaft
für den Export von Agrargütern und Lebensmitteln. Mit
zahlreichen Marketinginstrumenten sollte sie in wichtigen
ausländischen Märkten den Verkauf französischer Waren
ankurbeln. Und seit Deutschland Export partner Nummer
eins geworden war, wurden die Anstrengungen hier zulande
− seit 1962 von Düsseldorf, dem ersten Auslands büro der
Sopexa, sowie von verschiedenen Zweigstellen aus − besonders
nachhaltig betrieben. Schon 1960 hatte die Zeitschrift
»Cuisine et Vins de France« einen deutschen Ableger, den
»Feinschmecker« gegründet, und die zahlreichen Nennungen
der Sopexa im Zusammenhang von Berichten über
Messen und Verkaufsaktionen von Käse und Wein sowie
nicht zuletzt als Lieferant von Bildmaterial legen den Schluss
nahe, dass hier die Publizistik und der Außenhandel unseres
Nachbarlandes Hand in Hand arbeiteten.
Der Widerstand in der deutschen Gesellschaft war
erheblich, doch die Erfolge blieben nicht aus. 1964 wurde,
nach fünfzigjähriger Unterbrechung, in Deutschland wieder
ein »Guide Michelin« publiziert, der dann von 1966 an auch
an Restaurants in Deutschland seine berühmten Sterne vergab.
Seit den 1970er-Jahren verkündeten Kritiker wie Klaus
Besser, Gert von Paczensky und Wolfram Siebeck das Lob
der »Nouvelle Cuisine«. 1980 schließlich erhielt Eckart
Witzigmann in seinem Restaurant »Aubergine« in München
als erster Koch in Deutschland den dritten Stern. Ein
Triumph für Witzigmann – aber nicht nur. Denn die Küche
in der »Aubergine« war bis ins Mark Französisch und die
Grundprodukte stammten zumeist vom legendären Großmarkt
Paris-Rungis. Das deutsche Küchen wunder schlüpfte
aus Eierschalen in den Farben der Trikolore.
Unterdessen war aus der »Gemeinsamen Agrarpolitik«
ein Monstrum geworden. Die Schaffung
eines gemeinsamen Marktes bedeutete im
Europa der Sechs das Startsignal für die »Modernisierung
der Agrarstrukturen«, was zur Ausräumung von Landschaften
und zu intensiven Flurbereinigungen führte, um
großflächige industrielle, das heißt maschinenunterstützte
Land nutzung zu ermöglichen. Zusätzlich belasten extensive
Düngung und Pestizideinsatz die Natur, insbesondere in den
1970er- Jahren. Die kleinen bäuerlichen Familien strukturen
wichen vielerorts modernen Agrarfabriken. Damit verbunden
war der Untergang der traditionellen dörflichen Strukturen.
Die moderne Nutztierzucht und -haltung nahm in
vielen Fällen die Form von Tier quälerei an. Was einmal
als sinnvolle Modernisierung begonnen hatte, nahm maßlose
Formen eines entfesselten Agro business an. Durch
garantierte Abnahmepreise angefeuert, entstand eine bald
sprich wörtlich gewordene gewaltige Über produktion in
Form von Butter bergen und Milchseen. Das alles geschah in
Deutschland rücksichtsloser als in Frankreich – der schmerzhafte
Weg zum Fortschritt, die Anpassung an eine Produktion
vornehmlich nach Quantität und nicht nach Qualität
aber sollte auch Frankreichs Land wirtschaft grundlegend
verändern.
In Deutschland begann mit der »Gemeinsamen Agrarordnung«
das eigentliche Ende der traditionellen Landwirtschaft,
eine Entwicklung, die bereits im deutschen
Kaiserreich um 1900 mit der Entscheidung für den Industrieund
gegen den Agrarstaat eingeläutet worden war – heute
beträgt der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung
der deutschen Wirtschaft gerade einmal 0,6 Prozent.
Aber auch für die französische Landwirtschaft war
die »Gemeinsame Agrarordnung« ein Pyrrhussieg. Ohne
sie hätte es die »Trentes Glorieuses«, die drei prosperierenden
Jahrzehnte in Frankreich zwischen 1945 und 1975,
nicht gegeben. Die Agrarexporte bildeten die wichtigste
Säule des Außen handels – Staatspräsident Giscard d’Estaing
prägte den Begriff vom »pétrole vert«, dem grünen Öl −,
doch französische Produkte wurden immer austauschbarer.
In den Siebzigerjahren begann Italien − und seit dem
EU-Beitritt von 1986 auch Spanien – mit seinen Agrarprodukten,
aber auch mit der kulinarischen Kultur, Frankreich
in den Schatten zu stellen. Heute, wo die Speziali täten
der Welt global verfügbar sind und sich die Kulinarik immer
hektischer neue Spotlights sucht − gestern Barcelona, heute
Kopenhagen, morgen Peru – verblasst immer mehr, dass
Frankreich das eigentliche Vaterland eines jeden wahren
Feinschmeckers ist. Im Weinbau hat unser Nachbarland seit
den späten Neunzigerjahren verstanden, das Steuer energisch
wieder herumzureißen. Es bleibt abzuwarten, ob
auch andere Bereiche der französischen Agrar wirtschaft
wieder dem auf höchste Qualität verpflichteten Kurs folgen
werden.
Kochbücher werden Bestseller:
Die Lust am besseren
Essen inspirierte auch
den Buchmarkt. Und als
1964 der erste deutsche
Guide Michelin erschien,
war der Bann gebrochen.
Peu à peu wurden die
Deutschen auch bei Tisch
wieder wer.
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 35
NEUES VON DEN
GENUSSWERKERN
EINE KULTURGESCHICHTE
ÜBER DEUTSCHES ESSEN
Von ritterlichen Banketten
der Minnesängerzeit bis zum
Streetfood der Gegenwart.
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EINE HOMMAGE AN EINEN DER
GRÖSSTEN KÖCHE UNSERES LANDES
35 der wichtigsten Rezepte von Hans Haas – visualisiert
in authentischen, großformatigen Fotografien, die vermitteln,
wie der Gast den jeweiligen Teller im Tantris tatsächlich
erlebt. Begleitet von kurzen Essays, die die besondere
Eigenart der Haas’schen Küche verdeutlichen.
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DAS IST DOCH
ALLES GESCHMACKSSACHE
Der bekannte Restaurantkritiker und Kolumnist Jürgen Dollase
entwickelt eine völlig neue Vorstellung von Essen. Er nimmt Sie mit
auf eine sensorische Reise, auf der sich Ihre Rezeption von Essen
entscheidend verändern wird. Im Zentrum der Geschmacksschule
stehen von Meisterköchen speziell komponierte „Löffelgerichte“
und ein fünfgängiges Löffelmenü. Illustriert wird dies durch außergewöhnliche
Darstellungen der Geschmacksverläufe sowie abgerundet
durch ebenso spannende wie moderne Rezeptbeispiele.
Noch nie war es so einfach und gleichzeitig so vielfältig, Geschmack
zu erleben. Es ist an der Zeit, das Verhältnis zu Essen neu zu positionieren
und zu überprüfen, was unsere Geschmacksnerven alles hergeben.
Und wie ausgeprägt Genuss beim Essen wirklich sein kann.
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EINLEITUNG
6 | 7
SENSIBILISIERUNG 32 | 33
VON ESSEN
UND SCHMECKEN
UND DER
GESCHMACKSSCHULE
BEISPIEL 1
Nehmen Sie nun einen Löffel,
füllen Sie ihn wie jeweils beschrieben
und versuchen Sie, die beschriebenen
geschmacklichen
Effekte nachzuvollziehen.
JEDER VON UNS HAT BEIM ESSEN SO SEINE RITU-
Diese Fähigkeit ist ganz offensichtlich zuschaltbar.
EIN DURCHGANG
STUFE 1
STUFE 2
STUFE 3
STUFE 4
STUFE 5
ALE, UND JEDER WEISS ZIEMLICH GENAU, WIE ER
Man kann essen und reden oder sich beim Essen eine
AUS GANZ NORMALEN
Füllen Sie den Boden des Löffels
Füllen Sie den Boden des Löffels
Füllen Sie den Boden des Löffels
Füllen Sie den Boden des Löffels mit
Füllen Sie den Boden des Löffels
DAMIT UMGEHEN KANN. MANCHMAL IST ES EBEN
TV-Sendung ansehen und würde am Ende kaum eine
VORRÄTEN, KALT
mit etwas Joghurt.
mit etwas Joghurt und geben
mit etwas Joghurt und geben Sie
etwas Joghurt und geben Sie vorne
mit etwas Joghurt und geben Sie
NUR EINE REINE NAHRUNGSAUFNAHME, DIE MAN
MIT DEN GANZ SICHEREN DINGEN ERLEDIGT,
VON DENEN MAN WEISS, WIE SIE SCHMECKEN
Frage beantworten können, die etwas mit dem Essen zu
tun hat. Waren da Oliven auf der Pizza? Oder irgendwelche
Kräuter? Ich habe einmal in einem sehr guten
ZUTATEN
DEGUSTATIONSNOTIZ
Zuerst empfindet man die Kälte
Sie vorne und hinten etwas
Konfitüre dazu.
vorne und hinten etwas Konfitüre
dazu. Dann legen Sie vier kleine
Apfelwürfel darauf.
und hinten etwas Konfitüre dazu.
Legen Sie vier kleine Apfelwürfel
und ein Walnussviertel darauf.
vorne und hinten etwas Konfitüre
dazu. Legen Sie vier kleine Apfelwürfel
und ein Walnussviertel darauf
UND MIT DENEN MAN KEINERLEI „BÖSE“ ÜBER-
Restaurant gegessen, und zwar bei der Präsentation ei-
JOGHURT, natur oder ganz
des Joghurts. Der Kälteeindruck
DEGUSTATIONSNOTIZ
und beschließen Sie den Löffel mit
RASCHUNGEN ERLEBT.
nes neuen Kochbuchs eines sehr kreativen Kochs, den
schwach aromatisiert, kalt aus dem
gehört zu den wichtigsten Wahr-
Wieder steht am Anfang die
DEGUSTATIONSNOTIZ
DEGUSTATIONSNOTIZ
einem Stückchen Zwieback.
ich sehr schätze. Es gab einige Gerichte, ich saß mit
Kühlschrank
nehmungen. Ist etwas im Mund
Kälte des Joghurts. Weil Joghurt
Die neue Zutat Apfelwürfel macht
Mit dem Nussstückchen kommt
Wenn wir das Essen nicht völlig unter Kontrolle haben –
interessanten Leuten am Tisch, und die Unterhaltung
sehr kalt, kann man andere Dinge
und Konfitüre oder Gelee aber
sich selbstverständlich sofort
nun ein ganz deutlicher Kross-
DEGUSTATIONSNOTIZ
also zum Beispiel beim Essen außer Haus –, suchen wir
war sehr angeregt. Am Ende des Essens wusste ich
KONFITÜRE ODER GELEE,
nicht gleichzeitig wahrnehmen,
die gleiche Textur haben (beide
bemerkbar. Sie ist für einen ganz
Effekt hinzu, der zunächst auch alles
Das extrem krosse Stückchen
fast immer das, was in unser “Beuteschema“ passt und
nicht, was ich gegessen hatte! Und das, obwohl es sich
die Sorte ist ziemlich egal
bis das kalte Objekt wieder
haben vergleichsweise wenig
sanften Kross-Effekt zuständig,
andere dominiert. Die Wirkung
Zwieback sorgt für eine totale
werden dann vielleicht kurz und knapp registrieren, ob
in diesem Restaurant wirklich lohnt, auf jedes Detail zu
einigermaßen in der Nähe der
Widerstand und schmelzen),
der aber noch nicht das Apfel-
eines krossen Elementes im Mund
Dominanz des Kross-Effekts zu
das Essen unseren Erwartungen entspricht, so ungefähr
achten. Was Schmecken bedeuten kann, kennen Sie
APFELWÜRFEL von etwa
Körpertemperatur angekommen
vermischen sie sich sehr schnell.
aroma wirklich deutlich macht.
ist fast immer so groß, dass die feine
Beginn. Vor lauter Krachen kann
entspricht, nicht entspricht oder vielleicht auch einmal
vielleicht am ehesten von Weinproben her. Da redet
5 x 5 mm, von einem eher sauren,
ist. Natürlich setzt der Joghurt
Wir können sie – vor allem dann,
Beim Zerkauen ergibt sich ein
Aromenwahrnehmung zurück-
man keine weiteren Dinge regis-
viel besser ist, als wir es erwartet haben. Je größer
dann vielleicht jemand von feinen Quittennoten, die im
ziemlich festen Apfel, am besten
unseren Zähnen auch keinerlei
wenn sich der Joghurt erwärmt
Akkord mit Joghurt und Konfi-
stehen muss, bis der Effekt nicht
trieren. Danach spielt sich alles
die Abweichungen sind – egal in welche Richtung –,
Abgang (also dann, wenn man schluckt) verschiedene
mit etwas Schale. Geeignet ist
Widerstand entgegen. Wir emp-
hat – von der Textur her kaum
türe, der aber nur eine kurze Zeit
mehr so stark ist. Weil ein Nuss-
so ab wie bei Stufe 4, mit dem
desto eher werden wir uns einmal einen Moment auf
exotische Blütenaromen entwickeln. Sie werden das
z. B. Granny Smith
finden ihn als schmelzend, weil
auseinander halten. Und weil sie
anhält. Dann schmelzen Joghurt
stückchen aber nicht nur zu Beginn
Unterschied, dass die weniger
das Essen konzentrieren und „hinschmecken“, um was
vielleicht für bizarr halten und an die vielen Witze den-
er sich quasi sofort – und ohne
sich vermischen, haben wir auch
und Konfitüre endgültig weg.
kross ist, sondern auch etwas, auf
krosse Nuss am Anfang vom
es sich denn da eigentlich handelt. „Oh, dieses Durch-
ken, die man über die Weinsprache macht. Sie werden
ETWAS NUSS, und zwar ent-
Kauen oder größere Mund-
ein Mischaroma, in diesem Falle
Übrig bleibt allein der Apfel,
dem man längere Zeit kaut, hält sich
Zwieback übertüncht wird, so wie
einander von verschiedenen Gemüsesorten schmeckt
aber vielleicht auch zwei wichtige Dinge erkennen,
weder Walnussstückchen oder
bewegungen – aus dem Mund in
einen süßen Joghurt. Wir bemer-
das Apfel aroma und die leicht
das Nussaroma recht lange Zeit. Es
der noch weniger krosse Apfel-
aber gut!“, heißt es dann vielleicht, manchmal aber auch
nämlich erstens, dass sich solche Aromen tatsächlich im
Stücke von der Pekannuss, beide
Richtung Speiseröhre entfernt.
ken in diesem Zusammenhang
faserige Textur des Apfels.
kommt also nach dem ersten Kross-
würfel bei Stufe 4 von der Nuss
„Das schmeckt ja furchtbar, das kann ich nicht essen!“
Wein finden, und zweitens, dass man bisweilen größere
Sorten haben eine ähnliche Textur
Ein leichter Druck mit der Zunge
einen weiteren zeitlichen Verlauf.
Effekt zu einer Akkordbildung mit
überdeckt wurde. Im Gegensatz
Wir benutzen also eine Fähigkeit, die wir offensichtlich
Probleme hat, das, was man offensichtlich schmecken
reicht dazu aus.
Er geht von der Kältewahrneh-
den anderen Elementen, wobei sich
zur Nuss wird der Zwieback aber
alle besitzen. Wir schmecken, wo wir sonst nur essen.
kann, auch mit passenden Worten auszudrücken.
STÜCKCHEN VON
mung über die Verschmelzung
die „schwächeren“ Elemente, wie
viel schneller zerlegt und ist nicht
ZWIEBACK, in der Dicke halbiert
zur Süße der Konfitüre.
Joghurt und Konfitüre, als Erste
so nachhaltig, dass er im weiteren
verflüchtigen. Am Schluss bleibt ein
Verlauf eine größere Rolle spielen
Rest von Apfel und Nuss übrig.
würde.
GESCHMACKSSCHULE
LÖFFELGERICHTE 104 | 105
2
VON AROMEN, TEMPERATUREN
UND TEXTUREN
KARTOFFEL,
KERBEL,
SEEHASENROGEN
ZUTATEN
KARTOFFELN
eher längliche Kartoffeln von
etwa 6 cm Länge und rund 2 cm
Höhe (damit sie mit Schale
verwendet werden können.
Notfalls geht es natürlich auch
mit zurechtgeschnittenen
„normalen“ Kartoffeln)
Salzwasser (16 g Salz pro Liter)
WEITERE ZUTATEN
gut gekühlte Crème double oder
französische Crème fraîche von
mindestens 30 % Fettgehalt
eine Handvoll fein gezupfte
Kerbelblätter
Seehasenrogen („falscher Kaviar“/
„Deutscher Kaviar“), gut gekühlt
ZUBEREITUNG
Kartoffeln waschen und mit Schale garen (Messertest: Wenn ein spitzes
Messer nicht mehr in der Kartoffel stecken bleibt, sind sie gar). Passend
zum Löffel zurechtschneiden (s. Bild).
ANRICHTEN
Kartoffel auf den Löffelboden setzen, darauf einen guten TL Crème
double und die gleiche Menge Seehasenrogen. Über alles großzügig
Kerbel streuen.
ANMERKUNG
Trinken Sie dazu einen eiskalten Oude Genever.
DEGUSTATIONSNOTIZ
Über dem die ganze Zeit durchlaufenden Basisgeschmack von der Kartoffel ergibt sich nach kurzer Zeit ein
intensiver Eindruck von Seehasenrogen, weil dieser erst angewärmt werden muss. Die fette Crème double schmilzt
dagegen leichter und füllt den ganzen Mundraum. Der Nachhall kommt vor allem von der Textur der zerkauten
Kräuter. Falls Sie den Genever dazu trinken, gibt es noch einmal eine komplette Reaktion mit allen Elementen,
vor allem mit dem Seehasenrogen.
CRÈME DOUBLE
SEEHASENROGEN
KERBEL
KARTOFFEL
KERBEL
SEEHASENROGEN
KARTOFFEL
KERBEL
CRÈME DOUBLE
DIE WILDNIS
Mit der Kampagne für seinen neuen Herrenduft lässt Joop eine
alte Ikone wieder auferstehen: Tarzan, den König des Dschungels.
Von HANNAH CONRADT
Eine Zeitungsschlagzeile aus dem Jahr 1924 kündet von einer Sensation: Ein junger Lord
ist nach fünfundzwanzig Jahren im Dschungel gefunden worden und kehrt nun nach Hause
zurück. Wir sehen ihn auf dem Rücksitz einer Limousine vor seinem Schloss vorfahren
und den Willkommensgruß eines Butlers schroff zurückweisen. Wir sehen, wie er sich
widerwillig den Bart und die langen, verfilzten Haare abschneiden lässt. Die dreckigen
Lumpen werden gegen einen frischen Maßanzug getauscht, noch ein Spritzer Parfüm
und die Rückkehr in die Zivilisation scheint abgeschlossen. Oder doch nicht? Der intensive
Blick des Protagonisten lässt den Zuschauer erahnen, dass man zwar den Mann aus
der Wildnis holen kann, die Wildnis jedoch immer ein Teil des Mannes bleibt.
Soweit die Geschichte, die uns der Werbespot für den
neuen Herrenduft Wow! von Joop erzählt. Und natürlich
soll es vor allem der erwähnte letzte Spritzer
Parfüm sein, der die Ambivalenz seines Trägers besonders
betont: Dieser Mann mag wie ein Gentleman gekleidet sein,
disting uiert, den Konventionen seines Standes verpflichtet,
doch im Innern bleibt er ein wilder Freigeist. Inspiration
für den Werbespot, für den Olivier Dahan, bekannt durch
seinen Oscar-prämierten Film »La vie en rose«, Regie
führte, war unverkennbar die Legende von Tarzan. Jenem
von Edgar Rice Burroughs erdachten Adligen, der als Kind
im Dschungel seine Eltern verliert und dann von Affen groß-
gezogen wird, mit markantem Schrei und beeindruckendem
Lianenschwung zum König des Dschungels avanciert
und sich schließlich in die furchtlose Forschertochter Jane
verliebt. Ihr folgt er schließlich zurück nach England, sie
heiraten und bekommen einen Sohn. Doch das Leben des
britischen Adels bleibt Tarzan fremd, er sehnt sich nach
seiner eigentlichen Heimat. Schließlich folgt er dem Ruf
der Wildnis und kehrt mit Jane in den Dschungel zurück.
Zunächst als Kurzgeschichte in einer Zeitschrift erschienen,
machten die Geschichten um Tarzan ab 1914 als Buchveröffentlichungen
Karriere. Auch als Filmstoff hat es Tarzan
in mehr als einhundert verschiedenen Versionen auf die
Leinwand geschafft, erstmals im Jahr 1918 mit Gordon
Griffith in der Hauptrolle. Kurz darauf ergatterte der amerikanische
Footballspieler James Pierce die Rolle des Tarzan
und wenig später auch das Herz der Tochter von Tarzan-
Erfinder Edgar Rice Burroughs. Johnny Weissmüller und Lex
Barker wurden durch ihre Rolle als König des Dschungels zu
Hollywoodstars und prägten mit ihrer Darstellung und vor
allem ihrer physischen Präsenz die Vorstellung von wilder,
unverstellter Männlichkeit. 2016 kam Tarzan nach einer
längeren Pause erneut in die Kinos, mit über wältigender
Animationstechnik und mit Alexander Skarsgård in der
Hauptrolle. Es dürfte wenige Figuren geben, die Filmemacher
und Zuschauer über ein ganzes Jahrhundert hinweg
so inspiriert und bewegt haben wie Tarzan.
Fotos: Joop
38 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
IM BLICK
Auch als literarischer Topos hat die Geschichte vom
»Wolfskind«, also dem Helden, der von wilden Tieren
aufgezogen wird, eine lange Tradition. Die Legende von
Romulus und Remus geht auf eine solche Erzählung zurück.
Rudyard Kiplings Dschungelbuch hat mit Mogli ebenfalls
einen Helden, der als Mensch nie wirklich in den Dschungel,
als Dschungelkind aber auch nie wirklich in das Menschendorf
gehört. Sowohl Tarzan als auch Mogli sind so faszinierende
Figuren, weil sie Außenseiter sind, zerrissen zwischen
zwei Welten. Und weil wir durch sie nicht nur unsere eskapistischen
Sehnsüchte gespiegelt sehen, sondern uns der
existentiellen Frage aussetzen, was das Menschsein eigentlich
ausmacht. Und auf welche Konventionen und Annehmlichkeiten
der Zivilisation wir möglicherweise verzichten
könnten, um ein ganz und gar freies Leben in und mit der
Natur zu führen.
Gut möglich, dass sich der Parfümeur Christophe
Raynard von dieser Sehnsucht nach Exotik und
Abenteuer leiten ließ, als er den neuen Signature-
Herren-Duft des Hauses Joop entwarf: Frisch und kühl
in der Kopfnote durch Bergamotte, Kardamon und Veilchen,
geheimnisvoll sinnlich in der Herznote durch Geranie,
Vetiver und Tannenbalsam, in der holzigen Basisnote setzen
Kaschmir, Vanille und Tonkabohne markante und kraftvolle
Akzente. »Seine luxuriöse deutsche Handschrift zusammen
mit einer starken Männlichkeit und einem Touch unkonventionellen
Überschwangs« mache den Duft in seinen
Augen so einzigartig, so Raynard. Acht Monate lang hat er
an seiner Komposition gearbeitet und auf seinen Reisen
vor allem durch Indien reichlich Inspiration gesammelt.
Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Überschwang und diese
Hinwendung zum Unkonventionellen auch auf die Träger
von Wow! überträgt.
Ein bisschen Wildheit unterm Maßanzug hat schließlich
noch keinem geschadet.
Die Zähmung des Widerspenstigen: Um den
ungebändigten Urwald-Zottel in einen veritablen
Gentle man zu verwandeln, braucht es nur einen
Friseur, einen Schneider und – für das Beste im
Mann – einen Herrenduft. Der Effekt: WOW!
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 39
SCHUHE
FÜR EIN
GANZES
LEBEN
40 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Am liebsten bleibt er bei seinen Leisten. Das edle Schuhwerk, das Hans-Joachim Vauk
in seiner Werkstatt produziert, kann so viel wie ein Kleinwagen kosten. Aber sollte der
Mensch seinen Füßen, die ihn durch ein langes Leben tragen, nicht das Allerbeste gönnen?
Von UWE KAUSS
Fotos JOHANNES GRAU
Wenn Hans-Joachim Vauk in seinem winzigen Büro zum antiken Schreibtisch geht, muss er an einem Kleiderständer vorbei, an dem
sein Leben hängt. Diesmal bleibt er stehen, greift eine schwarze, seidenweich fallende Bahn, schließt die Augen, saugt den Duft mit
der Nase ein und sagt: »Dieses Leder hat eine wirklich gute Qualität. Mit so etwas kann ich arbeiten.« Die Bahn aus zart-rauem Pekari,
einem aus Südamerika stammenden Nabelschwein, ist so leicht, man könnte daraus ein Polohemd schneidern. Hans-Joachim Vauk
wird es aber als Oberleder für Maßschuhe verwenden. Seit rund dreißig Jahren fertigt er eben solche in seiner Werkstatt in Neumünster
nördlich von Hamburg. 1977 hat er sie bezogen, und seit damals hat sich in den geduckten Räumen unterm steilen Ziegeldach mit kleinen
Fenstern, wuchtigen Maschinen und der harzigen Duftmelange aus Leder, Klebstoff, Holz, Stahl und Staub nichts verändert. Die
Kaffee maschine faucht, an der Wand hängt ein großer Wandkalender mit Landschaftsmotiven. Nebenan liefert das Radio den Soundtrack
zum Hämmern, Kleben, Schneiden, Schleifen und Fräsen.
Der siebzigjährige Hans-Joachim Vauk ist einer der
letzten – und besten – Maßschuhmacher Deutschlands.
Die schwere Krise der Schuhmacherbetriebe
seit den 1980er-Jahre ist an seiner Werkstatt vorbei gezogen.
2007 verzeichnete die Handwerksrolle noch rund 3500
Meisterwerkstätten, 2015 waren es nur noch knapp 2450.
Von ihnen arbeiten nur noch wenige Dutzend als Maßschuhmacher.
Doch die Uhren in Vauks Werkstatt schlagen
in ihrem eigenen Rhythmus. Computer gibt es in seinen
Räumen nicht, dafür Hämmer, scharfe Messer, Zangen,
Nägel, dicke Nadeln und Feinwerkzeuge. »Mit meinem
Notebook mache ich Online-Banking, ab und zu suche
ich eine Information. Aber bei der Arbeit ist es nutzlos.«
Seine Kundenliste ist längst international, selbst amerikanische
Kunden treffen sich beim Businesstrip mit ihm,
um neue Schuhe abzuholen oder in Auftrag zu geben. Auch
viele Prominente sind darunter. Doch Namen nennt Hans-
Joachim Vauk nie. Seine norddeutsche Begründung: »Der
Maßschuh wird dadurch ja nicht besser.« Achtzigtausend
Kilometer fährt er pro Jahr quer durch Deutschland, um
in Luxushotels, bei Herrenausstattern oder Maßanzugmachern
seine Kunden mit Schuhen zu versehen. Ob Sylt,
Berlin, Potsdam, Düsseldorf, Frankfurt oder München:
Von Freitag früh bis Sonntagabend ist er unterwegs zu den
Kunden. »Würde ich in Neumünster auf sie warten, wäre
das Geschäft längst am Ende.« Also setzt er sich in seinen
Kombi mit Modellschuhen, Ledermustern und den Werkzeugen
zum Vermessen der Füße. Nur ein Wochenende im
Monat nimmt sich Vauk frei. An einem normalen Montagmittag
steht er wieder in Neumünster in der Werkstatt und
schleift, poliert, färbt oder cremt sieben-, achtmal die halbfertigen
Schuhe ein. Um acht Uhr morgens schließt er die
Werkstatt auf, erst gegen 20 Uhr verlässt er sie. Nur einen
kleinen Luxus gönnt er sich: »Ich mache eine Stunde Mittagspause,
das reicht für ein kurzes Schläfchen.«
Heute arbeitet Vauk mit zwei Meistern und einem
Gesellen an den Maßschuhen, die erst nach knapp fünfzig
Stunden Arbeitszeit und rund zweihundert Arbeitsschritten
bereit sind, getragen zu werden. »Dazu kommen
die Ruhezeiten, in denen sich das Leder an die Form und
Spannung des Schuhs anpasst«, erklärt Hans-Joachim Vauk
den Zeitraum, »zudem arbeiten wir mit Klebstoff und mit
Wasser. Die schließen sich aus, es geht nur eins nach dem
anderen. Dazu muss auch die Farbe gut trocknen.« Jeder
Schritt wird ausschließlich mit geübter Hand ausgeführt.
So dauert es sechs bis neun Monate beim ersten Paar bis
zur Liefe rung in einem Beutel aus Wolle und Kaschmir, mit
passend gefertigten Spannern, französischer Schuhcreme
und feiner Polierbürste.
Nach dem Vermessen der individuellen Tritt spur
des Kunden entstehen in einer Spezialwerkstatt
im Ostharz zunächst die Leisten, die hölzernen
Modell abbildungen der Füße. Nur so lassen sich die Druckverhältnisse
präzise nachvollziehen, die den Fuß beim
Gehen belasten. Daraus fertigen Vauk und seine Mit arbeiter
zunächst den Probeschuh, der äußerlich nur wenig mit
dem späteren Modell zu tun hat. Er hat nur einen Zweck:
Den Leisten präzise zu korrigieren, damit der Schuh später
sitzt wie ein Strumpf. Erst nach Anprobe und Korrektur
DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL FINE 1 | 2017 41
Schuhe für ein ganzes Leben | Hans-Joachim Vauk
machen sich die Maßschuhmacher aus Neumünster an die
Arbeit. Wer das zweite Paar bestellt, wartet nur etwa vier
bis fünf Monate, da die Leisten in der Werkstatt schon vorhanden
sind.
Das sind die Arbeiten, die
Hans-Joachim Vauk liebt:
Zwicken, den Rahmen
einstechen, die Ferse klopfen,
den Absatz schleifen. Nach
bald zweihundert Fertigungsschritten
ist das über
die Leisten gearbeitete
Maßschuhpaar fertig. Das
Ergebnis lässt sich sehen und
seinen Träger schweben.
Über tausend Leistenpaare reihen sich inzwischen,
penibel alphabetisch sortiert, in deckenhohen
Regalen aus Dachlatten. Viele haben hier schon
seit fünfundzwanzig oder dreißig Jahren ihren Platz. »Ich
habe Kunden, die haben fünfzig Paar Maßmodelle in ihren
Schränken. Andere tragen zwanzig Jahre lang ein Paar und
lassen es bei uns immer wieder reparieren oder auf arbeiten«,
sagt Vauk und blickt durch seine randlose Brille auf die
penibel polierten Mustermodelle. Sie stehen in einem dunklen
Regal, das seinem Schreibtisch gegenüber in die Wand
eingebaut ist: Full Brogues, Half Brogues, Oxford, Derby
und Norweger in Schwarz, Braun, Bordeaux oder Cognac.
Diese Herrenschuhformen und -farben hätten sich in hundert
Jahren kaum verändert, erzählt Vauk. »Aber damit können
wir spielen und individuelle Wünsche einbeziehen.«
In Hamburg würden zu neunzig Prozent schwarze Schuhe
in Auftrag gegeben. Je weiter ihn seine Reisen nach Süden
bringen, umso mehr Farbe komme ins Spiel: »In München
ist Bordeaux und Cognac sehr gefragt.«
Häufig würden die Kunden dafür Kalbsleder aus dem
Bayerischen Wald wählen, aber auch Pekari, Hirsch, Wasserbüffel
und viele weitere Sorten hält er vorrätig. Vauk breitet
eine lange Lederbahn auf dem historisch anmutenden Nähmaschinentisch
aus und deutet auf die Farb muster: »Wir
verwenden von jeder Bahn nur die besten, gleich farbenen
Teile für den Schuh. Die Bereiche mit den Wachstumsstreifen
sind nicht gut genug. Aus ihnen fertigen wir höchstens
Probe schuhe.« In seinem klimatisierten Lager hängen
vierzig oder fünfzig Jahre alte Leder bahnen. Doch auch nach
so langer Zeit sei kein Qualitäts unterschied erkennbar. Im
Gegenteil: »Die Tiere sind damals viel langsamer als heute
gewachsen. Das erzeugt eine hervorragende, gleichmäßige
Qualität, die heute nur noch sehr schwer zu bekommen
ist.« 3500 bis 4000 Euro kostet das erste Paar, das zweite ist
einige hundert Euro günstiger. Bei guter Pflege lassen sich
diese Schuhe fünfzehn bis über dreißig Jahre lang tragen.
In Vauks Werkstatt gibt es keine Massenware, keine in
der Fabrik vorproduzierten Teile. Auch die in deutschen
Büros übliche Hektik hat in seiner Werkstatt keinen Platz.
»Stress ist schädlich für die Schuhe – und für uns«, betont
er mit strenger Stimme. »Ich stelle ein Paar gerne mal einen
Tag zur Seite, schaue später ein Detail noch mal an und korrigiere
es. Oft lasse ich auch meine Mitarbeiter draufgucken,
ob sie etwas anpassen würden.« Das geschieht fast wie im
Familienrat: Seine Mitarbeiter hat Vauk, der 1979 seine
Meisterprüfung absolvierte, selbst ausgebildet. Einer seiner
Meister arbeitet schon seit über dreißig Jahren für ihn.
Doch Vauks Anspruch ist hoch: »Die Person muss in unserem
Beruf mehr wollen. ›Ein bisschen‹ oder ›ganz gut‹
reicht mir nicht. Wir turnen schließlich auf der obersten
Stufe.« Einen doppelten Boden gebe es nicht: »Wer etwa
beim Schleifen abrutscht und das Oberleder eines Schuhs
verkratzt, kann gleich einen neuen bauen.«
Vauk trägt an diesem Tag zur Arbeitsjeans mit Werkstattspuren
ein Paar hochglänzend schwarze Tasselloafer,
ein Halbschuhmodell ohne Schnürung, das vorne mit zwei
Quasten verziert ist. »Die sind derzeit ein wenig aus der
Mode, aber das ändert sich wieder«, sagt Vauk und zuckt
mit den Schultern. Der Schuhmachermeister trägt ausschließlich
selbst gefertigte Schuhe – aus gutem Grund:
»Wenn ich neue Oberledersorten oder Sohlen einsetzen
will, mache ich mir erst mal damit ein Paar und trage es.
Ich muss doch herausfinden, ob das Material gut genug ist,
bevor es ein Kunde erhält.«
Das Leder, das er verarbeitet, stammt von den besten
Gerbereien in Deutschland. »Eine Ledersohle für
die Massenfertigung wird heute an einem Tag
gegerbt. Die Sohlen, die ich verwende, brauchen bis zu
sechsunddreißig Monate. Sie werden damit extrem stabil
und zugleich elastisch.« Wer sportliche Chukka Boots
oder Halbstiefel zum Jagen und Wandern bestellt, kann
auch eine Gummisohle auswählen. Da kommt für Vauk
nur eine in Frage: Die, mit der er schon bei der renommierten
Schweizer Schuhmanufaktur Bally arbeitete. Bei
einem Groß händler hat er sie wiederentdeckt. »Sie ist stabil,
elastisch und dämmt die Trittgeräusche besser als eine
Kreppsohle. Daher eignet sie sich auch gut für Business-
Schuhe zum Tragen im Büro mit Marmorboden.«
Bei Bally wollte er nach seiner Ausbildung in Kiel nur
ein Jahr bleiben. Daraus wurden neun Jahre. Erst 1977 verließ
er die Schweiz wieder. Sein Chef hatte Vauks Talent
erkannt und gefördert. Der junge Schuhmacher erlernte
dort die Handfertigung höchstwertiger Schuhe, leitete später
einige Abteilungen und wurde seine rechte Hand. Es
hätte eine glänzende Karriere werden können, doch Vauk
quälte das Heimweh: »Mir hat die Küste und das Meer
gefehlt«, sagt er. Seine Familie suchte eine Schusterwerkstatt
und fand sie noch im selben Jahr in Neu münster. Bis
heute ist sie sein Zuhause. Bally war zu dieser Zeit einer
der renommiertesten und besten Schuhhersteller der Welt.
Zum Abschied bekam er historische Bally-Schuhe geschenkt,
die heute in einer Vitrine im Büro ihren Platz haben. Da
stehen glamouröse, weiß-schwarze Damenstiefel aus den
1920er-Jahren, winzige Kinderschuhe von 1914 und weitere
Raritäten. Sie sehen aus, als hätte Vauk sie erst vor
einer Woche fertiggestellt.
Zurück in Neumünster fertigte er keine Schuhe mehr,
er reparierte Absätze und Sohlen. Vauk seufzt: »Damals
musste ich komplett von vorn anfangen.« Mit seiner
Boden ständig keit, Verlässlichkeit und gutem Geschäftssinn
beschäftigte er bald sieben Gesellen. Die Fräsen, Nähund
Schleif maschinen in seiner Werkstatt stammen aus dem
damaligen Maschinenpark von Bally. Er bekam sie günstig.
Noch heute tun die schweren Werkzeuge aus den 1950erund
1960er-Jahren zuverlässig ihren Dienst.
Erst zehn Jahre später, Ende der 1980er-Jahre, konnte
er das machen, von dem er schon als Kind geträumt hat:
Maßschuhe fertigen. »Als Zehnjähriger lebte ich mit meiner
Familie in einem winzigen Dorf in der Nähe von Mölln,
nicht weit von der damaligen Zonengrenze. Im Sommer war
ich draußen zum Baden, im Winter saß ich beim Schuster
im Dorf in der Werkstatt. Der fertigte den Jägern ihre Stiefel
an. Bei ihm habe ich ganze Tage verbracht und zugesehen.
Es hat so gut gerochen. Eine schöne Zeit. Da wusste
ich: Eines Tages werde ich Schuhe anfertigen.« Dabei ist
es geblieben. So erhält jeder Kunde, der seine Schuhe trägt,
nicht nur eine präzise, wertvolle Handwerksarbeit. Er trägt
auch ein kleines Stück Leben von Hans-Joachim Vauk.
42 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Weingut Robert Weil – Riesling Großes Gewächs.
Einer der Großen Weine der Welt.
www.weingut-robert-weil.com
ZURÜCK IN DIE
ZUKUNFT
Viele Jahre hielt sich der Trend zu möglichst trocknem Champagner. Nun scheint das Pendel wieder
in die andere Richtung zu schlagen. Die traditionsreiche Marke Veuve Clicquot hat die neuen »Rich«-
Champagner vorgestellt: richtig süß und zum Mixen »on the rocks«. Die trauen sich was!
Von STEFAN PEGATZKY
Fotos GUIDO BITTNER
Was der Mann
von Welt in seinen
Champagne
Rich tut: Paprika,
Gurke, grüner
Tee, Sellerie oder
Grapefruit zesten.
Vor mir stehen die beiden Flaschen, als hätte sie Scotty aus dem Raumschiff Enterprise
gerade auf die Erde gebeamt. In sternengeprägte Silberfolie eingehüllt, umgibt das Duo
eine Aura von Party-Glamour und Zukunftseuphorie. Damit stoßen die beiden bei mir aber
erst einmal auf Granit. Veuve Clicquot wirbt damit, den Champagner mit dem Rich und
dem Rich Rosé zur Cocktail-Welt hin zu öffnen. Sollen sie doch, denke ich. Mich interessieren
eher neue Mono-Crus oder alte Vintages.
Immerhin regt sich auch Respekt bei mir: Denn die trauen
sich was! Das erste Mal seit Jahrzehnten bringt eine
größere Maison einen echten »Doux« auf den Markt,
einen Champagner mit einer Restsüße von mehr als fünfzig
Gramm pro Liter – sowohl der Rich als auch der Rich
Rosé weisen eine Wert von sechzig Gramm auf. Dabei wurde
noch bis spät ins neunzehnte Jahrhundert die ganze Welt
von Reims und Epernay aus mit Champagnern von hoher
Dosage versorgt, insbesondere Skandinavien und Russland.
Flaschen vom 1840er Veuve Clicquot, die man jüngst vor
den Åland-Inseln geborgen hat, weisen einen Restzucker
von 150 Gramm pro Liter auf, also zweieinhalbmal so viel
wie die Champagner Rich von 2017.
Tatsächlich waren Champagner historisch gesehen
länger süß, als dass sie trocken waren. Und das waren nicht
die schlechtesten Zeiten. »Während der rosigen Soupers
der Libertins«, heißt es in einer Erinnerung an das sinnliche
achtzehnte Jahrhundert, »feierte man mit Delikatesse
die glückliche Verbindung von Périgord-Trüffeln und süßen
Champagnern, den bevorzugten Komplizen sanfter Liebesspiele.«
Nur ganz allmählich wurde der Champagner trockner.
Zunächst in Frankreich, wo Champagner immer öfter
ein ernstzunehmender Essensbegleiter wurde, und dann
besonders in England, wo »Brut« als neuer Stil in den
1870er-Jahren modern wurde. Doch noch 1899 notierte H.L.
Feuerheerd in »The Gentlemen’s Cellar and Butler’s Guide«,
dass auf dem Kontinent auf einen trockenen Champagner
Hunderte von süßen kämen. Dementsprechend unterschied
man lediglich zwischen zwei Sorten von Champagnern, den
trocknen, die jeweils nach Grad ihrer Trockenheit gekennzeichnet
wurden, und den süßen, die auf dem Konti nent
ohne sonderliche Bezeichnung vertrieben wurden, in England
aber Namen wie »full« oder »rich« erhielten.
Süßer Champagner wurde aber auch damals schon
möglichst angefroren oder mit Eiswürfeln getrunken.
In den 1880er-Jahren machte in der Pariser
Oper der »Soyer« Furore, ein Champagner, den man aus
angeeisten Gläsern mit einem Strohhalm trank. Der Schritt
zum Cocktail war nicht weit. Gemischt wurde mit Früchten
oder Likören, mit Guinness oder Coca Cola. Genauso
alt freilich ist die Debatte, ob es sich bei einem »Kir Royal«
44 FINE 1 | 2017 DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
Zurück in die Zukunft | Veuve Clicquot Rich
Was die Dame von Welt
mit dem Rich Rosé aufgießt:
Ananas, Hibiskus,
Ingwer, Erdbeeren oder
Limettenzesten.
oder einem »Black Velvet« um ein Sakrileg handelt. Ausgerechnet
ein Amerikaner schien dann 1977 den Streit ein
für alle Mal beendet zu haben. »Society for the prevention
of cruelty to champagne«, Gesellschaft zur Verhinderung
von Grausamkeiten gegen den Champagner, war die
flammende Streitschrift des Weinkritikers Frank J. Prial
im New York Times Magazine überschrieben, in denen er
jede Verwendung des Champagners in Cocktail-Zubereitungen
aufs Schärfste verdammte.
Zugleich schien sich auch das Zeitalter der Champagner
mit hoher Restsüße dem Ende zuzuneigen. Zucker,
so hieß das Verdikt, überdecke den Eigengeschmack der
Weine – zumal nicht wenige Produzenten die Süße tatsächlich
dazu benutzten, Qualitätsmängel wie einen allzu hohen
Anteil an Presswein zu kaschieren. Nur noch in winzigen
Nischen überlebten Abfüllungen, die vor allem in Frankreich
zur Gänsestopfleber oder zum Dessert getrunken wurden.
Das Haus Roederer war in den 1980er-Jahren das letzte,
das mit dem Carte Blanche auch einen süßen Champa gner
anbot, manche sagen, auf besonderen Wunsch der britischen
Queen Mum.
Und dann präsentierte Lanson 2009 den White Label
Sec – »am besten mit Himbeeren oder Minzblättern« − und
Moët & Chandon im Jahr darauf den Ice Impérial Demi-
Sec – »bitte mit Eiswürfeln«. Beide präsentierten sich
aufregend innovativ und knüpften zugleich mit 28 beziehungsweise
45 Gramm Restsüße pro Liter an die klassische
Zeit der halbtrocknen Champagner an. Die Rich Champagner
von Veuve Clicquot bilden nun die Synthese aus
dem Mix-Appeal des Lanson und dem eisgekühlten Moët.
Und sie legen in Sachen Dosage noch eine Schippe drauf,
wobei Veuve Clicquot seine jüngsten Sprösslinge schon dem
Namen nach ganz in die alte Tradition der süßen Champagner
einreiht (nicht zu verwechseln übrigens mit dem klassischen
Demi-Sec-Vintage-Champagner »Rich Réserve«,
den Veuve Clicquot ebenfalls anbietet).
In allen drei Fällen aber werden von den Produzenten
nicht mehr ältere Damen als Zielpublikum anvisiert
und noch nicht einmal die klassischen Champagner-
Konsumenten, sondern Bartender und Clubgänger. Eine
Generation, von der die großen Häuser der Champagne
fürchten, dass sie den Kontakt zu ihr verlieren, und der sie,
wie es im Kultur bereich heißt, »niederschwellige Angebote«
machen müssen, um sie zu gewinnen. Weil dieses Angebot
aber gleichbedeutend ist mit einem »Zurück in die Zukunft«,
einem Wiederentdecken alter, fast vergessener Ursprünge
der Region, sollten auch Champagner- Connaisseure den
jungen Süßen mit einiger Neugier begegnen.
Bei der Vorbereitung zum Tasting regt sich tatsächlich
der Experimentiergeist in mir. Nicht zuletzt
finde ich Gelegenheit, die Hardy-Rodenstock-
Süßweingläser wieder einmal einzusetzen, die denen, die
Veuve Clicquot empfiehlt, als Vorbild gedient zu haben
scheinen. Brav bereite ich alle Zutaten vor, die die Maison
als Ingredien zien für die neue »Mixology« angibt: Gurken,
Sellerie und Paprika, Ananas und Ingwer, dazu Limonenund
Grapefruit zesten sowie verschiedene Teesorten. Als
Bonus gesellen sich Erdbeeren sowie Hibiskusblüten aus
dem Sudan dazu. Schließlich macht es zweimal Plopp, und
die Flaschen sind endlich offen.
Zum Kalibrieren probiere ich Rich und Rosé zunächst
klassisch »ohne alles«. Der Rich überrascht durch eine
merklich verhaltenere Süße als erwartet. In der Nase dominiert
die primäre Frucht des Pinot-Meunier, die sich auf
einen soliden Pinot-Noir-Hintergrund stützen kann. An diesen
positiven Eindruck kommt der Rich Rosé zunächst nicht
heran – trotz der im Prinzip identischen Grundcuvée aus
45 Prozent Pinot Noir, 40 Prozent Meunier und 15 Prozent
Chardonnay, zu der allerdings noch 16 Prozent Rotwein aus
Pinot-Noir-Trauben kommt. Die Farbe ist leuchtend Pink –
also das ziemliche Gegenteil eines klassisch- seriösen Rosés –
und das Bukett wird von einer bonbonhaften Fruchtigkeit
dominiert. Regelrecht ver blüffend wirkt dann die Zugabe
der Eiswürfel: Beide Weine finden aus einer anfänglich
etwas behäbigen Breite ein schönes Gleichgewicht. Und
mehr noch: Die Kälte bewirkt eine Änderung der Textur,
indem sie wie mit dem Zauberstab die Perlage der
Champagner reduziert und sie wunderbar kribbelig-cremig
wirken lässt.
Der erste finale Mix ist dann der Champagner- Gurken-
Cocktail: Und da ist schon ein erstes »Wow!« fällig. Das
an sich eher dezente Gurkenaroma wird vom Champagner
wie auf ein Podest gestellt. Selbst die Bitternote der Schalen
wird perfekt abgebildet und setzt einen feinen Kontra punkt.
Beim Stangensellerie dominieren erdige Noten, während
der Paprika (die deutsche Veuve- Clicquot-Homepage übersetzt
hier »Pepper« falsch mit Pfeffer − den sollte man
nicht in den Champagner mixen) etwas polarisiert, weil
die Nase auf einmal an unreifen Sauvignon Blanc erinnert.
Der Ingwer bringt dem Rosé würzigen Pep, aber auch eine
leichte Seifigkeit. Die Ananas bleibt, wie auch die Erd beeren,
im Rich unauffällig, während sie im Rosé für wunderschöne
Farbverläufe sorgt. Sowohl farblich wie aromatisch überzeugend
dann die Kombination mit den Limonenzesten
im Rosé – während sie im Rich lediglich Assoziationen an
Gin-Tonic erweckt. Noch stärker wirken die Grapefruitzesten:
Es entsteht ein überaus komplexes Bouquet, das
an edle Parfüms erinnert.
Grüner Tee bleibt, zumindest bei dem von mir benutzten
Ausgangsprodukt, bei beiden Weinen unauffällig, bei
schwarzem Tee dominieren die Gerbstoffe etwas zu sehr
über die Eleganz. Der Earl Grey im Rich aber ist eine Offenbarung:
Die kühle Bergamotte-Note fächert sich vielfältig
auf, ohne den Champagner zu überdecken. Zu den zitronigen
Noten kommt eine Idee von Minze, Baumharz und
Kiefernnadeln. Und regelrecht spektakulär wirkt sich die
Zugabe von Hibiskusblüten in den Rich Rosé aus: Die blutroten
Schlieren zwischen Eis und Pink erinnern an dramatische
Sonnenuntergänge im Spätherbst, wobei die herben
Fruchtaromen des Malvengewächses die sanfte Melancholie
der Assoziation noch vertiefen. Eine kleine Verkostung
verwandelt sich so in eine faszinierende Demonstration
der unerschöpflichen Vielseitigkeit des Champagners.
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