12.12.2012 Aufrufe

Peggy Ahwesh Oliver van den Berg Wafaa Bilal ... - Mathildenhöhe

Peggy Ahwesh Oliver van den Berg Wafaa Bilal ... - Mathildenhöhe

Peggy Ahwesh Oliver van den Berg Wafaa Bilal ... - Mathildenhöhe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

= technik<br />

Die Denkweise jeder Epoche spiegelt sich<br />

in ihrer Technik wider.<br />

Norbert Wiener<br />

Erst wenn es Fotografien davon gibt, ist ein<br />

Krieg »Realität«.<br />

Susan Sontag, Regarding the Pain of<br />

Others, New York (Picador) 2003, S. 104.<br />

Wenn ich früher von ihr wissen wollte, wo<br />

die Sonne morgens herkommt, war sie<br />

sauer und antwortete bloß, das gehe mich<br />

nichts an. Aber auch später sagte sie häufig:<br />

»Was, du willst schon wieder wissen,<br />

wo die Sonne herkommt?«, wenn sie mal<br />

wieder wütend auf mich war. Klar, das war<br />

meine Mutter, trotzdem hatte ich eine glückliche<br />

Kindheit ... Als ich zuletzt in Beirut war,<br />

im Libanon, habe ich nicht einmal so sehr<br />

unter dem Krieg selbst und seinen schrecklichen<br />

Folgen gelitten, am schlimmsten fand<br />

ich, wie die Leute dort ihre Gesichter verunstalten.<br />

Schönheitsoperationen – das ganz<br />

große Geschäft. Beängstigend, wie schnell<br />

sich so ein Gesicht verwandeln kann. Fast<br />

dämonisch, wenn man eine kräftig gebaute<br />

Araberin vor sich sieht, die sich gerade<br />

eine französische Nase hat machen lassen.<br />

Man könnte fast meinen, dass sich die Leute<br />

dort wegen ihrer eigenen Grausamkeit<br />

im Krieg selbst bestrafen. Aber nein. Sie<br />

wollen bloß unbedingt etwas Neues, sagen<br />

sie. Und wenn es schon für ein neues Haus<br />

(oder eine neue Moral) nicht reicht, dann<br />

wenigstens für ein neues Gesicht – für hübschere<br />

Ohren oder Augenbrauen, für aufgespritzte<br />

Lippen. Und dann weg mit <strong>den</strong><br />

Falten und noch schnell die Haare blondieren.<br />

Sieht ganz so aus, als ob sich die Leute<br />

die Totenmaske schon aufsetzen, bevor<br />

ihre letzte Stunde geschlagen hat. Ja, darauf<br />

läuft sie hinaus: die neue Schönheitstechnologie.<br />

Etel Adnan, In the Heart of Another<br />

Country, San Francisco (City Light Books)<br />

2005, S. 27 (Übersetzung: Christian<br />

Quatmann).<br />

Traditionelle Repräsentationsmodelle, die<br />

von beschei<strong>den</strong>er Reflexivität und von einer<br />

mutmaßlichen Beziehung zur materiellen<br />

Welt abhängig sind, haben ihre Wirksamkeit<br />

verloren. An ihre Stelle ist die Faszination<br />

vom Digitalen, Künstlichen, Simulierten<br />

und Virtuellen getreten. Fast hat es<br />

<strong>den</strong> Anschein, als werde die analoge Repräsentation<br />

<strong>den</strong> Anforderungen einer von<br />

der Virtualisierung angetriebenen elektronischen<br />

Kultur nicht mehr gerecht, obwohl<br />

sie paradoxerweise nach wie vor in ihren<br />

rein optischen Metaphern steckt. Das beschleunigte<br />

Visuelle fordert jetzt nicht mehr<br />

nur die Grundlagen einer optischen Epistemologie<br />

heraus, sondern es initiiert eine kritische<br />

Phase, in der die Kognition und nicht<br />

die Perzeption sich selbst als fundamentaler<br />

Untersuchungsgegenstand ersetzt. Diese<br />

Umkehrung ist nicht leicht zu verstehen.<br />

Sie führt zu einer Neuorientierung jahrhundertelanger<br />

Forschung, in deren Verlauf<br />

der Blick auf eine vom Apparat – oder<br />

dem Auge – als Kreuzung zwischen Inventar<br />

und Archiv indexierte Wirklichkeit gerichtet<br />

war. Dieses schludrige Grundprinzip legte<br />

nahe, nur weil man die Welt irgendwie sieht,<br />

übe man auch irgendwie Autorität über ihre<br />

Veränderlichkeit, ihre Flüchtigkeit, ihre Unnachahmlichkeit<br />

und letztlich ihre Temporalität<br />

aus. Doch das »Spiegelstadium«, die Erkenntnis<br />

der Selbstreflexivität, lieferte nie<br />

mehr als eine schlaffe und narzisstische<br />

»Kritik« der Repräsentation, und ihre neologistische<br />

Herrschaft ist schallend implodiert<br />

und mit ihr die seit langem vermutete<br />

171

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!