KulturFenster Nr. 02|2017 - April 2017
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Vorweg<br />
Chorwesen<br />
Blick zum Ursprung des<br />
Chorgesangs<br />
Zur Bedeutung von Martin Luther für das deutsche Lied<br />
Wenn man die Tätigkeit der Chöre in Südtirol<br />
ansieht, kann man mit großer Zufriedenheit<br />
ein großes Engagement bei der<br />
Gestaltung zahlreicher Konzerte mit sehr<br />
abwechslungsreicher musikalischer Ausrichtung<br />
und gleichermaßen bei der gesanglichen<br />
Mitgestaltung der vielen kirchlichen<br />
Festtage feststellen. Dabei stellen sich erfreulicherweise<br />
immer wieder neue, junge<br />
Ensembles verschiedenster Stilrichtungen<br />
vor, die uns durchaus einen optimistischen<br />
Ausblick für die Zukunft des gemeinsamen<br />
Singens in Südtirol vermitteln.<br />
Die Pflege der Musik und aller kulturellen<br />
Werte ist ja kein Luxus, den wir uns<br />
leisten oder beliebig streichen können,<br />
sondern der Nährboden für unserer geistige<br />
Überlebensfähigkeit.<br />
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht<br />
interessant, einen Blick zurück zum<br />
Ursprung des Chorgesanges im deutschen<br />
Kulturraum zu werfen. Da drängt<br />
sich heuer eine wichtige Gestalt auf: Martin<br />
Luther, der große Reformator, der vor<br />
fünfhundert Jahren mit seinen fünfundneunzig<br />
Thesen, die er am Wittenberger<br />
Dom aufschlug, eigentlich nur die christlichen<br />
Werte und speziell den aus den<br />
Fugen geratenen Lebensstil vieler kirchlicher<br />
Würdenträger verbessern wollte<br />
und dabei aber die Spaltung der katholischen<br />
Welt herbeiführte. Er schuf als<br />
Theologe die erste deutsche Bibelübersetzung,<br />
war Dichter und Musiker. Von<br />
seinen noch erhaltenen sechsunddreißig<br />
Liedern in einfacher deutscher Sprache,<br />
die vom damals weitgehend ungebildeten<br />
Volk verstanden wurde, sind noch<br />
einige fester Bestand unserer heutigen Kirchenmusik,<br />
wie etwa das Lied "Vom Himmel<br />
hoch - Nun komm der Heiden Heiland<br />
". Aber auch weltliche Lieder schuf<br />
er, zum Beispiel das Lied "Die beste Zeit<br />
Im Jahr ist Mai`n".<br />
Im Jahre 1524 verfasste er mit seinem<br />
Komponisten-Kollegen Johannes<br />
Walter das erste deutsche Gesangsbuch<br />
mit 38 drei- bis fünfstimmigen Chorsätzen.<br />
Dieses und andere in der Folge erschienenen<br />
Gesangsbücher bildeten die<br />
Grundlage für die musikalische Bildung<br />
der bürgerlichen Jugend. Bis dahin hatte<br />
Bildung nur in Klöstern stattgefunden, und<br />
zwar nur in lateinischer Sprache. Musik<br />
wurde nun ein wesentlicher Bestandteil<br />
des Unterrichts, eine Tatsache, von der<br />
wir heute leider nur mehr träumen können.<br />
Bis aber die ersten weltlichen Chöre<br />
im heutigen Sinne entstanden, sollten<br />
noch über zweihundert Jahre vergehen,<br />
als die einsetzende allgemeine Schulbildung<br />
dies erst möglich machte.<br />
Wir wissen heute ja alle, wie wichtig<br />
für Körper und Geist speziell das Chorsingen<br />
ist. Doch wie Martin Luther dies<br />
schon vor 500 Jahren in seiner originellen<br />
kräftigen Ausdrucksweise gesagt hat, sei<br />
hier angeführt:<br />
"Musik ist eine Gabe Gottes - nicht<br />
Menschengeschenk. Nichts auf Erden<br />
ist kräftiger, die Traurigen fröhlich - die<br />
Fröhlichen traurig - die Verzagten herzhaft<br />
zu machen - die Hoffärtigen zur Demut<br />
zu reizen - die hitzige und übermäßige<br />
Liebe zu stillen - den Neid und Hass<br />
Aus dem Enchiridion (Handbuch) geistlicher Gesänge 35, 1524<br />
zu mindern. Sogar der Teufel, der Urheber<br />
trauriger und unruhiger Gedanken<br />
und Sorgen, flieht vor der Musik wie vor<br />
der Theologie."<br />
In diesem Sinne wünsche ich allen<br />
Chören weiterhin viel Freude und Erfolg<br />
beim Musizieren.<br />
Othmar Trenner,<br />
Verbandschorleiter<br />
<strong>Nr</strong>. 02 | <strong>April</strong> <strong>2017</strong> 35