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MEDIAkompakt 22: Lust

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien.

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2/2017 LEBEN UND LACHEN<br />

3<br />

Ist das jetzt lustig?<br />

Die Nachrichten von Terroranschlägen beherrschen die Schlagzeilen. Tipps um sich gegen Terror<br />

zu schützen findet man viele. Der Postillon empfiehlt zum Beispiel einen eigenen Spreng stoff -<br />

gürtel. Doch ist sowas hilfreich oder sinnvoll? Ernste Themen erfordern eine ernste Auseinander -<br />

setzung, oder?<br />

VON BETTINA BÄHNSCH<br />

Die Satire ist frei. Es fallen Begriffe wie<br />

»Nazi-Schlampe« im satirischen Kon -<br />

text zum AfD Parteitag in Köln bei der<br />

extra3-Show und trotzdem wird eine<br />

Verleumdungsklage gegenüber dem<br />

Moderator Christian Ehring angedroht. War das<br />

jetzt nicht lustig? Die Satire ist laut dem Duden<br />

eine »Kunstgattung, die durch Übertreibung,<br />

Ironie und Spott an Personen, Ereignissen Kritik<br />

übt […] und mit scharfem Witz geißelt«. Kunst -<br />

formen sind eigentlich keinen Regeln unter -<br />

worfen, aber wie sieht es aus, wenn diese Kunst als<br />

Berichterstattungsform gewählt wird? In Zeiten<br />

einer hohen Politikverdrossenheit und immer<br />

weniger Zeitungslesern ist es für den seriösen<br />

Journalismus besonders anspruchsvoll Leser zu<br />

erreichen und behalten. Viele Menschen nutzen<br />

die Social-Media-Kanäle, wie zum Beispiel Face -<br />

book oder Twitter, um sich über das Geschehen zu<br />

informieren. Dort haben besonders die Satire-<br />

Platt formen, wie besagter Postillon, große<br />

Follower-Zahlen. Läuft Satire dem seriösen Jour -<br />

nalismus den Rang als Informationsquelle ab?<br />

Oliver Welke (ZDF heute show) nimmt dazu im<br />

Gespräch mit dem ZAPP – Medienmagazin vom<br />

NDR Stellung und erklärt, dass Satire ohne den<br />

Journalismus keine Quelle hätte. Man kann also<br />

die satirische Umsetzung von Nachrichten als<br />

Zweitverwertung oder Ergänzung vom seriösen<br />

Journalismus betrachten. »Außerdem«, so Welke,<br />

»ist es gar nicht möglich die Pointen im vollen<br />

Maße zu verstehen, wenn man nicht die eigent -<br />

liche Nachricht zur überspitzten Dar stellung<br />

kennt.«<br />

Satire steht dennoch häufig in der Kritik eine<br />

bloße Provokation darzustellen und mit<br />

standardisierten Abfolgen eine sichere Pointe zu<br />

erzielen. Die Kabarettisten hingegen verstehen<br />

ihren Job ganz anders. Es gehe darum sich mit<br />

Informationen auseinanderzusetzen und diese<br />

dann in einer emotionalen Diskussion dem<br />

Publikum oder Leser näher zu bringen, so erklärt<br />

Claus von Wagner (Die Anstalt) dem Wortlaut<br />

Kulturbüro vom 3sat im Gespräch. Dieser<br />

emotionale Rahmen darf und soll in der Pointe<br />

dann auch gerne den Galgenhumor wecken.<br />

Trotzdem bezichtigen Kritiker wie Hilmar Klute<br />

die heutige Form der Satire als »fantasie- und<br />

niveaulos«. Des Weiteren ist Klute enttäuscht von<br />

der »einfachen Darstellung« der Inhalte, erklärt er<br />

im Interview mit dem ZAPP Medienmagazin des<br />

NDR. Auf der anderen Seite ist genau diese<br />

einfache Darstellung Kern der Satire, da sie<br />

komplexe Themen auf die Fakten herunterbricht.<br />

Beim Konsumenten soll ein »Aha-Effekt« erzielt<br />

und im Anschluss mit Hilfe einer knackigen<br />

Pointe eine klare Haltung übermittelt werden.<br />

Satire-Redaktionen stellen sich immer wieder<br />

auf’s Neue der Herausforderung, komplizierte<br />

Themen humorvoll zu gestalten.<br />

Amerikanische Formate legen da schon ganz<br />

anders vor. Jimmy Fallon, Komiker und Late-<br />

Night-Moderator der amerikanischen Sendung<br />

»Tonight Show« geht in der Satire soweit, dass er<br />

den mächtigsten Staatschef der Welt, US-Prä -<br />

sident Donald Trump, regelmäßig auf’s Korn<br />

nimmt. Mit Statements zu seinem Auftreten in der<br />

Öffentlichkeit kommentiert Fallon auf komische<br />

Art und Weise die Fehltritte des Präsidenten. In<br />

seiner »Tonight Show« nimmt der Moderator<br />

Trumps Rede vor Studenten auf die Schippe.<br />

Jimmy Fallon behauptete Trump habe seine Rede<br />

aus dem Film »Natürlich Blond« kopiert. Auf den<br />

ersten Blick sieht es im Zusammenschnitt auch<br />

danach aus. Schaut man genau hin, wird deutlich,<br />

dass hier nachgeholfen wurde. Mit lustigen<br />

Kommentaren des Moderators werden die<br />

Passagen aus Trumps-Rede mit der aus dem Film<br />

verglichen. Doch ist das lustig oder wird hier eine<br />

Hetze betrieben, die hinter »satirischen Aussagen«<br />

versteckt wird? Denn eins ist klar, der US-<br />

Präsident genießt unter den Prominenten nicht<br />

immer das beste Ansehe und ist gerade deshalb oft<br />

Zielscheibe der Kabarettisten.<br />

Die Grenzen zwischen Satire und Hetze sind<br />

beinahe fließend, es muss also immer wieder aufs<br />

Neue abgewogen werden, ob das Thema jetzt<br />

schon oder überhaupt lustig ist.<br />

Allerdings darf die Frage gestellt werden, ob<br />

ernste politische Themen, auch nur ernst<br />

behandelt werden müssen. In den arabischen<br />

Ländern wurde die Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel in einem Satire Magazin mit einem<br />

»Pixel-Kopftuch« dargestellt. Trotz politischer<br />

und religiöser Konflikte ist diese Bildbearbeitung<br />

lustig, solange man die Satire als solche versteht.<br />

Viele User auf Social-Media-Kanälen nutzen<br />

solche Beiträge, um dadurch Fake-News zu<br />

erzeugen, wie in diesem Fall die angeblich<br />

übertriebene Reaktion darauf, dass die Bundes -<br />

kanzlerin ihren bloßen Kopf präsentierte. Bei so<br />

vielen ernsten Berichten darf man auch mal über<br />

solche Bildretuschen schmunzeln, ohne gleich<br />

eine Welle der Empörung loszutreten. Denn Satire<br />

polarisiert und doch ist sie witzig, solange keiner<br />

ernsthaften Schaden erleidet.<br />

Auch die neue AfD Spitzenkandidatin Alice<br />

Weidel trug keinen Schaden durch die überspitzte<br />

Aussage davon, sodass das Gericht entschied, der<br />

Wortlaut »Nazi-Schlampe« ist eindeutig in<br />

satirischem Kontext gesagt worden und wird als<br />

solcher behandelt. Demnach wurde die Klage<br />

abgewiesen. War also doch ganz lustig. Aber über<br />

Humor lässt sich ja bekanntermaßen viel streiten.<br />

Bild: Katharina Merz & Lena Hitzenberger

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