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34 Köpfe|Mai 2017 Köpfe|Mai 2017 35<br />

Unica Zürn und Alexander<br />

Camaro<br />

haltes bei Freunden entwickelt sich ein intensiver Briefwechsel<br />

zwischen Unica Zürn und Alexander Camaro. Gegenseitige<br />

ben. Sie verfällt seiner magischen Anziehungskraft und Ausstrahlung.<br />

Durch den Impuls des Klopfens entstehen Zeich-<br />

Literaturhinweise und Quellen<br />

Deutsche Nationalbibliothek: Zürn, Unica. Publikationen. Online ver-<br />

Ermunterungen, reger künstlerischer Austausch über das<br />

nungen, doch entwickelt sich der Schreibimpuls zeitweise zur<br />

fügbar unter https://portal.dnb.de/opac.htm?query=118928<strong>68</strong>6<br />

Entdeckte Briefe eröffnen neue Sicht auf die Anagrammdichterin<br />

Unica Zürn – ein Bericht von Cornelia Stahl<br />

Leben am anderen Ort sind Inhalte der Briefe. Die Korrespondenz<br />

zwischen beiden Künstlern dauert ungefähr vier Jahre.<br />

Manie. Wahnvorstellungen entstehen. Sie hört die Schläge<br />

eines Mannes, dem sie unterlegen ist, der ihr seinen Willen<br />

&method=simpleSearch&cqlMode=true, abgerufen am 10.03.2017<br />

u.a.<br />

So lange hält auch die Beziehung. Die Briefe verschwinden,<br />

aufzwingt. Vermutungen liegen nahe, dass sich Missbrauch<br />

Zürn, Unica: Anagramme. Entnommen aus der Gesamtausgabe,<br />

fein säuberlich geordnet, in Kisten verpackt.<br />

(durch den Bruder) und Entfremdungen miteinander vermi-<br />

Band 1, Verlag Brinkmann und Bose, Berlin 1988. Online verfügbar<br />

1953 begegnet Unica Zürn bei einer Berliner Ausstellungs-<br />

schen. Der entfremdete Vater, dem Unica Zürn nie wirklich<br />

unter<br />

http://www.iti.fh-flensburg.de/lang/fun/anagram/uni-<br />

eröffnung in der Galerie von Rudolf Springer dem Surrea-<br />

nahe sein konnte. Auf der anderen Seite die Unterlegenheit<br />

ca/ana1.htm, abgerufen am 10.03.2017. WebCite®-Archivfassung:<br />

listen Hans Bellmer, der Mitte der dreißiger Jahre nach Paris<br />

als „Puppe“ und „Missbrauch“ als Objekt für Bellmers künst-<br />

http://www.webcitation.org/6ajGZ2NhO.<br />

©Johannes Lederer, Unica Zürn, 1953,Brinkmann & Bose<br />

Zürn, Unica: Hexentexte. 10 Zeichnungen und 10 Anagramm-Texte. Mit einem Nachwort<br />

von Hans Bellmer. Galerie Springer Berlin. 1954.<br />

lerische Installationen und Experimente.<br />

Kälte und Lieblosigkeit der Mutter im Kindesalter vermischen<br />

sich mit gegenwärtigen Erfahrungen, äußern sich unmittelbar<br />

in Zeichnungen und Anagrammgedichten der Künstlerin. Die<br />

„Erdachten Briefe“ und „Les Jeux a Deux“ sind Spiele einer<br />

ungefährlichen Wirklichkeit. Es sind Spiele, die für sie zum<br />

gefährlichen Spiel mit der Unwirklichkeit werden. Als Anfang<br />

der 60er Jahre „paranoide Schizophrenie“ bei Zürn diagnostiziert<br />

wird, beginnen Phasen ekstatischen Schaffens, die sich<br />

abwechseln mit depressiven Lähmungszuständen, irrealen<br />

Vorstellungen und Wahnideen. „Indem ich alle Hoffnungen auf<br />

Wärme aufgebe, morde ich die Kälte“, äußert sich die Künstlerin.<br />

Negativ paradoxe Bewegungen ihres Denkens spiegeln<br />

sich in ihren Zeichnungen. Sie bergen unerträgliche Spannungen<br />

in sich, sind teilweise überfüllt, verweisen auf strenge<br />

Umgrenzungen. Anders ihre Anagramme, die einem strengen<br />

formalen Gesetz unterliegen, sich jedoch öffnen, spielerisch<br />

wandeln mit den Buchstaben. Bewusstes und Unbewusstes<br />

vermischen einander. „Blauer Mittagshimmel des Frühlings.<br />

Wie oft bist du schwarz geworden, schlagartig; sowie das<br />

Drehen beginnt, das sich plötzliche Auflösen…“ (aus: Hexentexte.<br />

Zehn Zeichnungen und zehn Anagramm-Texte. Mit<br />

Zürn, Unica (1954): Hexentexte. Zehn Zeichnungen und zehn Anagrammtexte.<br />

Berlin. Galerie Springer.<br />

Zürn, Unica (1986): Das Haus der Krankheiten. Geschichten und<br />

Bilder einer Gelbsucht ; vom Ende April bis Anfang Mai 58 notiert und<br />

gezeichnet in Ermenonville/Oise. Berlin. Brinkmann & Bose. 1999.<br />

Zürn, Unica (1969): Dunkler Frühling. Erzählung. 3. Aufl. Gifkendorf.<br />

Merlin. 2008 (Kaleidoskop Merlin)<br />

Zürn, Unica (1977): Der Mann im Jasmin. Frankfurt am Main, Berlin.<br />

Ullstein. 1992 (Ullstein-Bücher, 30288 : Die Frau in der Literatur)<br />

Zürn, Unica (1980): Im Staub dieses Lebens. Dreiundsechzig Anagramme.<br />

Berlin. Alphëus.<br />

Zürn, Unica (1981): Das Weisse mit dem roten Punkt. Unveröffentlichte<br />

Texte und Zeichnungen. Herausgegeben von Inge Morgenroth.<br />

Berlin. Lilith.<br />

Gesamtausgabe Zürn, Unica (1988): Anagramme. 1. Aufl. Berlin.<br />

Brinkmann & Bose. (Gesamtausgabe in 8 Bänden / Unica Zürn. Hrsg.<br />

v. Günter Bose, 1)<br />

Zürn, Unica (1989): Les jeux à deux. Berlin. Langner & Bose.<br />

Zürn, Unica (1989): Prosa 1. 1. Aufl. Berlin. Brinkmann & Bose. (Gesamtausgabe<br />

in 8 Bänden / Unica Zürn. Hrsg. v. Günter Bose, 2)<br />

Zürn, Unica (1991): Prosa 2. 1. Aufl. Berlin. Brinkmann & Bose. (Gesamtausgabe<br />

in 8 Bänden / Unica Zürn. Hrsg. v. Günter Bose, 3)<br />

immigriert war. Dessen Frau war bereits 1938 verstorben. Zwi-<br />

einem Nachwort von Hans Bellmer. Galerie Springer Berlin).<br />

Zürn, Unica (2005): Drawings from the 1960s. Ausstellungskatalog.<br />

Bekannt wurde die 1916 in Berlin geborene Künstlerin Unica<br />

schen beiden Künstlern entspinnt sich eine fruchtbringende<br />

Reizvoll war das Leben neben oder mit Hans Bellmer, jedoch<br />

New York. Ubu Gallery. (Volltext (PDF))<br />

Zürn (als Nora Berta Ruth Zürn) durch ihre Anagrammgedichte.<br />

Beziehung. Für Unica Zürn eine ebenso gefährliche, denn in<br />

erschütterte es das Selbstbewusstsein und den Selbstwert<br />

Zürn, Unica (2009): Alben. Bücher und Zeichenhefte. Herausgegeben<br />

Ihre Freundschaft mit dem Maler Alexander Camaro blieb bis-<br />

seiner neuen Partnerin sah Hans Bellmer eine lebende „Pou-<br />

der Künstlerin Unica Zürn. Die vergeblichen Versuche, sich<br />

von Erich Brinkmann. Berlin. Brinkmann & Bose.<br />

her unbeachtet. Die Alexander und Renata Camaro - Stiftung<br />

pée“, die er schnürt, malt, fotografiert. Zuvor hatte der Sur-<br />

aus der Beziehung mit Hans Bellmer zu lösen, hat Unica Zürn<br />

Hinweis: Der Ausstellungskatalog „Unica Zürn, Camaro und Hans<br />

zeigte 2016 eine Ausstellung in Berlin, die das Zuammenwir-<br />

realist Bellmer dies nur mit seinen selbst gebauten Figuren<br />

in ihren letzten Jahren mit ihrer Freundin Ruth Henry geteilt.<br />

Bellmer in Berlin. Der 40er bis 60er Jahre. Unica Zürn zum 100. Geburt-<br />

ken der drei Künstler Alexander Camaro, Unica Zürn und Hans<br />

praktiziert. Auf Anregung Bellmers beginnt Zürn 1953 mit dem<br />

Henry hat Zürns Romane „Der Mann im Jasmin“ und „Dunkler<br />

stag.“ ist im Verlag Brinkmann&Bose, 2016 erschienen.<br />

Bellmer näher beleuchtete. Kürzlich entdeckte Briefe eröffnen<br />

Schreiben von Anagrammgedichten, welches sie nicht mehr<br />

Frühling“ ins Französische übersetzt und sich für deren Veröf-<br />

eine neue Sicht auf die Künstlerin.<br />

loslässt und dass sie sogartig und leidenschaftlich praktiziert.<br />

fentlichungen eingesetzt.<br />

1951 schickt Unica Zürn dem Künstler Camaro eine zum Krin-<br />

Es bereitet ihr großes Vergnügen: das Suchen in einem Satz<br />

Während einer kurweiligen Beurlaubung und Entlassung aus<br />

Cornelia Stahl<br />

Bericht<br />

gel gedrehte Strähne, eine sogenannte Dichterlocke, dazu<br />

eine getrocknete Blume und eine Halskette von Wiesbaden<br />

nach Berlin. Unterschrieben ist der Brief mit dem Kürzel: „deine<br />

Gespensterbraut“. Während ihres zweimonatigen Aufent-<br />

nach einem neuen. Irgendwann entspinnen sich diese zu<br />

einem Orakel, nehmen Gestalt an.<br />

Nach der Begegnung mit Henri Michaux, 1957/58, beginnt<br />

Unica Zürn mit dem automatischen Zeichnen und Schrei-<br />

dem Spital besucht Unica Zürn Hans Bellmer in seiner Pariser<br />

Wohnung und stürzt sich dort am 19. Oktober 1970 aus dem<br />

Fenster. Im Juli 2017 jährt sich der Geburtstag der Surrealistin<br />

zum 101. Mal.<br />

Redakteurin „Literaturfenster Österreich“ bei Radio Orange, www.<br />

o94.at, schreibt für bn-Bibliotheksnachrichten Salzburg, „Die Alternative“,<br />

„Tarantel“ und „<strong>etcetera</strong>“. Redakteurin und Jurorin von LitArena<br />

VIII. Heft 69 f. junge AutorInnen. Einsendungen bis 15.6.17<br />

Bericht

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