Drei Lebensfragen Studium generale im Wintersemester 2002/03 Zahlreiche Disziplinen geben im Studium generale Antworten auf die Fragen der Themenschwerpunkte „Medizin – im Widerspruch mit Ethik und Recht?“, „Was ist Glück?“ und „Welche Natur schützen wir?“ Von Präimplantationsdiagnostik bis Sterbehilfe – zum Diskutieren über das, was in der Medizin heute nicht nur machbar, sondern rechtlich und ethisch zulässig und nicht zuletzt auch bezahlbar ist, lädt die Kolloquienreihe der <strong>Mainz</strong>er <strong>Universität</strong>sgespräche ein. Der enorme wissenschaftliche Fortschritt der Medizin hat sowohl in diagnostischer wie in therapeutischer Hinsicht die ärztlichen Handlungsoptionen grundlegend erweitert. Obwohl von den neuen medizinischen Möglichkeiten dankbar und umfassend Gebrauch gemacht wird, gerät eine aufmerksame Öffentlichkeit zunehmend in Zweifel, ob alles, was sich mit den wissenschaftlich-technischen Mitteln der Medizin heute realisieren lässt, auch rechtlich und ethisch erlaubt ist. [JOGU] 181/2002 „Was darf die Medizin leisten?“ Embryonen und Frühgeborene, chronisch Kranke und einwilligungsunfähige Patienten, welch komplexe Probleme für die moderne Medizin damit verbunden sind, werden die renommierten Referenten zur Sprache bringen, die der Einladung des Studium generale und des Interdisziplinären Arbeitskreises Ethik und Recht in der Medizin gefolgt sind. So setzt sich der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen, mit der künftigen Finanzierung moderner Arzneitherapie auseinander und der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung thematisiert das Problem der chronisch Kranken als „Verlierer des Systems“. In seinem Vortrag zur „Intensivbehandlung von Neugeborenen“ rückt Prof. Dr. Hans Ulrich Bucher, Klinikdirektor am <strong>Universität</strong>sspital Zürich, medizinisch ethische Entscheidungen in der Neonatologie in den Vordergrund. Das [ Studium & Lehre ] Dilemma der vorgeburtlichen Auslese steht im Mittelpunkt einer Tagung zur „Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik“ am 29. November in der Alten Mensa. Hier folgen auf die einführenden Beiträge aus medizinischer Sicht Stellungnahmen aus juristischer und ethischer Perspektive. Bischof em. Karl Ludwig Kohlwage, Lübeck, vertritt die evangelische Kirche, der Leiter der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt, Prof. Dr. Josef Schuster SJ, stellt die Sichtweise der katholischen Kirche vor. „Kann man vom Glück sprechen?“ Was Glück ist und wie es sich erreichen lässt – diese beiden Fragen zielen auf eine zentrale Gegebenheit des Menschseins: auf das allen gemeinsame Streben nach Glück. Im zweiten Themenschwerpunkt des Studium generale stellen sich zahlreiche Disziplinen der Herausforderung, Antworten auf die zeitlose Frage nach dem Glück zu geben. Eine neue Sicht auf das Phänomen Glück eröffnete die moderne Hirnforschung. Für Prof. Dr. Ernst Pöppel, Vorstand des Instituts für Medizinische Psychologie und des Humanwissenschaftlichen Zentrums der <strong>Universität</strong> München, ist Psychisches außerhalb des Gehirns nicht vorhanden. Dementsprechend provokant eröffnet er die Vorlesungsreihe unter dem Vortragstitel „Warum man vom Glück nicht sprechen kann“. Philosophische Glückstheorien und theologische Glückskonzeptionen weichen in der Regel von den Alltagsvorstellungen glücklichen Lebens erheblich ab. Unter Bezeichnungen wie Lebensqualität und Lebenszufriedenheit wurde Glück zunehmend zum Gegenstand von Psychologie und Sozialforschung. In eine allgemeingültige Definition lässt sich Glück nicht zwingen, und wie der Buchtitel seines Bestsellers „Die Glücksformel“ zu deuten ist, wird der Wissenschaftsjournalist Dr. Stefan Klein aus Berlin in seinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung erläutern. „Lieto fine“ zum Abschluss: Eine Tagung in Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Institut und dem Interdisziplinären Arbeitskreis für Drama und Theater am 7. und 8. Februar befasst sich mit dem Thema „Lieto fine – Dramaturgie des Schließens im Musiktheater und in der Musik um 1800“. 8 Die Beantwortung der Frage „Welche Natur schützen wir?“, setzt eine Verständigung über die Frage voraus: „Welche Natur wollen wir?“. Der Naturschutz leidet bis heute unter einem unzureichenden Verständnis seiner eigenen Prämissen und Grundlagen. Je nachdem, welcher Begriff von Natur leitend ist, werden die gewählten Maßnahmen unterschiedlich beurteilt: Was von der einen Seite in der Absicht, Natur zu schützen, unternommen wird, erscheint aus einer anderen Perspektive als Intervention, die Natur gefährdet. Die Feststellung, was schützenswert ist, hängt somit von der jeweils gewählten Betrachtungsweise ab. „Welche Natur schützen wir?“ Begründete Kriterien für einen konsensfähigen und nachhaltigen Naturschutz zu entwickeln, dazu tragen die eingeladenen Expertinnen und Experten aus der Sicht ihrer jeweiligen Disziplinen mit Vorträgen zu „Mutter Natur und Vater Staat“ oder „Von der Hornisse zum Helikopter“ bei. Der Träger des „Alternativen Nobelpreises“ des Jahres 1997, Prof. Dr. Michael Succow, Direktor des Botanischen Instituts und Gartens der <strong>Universität</strong> Greifswald, versteht die Krise des Naturschutzes am Beginn des neuen Jahrhunderts als Chance. Prof. Dr. Christiane Busch-Lüty lehrte Ökologische Ökonomie an der <strong>Universität</strong> der Bundeswehr München. Die Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der „Vereinigung für Ökologische Ökonomie e.V.“ gibt im abschließenden Vortrag der Vorlesungsreihe Antworten auf die Frage „Welche Wirtschaft braucht die Natur?“. Das Studium generale hat darüber hinaus wieder zahlreiche interdisziplinäre Einzelveranstaltungen, Reihen,Tagungen und Workshops für die Angehörigen der <strong>Universität</strong> und die interessierte Öffentlichkeit organisiert. Für die Teilnahme an den Veranstaltungen gelten bis auf wenige Ausnahmen keine Zulassungsbedingungen, Gebühren werden nicht erhoben. ■ Information: Das Programmheft des Studium generale liegt auf dem <strong>Campus</strong> aus. Das ständig aktualisierte Programm finden Sie unter: http://www.studgen.uni-mainz.de
[ Studium & Lehre ] 9 [JOGU] 181/2002