23.06.2017 Aufrufe

MEDIAkompakt 22: Lust

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien.

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2/2017 LEBEN UND LACHEN<br />

5<br />

schwere Zeiten hinweg. Das hat mich nun<br />

wirklich fasziniert. Ich bin zuvor gar nicht erst auf<br />

die Idee gekommen, dass Leute in meinem Alter<br />

bei so etwas teilnehmen könnten. Aber ich wurde<br />

eines Besseren belehrt. Wie so oft im Laufe des<br />

Abends.<br />

Als ich angekommen<br />

bin wurde ich erstmal<br />

herzlich von der Leiterin<br />

Susanne Klaus begrüßt. Ich<br />

war die Erste. Neben mir<br />

sollten noch zehn weitere<br />

Personen kommen. Darun -<br />

ter zwei Männer und, was<br />

mich überrascht hat, drei<br />

Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren.<br />

Besonders schön, wie wir alle empfunden haben,<br />

war das ältere Pärchen, das mit uns ihren<br />

Hochzeitstag feierte. Sie sahen sehr glücklich aus.<br />

Wir waren alle durchweg gut gelaunt. An den<br />

Fenstern hingen Smileys – die mit einem breiten<br />

Lachen – und ein paar Bilder eines lachenden<br />

indischen Mannes und seiner Frau.<br />

Zu Beginn erzählte uns unsere Lach yoga-<br />

Lehrerin erst einmal von sich: 2004 hat sie zum<br />

ersten Mal an einem Lachyoga-Seminar teil ge -<br />

nommen. „Susanne, Lachen würde dir auch mal<br />

ganz guttun.“, dachte sie sich. Begeistert von der<br />

Sitzung ließ sie sich zur Lachyoga-Lehrerin<br />

ausbilden und eröffnete schon im Jahr darauf die<br />

Stuttgarter Lachschule. Heute hält sie Lach -<br />

seminare, -kurse, sowie Firmentrainings und<br />

bildet selbst zum Leiter aus.<br />

Nachdem wir erst einmal eine Begrüßungs -<br />

runde gemacht haben, bei der zunächst jeder<br />

seinen rechten Sitznachbar nach seinem Namen<br />

fragte und diesen anschließend mit „Das ist… Ich<br />

liebe an ihm, dass er…“ vorstellen musste, wurde<br />

uns erst einmal über die geschichtlichen Hinter -<br />

gründe des Lachyogas erzählt. Die „Lachwissen -<br />

schaft“ in dem Sinne gibt es erst seit schät -<br />

zungsweise 50 Jahren. Es begann mit dem<br />

ameri kanischen Journalisten Norman Cousins,<br />

der in den siebziger Jahren an einer chronischen<br />

Entzündung der Wirbelsäule unter heftigen<br />

Schmerzen litt. Ärzte gaben ihm eine sehr geringe<br />

Überlebenschance. Cousins hatte in wissen -<br />

schaftlichen Zeitschriften gelesen, dass sich<br />

negative Emotionen auch negativ auf die Gesund -<br />

heit auswirken. Also probierte er es im Umkehr -<br />

schluss und verschrieb sich selbst eine Lach -<br />

therapie, bei der er sich durch Anschauen von<br />

Komödien oder Vorlesen von witzigen Büchern<br />

zum Lachen brachte. Er stellte schnell fest, dass<br />

dies seine Schmerzen linderte. Nach intensiver<br />

Anwendung seiner Therapie ist er sogar genesen.<br />

Das Lachyoga dagegen wurde 1995 von Dr.<br />

Madan Kataria in Indien entwickelt. Fasziniert<br />

von Artikeln über die Heilungswirkung des<br />

Lachens gründete er den ersten Lachclub in dem<br />

sich die Teilnehmer gegenseitig Witze erzählen<br />

sollten. Kurze Zeit später wusste jedoch keiner<br />

mehr neue Witze und sie konnten somit nicht<br />

mehr lachen. Dr. Kataria überlegte sich dann, wie<br />

man ohne Witze lachen kann und kam dann zum<br />

Schluss „Fake it until you make it.“ Er entwickelte<br />

mit seiner Frau Lachübungen, die später zu<br />

echtem Lachen führen sollten.<br />

„Susanne,<br />

Lachen würde dir<br />

auch mal ganz<br />

guttun.“<br />

Nach dieser kleinen Geschichtsstunde erzählte<br />

sie uns noch von den positiven Auswirkungen, die<br />

Lachen so mit sich bringt. Lachen steigert das<br />

allgemeine Wohlbefinden. Und dabei kommt es<br />

nicht darauf an, ob das Lachen echt ist. Es sei<br />

wissenschaftlich erwiesen,<br />

dass der eigene Körper<br />

nicht unterscheiden kann,<br />

ob man künstlich oder<br />

wirklich lacht. Hoch gezo -<br />

gene Mundwinkel allein lö -<br />

sen schon Glückshormo ne<br />

aus. Schon nach 30- bis 40-<br />

sekündigem Lächeln sol len<br />

sich die Gedanken ins Posi -<br />

tive ändern. Dieser Satz machte mich doch recht<br />

stutzig. Beim Schreiben dieses Artikels versuche<br />

ich aktiv ohne Grund für längere Zeit zu lächeln.<br />

Ich merke, wie mein Lächeln unwei gerlich falsch<br />

wird und meine Gedanken sich darum kreisen, die<br />

Mundwinkel oben zu behalten. Ich erinnere mich<br />

an Szenen aus dem Leben oder Filmen, in denen<br />

ein Poker face- Lächeln aufgesetzt wurde. Es macht<br />

mich irgendwie traurig. Aber so ist die Aussage<br />

wohl auch nicht gemeint. Nach kurzer Recherche<br />

im Internet weiß ich, was ich falsch gemacht habe:<br />

Das Lächeln darf im Gegensatz zum Lachen nicht<br />

komplett falsch sein, um positive Auswirkungen<br />

zu haben. Man darf nicht lächeln des Lächeln<br />

Willens, sondern muss einen Grund haben.<br />

Hierbei ist nicht wichtig, wie relevant dieser<br />

Grund ist, solange er einen kurzen positiven<br />

Impuls auslöst.<br />

Aber zurück zum Lachyoga. Nach der kurzen<br />

Einführung in die Lachwissenschaft ging es dann<br />

ans Lachen in Form einer Reise nach Indien.<br />

Zunächst haben wir uns, wie bei jeden anderen<br />

Trainingsarten, aufgewärmt. Dies haben wir im<br />

imaginären Flugzeug gemacht. Die Übungen er -<br />

innerten mich ein wenig an welche, die ich schon<br />

im Chor und beim Tanztraining gemacht habe:<br />

Bewusstes Ein- und Aus atmen, Lockerung des<br />

Mun des, sich Wirbel für Wir bel aufrichten. Alles<br />

nichts, wobei man sich komisch vorkam.<br />

Zwischen durch ein paar mal „Hoho, Hahaha!“ bei<br />

dem wir rhyth misch geklatscht haben. Dies wurde<br />

abge schlos sen mit „Sehr gut, sehr gut. Yeah!“<br />

(beim „Yeah“ gab’s zweimal Daumen hoch.) Das<br />

Selbst lob ließ mich lächeln.<br />

Darauf folgten die ersten verschiedenen Lach -<br />

übungen. Begonnen wurde mit dem „Na ma ste<br />

Begrüßungs lächeln“, bei dem man die Hände vor<br />

dem Körper faltet, sich ver -<br />

neigt und gegenseitig an lä -<br />

chelt. Dies wurde dann an -<br />

schließend ge steigert durch<br />

das „Westliche Begrüßungs -<br />

lachen“, bei dem man sich die<br />

Hand gibt, sie schüttelt und<br />

lacht. Gleich darauf folgte das Fünf- Punkte-<br />

Steigerungslachen, wobei man sich auf unter -<br />

schiedliche Stellen am Körper klopft und von<br />

Stelle zu Stelle das Lachen steigert. Unsere Leh -<br />

rerin hat uns ganz bewusst langsam an das „laute“<br />

Lachen herangeführt, sodass wir uns langsam aus<br />

unserer Komfortzone wagen konn ten. Ich war mir<br />

nicht so sicher, ob das bei mir so gut geklappt hat.<br />

Zwar hatte ich keine wirklichen Probleme damit<br />

So. Seh‘n.<br />

Sieger. Aus!<br />

lauthals mit zumachen – bei meinen Theater pro -<br />

ben war ich Schlimmeres gewohnt – aber mein<br />

Lachen wirkte so gezwungen, als versuchte ich das<br />

Lachen eines Oberbösewichts in einem Kinder -<br />

film nach zu ahmen, der gerade die „Guten“ in ein<br />

Verließ gesperrt hat.<br />

An dieser Stelle hat Frau Klaus, oder besser<br />

Susanne („Während des Lachyogas duzen wir uns<br />

alle. Danach könnt ihr euch ja wieder siezen.“)<br />

erstmal Halt gemacht. Sie erzählt uns von ihrer<br />

ersten Lachyogastunde und wie sie sich schon bei<br />

dieser Übung gefragt hat, was sie eigentlich hier<br />

soll. Das brachte erstmal ein paar echte Lacher ein.<br />

Ich und bestimmt auch andere Teilnehmer waren<br />

erstmal beruhigt. Es ist also ganz normal. Sie sagte<br />

uns nun, der Verstand sei das, was einen einenge.<br />

Wir müssten ihn erst loswerden, damit wir frei<br />

lachen könnten. Also haben wir unseren Verstand<br />

mit beiden Händen aus unseren Köpfen gezogen<br />

und mit einem lauten Lachen auf den Boden<br />

geworfen. HAHAHAHAHA!<br />

Es folgen weitere verschiedene Lachübungen,<br />

wie das Bewunderungslachen – es wird etwas<br />

lachend bewundert – und das Anerkennungs -<br />

lachen – man klopft sich selber anerkennend auf<br />

die Schulter (Eigenlob war ein wiederkehrendes<br />

Thema in der Sitzung) – und zwischendurch<br />

immer wieder ein auflockerndes „Hoho Hahaha“<br />

mit dem anschließenden „Sehr gut, sehr gut.<br />

Yeah!“, das durch gegenseitiges „In-die- Augenschauen“<br />

erweitert wurde. Die Übungen lösten<br />

natürlich nicht bei allen echtes Lachen aus. Das<br />

mussten sie aber auch nicht, denn sie machten<br />

einen doch irgendwie glücklich und befreit.<br />

Gelegentlich habe ich gemerkt, dass sich zwischen<br />

meinem Superbösewichtlachen auch dann und<br />

wann ein echtes Lachen eingeschlichen hat. Ein<br />

kleiner Erfolg.<br />

Wir schüttelten uns lachend die Hände,<br />

schauten uns in die Augen und lachten, tranken<br />

lachend Mango-Lassis aus Luft, klopften uns<br />

lachend auf die Schultern, schmissen jubelnd die<br />

Arme in die Luft, nahmen imaginäre Lachpillen<br />

und schauten in einen ebenso imaginären Hand -<br />

spiegel und sagten uns: „So. Seh’n. Sieger. Aus!“<br />

Bis dato meine Lieblingsübung.<br />

Nachdem unsere Lachreise in Indien vorüber<br />

war, begaben wir uns wieder zum Flughafen und<br />

machten ein paar Übungen zum „Runter kom -<br />

men“. Zuletzt gab es eine kleine entspan nende<br />

Me ditationsübung, bei der wir die Ereignisse der<br />

letzten Stunden revue passieren konnten. Am<br />

Ende der Sitzung fühlte ich<br />

mich wun derbar. Der zuvor<br />

ange sam melte Stress war wie<br />

weg ge blasen. Ich schaute auf<br />

die Uhr und stelle überrascht<br />

fest, dass drei Stunden ver -<br />

gangen wa ren. Es kam mir vor,<br />

als wäre es gerade mal eine gewesen.<br />

Bevor ich den Kurs gemacht habe, war ich<br />

skeptisch und habe die Idee be lächelt. Ich musste<br />

wie so oft meine Vorurteile über Bord werfen.<br />

Zwar bin ich kein regelmäßiger Lach yoga- Teil -<br />

nehmer geworden, aber ich bin sehr froh mit -<br />

gemacht zu haben. Es gibt viele Ak tivitäten, die<br />

einem das Leben positiver ge stalten. Ist es nicht<br />

schön, dass eine davon ein herzliches Lachen ist?

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!