WIRTSCHAFT+MARKT 4/2017
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BRANDENBURG | 21<br />
Foto: W+M<br />
W+M-Herausgeber Frank Nehring (l.) und Chefredakteur Karsten<br />
Hintzmann (r.) sprachen mit Alexander Montebaur am E.DIS-Hauptsitz<br />
in Fürstenwalde.<br />
Alexander Montebaur: Als das Ganze<br />
mal anfing, ließen sich die ersten Windkraftanlagen<br />
noch mühelos ins Bestandsnetz<br />
integrieren. In dem Umfang, wie dieser<br />
Bereich gerade in den neuen Ländern<br />
gewachsen ist, ist das inzwischen keine<br />
Standardübung mehr. Die Hauptschwierigkeit<br />
besteht darin, die Grenzwerte für<br />
Strom und Spannung einzuhalten, wenn<br />
die einzelnen Anlagen ihren Strom direkt<br />
und daher unkalkulierbar in die Netze einspeisen.<br />
Während wir früher die Mittelund<br />
Niederspannungsleitungen nahezu<br />
„blind“, das heißt ohne zusätzliche Messgeräte,<br />
fahren konnten, weil der Strom stabil<br />
von den Hochspannungsleitungen kam,<br />
benötigen wir heute viel mehr Mess- und<br />
Automatisierungstechnik in den Netzen.<br />
Dazu kommt, dass es bereits heute so viele<br />
Windkraftanlagen gibt, dass wir noch<br />
Jahre brauchen werden, um mit dem dafür<br />
erforderlichen Netzausbau hinterherzukommen.<br />
Hier sehe ich einen klaren Webfehler<br />
der Energiewende. Es muss endlich<br />
gelingen, die Geschwindigkeit der Errichtung<br />
neuer Windkraftanlagen in der Fläche<br />
an das Tempo des Netzausbaus anzupassen.<br />
W+M: Durch Ihre Netze fließt heute schon<br />
mehr Wind- und Sonnenenergie, als sofort<br />
verbraucht werden kann. Welche Speichermöglichkeiten<br />
gibt es, damit dieser<br />
Strom nicht verloren geht?<br />
Alexander Montebaur: Das Thema<br />
Stromspeicher wird das gerade beschriebene<br />
Problem der unterschiedlichen Geschwindigkeiten<br />
nicht lösen. Stromspeicher<br />
kann man zwar für kurzzeitige Ausgleiche<br />
gut nutzen, sie stoßen aber schnell<br />
an Grenzen, wenn es um die sogenannte<br />
Dunkelflaute geht.<br />
Damit sind Zeiträume<br />
von mehreren<br />
Tagen gemeint,<br />
an denen es kaum<br />
Sonne und Wind<br />
gibt. Ein interessantes<br />
und alt bekanntes<br />
Modell für<br />
die Stromspeicherung<br />
ist die Sektorkopplung,<br />
die<br />
an das Prinzip der<br />
Nachtspeicherheizungen aus den 1960erund<br />
1970er-Jahren angelehnt ist. Damals<br />
wurde Überschussstrom aus den Kohleund<br />
Kernkraftwerken in die Nachtspeicherheizungen<br />
eingespeist, um tagsüber<br />
warme Wohnungen zu haben. Ich glaube,<br />
dass das Heizen mit Strom eine Renaissance<br />
feiern wird, nachdem es in den letzten<br />
zwei Jahrzehnten verpönt war. Damals<br />
war es Strom aus fossilen Quellen. Aber<br />
heute reden wir über Strom aus regenerativen<br />
Quellen und daher wird Sektorkopplung<br />
zum Beispiel unter dem Begriff „Power<br />
to Heat“ ein wichtiges Thema werden.<br />
W+M: Wie wird sich das Verhältnis von<br />
Strom aus erneuerbaren Energiequellen<br />
und aus konventioneller Energieerzeugung<br />
in Ihren Netzen in Zukunft gestalten?<br />
Alexander Montebaur: Ich möchte hier<br />
keine gesamtdeutsche Prognose wagen,<br />
sondern mich auf E.DIS beschränken.<br />
Der Anteil des in unser Netz eingespeisten<br />
Grünstroms am gesamten Netzabsatz<br />
lag 2016 schon bei 102 Prozent. Wir haben<br />
heute bereits 8.600 Megawatt Leistung<br />
aus erneuerbaren Energiequellen in Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern<br />
angeschlossen. Derzeit liegen uns Anträge<br />
für neue Anlagen mit weiteren 17.300<br />
Megawatt vor. Allerdings werden wir nicht<br />
auf den konventionellen Bereich verzichten<br />
können. Im Gegenteil. Für die Versorgungssicherheit<br />
muss der Kraftwerkspark<br />
de facto doppelt ausgelegt sein, um für<br />
Phasen mit Dunkelflaute gerüstet zu sein.<br />
W+M: Ihr Tochterunternehmen e.disNatur<br />
ist Betreiber von rund 100 eigenen Windenergieanlagen.<br />
Planen Sie, dieses Geschäftsfeld<br />
auszuweiten?<br />
Alexander Montebaur: Unsere Tochter<br />
e.disNatur ist seit 2001 im Windgeschäft.<br />
Damals haben wir mit sieben Anlagen in<br />
Miltzow bei Stralsund begonnen. Aktuell<br />
konzentrieren wir uns auf das Repowering<br />
unserer Windparks und tauschen dort alte<br />
gegen moderne und leistungsstarke Anlagen<br />
aus. Im Moment sehe ich nicht, dass<br />
wir neue Windparks bauen. Da sind schon<br />
jetzt zu viele Player im Markt und es steckt<br />
zu viel Geld im System, als dass man da<br />
auf uns warten würde.<br />
W+M: Aktuell tobt eine durchaus emotional<br />
geführte Debatte über die Angleichung<br />
der Netzentgelte im Bereich der Übertragungsnetzbetreiber<br />
in Ost und West. Welche<br />
Position vertreten Sie?<br />
Alexander Montebaur: Wir halten es für<br />
eminent wichtig, dass es zu einer Angleichung<br />
der Netzentgelte kommt. Unterschiedlich<br />
hohe Netzentgelte stellen einen<br />
Wettbewerbsfaktor dar. Wir haben ein Interesse<br />
daran, dass die Unternehmen in<br />
unserer Region wettbewerbsfähig sind.<br />
Eine bundesweite Verteilung der Kosten<br />
der Übertragungsnetze halten wir für absolut<br />
sachgerecht, schließlich wird bei der<br />
EEG-Umlage genauso verfahren. Die Entlastung<br />
in den neuen Ländern wäre wesentlich<br />
spürbarer als die zusätzliche Belastung<br />
in den alten Bundesländern, da es<br />
dort eine dichtere Kundenstruktur gibt. Für<br />
die Erhöhung der Akzeptanz der Energiewende<br />
wäre ein solcher Schritt hilfreich.<br />
Interview: Karsten Hintzmann und<br />
Frank Nehring<br />
ZUR PERSON<br />
Alexander Montebaur wurde 1967 geboren.<br />
Nach seinem Studium der Elektrotechnik<br />
an der Rheinisch-Westfälischen<br />
Technischen Hochschule Aachen<br />
promovierte er 1996 zum Dr.-Ing. auf<br />
dem Gebiet der Netzzuverlässigkeitsanalyse.<br />
Am 1. Oktober 2016 trat er in<br />
die E.DIS AG als Mitglied des Vorstandes<br />
ein, seit 1. Januar <strong>2017</strong> ist er Vorstandsvorsitzender<br />
der E.DIS AG. Dr.<br />
Alexander Montebaur ist verheiratet<br />
und hat zwei Kinder.<br />
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