Peggy Ahwesh Oliver van den Berg Wafaa Bilal ... - Mathildenhöhe
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1 Beobachter einer Atombombenexplosion während der »Operation Greenhouse« auf dem Eniwetok-Atoll im Südpazifik: US-Offiziere<br />
verfolgen <strong>den</strong> Atombombentest einer MK 6-Bombe, installiert auf einem 100 Meter hohen Bombenturm, von der Terrasse des<br />
Offiziersklubs aus, 7. April 1951 / Spectators observing an atomic bomb explosion during “Operation Greenhouse” on Eniwetok, an atoll<br />
in the Marshall Islands: U.S. military personnel watch the MK 6 atomic bomb, installed on a 100 meter tower, being tested from the<br />
terrace of the Officers’ Club on April 7, 1951<br />
der Krieg jenseits von Wikileaks und tagesschau<br />
Vorwort und Dank<br />
Ralf Beil<br />
7. April 1951, Eniwetok Atoll, Südpazifik: Ein Dutzend Soldaten mit Schutzbrillen beobachten<br />
live eine Atombomben-Detonation im Rahmen der »Operation Greenhouse« (Abb. 1). 1<br />
Die Beobachter in <strong>den</strong> großzügigen Gartenstuhl-Sitzreihen evozieren dabei auf makabre<br />
Weise das Publikum eines 3D-Kinos 2 – es fehlt allein das Popcorn.<br />
Szenenwechsel: Zwei Matrosen zwischen Flugzeugwracks und Propellermaschinen starren<br />
wie gebannt auf eine gewaltige Explosion (Abb. S. 15). Unter dem Feuerball und der<br />
riesigen Rauchwolke am Himmel erkennt man in der Ferne die Aufbauten eines Schlachtschiffs.<br />
Was wie ein dramaturgisch perfekt inszenierter Filmstill aus einem der zahllosen<br />
World-War II-Spielfilme erscheint, dokumentiert drastische Realität: Pearl Harbor am 7. Dezember<br />
1941 – der Beginn des globalen Weltkrieges in einer Hafenbucht auf Hawaii.<br />
Der US-Spielfilm Pearl Harbor aus dem Jahre 2001 wiederum arbeitet mit Kameraperspektiven,<br />
die der Videobildästhetik des Golfkrieges von 1990 entlehnt zu sein scheinen. »Immer<br />
wieder stürzt die Kamera hinunter auf Pearl Harbor, als wäre der Film die Bombe, deren<br />
Explosion er zeigt.« 3 Kriegsrealität und Medienrealität verwischen zusehends 4 , manchmal<br />
bis zur Ununterscheidbarkeit, wie die Wikileaks-Videos »12th July 2007« oder »Under<br />
a tree« demonstrieren. Während die Soldaten der US-Apache-Hubschrauber über Bagdad<br />
bei ihrem »Collateral Murder« die Abschussaktionen zeitgleich mit ihrer Bordkamera<br />
in Videospielästhetik filmen und kommentieren (Abb. S. 190 ff.), wer<strong>den</strong> die von einer Infrarotkamera<br />
beobachteten Menschen, die unter einem Baum Zuflucht vor Hubschrauberbeschuss<br />
suchen, Teil einer Art Live-Tötungsshow. Via Monitor verfolgen US-Militärangehörige<br />
mit wachsender Begeisterung – »Zoom in«, »Get him!«, »Nice shooting«, »God<br />
bless America!«, und nach weiterem Bordkanonenfeuer: »Amen« – <strong>den</strong> Tod der vermeintlichen<br />
Feinde wie ein Computerspiel oder Football-Match vor dem heimischen Fernsehbildschirm.<br />
5<br />
In umgekehrt reziprokem Verhältnis zur Unsichtbarkeit der überlegenen Soldaten im asymmetrischen<br />
Krieg steht die offensive Sichtbarkeit der über Kriege verhandeln<strong>den</strong> Politiker,<br />
die, obschon vom eigentlichen Kriegsgeschehen nicht berührt, in medialer Hel<strong>den</strong>inszenierung<br />
fortwährend heroische Überlegenheit signalisieren.<br />
Selbst deutsche Staatsträger sind vor derlei Inszenierung nicht mehr gefeit. Fan<strong>den</strong> sich<br />
unter <strong>den</strong> bundesrepublikanischen Verteidigungsministern bislang eher unauffällige Biedermänner<br />
oder Radfahrer, hat sich das Image des für Militär und »gefühlte Kriege« 6<br />
zuständigen Ministers seit dem Amtsantritt von Karl-Theodor zu Guttenberg im Oktober<br />
2009 massiv verändert: Im Sturm erobert er die Zeitungstitelseiten als juvenile Lichtgestalt<br />
mit Anzug und Krawatte an Bord eines Militärflugzeuges auf dem Weg nach Afghanistan<br />
(Abb. 2) – gleichsam hineingebeamt in <strong>den</strong> Truppentransporter. 7 Und posiert als wegweisender<br />
Oberbefehlshaber und Feldherr im Feindesland, <strong>den</strong> Helm lässig in der Linken,<br />
während wohl einzig die bei<strong>den</strong> Bundeswehrsoldaten neben ihm die nötige Ortskenntnis<br />
besitzen (Abb. S. 16). Erscheint die geradezu surreal inszenierte Reisefotografie oder allzu<br />
reale Fotomontage von »Mister Afghanistan« wie eine der kontrastreich entlarven<strong>den</strong><br />
Fotocollagen der Politkünstlerin Martha Rosler (Abb. S. 148 ff.), so zeigt auch das augenscheinlich<br />
nicht montierte Bild zu Guttenbergs keine Realität, sondern <strong>den</strong> Krieg als Medienschauplatz<br />
erster Güte. Die Nachrichtenmedien treten dabei wie die Militärmaschinerie<br />
als Agenten einer oft verharmlosen<strong>den</strong> Virtualisierung des Krieges auf. Die Künstlichkeit<br />
der Medienbilder verzerrt die Kriegsrealität bis zur Unkenntlichkeit.<br />
7