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Juli 2017 - coolibri Düsseldorf und Wuppertal

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THEMA<br />

Für Dattelner Festival-Fre<strong>und</strong>e gibt es zumindest<br />

einenkleinen Hoffnungsschimmer:eine<br />

abgespeckte Variante desFestivalswirdauf<br />

demumzäuntenGelände desTVDatteln 09<br />

stattfinden. DieUmzäunungist dabeider entscheidende<br />

Punkt,wie AndreasBorkvom Kanalfest<br />

erklärt:„In denletzten Jahrenhat es immer<br />

neue Auflagen gegeben, diedie Kosten anstiegenließen.DiesesJahr<br />

solltenzusätzlich die<br />

Zuwege mitLKW abgesperrt werden.“ Eine Sicherheitsmaßnahme,<br />

diewohlauf denLKW-Anschlag<br />

in Nizzaletztes Jahr zurückgeht.„Das<br />

Problemwarennicht dieLKW,sondern<br />

diezweiFahrer, dier<strong>und</strong>um<br />

dieUhr dort positioniert werden<br />

müssten,falls mandie LKWbei einemFeuerwehreinsatz<br />

weggefahrenmüsste.“Diessei<br />

für dasBudgetnicht<br />

mehr haltbargewesen,<br />

denn dieTicketpreisewollteman nichtweiter<br />

erhöhen. „Dem Bürgerkann mannicht klar machen,dassernur<br />

noch für Sicherheiten bezahlt.<br />

Gerade,weilerviele Maßnahmen,wie NotbeleuchtungoderAbsturzsicherungenzum<br />

Kanal<br />

hin,nicht malsieht.“ DieEreignisse derletzten<br />

Wochen scheinen dieThematik verstärkt zu haben,<br />

schließlich will sich nachher niemandetwasvorwerfen<br />

lassen. „Die Forderungenkommenvon<br />

denAufsichtsbehörden, derAnschlag<br />

beim BVB-Spielhat dasnochmal verstärkt.“ Insgesamt<br />

waren dieKostenmit demalten Gelände<br />

für dasnicht-kommerzielleFestival nicht<br />

mehr zu stemmen. Aufdem neuenGelände wird<br />

es wieinden letztenJahrenein generelles<br />

Rucksackverbot geben.<br />

Bei Kommando Kultur in Solingen sei die Situation<br />

speziell,erklärtAndreas Dietrich.„Wirsind<br />

einkostenloses Festival, veranstaltet voneinemgemeinnützigenVerein.<br />

In denletzten Jahrensindwir<br />

gewachsen, <strong>und</strong>damitdie Sicherheitsanforderungen,<br />

aber unsere Sponsorenhabendas<br />

mitgetragen.“Letztlich seiman in der<br />

komfortablen Situation,nur kostendeckendplanenzumüssen.<br />

„Das macht dieDurchführung<br />

desFestivalsleichterals beiKollegen,<br />

dieberechtigterweisedavon leben.“Veränderungen<br />

gabesüberdie Jahre,geradebei<br />

derTaschenkontrolle. „Früher wurde stichprobenartigkontrolliert,<br />

heutedurchsuchen<br />

wir alleTaschen.Die Anforderung habenwir<br />

auch an unsselbst.“ImIdealfall<br />

würdendie Besucher ganz ohne Taschen<br />

kommen,„aber Festivalbesucherbrauchen<br />

natürlich eine Deckefür denganzenTag.<br />

Das wollen wir nichtverbieten.UnsereGäste<br />

tolerieren dafür dieKontrollen, da gibtes<br />

keine Schwierigkeiten.“<br />

„DemBürgerkann<br />

mannicht klar<br />

machen, dass er nur<br />

noch fürSicherheiten<br />

bezahlt.“<br />

Schon im letzten Jahr wurden bei Juicy<br />

Beats die Sicherheitskräfte deutlich aufgestockt.„Zwei<br />

Wochen vorunserem Festivalwar<br />

derschlimmeAnschlaginNizza,dann noch<br />

München. Dementsprechendmussten wir auf<br />

dieSicherheitslage reagieren“,erklärtCarsten<br />

Helmich.Eineweitere Aufstockungist für diesesJahr<br />

erst einmal nichtgeplant,wobei man<br />

„imFall derFällenatürlich sofort reagierenwürde.“<br />

Diegestiegenen Kosten seienordentlich<br />

<strong>und</strong>der Gr<strong>und</strong>dafür,dassman dieses Jahr die<br />

Eintrittspreiseanheben musste. Wielange das<br />

gut geht,entscheiden dieBesucher. „Eshängt<br />

vomPublikum ab.Wennesbereitist diezusätzlichen<br />

Sicherheitsanforderungen<br />

zu bezahlen,wennder Gast die<br />

Zeiten versteht,indenen wir leben,<br />

dann kann manSicherheitsleistungen<br />

anziehen ohne das<br />

Festivalfinanziellzugefährden.“<br />

FürdiesesJahr giltfür dieGäste:<br />

Turnbeutel mitdem nötigsten Gepäck ja,Rucksäckenein.<br />

Sollte daskurzfristig nachRücksprachemit<br />

derPolizei noch aufBrustbeutel geändert<br />

werden,würdenwir dasüberdie sozialenMedienbekanntgeben.<br />

Jürgen Haigh ist einer der Mitbegründer von Eier<br />

mit Speck <strong>und</strong> konnte so die Entwicklung über<br />

dieJahre beobachten.„Beim ersten Mal, 2006,<br />

haben wir alles geplant<strong>und</strong> eine Veranstaltungsgenehmigung<br />

eingereicht, diewurde dann<br />

durchgewunken.Früher gingdas<br />

„Wir lassen uns von<br />

solchenIdioten das<br />

Leben nicht kaputt<br />

machen.“<br />

noch übersOrdnungsamt,eskam<br />

auch maldie Feuerwehrvorbeigefahren<strong>und</strong><br />

hatsichalles grob angeschaut.“<br />

Komplizierterwurde es<br />

zuerst nichtwegenTerrorgefahr,<br />

sondernwegenden Vorfällen bei<br />

derLoveparade2010.„Ab da war alles anders,<br />

dieVeranstaltungsgenehmigung nichtmehr<br />

ausreichend.Esmussteein Sicherheitskonzept<br />

vorgelegtwerden, beidem alles abgefragtwurde<br />

<strong>und</strong>sichalleBehördenmit unsaneinen<br />

Tischgesetzt haben.Der Prozesswurde relativ<br />

aufwendig.“Für dasKonzept konntendie Veranstalterauf<br />

professionelle Unterstützungbauen.<br />

„Wir wareninder w<strong>und</strong>erbarenSituationmit Sabine<br />

Funk befre<strong>und</strong>et zu sein,die CrowdManagement<br />

studiert <strong>und</strong>als echteExpertinmit<br />

unsein Konzepterarbeitethat.“ Teurersei es<br />

zwar geworden,abernicht existenzgefährdend.<br />

„Esist eingrößerer Posten in derFestivalkalkulationgeworden.Abermit<br />

dieser Begründung<br />

haben ja auch vieleganzgut an derPreisschraubegedreht.Bei<br />

unspasst es jedenfalls<br />

noch.“ EinHinweis an dieBesucher: „Lasst die<br />

Rucksäckebitte draußen <strong>und</strong>nehmt nurkleine<br />

Täschchenmit rein.“ Nachdenklich ergänzt er:<br />

„Ein gewissesRestrisikoist immer da.Die einzige<br />

Alternativewäre,man blästesab<strong>und</strong> führt<br />

dieVeranstaltung nichtdurch.“<br />

Ähnlich sieht es Marcus Gloria von Bochum Total.<br />

„Es gibt einfach Grenzen dessen, was möglich<br />

ist, es kann keine h<strong>und</strong>ertprozentigeSicherheit<br />

geben. Trotzdem bemühen sich alleBeteiligten<br />

darum<strong>und</strong> bisher gabesnochnie einenwirklich<br />

ernstenVorfall.Und dassoll<strong>und</strong><br />

wirdauch so bleiben.“Geradebei Bochum Total<br />

istdie Situation besonders. „Als Veranstalter bei<br />

einemStraßenfestivalhaben wir garnicht das<br />

Hausrecht. Wirdürfen nichtindie Taschenvon<br />

jemandem schauen, derdurch dieStadt läuft.<br />

DieGlaskontrollewirddeswegenvom Ordnungsamt<br />

durchgeführt,nicht vonuns.Als Veranstalterkönnen<br />

wir nurdas Gelände<br />

beobachten.“ StichwortMonitoring.<br />

Dassdie Diskussionenüber<br />

Sicherheit häufigvon einergewissenHysteriegeprägt<br />

scheinen,<br />

ärgert ihn.„In denMedien<br />

werden nurdie Symptomebehandelt,<br />

aber nichtdie Ursachen <strong>und</strong>das nervt<br />

unsVeranstalter. Letztlich musssichdie Gesellschaft<br />

dazu positionieren, im Sinnevon ‚wir lassenuns<br />

vonsolchenIdioten dasLeben nichtkaputt<br />

machen‘.“ DerKostenanstieg seihingegen<br />

nichtdramatisch.„Diesindda<strong>und</strong> nichtunerheblich,<br />

aber mankann siestemmen.Außerdemist<br />

derAnstieg im Sicherheitsbereich<br />

nicht-signifikant, selbst nachNizza nicht,<br />

es istmeist für einpaarh<strong>und</strong>ert Euro zu<br />

regeln;<strong>und</strong> diesindimmer gut investiert,<br />

weil sich dann alle-auch wir Veranstalterbesser<br />

fühlen.“<br />

GegenHysteriekönnte derBlick mittels<br />

kühlerVernunft aufemotionsloseStatistiken<br />

helfen: Toddurch eine Grippeerkrankung<br />

istweitaus wahrscheinlicher,als<br />

durchTerror. AlsokeinGr<strong>und</strong>,nicht am<br />

kulturellen Lebenteilzunehmen. Das wäre<br />

sogargefährlich,dennein tödlicher<br />

Unfall im Haushalt istungleichwahrscheinlicher,als<br />

Opfer einesAnschlages<br />

zu werden.<br />

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