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60 Jahre Steirische Volkspartei

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der Regierungskoalitionen der 1920er <strong>Jahre</strong> – zur Verfügung stellte, als das kurz- und allen-<br />

falls mittelfristige Überleben gesichert werden musste. Auch die Sozialdemokratie qualifi-<br />

zierte sich nicht gerade als staatstragend: Obwohl sie während der Gründungsphase viel zur<br />

Grundausstattung der Republik beigesteuert hatte – nicht zuletzt durch Staatskanzler Karl<br />

Renner –, gab sie sich ab 1920 ihrer ideologischen Tradition hin, wonach im „bürgerlichen“<br />

Staat ihre natürliche Rolle die der Opposition sei; dass ihre Führungsmannschaft, voran<br />

Otto Bauer, Renner an den Rand drängte, war dafür von großer Signalkraft. Dazu kam, dass<br />

gerade auch in der Sozialdemokratie starke national-deutsche Impulse wirkten – bekannt-<br />

lich bis 1938 und da und dort noch länger. So blieb die Funktion der Staatspartei, falls diese<br />

sie annahm, der Partei des christlich-konservativen Lagers, den Christlich-Sozialen. Ohne<br />

Zweifel richteten sie sich faktisch und zunehmend auch mental mehr als irgendeine andere<br />

politische Kraft auf diese Funktion ein. Zwar fassten auch sie in ihrer Mehrheit das kleine<br />

Österreich nicht von Anfang an als etwas Endgültiges auf, auch unter ihnen war die Parole<br />

vom „Anschluss“ an Deutschland lebendig. Auch hafteten ihnen für eine Staatspartei zusätz-<br />

liche Mängel an: ihr fast überall bemerkbarer Provinzialismus; der mit diesem zusammen-<br />

hängende, gerade auch unter ihnen verbreitete, schier selbstverständliche Antisemitismus;<br />

die soziale Arroganz ihrer sich „besser“ dünkenden Bürger und Bauern namentlich gegen-<br />

über den von diesen so genannten „Proleten“. Trotzdem: Die Christlich-Sozialen richteten<br />

sich pragmatisch auf den neuen Staat ein, sie vertraten oft mit einiger Selbstverleugnung,<br />

was seine Existenz erforderte, sie stellten sich als die Regierungspartei den gewöhnlich<br />

unerfreulichen Tagesaufgaben, z. B. denen der ökonomischen und staatsfinanziellen „Sanie-<br />

rung“. Damit positionierten sie sich zugleich – scheinbar paradox unter der faktischen Füh-<br />

rung eines Priesters, nämlich Ignaz Seipels – mehr als zuvor als allgemein „bürgerlich“, d. h.<br />

als weniger prononciert katholisch-konservativ. Sie zeigten einigen Sinn für wirtschaftspoliti-<br />

schen Liberalismus, sie praktizierten einigen Integrationswillen über die herkömmlichen<br />

Grenzen ihres Lagers hinaus. In einem Satz: Sie signalisierten Potenzial zur <strong>Volkspartei</strong> und<br />

sie wurden dafür, wenigstens temporär, vom Wähler bedankt: Die 42,3 bzw. 45 % Stimmen-<br />

anteil, die ihnen bei Nationalratswahlen 1920 bzw. 1923 zuteil wurden, bedeuteten mehr<br />

Zuspruch, als die Partei jemals zuvor erhalten hatte. (Dass die Christlich-Sozialen ab etwa<br />

1930 sowie später ihre Erben in Gestalt der Vaterländischen Front diese Integrations-<br />

potenziale, diesen Zuspruch wieder verspielten, braucht hier nur festgehalten zu werden;<br />

der fehlende publizistische Raum verbietet, darauf einzugehen.)<br />

Rekonstruktion 1945: Tradition, Verwerfung, Neudefinition,<br />

Abgrenzung, Integration<br />

Bei Kriegsende knüpft die am 17. April 1945 in Wien im Schottenstift formell gegrün-<br />

dete Österreichische <strong>Volkspartei</strong> an die staatstragenden Traditionen ihrer Vorgängerinnen<br />

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