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Ostbayern-Kurier Juni 2017 (Süd-Ausgabe)

Heimatzeitung für Stadt und Kreis Regensburg plus Umgebung

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10 Stadt und Kreis Schwandorf<br />

www.ostbayern-kurier.de<br />

Faszinierende Industrieruine<br />

Ehemalige Glasschleife als Zeugnis der Regionalgeschichte<br />

Oberviechtach. Am Eingang<br />

des Weges zum Silberbach<br />

entdeckt der Wanderer<br />

oder Besucher des<br />

Goldlehrpfades ein altes<br />

Gebäude, das auch manch<br />

Ortsunkundigem Rätsel<br />

aufgibt. Es mutet an wie<br />

eine Mühle - dennoch fehlt<br />

aber das Mühlrad. Ein Lasteneingang<br />

ist vorhanden<br />

- doch Kornspeicher sieht<br />

man von außen nicht. Die<br />

brauchte es auch nicht,<br />

denn bei dem Gebäude<br />

handelt es sich um eine<br />

Glasschleife.<br />

Im Mittelalter war die Oberpfalz<br />

überzogen mit Eisenhämmern.<br />

Hier machte man<br />

sich die Wasserkraft zunutze,<br />

um vor Ort vorhandene<br />

Erzadern ausbeuten und das<br />

gewonnene Material weiterverarbeiten<br />

zu können.<br />

Eisen, Blei, Silber und auch<br />

Gold waren die Exportschlager<br />

jener Zeit.<br />

Im 17. Jahrhundert ging die<br />

Abbau-Ära dem Ende zu und<br />

die Hämmer lagen – dort,<br />

wohin man die Rohstoffe<br />

nicht ohne größeren Aufwand<br />

transportieren konnte<br />

- brach. Bis sich ab etwa Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts eine<br />

neue Nutzungsart auftat, ein<br />

fast frühindustrielles „Joint<br />

venture“: das Glasschleifen.<br />

Böhmische Glasbläser hatten<br />

es in der „Planlegung“<br />

ihrer Erzeugnisse zur Meisterschaft<br />

gebracht, jedoch<br />

waren die so entstehenden<br />

Glasscheiben noch uneben<br />

und stumpf. Man suchte also<br />

einen Ort, an dem diese geschliffen<br />

und poliert werden<br />

konnten - und das am besten<br />

auf dem Weg zu ihrem späteren<br />

Bestimmungsort. Es<br />

war dies Nürnberg, wo sich<br />

zu jener Zeit der Hauptumschlagplatz<br />

für planes Glas<br />

befand. Also setzte man auf<br />

eine Weiterverarbeitung des<br />

Glases vor allem im Murach-<br />

und Schwarzachtal,<br />

wo die Gebäude in Form der<br />

ehemaligen Hämmer bereits<br />

vorhanden waren. In der Tätigkeit<br />

des manufakturellen<br />

Schleifens und Polierens<br />

von Flachglas brachten es<br />

die Oberpfälzer in den folgenden<br />

Jahrzehnten zu<br />

einer einzigartigen Meisterschaft.<br />

Und es erschlossen<br />

sich ihnen neben Scheiben<br />

und Spiegeln mit der industriellen<br />

Revolution weitere<br />

Produktsegmente wie Mattscheiben<br />

oder Spiegel für die<br />

entstehende Fotoindustrie.<br />

Den historischen Unterlagen<br />

nach tat sich hier vor allem<br />

die Greinerschleif’ besonders<br />

hervor. Bereits 1880<br />

fanden die Erzeugnisse der<br />

als Grund. Der heutige Bau<br />

stammt also in weiten Teilen<br />

von 1932. Als 1933 die Nationalsozialisten<br />

die Macht<br />

übernahmen, ging die gute<br />

Zeit des Schleifens endgültig<br />

ihrem Ende zu. Das Vertriebsnetz<br />

in Nürnberg bestand<br />

fast nur aus jüdischen<br />

Händlern, denen nach und<br />

nach die Ausübung ihres Berufes<br />

untersagt wurde. Ein<br />

Neuaufbau des Vertriebes -<br />

vor allem nach Übersee - gelang<br />

jedoch nicht.<br />

So wurde nach dem Kriege<br />

nur noch selten in der Oberpfalz<br />

geschliffen, bis diese<br />

Tätigkeit nach und nach von<br />

den modernen Flachglaswerken,<br />

wie sie noch heute<br />

in der Region existieren,<br />

übernommen wurde.<br />

ab 17 Uhr<br />

»BayerwalD reBellen«<br />

SaMStag<br />

Bodenwöhrer<br />

Bürgerfest <strong>2017</strong><br />

ab 11 Uhr<br />

Frühschoppen mit<br />

»FurchtBar schee«<br />

Sonntag<br />

8. + 9.<br />

Juli<br />

ab 17 Uhr<br />

Damenkapelle<br />

»Damisch Böhmisch«<br />

bayerischen Spiegelglasproduktion<br />

ihren Weg von Nürnberg<br />

aus in weite Teile Europas<br />

und nach Nordamerika,<br />

wo sie zu jener Zeit 75 Prozent<br />

Marktanteil hielten.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg<br />

jedoch machten neu<br />

entwickelte mechanische<br />

Verfahren den Manufakturen<br />

erhebliche Konkurrenz,<br />

die Weltwirtschaftskrise tat<br />

ihr Übriges dazu. Und am<br />

5.12.1931 brannte dann die<br />

Glasschleife am Greinerweiher<br />

ab. Bis heute vermutet<br />

man Brandstiftung<br />

Die Produktion vom Kamerazubehör<br />

hatte schon in den<br />

1920er Jahren ein Ende gefunden,<br />

zu groß war der Qualitäts-<br />

und Preisdruck aus<br />

Jena und Wetzlar. Weiterhin<br />

wurden nur noch Spiegel und<br />

Mattscheiben gebraucht, da<br />

die Negativträger durch den<br />

Nitrofilm ersetzt wurden.<br />

Die „Greinerschleif’ befindet<br />

sich heute in Privatbesitz<br />

und wird land- und forstwirtschaftlich<br />

genutzt. Darüber<br />

hinaus bietet sie Wanderern<br />

einen imposanten Wegpunkt.<br />

Und wer weiß schon,<br />

was zukünftigen Generationen<br />

mit der Wasserkraft,<br />

die dort seit dem Mittelalter<br />

genutzt wurde, noch einfällt.<br />

Thomas Starringer

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