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THEMA<br />
Für Dattelner Festival-Fre<strong>und</strong>e gibt es zumindest<br />
einenkleinen Hoffnungsschimmer:eine<br />
abgespeckte Variante desFestivalswirdauf<br />
demumzäuntenGelände desTVDatteln 09<br />
stattfinden. DieUmzäunungist dabeider entscheidende<br />
Punkt,wie AndreasBorkvom Kanalfest<br />
erklärt:„In denletzten Jahrenhat es immer<br />
neue Auflagen gegeben, diedie Kosten anstiegenließen.DiesesJahr<br />
solltenzusätzlich die<br />
Zuwege mitLKW abgesperrt werden.“ Eine Sicherheitsmaßnahme,<br />
diewohlauf denLKW-Anschlag<br />
in Nizzaletztes Jahr zurückgeht.„Das<br />
Problemwarennicht dieLKW,sondern<br />
diezweiFahrer, dier<strong>und</strong>um<br />
dieUhr dort positioniert werden<br />
müssten,falls mandie LKWbei einemFeuerwehreinsatz<br />
weggefahrenmüsste.“Diessei<br />
für dasBudgetnicht<br />
mehr haltbargewesen,<br />
denn dieTicketpreisewollteman nichtweiter<br />
erhöhen. „Dem Bürgerkann mannicht klar machen,dassernur<br />
noch für Sicherheiten bezahlt.<br />
Gerade,weilerviele Maßnahmen,wie NotbeleuchtungoderAbsturzsicherungenzum<br />
Kanal<br />
hin,nicht malsieht.“ DieEreignisse derletzten<br />
Wochen scheinen dieThematik verstärkt zu haben,<br />
schließlich will sich nachher niemandetwasvorwerfen<br />
lassen. „Die Forderungenkommenvon<br />
denAufsichtsbehörden, derAnschlag<br />
beim BVB-Spielhat dasnochmal verstärkt.“ Insgesamt<br />
waren dieKostenmit demalten Gelände<br />
für dasnicht-kommerzielleFestival nicht<br />
mehr zu stemmen. Aufdem neuenGelände wird<br />
es wieinden letztenJahrenein generelles<br />
Rucksackverbot geben.<br />
Bei Kommando Kultur in Solingen sei die Situation<br />
speziell,erklärtAndreas Dietrich.„Wirsind<br />
einkostenloses Festival, veranstaltet voneinemgemeinnützigenVerein.<br />
In denletzten Jahrensindwir<br />
gewachsen, <strong>und</strong>damitdie Sicherheitsanforderungen,<br />
aber unsere Sponsorenhabendas<br />
mitgetragen.“Letztlich seiman in der<br />
komfortablen Situation,nur kostendeckendplanenzumüssen.<br />
„Das macht dieDurchführung<br />
desFestivalsleichterals beiKollegen,<br />
dieberechtigterweisedavon leben.“Veränderungen<br />
gabesüberdie Jahre,geradebei<br />
derTaschenkontrolle. „Früher wurde stichprobenartigkontrolliert,<br />
heutedurchsuchen<br />
wir alleTaschen.Die Anforderung habenwir<br />
auch an unsselbst.“ImIdealfall<br />
würdendie Besucher ganz ohne Taschen<br />
kommen,„aber Festivalbesucherbrauchen<br />
natürlich eine Deckefür denganzenTag.<br />
Das wollen wir nichtverbieten.UnsereGäste<br />
tolerieren dafür dieKontrollen, da gibtes<br />
keine Schwierigkeiten.“<br />
„DemBürgerkann<br />
mannicht klar<br />
machen, dass er nur<br />
noch fürSicherheiten<br />
bezahlt.“<br />
Schon im letzten Jahr wurden bei Juicy<br />
Beats die Sicherheitskräfte deutlich aufgestockt.„Zwei<br />
Wochen vorunserem Festivalwar<br />
derschlimmeAnschlaginNizza,dann noch<br />
München. Dementsprechendmussten wir auf<br />
dieSicherheitslage reagieren“,erklärtCarsten<br />
Helmich.Eineweitere Aufstockungist für diesesJahr<br />
erst einmal nichtgeplant,wobei man<br />
„imFall derFällenatürlich sofort reagierenwürde.“<br />
Diegestiegenen Kosten seienordentlich<br />
<strong>und</strong>der Gr<strong>und</strong>dafür,dassman dieses Jahr die<br />
Eintrittspreiseanheben musste. Wielange das<br />
gut geht,entscheiden dieBesucher. „Eshängt<br />
vomPublikum ab.Wennesbereitist diezusätzlichen<br />
Sicherheitsanforderungen<br />
zu bezahlen,wennder Gast die<br />
Zeiten versteht,indenen wir leben,<br />
dann kann manSicherheitsleistungen<br />
anziehen ohne das<br />
Festivalfinanziellzugefährden.“<br />
FürdiesesJahr giltfür dieGäste:<br />
Turnbeutel mitdem nötigsten Gepäck ja,Rucksäckenein.<br />
Sollte daskurzfristig nachRücksprachemit<br />
derPolizei noch aufBrustbeutel geändert<br />
werden,würdenwir dasüberdie sozialenMedienbekanntgeben.<br />
Jürgen Haigh ist einer der Mitbegründer von Eier<br />
mit Speck <strong>und</strong> konnte so die Entwicklung über<br />
dieJahre beobachten.„Beim ersten Mal, 2006,<br />
haben wir alles geplant<strong>und</strong> eine Veranstaltungsgenehmigung<br />
eingereicht, diewurde dann<br />
durchgewunken.Früher gingdas<br />
„Wir lassen uns von<br />
solchenIdioten das<br />
Leben nicht kaputt<br />
machen.“<br />
noch übersOrdnungsamt,eskam<br />
auch maldie Feuerwehrvorbeigefahren<strong>und</strong><br />
hatsichalles grob angeschaut.“<br />
Komplizierterwurde es<br />
zuerst nichtwegenTerrorgefahr,<br />
sondernwegenden Vorfällen bei<br />
derLoveparade2010.„Ab da war alles anders,<br />
dieVeranstaltungsgenehmigung nichtmehr<br />
ausreichend.Esmussteein Sicherheitskonzept<br />
vorgelegtwerden, beidem alles abgefragtwurde<br />
<strong>und</strong>sichalleBehördenmit unsaneinen<br />
Tischgesetzt haben.Der Prozesswurde relativ<br />
aufwendig.“Für dasKonzept konntendie Veranstalterauf<br />
professionelle Unterstützungbauen.<br />
„Wir wareninder w<strong>und</strong>erbarenSituationmit Sabine<br />
Funk befre<strong>und</strong>et zu sein,die CrowdManagement<br />
studiert <strong>und</strong>als echteExpertinmit<br />
unsein Konzepterarbeitethat.“ Teurersei es<br />
zwar geworden,abernicht existenzgefährdend.<br />
„Esist eingrößerer Posten in derFestivalkalkulationgeworden.Abermit<br />
dieser Begründung<br />
haben ja auch vieleganzgut an derPreisschraubegedreht.Bei<br />
unspasst es jedenfalls<br />
noch.“ EinHinweis an dieBesucher: „Lasst die<br />
Rucksäckebitte draußen <strong>und</strong>nehmt nurkleine<br />
Täschchenmit rein.“ Nachdenklich ergänzt er:<br />
„Ein gewissesRestrisikoist immer da.Die einzige<br />
Alternativewäre,man blästesab<strong>und</strong> führt<br />
dieVeranstaltung nichtdurch.“<br />
Ähnlich sieht es Marcus Gloria von Bochum Total.<br />
„Es gibt einfach Grenzen dessen, was möglich<br />
ist, es kann keine h<strong>und</strong>ertprozentigeSicherheit<br />
geben. Trotzdem bemühen sich alleBeteiligten<br />
darum<strong>und</strong> bisher gabesnochnie einenwirklich<br />
ernstenVorfall.Und dassoll<strong>und</strong><br />
wirdauch so bleiben.“Geradebei Bochum Total<br />
istdie Situation besonders. „Als Veranstalter bei<br />
einemStraßenfestivalhaben wir garnicht das<br />
Hausrecht. Wirdürfen nichtindie Taschenvon<br />
jemandem schauen, derdurch dieStadt läuft.<br />
DieGlaskontrollewirddeswegenvom Ordnungsamt<br />
durchgeführt,nicht vonuns.Als Veranstalterkönnen<br />
wir nurdas Gelände<br />
beobachten.“ StichwortMonitoring.<br />
Dassdie Diskussionenüber<br />
Sicherheit häufigvon einergewissenHysteriegeprägt<br />
scheinen,<br />
ärgert ihn.„In denMedien<br />
werden nurdie Symptomebehandelt,<br />
aber nichtdie Ursachen <strong>und</strong>das nervt<br />
unsVeranstalter. Letztlich musssichdie Gesellschaft<br />
dazu positionieren, im Sinnevon ‚wir lassenuns<br />
vonsolchenIdioten dasLeben nichtkaputt<br />
machen‘.“ DerKostenanstieg seihingegen<br />
nichtdramatisch.„Diesindda<strong>und</strong> nichtunerheblich,<br />
aber mankann siestemmen.Außerdemist<br />
derAnstieg im Sicherheitsbereich<br />
nicht-signifikant, selbst nachNizza nicht,<br />
es istmeist für einpaarh<strong>und</strong>ert Euro zu<br />
regeln;<strong>und</strong> diesindimmer gut investiert,<br />
weil sich dann alle-auch wir Veranstalterbesser<br />
fühlen.“<br />
GegenHysteriekönnte derBlick mittels<br />
kühlerVernunft aufemotionsloseStatistiken<br />
helfen: Toddurch eine Grippeerkrankung<br />
istweitaus wahrscheinlicher,als<br />
durchTerror. AlsokeinGr<strong>und</strong>,nicht am<br />
kulturellen Lebenteilzunehmen. Das wäre<br />
sogargefährlich,dennein tödlicher<br />
Unfall im Haushalt istungleichwahrscheinlicher,als<br />
Opfer einesAnschlages<br />
zu werden.<br />
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