MACHER Juni 2017
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<strong>MACHER</strong>, MENSCHEN + MÄRKTE INTERVIEW SEITE 5<br />
oder Hermès preislich zu bewerben.<br />
Wer wachsen möchte,<br />
denkt in neuen Zielgruppen.<br />
Das sehen wir bei Armani<br />
sehr schön. Armani Jeans<br />
spricht junge Zielgruppen<br />
mit Bekleidung an, die günstiger<br />
ist als das, was sie normalerweise<br />
bei Armani bekommen,<br />
aber exklusiver als<br />
das Angebot von H&M & Co.<br />
Ob sich das rechnet und ob<br />
die Hauptmarke darunter<br />
leidet, weil eine zweite Preisposition<br />
realisiert wird, das<br />
sei dahingestellt.<br />
Verändert sich nicht durch<br />
die vielen Rabatte das Konsumverhalten<br />
der Kunden?<br />
Wer weiß, dass Händler XY<br />
ohnehin bald reduziert,<br />
braucht doch nur zu warten.<br />
Swoboda: Es gibt verschiedene<br />
Käufergruppen.<br />
Die eine legt Wert darauf,<br />
die besten Kleidungsstücke<br />
einer Kollektion als Erster<br />
zu tragen, und bringt eine<br />
entsprechende Preisbereitschaft<br />
mit. Wer als Trendsetter<br />
gelten möchte und<br />
regelmäßig sein „Outfit of<br />
the Day“ auf Instagram postet,<br />
kann nicht warten, bis<br />
die Ware im Sale ist. Die andere<br />
Gruppe wartet auf die<br />
ersten Preisnachlässe, auf<br />
die Schnäppchen. Aber, je<br />
stärker Preisaktionen gefahren<br />
werden, umso preissensibler<br />
werden natürlich<br />
die Kunden. Da beißt sich<br />
die Katze in den Schwanz.<br />
Das Phänomen kennen wir<br />
von bestimmten Baumarktketten,<br />
die mit Slogans wie<br />
„20 Prozent auf alles – außer<br />
Tiernahrung“ warben.<br />
Das führte kurzfristig dazu,<br />
dass viele Kunden kamen.<br />
Es hat aber nicht lange gedauert,<br />
bis sie gelernt<br />
hatten, dass sie nur auf die<br />
Preisaktionen warten mussten,<br />
und sind zwischendurch<br />
weggeblieben.<br />
Der Baumarkt Hornbach<br />
wirbt unter anderem mit<br />
dem Slogan: „Wer Rabatte<br />
gibt, war vorher zu teuer“.<br />
Swoboda: Wenn sie als<br />
traditionelles Handelshaus<br />
starken Wettbewerb spüren,<br />
dann haben sie ein Portfolio<br />
an denkbaren Vermarktungsinstrumenten<br />
mittels<br />
derer sie einen Wettbewerbsvorteil<br />
aufbauen können.<br />
Dazu gehört die Ansprache<br />
bestimmter Kundensegmente<br />
durch angepasste<br />
Angebote, eine schöne<br />
Ladengestaltung, ein<br />
sehr guter Service oder der<br />
Preis. Ein Unternehmen,<br />
bei dem die Kunden wegbleiben,<br />
hat sicher nicht die<br />
Muße für langfristige Marketingstrategien.<br />
Preisreduzierungen<br />
führen hingegen,<br />
wie schon gesagt, zu einer<br />
unmittelbaren Reaktion.<br />
Wenn ein Modehaus die<br />
Stammkunden anschreibt<br />
und zu einem Jubiläum<br />
samt Rabattaktion einlädt,<br />
dann kommen die Kunden<br />
zu dieser einmaligen Einladung.<br />
Ein Händler, der dauernd<br />
über den Preis kommt,<br />
gerät möglicherweise in eine<br />
Spirale, in der er nicht<br />
mehr anders kann. Gute<br />
Unternehmen wägen strategisch<br />
ab, wie sie sich positionieren<br />
möchten.<br />
Ich habe von Einzelhändlern<br />
schon gehört, dass sie nur<br />
rabattieren, weil Mitbewerber<br />
um sie herum das tun.<br />
Herrscht Rabattdruck unter<br />
den traditionellen Händlern<br />
in einer Innenstadt?<br />
Swoboda: Früher war das<br />
Geschäftsmodell einfacher:<br />
Der traditionelle Händler<br />
wusste, er „steuert“ circa 80<br />
Prozent seines Sortiments<br />
zu Beginn der Saison in den<br />
Foto: Universität Trier<br />
Zur Person<br />
Bernhard Swoboda ist seit<br />
2002 Inhaber der Professur<br />
für Marketing und Handel<br />
der Universität Trier. Zuvor<br />
war der 52-jährige Betriebswirt<br />
unter anderem an den<br />
Universitäten Essen und<br />
Saarbrücken tätig. Er leitet<br />
die Erasmus-Auslandsaustauschprogramme<br />
und die<br />
fachbezogene Fremdsprachenausbildung<br />
der Fakultät.<br />
Seine Forschungsfelder mit<br />
über 550 Publikationen umfassen<br />
Handelsmanagement,<br />
Konsumgütermarketing und<br />
Internationales Marketing-<br />
Management. Der gebürtige<br />
Schlesier wuchs in Westfalen<br />
auf und lebt mit seiner<br />
Familie in Konz bei Trier.<br />
Laden ein. 20 Prozent war<br />
Flexibilität, um während<br />
der Saison aufzufüllen oder<br />
zu verändern. Er wusste<br />
also aus Erfahrung, wie viel<br />
er verkaufen musste und<br />
konnte dadurch eine verlässliche<br />
Mischkalkulation<br />
der Preise machen. Jetzt<br />
kann es so sein, dass ein<br />
Wettbewerber die neue<br />
Ware gleich mit einer Preissenkung<br />
einsteuert, was<br />
Preisdruck erzeugt. Die gesamten<br />
Abläufe werden immer<br />
weniger vorhersagbar.<br />
Wohin wird das führen –<br />
wachsende Konkurrenz<br />
bei sinkender Kundenzahl?<br />
Swoboda: Das ist ein<br />
klassischer Verdrängungswettbewerb.<br />
Die Zahl der<br />
selbstständigen Fachgeschäfte<br />
wird weiter sinken –<br />
übrigens nicht nur in der<br />
Fashionbranche. Sie ist allerdings<br />
besonders betroffen,<br />
weil es viele selbstständige<br />
Geschäfte gibt. Es sei<br />
denn, die Händler machen<br />
es künftig wie im Lebensmittelbereich<br />
und engagieren<br />
sich professionell in einer<br />
Verbundgruppe, wie es<br />
zum Beispiel im Lebensmittelbereich<br />
Edeka und Rewe<br />
praktizieren. In diesem Verbund<br />
würde es eine Zentrale<br />
geben (professionell wie<br />
bei Zara), die allerdings der<br />
Unterstützung der selbstständigen<br />
Mitglieder dient.<br />
Die Mitglieder können dann<br />
auf die Wettbewerbsvorteile<br />
einer Zentrale wie etwa auf<br />
ein großes Warenangebot<br />
zurückgreifen, kennen aber<br />
gleichzeitig durch ihre lokale<br />
Verwurzelung die Bedürfnisse<br />
ihrer lokalen Kunden<br />
besser und können entsprechend<br />
ordern. Die bereits<br />
genannten Lebensmittelhändler<br />
wachsen gerade,<br />
unter anderem weil sie dem<br />
Trend Regionalität folgen,<br />
was Aldi, Lidl oder Kaufland<br />
schwieriger realisieren können,<br />
weil sie zentral in Mülheim<br />
an der Ruhr oder<br />
Neckarsulm einkaufen. Sie<br />
können also nicht so effizient<br />
auf das, was in Trier<br />
nachgefragt wird, reagieren.<br />
Ein selbstständiger Trierer<br />
Kaufmann könnte durch<br />
den Zugriff auf eine Verbundgruppenzentrale,<br />
die<br />
wie ein großes Unternehmen<br />
agiert, Wettbewerbsnachteile<br />
abbauen. Allerdings<br />
ist der Aufbau von<br />
Verbundgruppen im Fashionbereich<br />
meines Erachtens<br />
besonders schwierig.<br />
Birgit Markwitan<br />
Mehr Informationen unter<br />
www.steil-kranarbeiten.de