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MEDIAkompakt 22: Lust

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien.

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2/2017<br />

LUST UND SEX<br />

21<br />

sprungs oder auch nur durch das attraktiv finden<br />

anderer Menschen, dann wird man eifersüchtig.<br />

Man überlegt sich dann: „Jetzt hat mein Partner<br />

also mehrere Leute, die er gut findet“. Man fängt<br />

an sich mit den Leuten zu vergleichen und denkt<br />

„Die Andere ist schlanker, schöner oder vielleicht<br />

besser im Bett“. Daher wird man eifersüchtig. Man<br />

kann es aber auch einfach sein lassen sich mit<br />

anderen zu vergleichen. Es einfach ablegen und<br />

sich immer daran erinnern, dass dein Partner dich<br />

trotzdem liebt und toll findet, du aber eben nicht<br />

die Einzige bist. Das klappt natürlich nicht immer<br />

sofort. Bei mir kam das auch nicht über Nacht. Wir<br />

mussten sehr viel darüber reden, haben uns viele<br />

Gedanken gemacht und versucht es so hinzu -<br />

bekommen, dass wir beide glücklich sind.<br />

Paul: Eifersucht ist ein absolut bekanntes Phä -<br />

nomen in monogamen Beziehungen, sogar ohne,<br />

dass die Leute „fremdvögeln“. Ganz offensicht lich<br />

hat das gar nichts damit zu tun, dass da jemand<br />

schon aktiv den Schritt geht, sondern mit dem<br />

Punkt, an dem man ständig den Partner darauf<br />

abklopft, ob er sich denn noch an die Exklusivität<br />

der Beziehung hält und das finde ich ziemlich<br />

brutal. In der Polyamorie versucht man genau das<br />

abzulegen, indem man ganz offen darüber redet.<br />

mediakompakt: Was ist das Schlimmste, das ihr<br />

jemals in polyamoren Beziehungen gesehen habt?<br />

Paul: Leute, die versuchen genau die gleiche<br />

Unmöglichkeit in einer polyamoren Beziehung<br />

hinzubekommen, an denen sie in einer mono -<br />

gamen gescheitert sind. In einer mono gamen<br />

Beziehung hat man die Vorstellung, ein Mensch<br />

könne für mich etwas sein wie mein Äquivalent,<br />

mein Deckel, mein Lebensglück. Einer anderen<br />

Person Glück geben? Ich kann jemandem<br />

Zuneigung geben, ich kann ihm gute Gesellschaft<br />

geben, Geborgenheit, aber Glück? Das bedeutet ja<br />

die allumfassende Befrie digung all meiner<br />

Bedürfnisse. Ich finde mein Leben ist ein bisschen<br />

mehr als mir mein Partner geben kann. Ich höre<br />

auch gern Musik, gehe auf Politikveranstaltungen,<br />

spiele mit meiner Band, tue Dinge die nichts mit<br />

meinem Partner zu tun haben. Viele erwarten von<br />

ihrem Partner, dass er sie glücklich macht – das<br />

funktioniert aber so nicht. Das erkennen die Polys<br />

auf der einen Seite, dann gibt’s aber auch Polys,<br />

die meinen ein Mensch allein kann dir nicht<br />

Glück geben. Also bauen sie sich ein Netzwerk aus<br />

mehreren Leuten auf, die einem das geben – sowas<br />

finde ich beson ders schlimm. Menschen, die<br />

nicht ver stehen, dass andere nicht dein Glück<br />

erschaffen, sondern nur du selbst das kannst.<br />

mediakompakt: Für die unter uns, die darüber<br />

nachdenken zur Polyamorie zu wechseln: Woher<br />

weiß man, ob eine Poly-Beziehung gut für einen<br />

sein könnte?<br />

Clara: Die meisten Menschen stehen auch auf<br />

andere Menschen. Es ist wirklich nur ganz selten<br />

so, dass man nur einen einzigen Menschen toll<br />

findet. Dann kann man sich überlegen, wie man<br />

damit umgehen will. Will ich meinem Partner<br />

sagen „Lass mal monogam bleiben, ich bin der<br />

einzige Mensch mit dem du schlafen darfst und<br />

wenn du dich nicht daran hältst bin ich verletzt!“.<br />

Dann sagt dein Partner entweder „Na gut, dann<br />

verzichte ich auf mein Bedürfnis mit anderen zu<br />

schlafen.“ – das ist dann aber eine Einschränkung.<br />

Oder ich kann meinen Partner betrügen. So kom -<br />

men Seitensprünge zustande, weil man eigentlich<br />

<strong>Lust</strong> darauf hat, aber es in einer monogamen<br />

Bezie hung nicht gestattet ist. Da wäre es für<br />

manche Menschen doch ganz gut darüber zu<br />

reden, ob das denn wirklich so unverzeihlich ist<br />

oder man es gemeinsam ausleben möchte.<br />

mediakompakt: Lebt ihr aktuell noch polygam und<br />

wenn ja, seid ihr damit glücklich?<br />

Clara: Aktuell ist es für mich und meinen Freund<br />

gar nicht so ein großes Thema. Ich denke wir<br />

müssen auch nochmal klären, ob das für uns<br />

momen tan cool ist oder nicht. Eine Polybezieh -<br />

ung erfordert einfach auch viel Zeit und in der<br />

heutigen Gesellschaft hat man einfach nicht so -<br />

viel Zeit, um frei darüber verfügen zu können.<br />

Paul: Ich habe lange polyamor gelebt, aber mo -<br />

men tan lebe ich in einer monogamen Bezie hung.<br />

Das ist meiner Freundin so lieber und ich wünsche<br />

mir momentan auch keinen weiteren Partner.<br />

Bild: Nathalie Seger<br />

mediakompakt: Welchen Ratschlag würdet ihr<br />

jemandem geben, der gerne eine polyamore<br />

Beziehung ausprobieren will?<br />

Paul: Derjenige sollten sich fragen, was ihm denn<br />

eigentlich nicht passt. Irgendetwas wird dem -<br />

jenigen ja nicht passen, wenn er etwas Neues<br />

probieren will. Da würde ich den meisten Leuten<br />

den Ratschlag geben, zu überlegen, wieviel sie<br />

tatsächlich verändern können dadurch, dass sie<br />

sich anders zu Leuten stellen. Wenn du ein<br />

Problem mit deinem Job und deinem Leben hast,<br />

dann wirst du dein Heil auch nicht in einer neuen<br />

Art von Beziehung finden. Ich will nicht sagen<br />

„Lebe nicht polyamor, lebe monogam!“, sondern<br />

entwickle ein Bewusstsein dafür, dass ganz viele<br />

Zumutungen, die in Beziehungen rumirren, aus<br />

einem verkehrten Anspruch kommen und es<br />

Dinge gibt, die man in jeglichen Arten von<br />

Beziehungen einfach nicht umgehen kann.<br />

Clara: Ich würde ihm sagen, dass derjenige es in<br />

jedem Fall mit seinem bestehenden Partner<br />

absprechen und ausprobieren soll. Wenn es dann<br />

gut läuft: Miteinander reden, reden, reden.

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