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01/2017 KiGa-Heft

Fritz + Fränzi

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Sommer 2<strong>01</strong>7 / Ausgabe 1<br />

Nahrung fürs Gehirn<br />

Margrit Stamm<br />

Yoga Schlaf<br />

Znüni Jesper Juul<br />

Elternpflichten<br />

Mikael Krogerus<br />

Stress Freies Spiel<br />

Fabian Grolimund<br />

Medienkonsum<br />

Kindergarten<br />

Endlich<br />

Chindsgi


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Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser<br />

Bild: ZVG<br />

Ruth Fritschi<br />

Schulische Heilpädagogin und<br />

Lehrperson Kindergarten,<br />

Mitglied der Geschäftsleitung<br />

Lehrerinnen und Lehrer<br />

Schweiz (LCH), Präsidentin<br />

der LCH-Stufenkommission<br />

4bis8<br />

Um Kinder zu erziehen,<br />

muss man verstehen,<br />

Zeit zu verlieren,<br />

um Zeit zu gewinnen.<br />

Jean-Jacques Rousseau<br />

Endlich in den Kindergarten!<br />

Ein grosser und bedeutsamer Schritt für Kind und Eltern. Und auch für uns Lehrpersonen<br />

der Stufe Kindergarten ist es jedes Jahr ein Start, der mit Spannung erwartet<br />

wird. Wie gut werden sich die Kinder dieses Jahr von den Eltern trennen können?<br />

Einige Kinder besuchten vorher eine Spielgruppe oder eine Kinderkrippe und sind sich<br />

bereits gewohnt, mit gleichaltrigen Kindern zusammen und von den Eltern getrennt<br />

zu sein. Andere verlassen zum ersten Mal regelmässig und für einen längeren Zeitraum<br />

das familiäre Umfeld. Allen Kindern eröffnet der Kindergarten einen neuen Lebens-,<br />

Spiel- und Erfahrungsraum und bringt neue Aufgaben und Herausforderungen<br />

mit sich.<br />

Mit dem Eintritt in den Kindergarten beginnt für das Kind die Bildungslaufbahn in der<br />

Volksschule. Das bedeutet, dass Ihr Kind in die erste Stufe der Volksschule eintritt und<br />

auf das schulische Lernen vorbereitet wird. Im Kindergarten spielen und lernen die<br />

Kinder gleichzeitig. Die Kinder lernen beim Beobachten, Nachahmen und Mitmachen<br />

und durch sinnliche Erfahrungen ganzheitlich. Wir Lehrpersonen im Kindergarten<br />

sind uns bewusst, dass die Entwicklungs- und Lernprozesse eines Kindes von den<br />

individuellen Voraussetzungen und von den Anregungen und der Unterstützung<br />

abhängen, die ein Kind erfährt.<br />

Wir freuen uns, wenn sich Ihr Kind schnell an den Kindergartenalltag<br />

gewöhnt und in der Gemeinschaft der neuen Kindergruppe einen Platz<br />

findet. Wir haben aber auch Verständnis, wenn die Eingewöhnung in den<br />

Kindergartenalltag etwas mehr Zeit und Ausdauer braucht. Hauptsache,<br />

wir sind in einem guten Dialog miteinander!<br />

Herzlichst – Ihre Ruth Fritschi<br />

Liebe Eltern<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Friedrich Wilhelm August Fröbel, ein deutscher Pädagoge und Schüler von Johann<br />

Heinrich Pestalozzi, gilt als Begründer des Kindergartens. Der erste entstand 1840 in<br />

Bad Blankenburg in Thüringen und löste die damals existierende «Kinderbewahranstalt»<br />

ab. Fröbels Idee vom Kindergarten ist heute so aktuell wie damals: Das beste<br />

Spielzeug eines Kindes ist ein anderes Kind. Das Kind lebt im Kindergarten in<br />

Gemeinschaft; nur das Leben in der Gemeinschaft bildet für das gemeinsame Leben.<br />

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi,<br />

will Sie, liebe Eltern, in schönen wie in schwierigen Zeiten begleiten, Ihnen mit Rat<br />

und Informationen zur Seite stehen. In diesem Sonderheft zum Kindergarteneintritt<br />

erfahren Sie, an welchen Herausforderungen Ihr Kind in den nächsten Wochen<br />

und Monaten wachsen wird. Und wie Sie es dabei unterstützen können.<br />

Im Namen von Redaktion und Verlag wünsche ich Ihnen viel Lesevergnügen.<br />

Und Ihrem Kind ganz viel Spass und gute Freunde im Chindsgi.<br />

Herzlichst – Ihr Nik Niethammer<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>73


Inhalt<br />

Kindergarten / Sommer 2<strong>01</strong>7<br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im <strong>Heft</strong> bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Die Bilder in diesem <strong>Heft</strong> stammen von Carla Kogelmann.<br />

Die 56-jährige Niederländerin absolvierte vor ihrer Karriere<br />

als Fotografin eine Modeschule und war als Sozialarbeiterin<br />

und Theateragentin tätig. Für Ihr Porträt einer<br />

Biobauernfamilie erhielt sie 2<strong>01</strong>4 den World Press Photo<br />

Award in der Kategorie «People – Observed Portraits».<br />

www.carlakogelmann.nl<br />

Erziehung &<br />

Kindergarten<br />

06 Gut ankommen im Kindergarten<br />

Die Psychologen Fabian Grolimund und<br />

Stefanie Rietzler erklären, was im<br />

Kindergarten auf Ihr Kind zukommt und<br />

wie Sie es unterstützen können.<br />

10 Drei Fragen an Ruth Fritschi<br />

Ihr Kind geht nicht gerne in den<br />

Kindergarten? Ruth Fritschi, die oberste<br />

Kindergärtnerin der Schweiz, weiss Rat.<br />

Bild: Carla Kogelman / De Beeldunie<br />

Cover<br />

Das Titelbild von Carla<br />

Kogelmann stammt<br />

aus ihrer Fotoarbeit<br />

«Star Children». Die<br />

Fotografin hat die<br />

kleinen Protagonisten<br />

während Wochen<br />

begleitet.<br />

Bilder: Carla Kogelman / De Beeldunie, Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

4 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


14<br />

20<br />

28<br />

Margrit Stamm rät Eltern, nicht immer das<br />

zu tun, was ihr Kind gerade möchte.<br />

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul<br />

über die Zukunft unserer Kinder.<br />

Fünf Schlaftipps für müde<br />

Kindergartenkinder.<br />

14 «Eltern müssen mehr loslassen»<br />

Die Erziehungswissenschaftlerin<br />

Margrit Stamm über die Bedeutung<br />

des Kindergarteneintritts für die<br />

Entwicklung eines Kindes.<br />

20 Kolumne von Jesper Juul<br />

Der dänische Familientherapeut über<br />

den Unsinn, das Leben unserer Kinder<br />

zu verplanen.<br />

24 Stress im Kindergarten? Nein!<br />

Der Eintritt in den Kindergarten ist mit<br />

viel Stress für das Kind verbunden.<br />

Viele Kinder nutzen diesen Stress aber<br />

als Chance. Wir erklären, wie das geht.<br />

Gesundheit & Ernährung<br />

26 Purzelbaum, Hampelmann und Co.<br />

Immer wieder lesen wir, dass sich<br />

Kinder zu wenig bewegen würden und<br />

Probleme mit der Motorik hätten. Der<br />

Kinderarzt Sepp Holtz klärt auf.<br />

28 Gute Nacht!<br />

Der Kindergarten ist anstrengend und<br />

macht selbst die muntersten Kinder<br />

müde. Fünf Tipps, wie Ihr Kind zu<br />

genügend Schlaf kommt.<br />

32 Einer krank, alle krank<br />

Warum Kindergartenkinder so oft krank<br />

sind. Und wie Familien sich vor der<br />

Virensaison schützen können.<br />

36 Das Znüni, ein wichtiges Ritual<br />

Hungrige Kinder sind nicht<br />

leistungsfähig. Doch was packe ich<br />

meinem Kind in das Znüniböxli?<br />

38 Bewegung macht schlau<br />

Alles über den Einfluss von Bewegung<br />

auf unsere Leistung – und was genau<br />

unser Gehirn in Schwung bringt.<br />

42 Omm! Warum Yoga gut für Kinder ist<br />

Keiner zu klein, ein Yogi zu sein: Warum<br />

Kinderyoga plötzlich so beliebt ist. Ein<br />

Besuch in einer Kinderyogastunde.<br />

Medien<br />

46 Kleine Kinder brauchen kein Internet<br />

Warum schon Kindergartenkinder<br />

vom Smartphone fasziniert sind – und<br />

zehn Elterntipps für einen entspannten<br />

Umgang mit den neuen Medien.<br />

48 Das Smartphone als Babysitter?<br />

Die Medienpädagogin und dreifache<br />

Mutter Eveline Hipeli über Regeln und<br />

Verbote – und wie viel Medienkonsum<br />

für Kindergartenkinder zu viel ist.<br />

Service<br />

03 Editorial<br />

22 Abo<br />

27 «Was ich im Kindergarten gelernt<br />

habe»<br />

Unser Kolumnist Mikael Krogerus blickt<br />

zurück.<br />

50 Elternpflichten<br />

Der Kindergarten bringt für Eltern<br />

einiges an Organisation und Pflichten<br />

mit. Das alles kommt auf Sie zu.<br />

54 «Juhui, ich gehe in den Chindsgi»<br />

Eine Kindergärtnerin schildert ihren<br />

ersten Tag mit den neuen<br />

Kindergartenkindern.<br />

56 Alles, was Eltern wissen müssen<br />

Ausgewählte Bücher, Informationen,<br />

Studien und Links.<br />

58 Eine Liebeserklärung<br />

Unsere Autorin erinnert sich an ihre<br />

Kindergartenzeit – und erzählt, wie viel<br />

Schönes ihre eigenen Kinder im<br />

Chindsgi erleben und erlebt haben.<br />

59 Sponsoren/Impressum<br />

Ausgabe 2 des Kindergartenheftes<br />

erscheint im Frühjahr 2<strong>01</strong>8.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>75


Gut ankommen<br />

im Kindergarten<br />

Der Eintritt in den Kindergarten ist ein grosser Schritt<br />

aus der Geborgenheit der Familie in eine neue, unbekannte Welt.<br />

Es warten zahlreiche Herausforderungen, an denen Ihr Kind<br />

wachsen wird. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, wie Sie<br />

Ihr Kind dabei begleiten können. Text: Stefanie Rietzler, Fabian Grolimund<br />

6 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Erziehung & Kindergarten<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>77


Nun ist es also so weit:<br />

Ihr Kind ist im Kindergarten.<br />

Eine<br />

neue, aufregende<br />

Welt tut sich auf und<br />

bringt viele Veränderungen mit sich.<br />

Ist Ihr Kleines «tatsächlich schon so<br />

gross»?<br />

Für Ihr Kind und auch für Sie<br />

beginnt ein neuer Lebensabschnitt,<br />

der viele schöne, aber auch herausfordernde<br />

Momente mit sich bringt.<br />

Sie werden neue Seiten an Ihrem<br />

Kind entdecken und staunen, was<br />

sich in den nächsten zwei Jahren<br />

alles tun wird.<br />

Ein neuer Lebensabschnitt<br />

mit vielen schönen,<br />

aber auch herausfordernden<br />

Momenten beginnt.<br />

Eine neue Bezugsperson tritt ins<br />

Leben Ihres Kindes<br />

Im Kindergarten weitet sich das<br />

Beziehungsnetz des Kindes. Es ge ­<br />

winnt eine neue Bezugsperson hinzu<br />

und lernt, sich dieser anzuvertrauen.<br />

Für viele Kinder wird die<br />

Kindergärtnerin zu einem immens<br />

wichtigen Menschen, der einen grossen<br />

Stellenwert einnimmt. Sie beobachten<br />

sie, lernen von ihr, wollen ihr<br />

etwas mitbringen und zitieren zu<br />

Hause, «was Frau X» dazu meinen<br />

würde.<br />

Das ist – auch wenn es für manche<br />

Eltern nicht ganz einfach ist,<br />

wenn jemand Fremdes plötzlich so<br />

wichtig wird – etwas Schönes, das<br />

das Kind stärkt.<br />

Bis es so weit ist, muss sich das<br />

Kind jedoch eingewöhnen und die<br />

Kindergärtnerin kennenlernen. Für<br />

manche Kinder ist die damit verbundene<br />

Ablösung von den Eltern<br />

mit grossem Stress verbunden. Sie<br />

weinen, wenn sich Mutter oder<br />

Vater verabschieden, klammern sich<br />

an sie und fragen in den ersten<br />

Wochen ständig, wann der Kindergarten<br />

zu Ende ist und die Eltern<br />

endlich wiederkommen.<br />

Gerade für Kinder, die bisher<br />

noch nie fremdbetreut worden sind,<br />

ist es ungewohnt, dass die Eltern<br />

nicht da sind, um sie zu beruhigen<br />

und zu trösten.<br />

Den Abschied erleichtern<br />

Wenn sich Kinder unsicher fühlen,<br />

suchen sie nach Halt und Nähe. Sie<br />

können als Eltern im Kindergarten<br />

zwar nicht direkt vor Ort für Ihr<br />

Kind da sein – dennoch können Sie<br />

eine Menge tun, um ihm ein gutes<br />

Gefühl zu geben.<br />

Kindern fällt es leichter, sich auf<br />

die Kindergärtnerin einzulassen<br />

und eine Beziehung zu ihr aufzubauen,<br />

wenn ihnen die Eltern vermitteln:<br />

«Du bist hier in guten Händen<br />

und wir trauen dir diesen Schritt<br />

zu.»<br />

Oftmals ist es hilfreich, wenn die<br />

Kinder anfangs nicht ganz alleine im<br />

Kindergarten bleiben «müssen»,<br />

sondern ein geliebtes Kuscheltier an<br />

ihrer Seite wissen oder einen kleinen,<br />

persönlichen Gegenstand der<br />

Eltern mitnehmen dürfen. Als<br />

Elternteil können Sie Ihrem Kind<br />

und seinem Kuscheltier einen schönen<br />

Vormittag im Kindergarten<br />

wünschen und sich liebevoll von<br />

beiden verabschieden.<br />

Eine klare Verabschiedung ist wichtig.<br />

Es ist ein Vertrauensbruch, wenn<br />

sich die Eltern in einem unbeobachteten<br />

Moment wegstehlen. Ebenfalls<br />

schwierig ist es, wenn sich die Eltern<br />

selbst nicht lösen können und noch<br />

im Gang oder in der Garderobe stehen<br />

bleiben, um zu schauen, «ob das<br />

Kind es schafft». Der Übergang fällt<br />

leichter, wenn sich die Eltern mit<br />

einer Umarmung oder einem Kuss<br />

verabschieden und sich dann innerlich<br />

sagen: «Ab jetzt ist die Kindergärtnerin<br />

zuständig.»<br />

Teilweise haben Kinder auch<br />

mehr Ruhe, wenn der Tagesablauf<br />

8


Erziehung & Kindergarten<br />

im Vorfeld besprochen wird und sie<br />

wissen, von wem sie abgeholt werden<br />

und was danach gemacht wird.<br />

Die meisten Kinder entwickeln in<br />

der neuen Umgebung rasch ein<br />

Gefühl von Sicherheit. Sie orientieren<br />

sich an den Strukturen und dem<br />

Tagesablauf, wissen, dass die Eltern<br />

wiederkommen, und schöpfen Vertrauen<br />

in die Kindergärtnerin. Da ­<br />

bei darf man sich als Eltern auch<br />

darauf verlassen, dass die Kindergärtnerinnen<br />

viel Erfahrung im<br />

Umgang mit dieser Situation mitbringen<br />

und die Kinder unterstützen<br />

können.<br />

Es gibt ab und zu Kinder, die diesen<br />

Schritt kaum schaffen. Für Eltern ist<br />

es furchtbar, wenn sie den Eindruck<br />

haben, dass ihr Kind am Verzweifeln<br />

ist und den ganzen Vormittag lang<br />

weint oder in der Ecke sitzt und wartet.<br />

In diesem Fall empfiehlt es sich,<br />

mit der Kindergärtnerin zu reden.<br />

In manchen Fällen merkt man, dass<br />

die Sorgen unbegründet sind und<br />

sich das Kind nach einigen Momenten<br />

fängt und sich auf die Gruppe<br />

einlassen kann.<br />

Falls es vorkommt, dass sich das<br />

Kind nicht beruhigen lässt, kann<br />

man auch vereinbaren, dass >>><br />

Die meisten Kinder<br />

entwickeln in der neuen<br />

Umgebung rasch ein Gefühl<br />

von Sicherheit.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>79


Im Kindergarten wird Ihr Kind<br />

lernen, sich auf verschiedene<br />

andere Kinder einzustellen.<br />

>>> man es zu Beginn nach einiger<br />

Zeit wieder abholt oder man als<br />

Elternteil noch eine Weile bleiben<br />

und für sich etwas abseits vom<br />

Geschehen ein wenig lesen darf.<br />

Wenn ein Kind diesen Schritt trotz<br />

der Begleitung und Unterstützung<br />

durch die Bezugspersonen noch<br />

nicht schafft, kann dies ein Hinweis<br />

darauf sein, dass es noch nicht reif<br />

ist für den Kindergarten.<br />

Ein Ort voll neuer Gesichter und<br />

Spielgefährten<br />

In der Kindergartengruppe treffen<br />

nicht einfach 25 Kinder aufeinander,<br />

sondern 25 Persönlichkeiten mit<br />

unterschiedlichen Bedürfnissen,<br />

Charakterzügen, Stärken und<br />

Schwächen, Interessen und Spielvorlieben.<br />

Ihr Kind wird lernen, sich in<br />

dieser Vielfalt zurechtzufinden und<br />

sich auf verschiedenste Kinder einzustellen.<br />

Es entwickelt und verfeinert<br />

seine sozialen Kompetenzen<br />

weiter, lernt Kontakt aufzunehmen,<br />

sich in laufende Gruppenaktivitäten<br />

einzuklinken und über Spiele und<br />

Abmachungen zu verhandeln.<br />

Dabei geht es nicht immer harmonisch<br />

zu. Es entwickeln sich<br />

Sympathien und Antipathien, Konflikte<br />

und Rivalitäten. Das kann für<br />

Sie als Eltern schwierig sein. Gleichzeitig<br />

ist es für Ihr Kind ein wichtiges<br />

Lernfeld, um sich abzugrenzen<br />

und gleichzeitig die Grenzen anderer<br />

zu akzeptieren. Es muss Wege<br />

finden, um sich mit anderen zu einigen,<br />

Konflikte zu lösen und sich<br />

wieder zu versöhnen.<br />

Auch für Kinder, die bereits eine<br />

Krippe besucht haben, ist diese<br />

3 FRAGEN<br />

«Jedes Kind<br />

reagiert auf den<br />

Eintritt anders»<br />

Frau Fritschi, wie können Eltern ihr Kind<br />

unterstützen?<br />

Indem sie loslassen. Das bedeutet, zu<br />

akzeptieren, dass neue Bezugspersonen<br />

ins Leben des eigenen Kindes treten.<br />

Loslassen heisst auch, dem eigenen Kind<br />

etwas zuzutrauen. Wenn es mit neuen<br />

Ideen kommt, diese auszuprobieren, es<br />

machen zu lassen. Loslassen müssen<br />

Eltern auch beim selbständigen Handeln.<br />

Handlungen sollten nicht zu schnell<br />

vorweggenommen werden, nur damit<br />

etwas schneller geht. Es muss üben, um<br />

selbständig werden zu können. Und: Wenn<br />

ihr Kind von Konflikten berichtet, nicht<br />

gleich das eigene Kind in Schutz nehmen,<br />

sondern einfühlsam nachfragen, wie sich<br />

denn das Ganze zugetragen hat. Wichtig<br />

für einen gelingenden Einstieg ist auch<br />

genügend Schlaf. Und am Morgen<br />

genügend Zeit, um gut im Kindergarten<br />

anzukommen. Ich empfehle auch,<br />

Stille-Zeit im Alltag einzuführen, zum<br />

Beispiel eine Zimmerstunde nach dem<br />

an Ruth Fritschi, Kindergärtnerin<br />

Mittagessen. Viele Kinder müssen üben,<br />

zur Ruhe zu kommen und sich selber zu<br />

beschäftigen.<br />

Wie verändert sich das Kind nach dem<br />

Eintritt?<br />

Nicht jedes Kind reagiert auf den Eintritt in<br />

den Kindergarten gleich. Was sicher für die<br />

meisten Kinder zutrifft: dass sie müde und<br />

beansprucht zu Hause ankommen. Es<br />

kommt immer wieder vor, dass sich die<br />

Kinder beim Ankommen zu Hause<br />

schwierig und impulsiv verhalten, weil die<br />

Energie durch den Kindergarten-Halbtag<br />

aufgebraucht ist. Dazu gibt es verschiedene<br />

Tipps, doch zeigt die Erfahrung, dass<br />

die Eltern für ihr Kind die eigene Lösung<br />

finden müssen. Eltern berichten auch,<br />

dass die Sprache und der Umgang mit<br />

anderen Kindern anfangs gröber werden.<br />

Für die meisten Kinder hat es einen<br />

gewissen Reiz, auszutesten, was passiert,<br />

wenn sie sich auch mal so verhalten. Es<br />

gilt, zu Hause die «frechen» Wörter oder<br />

grobe Verhaltensweisen abzulehnen. Mit<br />

der Zeit pendelt sich dies ein.<br />

Was tun, wenn das Kind nicht (mehr) in<br />

den Chindsgi gehen will?<br />

Da werden wohl einige Ideen ausprobiert<br />

werden müssen:<br />

• Mit einem anderen Elternteil organisieren,<br />

dass ein Kiga-Gspänli klingeln und<br />

es abholen kommt.<br />

• Papi/Götti oder eine andere Bezugsperson<br />

begleitet für eine Phase den<br />

Schulweg (zu Fuss).<br />

• In Absprache mit der Kindergartenlehrperson<br />

darf das Kigakind sein Lieblings-<br />

Plüschtier mitnehmen.<br />

• Die Teamteachings-Lehrperson oder die<br />

Schulische Heilpädagogin holt das Kind<br />

zu Hause ab.<br />

Das Gespräch mit der Kindergarten-Lehrperson<br />

zu suchen, ist in jedem Fall wichtig.<br />

Vielleicht hat die Verweigerung einen<br />

Grund, den man beseitigen kann, indem<br />

man individuell auf das Kind eingeht.<br />

Zur Person<br />

Ruth Fritschi ist Heilpädagogin und<br />

Kindergärtnerin, Präsidentin der<br />

LCH-Stufenkommission 4bis8 und Mitglied<br />

der Geschäftsleitung des Dachverbandes<br />

Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH. Sie<br />

lebt in Basel.<br />

10 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Erziehung & Kindergarten<br />

Erfahrung neu. Da nun eine Betreuungsperson<br />

für so viele Kinder<br />

zuständig ist, gewinnen die Gleichaltrigen<br />

an Bedeutung. Nicht immer<br />

kann ein/e Erwachsene/r zur Stelle<br />

sein, und so bietet sich jedem Kind<br />

die Gelegenheit, Verantwortung zu<br />

übernehmen, Unterstützung anzubieten,<br />

Hilfe anzunehmen und einander<br />

Trost zu spenden. Oft wachsen<br />

in dieser Zeit die ersten tiefen<br />

Freundschaften, die das Kind<br />

manchmal sogar über die Schulzeit<br />

hinaus begleiten.<br />

Manchen Kindern fällt es schwer,<br />

sich in der neuen Gruppe einzufinden.<br />

Einige sind schüchtern und<br />

finden keinen Anschluss. Andere<br />

spielen sich in den Vordergrund,<br />

dominieren die Spielsituation und<br />

stossen damit andere Kinder vor<br />

den Kopf. Einige Kinder sind<br />

schlichtweg überreizt vom Trubel,<br />

vom Lärm und von der Vielzahl an<br />

neuen Erfahrungen. Wenn sie nach<br />

Hause kommen, wirken sie oftmals<br />

erschöpft oder aufgedreht und<br />

aggressiv.<br />

Das Kind zur Ruhe kommen lassen<br />

Für Ihr Kind bedeutet diese Umstellung<br />

eine grosse Anpassungsleistung.<br />

Auch wenn der Tag im Kindergarten<br />

mit vielen schönen und<br />

spannenden Momenten verbunden<br />

ist, ist es für Ihr Kind anstrengend.<br />

Es geht ihm ähnlich wie uns Erwachsenen,<br />

wenn wir uns beispielsweise<br />

in eine neue Stelle einarbeiten. Auch<br />

wenn wir uns im Team wohl fühlen,<br />

einen guten Draht zur Vorgesetzten<br />

haben und die Aufgaben uns Freude<br />

bereiten, sind wir abends geschafft.<br />

Sie sind Ihrem Kind eine grosse<br />

Hilfe, wenn Sie zu Hause für Erholungsräume<br />

sorgen. Manche Kinder<br />

geniessen es, wenn sie im Detail von<br />

den Erlebnissen im Kindergarten<br />

erzählen dürfen und ihre Eltern<br />

ihnen dabei ein offenes Ohr schenken.<br />

Andere reagieren eher allergisch<br />

auf die Frage «Was habt ihr<br />

heute gemacht?». Sie möchten nach<br />

dem Kindergarten in Ruhe zu Hause<br />

ankommen dürfen und geniessen<br />

es, wenn sie sich von einem Hörspiel<br />

berieseln lassen, für sich etwas spielen<br />

und in der Nähe der Eltern sein<br />

dürfen, ohne reden zu müssen.<br />

Zeit und Raum für neue<br />

Freundschaften schaffen<br />

Neben dem Bedürfnis, sich zu erholen,<br />

wird ein zweiter Wunsch stärker:<br />

Die meisten Kinder möchten neue<br />

Kontakte, die sie im Kindergarten<br />

knüpfen, in der Freizeit vertiefen.<br />

Eltern machen ihrem Kind ein grosses<br />

Geschenk, wenn sie bewusst darauf<br />

achten, dass das Kind genügend<br />

Zeit und Möglichkeiten dazu bekommt.<br />

Freundschaften vertiefen<br />

sich am besten im freien Spiel, wenn<br />

ein unverplanter Nachmittag vor<br />

ihnen liegt, den die Kinder mit ihren<br />

Interessen, Neigungen und Spielideen<br />

füllen können. Sie profitieren<br />

dabei von Eltern, die da sind, ohne<br />

sich aufzudrängen. Es eröffnet auch<br />

Ihnen als Eltern neue Freiheiten,<br />

wenn Sie merken: Ich kann im<br />

Wohnzimmer meine E-Mails beantworten,<br />

während die Kinder im<br />

Nebenzimmer Lego bauen, Puppenmamas<br />

mimen oder im Garten eine<br />

widerliche Zauberbrühe anrühren.<br />

Der Weg mit den anderen ist eine<br />

wichtige Kontaktmöglichkeit. Falls<br />

Sie Angst haben, Ihr Kind alleine<br />

zum Kindergarten gehen zu lassen:<br />

Nutzen Sie Angebote wie den Schulbus<br />

oder Pedibus. Es mag bequemer<br />

sein, das Kind am Morgen mit dem<br />

Auto in den Kindergarten zu bringen,<br />

aber man raubt ihm dadurch<br />

viele wichtige Momente.<br />

Kleine Hilfestellungen für ein gutes<br />

Miteinander<br />

Für Kinder, die im sozialen Bereich<br />

Schwierigkeiten haben, ist der Kindergarten<br />

ein wunderbares Lernumfeld.<br />

Sie lernen soziale Kompetenzen<br />

am besten, indem sie andere beobachten.<br />

Manche Kinder profitieren<br />

dabei von Erwachsenen, die sie<br />

gezielt dazu anregen, von anderen<br />

zu lernen, und sie auf soziale Zusammenhänge<br />

hinweisen.<br />

Kindergärtnerinnen nutzen dies<br />

sehr häufig, indem sie beispielsweise<br />

zu einem schüchternen Kind sagen:<br />

«Schau mal, Nadine sieht immer<br />

wieder zu dir rüber – ich glaube, sie<br />

würde gerne mit dir spielen.» Oder<br />

«Guck mal: Murat und Lara ziehen<br />

gerade ‹Tempo, kleine Schnecke›<br />

hervor. Das ist doch viel lustiger zu<br />

dritt.» Damit weisen sie das Kind auf<br />

Kontaktsignale von anderen Kindern<br />

hin und ermutigen dazu, auf<br />

diese einzugehen.<br />

Auch Kinder, die sich wild, un ­<br />

gestüm oder dominant ver­ >>><br />

Kinder möchten die<br />

neu gewonnenen Kontakte in<br />

der Freizeit vertiefen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>711


Erziehung & Kindergarten<br />

>>> halten, können dazu angeleitet<br />

werden, sozia le Zusammenhänge<br />

besser wahrzunehmen. Dazu ist es<br />

hilfreich, nach gelungenen Momenten<br />

und guten Beispielen Ausschau<br />

zu halten: «Jetzt hat sich Francesco<br />

aber gefreut, dass du ihn hast entscheiden<br />

lassen.» «Ich weiss, du<br />

wolltest gerne noch weiterschaukeln.<br />

Schau mal, wie froh Tamara ist,<br />

dass sie jetzt dran ist.» Oder: «Es ist<br />

schwierig, wenn man so lange warten<br />

muss, bis man an der Reihe ist,<br />

Viele Eltern staunen über den<br />

grossen Entwicklungssprung<br />

ihrer Kinder im ersten<br />

Kindergartenjahr.<br />

gell? Du machst das schon richtig<br />

gut.»<br />

Diese kleinen Hilfen können Sie<br />

auch als Eltern gut in den Alltag einbauen,<br />

beispielsweise wenn Sie mit<br />

Ihrem Kind auf dem Spielplatz sind<br />

oder es Zeit mit dem Geschwister<br />

verbringt.<br />

Viele neue Anforderungen<br />

Viele Eltern sind erstaunt über den<br />

grossen Entwicklungssprung, den<br />

ihre Kinder im ersten Kindergartenjahr<br />

machen. Der Kindergartenalltag<br />

bietet dem Kind eine Vielzahl von<br />

Lernmöglichkeiten. Im Stuhlkreis<br />

werden Kinder dazu angeregt, anderen<br />

zuzuhören, zu warten, Geduld<br />

zu haben und sich auszudrücken. In<br />

der Bastelecke haben sie Gelegenheit,<br />

ihre Feinmotorik zu trainieren,<br />

ihre Kreativität auszuleben und Ausdauer<br />

zu entwickeln. Die Puppenecke<br />

erlaubt es ihnen, in komplexe<br />

Rollenspiele einzutauchen, die Perspektive<br />

von anderen kennenzulernen,<br />

sich einzufühlen und andere für<br />

ihre Ideen zu begeistern. Die Gruppe<br />

ist ein wichtiger Impulsgeber: Die<br />

Kinder fordern sich gegenseitig,<br />

dienen als Vorbilder und bieten sich<br />

zum Vergleich an.<br />

Für viele Kinder ist es neu, dass<br />

so viel auf einmal von ihnen gefordert<br />

wird: Plötzlich sollen sie eine<br />

Aufgabe fertig machen, auch wenn<br />

ihnen die Lust daran vergangen ist.<br />

Sie müssen sich an Regeln und<br />

Abläufe halten, die vielleicht von<br />

dem abweichen, was zu Hause gilt.<br />

Manche sind zum ersten Mal ausserhalb<br />

des familiären Kokons, in dem<br />

jeder Entwicklungsschritt mit Be ­<br />

geisterung aufgenommen und jede<br />

Zeichnung bewundert wird. Stattdessen<br />

befindet es sich in einer<br />

Gruppe mit Gleichaltrigen, die<br />

manches schlechter, aber manches<br />

auch besser können. Es muss die<br />

Aufmerksamkeit der Kindergärtnerin<br />

mit anderen teilen und damit<br />

umgehen lernen, dass es für diese<br />

ein Kind unter vielen ist.<br />

Im Laufe des Kindergartens stellt<br />

sich das Kind all diesen Herausforderungen.<br />

Manchmal werden Sie<br />

sich als Eltern über die Fortschritte<br />

freuen und stolz sein, manchmal<br />

werden Sie sich vielleicht auch Sorgen<br />

machen und sich fragen, ob Ihr<br />

Kind das alles schafft.<br />

Für Kinder ist es bedeutsam, dass<br />

sie merken: Meine Eltern trauen mir<br />

etwas zu und begleiten mich. Dabei<br />

bilden sie ein Team mit meiner Kindergärtnerin,<br />

die sie mögen und<br />

respektieren.<br />

12 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Dieser Gedanke ist gerade auch dann<br />

wichtig, wenn Ihnen die Kindergärtnerin<br />

zur Entwicklung Ihres Kindes<br />

Rückmeldung gibt und Sie auf Stärken,<br />

aber auch auf Punkte hinweist,<br />

die Ihrem Kind noch schwerfallen.<br />

Während Sie Ihre Tochter bzw. Ihren<br />

Sohn am besten kennen, kennt die<br />

Kindergärtnerin Kinder dieser<br />

Altersstufe am besten. Sie hat auch<br />

die Aufgabe, den Entwicklungsstand<br />

des Kindes einzuschätzen und ihre<br />

Beobachtungen mit Ihnen zu teilen.<br />

Es ist hilfreich, wenn Sie davon ausgehen,<br />

dass die Kindergärtnerin<br />

ebenso wie Sie als Eltern das Beste<br />

für Ihr Kind will.<br />

Wir wünschen Ihnen und Ihrem<br />

Kind einen guten Start in dieses<br />

spannende Abenteuer.<br />

>>><br />

Stefanie Rietzler<br />

Fabian Grolimund<br />

sind Psychologen und leiten die Akademie für<br />

Lerncoaching in Zürich. Sie sind Autoren der<br />

Bücher «Mit Kindern lernen» und «Erfolgreich<br />

lernen mit ADHS». Die beiden eint der Wunsch,<br />

dass Kindergarten und Schule Orte sind, wo<br />

sich Kinder, Eltern und Lehrpersonen wohl<br />

fühlen und voneinander lernen können.<br />

Scannen Sie<br />

mit der aktuellen<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

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in unserer Serie «Starkes<br />

Kind», wie man Kindern<br />

richtig zuhört.<br />

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Erziehung & Kindergarten<br />

14 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Erziehung & Kindergarten<br />

«Eltern müssen<br />

mehr loslassen»<br />

Der Eintritt in den Kindergarten bringt für Eltern und ihr Kind viele<br />

Veränderungen. Die Schweizer Erziehungswissenschaftlerin<br />

Margrit Stamm über die Kindergartenbereitschaft, welche<br />

Heraus forderungen ein Kind zu meistern hat und was Eltern tun<br />

können, damit ihr Sohn oder ihre Tochter sich im Kindergarten<br />

wohl fühlt. Interview: Claudia Landolt<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>715


Erziehung & Kindergarten<br />

Frau Stamm, wie können Eltern ihr<br />

Kindergartenkind unterstützen?<br />

Indem sie sich auf den Rhythmus<br />

und die Bedürfnisse ihres Kindes<br />

einstellen. Für manche Mütter und<br />

Väter mag das «bünzlig» tönen, denn<br />

schliesslich fügen sich viele Kinder<br />

problemlos in die Agenda ihrer<br />

Eltern ein. Dennoch: Um sich an die<br />

neuen Strukturen zu gewöhnen,<br />

braucht ein Kind viel, viel Zeit.<br />

Was sind die grössten Herausforderungen<br />

für ein Kind beim Eintritt in<br />

den Kindergarten?<br />

Die Eingewöhnung in eine grosse,<br />

heterogene Gruppe und die Fähigkeit,<br />

sich zurückzuhalten, seine<br />

Bedürfnisse zu kontrollieren oder<br />

aufzuschieben und mit seinen Frustrationen<br />

umzugehen, stellen die<br />

grössten Aufgaben für ein Kindergartenkind<br />

dar. Manchmal kommen<br />

noch Schwierigkeiten bei den<br />

sprachlichen und motorischen<br />

Fähigkeiten hinzu. Diese Fähigkeiten<br />

sind die Basis für die Entwicklung<br />

eines guten Selbstwertgefühls,<br />

dank ihnen kann das Kind gut in<br />

einer Gruppe bestehen. Wenn es<br />

diesen Übergang schafft, wird es<br />

zukünftige herausfordernde Situationen<br />

gut und erfolgreich meistern<br />

können.<br />

Es gibt den Begriff «Kindergartenreife».<br />

Wann ist denn ein Kind kindergartenreif?<br />

Das Wort mag ich nicht so. Ich spreche<br />

lieber von «Kindergartenbereitschaft»,<br />

weil ich der Ansicht bin, dass<br />

Kriterien für den Kindergarteneintritt<br />

diskutiert werden sollten.<br />

Manche Eltern erhalten mit der<br />

Anmeldung in den Kindergarten ein<br />

Merkblatt, auf welchem steht, was das<br />

Kind schon können sollte. Das sorgt<br />

bei vielen Eltern für Verunsicherung.<br />

Ja, vor allem, wenn das Merkblatt als<br />

eine Art Forderungskatalog verstanden<br />

wird. Es kommt also sehr darauf<br />

an, wie man ein solches Papier formuliert.<br />

Ich wünsche mir zudem,<br />

dass man sich nicht erst bei der<br />

Anmeldung mit dem Kindergarteneintritt<br />

beschäftigt, sondern viel früher;<br />

in der Familie, der Spielgruppe,<br />

in der Kita und auch in der kinderärztlichen<br />

Praxis. Aus der Forschung<br />

wissen wir, dass die Weichen für<br />

einen positiven Kindergarteneintritt<br />

schon viel früher gestellt werden.<br />

«Lassen Sie Ihrem<br />

Kindergartenkind<br />

Zeit, sich an die<br />

neuen Strukturen<br />

zu gewöhnen.»<br />

Was sind denn die Kriterien der<br />

Kindergartenbereitschaft?<br />

Erstens: dass ein Kind lernt, mit<br />

anderen Kindern in einer grösseren<br />

Gruppe zurechtzukommen, ohne<br />

dass eine erwachsene Person ständig<br />

eingreifend oder unterstützend zur<br />

Stelle ist. Die Kinder müssen lernen,<br />

selber etwas auszutragen. Zweitens:<br />

die Fähigkeit, sich in diese Gruppe<br />

einzufügen. Lernen zu warten. Ein<br />

Bedürfnis aufzuschieben. Zu akzeptieren,<br />

dass man etwas anderes<br />

machen soll, als man selber gerade<br />

möchte. Drittens: ein gewisses Mass<br />

an Selbständigkeit. Ich höre aus Kindergärten<br />

immer wieder, dass es den<br />

kleineren Kindern Mühe bereitet,<br />

den Reissverschluss ihrer Jacke zuzuziehen<br />

oder die Schuhe anzuziehen.<br />

Das Anziehen ist im Kindergarten<br />

wichtig, weil die Kinder oft nach<br />

draussen gehen. Wenn das Kind diese<br />

Dinge einigermassen gut kann,<br />

wirkt das positiv auf sein Selbstbewusstsein.<br />

Wie können Eltern dabei helfen?<br />

Solche Dinge kann man bewusst und<br />

spielerisch üben oder das Kind dazu<br />

anleiten. Es ist wichtig, dass das Kind<br />

merkt, dass Mama oder Papa nicht<br />

alles für es tut. Natürlich weiss ich,<br />

dass Fertigkeiten wie Anziehen oder<br />

Zähneputzen im hektischen Alltag<br />

oft genau in jenen Momenten gefordert<br />

sind, in denen es schnell gehen<br />

muss. Genau deshalb sollte man das<br />

an freien Tagen mit dem Kind üben.<br />

Man täte ihm damit einen grossen<br />

Gefallen.<br />

Und was können Eltern tun, damit das<br />

Kind sich in einer heterogenen Gruppe<br />

anpassen lernt?<br />

Eltern sollten ihr Kind so erziehen,<br />

dass es lernt, seine Bedürfnisse in<br />

gewissen Zeiten unterzuordnen. Die<br />

Bedürfnisse eines Kindes sollten<br />

nicht dauernd im Zentrum stehen.<br />

Man sollte also nicht immer das tun,<br />

was das Kind gerade möchte. Eltern<br />

müssen sich bewusst sein, dass im<br />

Kindergarten Kinder aus den unterschiedlichsten<br />

Schichten und Kulturen<br />

aufeinandertreffen. Kinder, die<br />

sich sonst nie begegnen würden.<br />

Hinzu kommt: Es sind viel mehr<br />

Kinder als in der Kita oder in der<br />

Spielgruppe, manchmal bis zu 20,<br />

teilweise auch ältere Kinder.<br />

Seit der Stichtag des Kindergarteneintritts<br />

auf den 31. Juli vorverlegt wurde,<br />

stellen viele Eltern ihr Kind ein Jahr<br />

zurück. Was halten Sie davon?<br />

Wenn Eltern ihr Kind zurückstellen,<br />

müssen sie verschiedene Faktoren<br />

berücksichtigen. Ein zurückgestelltes<br />

Kind braucht eine anspruchsvolle,<br />

seinem Niveau entsprechende<br />

Betreuung, um so angeregt zu werden,<br />

damit es sich nicht langweilt.<br />

Zweitens ist es problematisch, wenn<br />

Eltern ihr Kind lediglich aufgrund<br />

eigener Bedürfnisse zurückstellen,<br />

etwa weil Betreuung und familiäre<br />

Organisation vor dem Kindergarteneintritt<br />

einfacher sind. Und drittens<br />

ist es kritisch, wenn Eltern ihr Kind<br />

16 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


zurückbehalten, weil sie sagen, das<br />

Kind solle noch Kind sein, der Ernst<br />

des Lebens komme dann noch früh<br />

genug.<br />

Warum?<br />

Weil man nie weiss, wie schnell sich<br />

Kinder entwickeln. Manchmal ist es<br />

bereits nach drei Monaten so weit,<br />

dass es in den Kindergarten gehen<br />

könnte. Gerade in diesem Alter<br />

machen Kinder enorm viele Fortschritte,<br />

manchmal innert Wochen.<br />

Nun muss es aber ein Jahr warten.<br />

Das ist für nicht wenige Kinder entschieden<br />

zu lang.<br />

Fänden Sie denn eine flexible Einschulung<br />

besser?<br />

Ich betone immer wieder, dass der<br />

Kindergarteneintritt so flexibel ge ­<br />

staltet werden müsste wie etwa der<br />

Kitaeintritt. Das Kind sollte langsam<br />

in den Kindergarten eingewöhnt und<br />

so unterstützt werden, zum Beispiel<br />

durch ein grösseres Kind, das als<br />

Gotti oder Götti fungiert, ihm alles<br />

zeigt, hilft und ihm beiseitesteht.<br />

Eine langsame Angewöhnungsphase<br />

wäre gerade für unsichere oder<br />

schüchterne Kinder sehr positiv.<br />

In Ihrer FRANZ-Studie heisst es, dass<br />

der Kindergarteneintritt in der Regel<br />

ohne Probleme verläuft. Bei 52 Prozent<br />

der Kinder aber gebe es Dissonanzen.<br />

Welche sind das?<br />

Wer beim Kindergarteneintritt Probleme<br />

hat, hat diese schon viel früher<br />

entwickelt. Genau deshalb plädiere<br />

ich bezüglich der Kindergartenbereitschaft<br />

für einen bewussteren<br />

«Wer beim<br />

Kindergarteneintritt<br />

Probleme hat, hat<br />

diese schon viel<br />

früher entwickelt.»<br />

Umgang und eine kommunikative<br />

Arbeit. Die grössten Probleme beim<br />

Kindergarteneintritt sind sozialer<br />

Natur.<br />

Können Sie das ausführen?<br />

Schüchternheit oder Angst zum Beispiel<br />

vor einem älteren Kind. Oder<br />

dann gibt es Kinder, die enorm vorpreschen<br />

oder grob sind, andere<br />

Kinder schlagen, anrempeln oder<br />

beissen. Schliesslich gibt es auch die<br />

übertriebene Unselbständigkeit,<br />

hervorgerufen durch Überbehütung.<br />

Nennen Sie uns ein Beispiel.<br />

Die Unfähigkeit, im Kindergarten<br />

das Täschli zu suchen, etwas zu versorgen<br />

oder aufzuräumen.<br />

Gibt es weitere Schwierigkeiten?<br />

Dass sich Kinder emotional noch<br />

nicht so verhalten, wie es von einem<br />

vierjährigen Kind zu erwarten wäre.<br />

Dass sie beispielsweise nicht mehr<br />

aufhören zu schreien oder zu weinen,<br />

dass sie untröstlich sind, wenn<br />

sie etwas nicht bekommen, sich am<br />

Boden wälzen und gar nicht an ­<br />

sprechbar sind. Ich nenne das emotionale<br />

Retardierung, also eine verzögerte<br />

emotionale Entwicklung.<br />

Wie äussert sich diese sonst noch?<br />

Kinder können kaum warten, bis sie<br />

etwas bekommen, reagieren mit<br />

Wutausbrüchen. Tisch decken oder<br />

den Briefkasten leeren? Darauf<br />

haben sie keine Lust. Mit Kritik kommen<br />

sie schlecht zurecht und Misserfolge<br />

können sie kaum ertragen.<br />

Solches Verhalten ist im Kleinkindalter<br />

normal, aber ein vier- bis fünfjähriges<br />

Kind sollte ein gewisses<br />

Mass an Bewältigungsverhalten<br />

haben und seine Gefühle teilweise<br />

kontrollieren können.<br />

Wie merke ich, dass mein Kind<br />

emotio nal retardiert ist?<br />

Wenn es emotional nicht auf dem<br />

Niveau von anderen ist und kindlicher<br />

reagiert, als zu erwarten wäre.<br />

Ich bin keine Psychologin, aber ich<br />

denke, für ein knapp vierjähriges<br />

Kind ist Unzufriedenheit oder Wut<br />

als Reaktion relativ normal. Es muss<br />

erst noch lernen, zu warten. Von<br />

einem Fünfjährigen aber kann man<br />

dies erwarten. Diese Angaben sind<br />

mit Vorsicht zu geniessen: Kinder<br />

entwickeln sich im Vorschulalter<br />

enorm und sehr unterschiedlich.<br />

«Eltern sollten nicht<br />

immer das tun,<br />

was ein Kind gerade<br />

möchte.»<br />

Kinder sind verschieden.<br />

Natürlich. Es gibt verschiedene Temperamente.<br />

Ein ansprechbares, führbares<br />

und liebenswürdigeres Kind<br />

hat es im Kindergarten sicher einfacher<br />

als eines, das rebelliert, in Frage<br />

stellt, eigenwillig ist, nicht zuhört.<br />

Was kann Familien dann helfen?<br />

Eltern mögen Rezepte. Aber es wäre<br />

falsch, ihnen diese zu geben, denn<br />

dann würden sie anfangen, ihr Kind<br />

an diesen Massstäben zu messen. Ich<br />

plädiere dafür, eine gute Intuition zu<br />

entwickeln. Dann merkt man in der<br />

Regel schon, wo ein Kind steht.<br />

Wie entstehen diese Retardierungen?<br />

Unsere Daten und andere Forschungen<br />

zeigen, dass ein angemessenes<br />

Verhalten sich langsam entwickelt.<br />

Entsprechend müsste man das Verhalten<br />

früher angehen, in der Kita,<br />

der Spielgruppe, in der Familie oder<br />

bei den Hütepersonen.<br />

Und was kann man tun?<br />

Auf keinen Fall überreagieren. Es<br />

gibt immer mehr Interventionszentren<br />

für schwierige Kinder. Sie sind<br />

Ausdruck dessen, wie sehr man den<br />

Eltern den Therapieblick aufdrängt.<br />

Kein Wunder, wenn sie dann alles<br />

auslagern und wegen jeder Kleinigkeit<br />

in den Notfall gehen. Besser<br />

wären gute Beratungsstellen für<br />

Eltern mit niederschwelligen Angeboten,<br />

die aus einem sogenannt<br />

schwierigen Kind kein stigmatisiertes<br />

Kind machen. Denn das ist die<br />

grosse Gefahr unserer Gesellschaft:<br />

dass wir Kinder, die in Behandlung<br />

waren, langfristig abstempeln.<br />

Was können Eltern tun, wenn ihr Kind<br />

ausgesprochen schüchtern ist?<br />

Es gibt viele Kinder mit einer sehr<br />

starken Mutterbindung. Sie >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>717


Erziehung & Kindergarten<br />

>>> können sich fast nicht lösen der emotionalen und sozialen Kompetenz.<br />

vom Mami. In solchen Beratungssettings<br />

könnte man dies angehen,<br />

ohne dass Eltern das Gefühl haben<br />

müssten, mit ihrem Kind stimme<br />

etwas nicht. Schüchternheit ist häufig<br />

etwas ganz Normales, das sich<br />

auswächst.<br />

Die Verschulung der Kindergärten verschärft<br />

diese Problematik noch.<br />

Unter anderem deshalb, weil die<br />

frühkindliche Bildung so betont<br />

wird. Frühkindliche Bildung meint<br />

in der Forschung die Förderung aller<br />

Sinne, also auch die emotionale<br />

Kompetenz oder Selbstkompetenz<br />

und nicht nur die intellektuellen<br />

Fähigkeiten. Aber in der Gesellschaft<br />

und in der Politik wird unter früher<br />

Bildung ausschliesslich Schulvorbereitung<br />

verstanden. Also Lesen und<br />

Rechnen lernen.<br />

Viele Eltern sagen stolz: Mein Kindergartenkind<br />

kann schon lesen!<br />

Wir leben in einer Gesellschaft, die<br />

den Frühbereich sehr betont. Auch<br />

die Wirtschaft spricht von Humankapital.<br />

Es gilt das ungeschriebene<br />

Gesetz: Kinder, die früh gefördert<br />

werden, sind später erfolgreich. In<br />

extremis führt das dazu, dass Eltern<br />

mit Unverständnis reagieren, wenn<br />

sie hören, dass ihr Kind kognitiv<br />

zwar weit entwickelt ist, aber emotional<br />

etwas hinterherhinkt. Sie sind<br />

Diesen Zusammenhang ken­<br />

nen viele Eltern nicht.<br />

Wie entsteht Leistung?<br />

Kinder, die gelernt haben, zu warten,<br />

sind später erfolgreicher. Hinzu<br />

kommt: Jede kognitive Leistung in<br />

der Schule ist immer ein Konglomerat<br />

von Kompetenzen. Schulerfolg<br />

oder gute Noten basieren immer auf<br />

einem Fundament, das aus den so ­<br />

zia len, emotionalen und schulischen<br />

Kompetenzen des Kindes besteht,<br />

welche von den Eltern unterstützt<br />

und gefördert werden. Treiben El ­<br />

tern ihre Kinder an, entwickeln sich<br />

diese Kompetenzen nicht wie erhofft.<br />

Eltern müssten mehr loslassen.<br />

Ist das nicht das Schwierigste in der<br />

Erziehung überhaupt?<br />

Absolut. In den eigenen Spiegel zu<br />

sehen, tut weh. Insbesondere, wenn<br />

das Kind Misserfolge hat. Denn jeder<br />

Misserfolg des Kindes ist ein Misserfolg<br />

der Eltern – zumindest erleben<br />

sie das so. Man muss als Eltern<br />

sehr stark sein, hinter dem Kind<br />

stehen, es ein wenig führen und doch<br />

loslassen. Das ist schwer und der<br />

unangenehmste Teil der Erziehung:<br />

einzusehen, dass das Kind, das man<br />

selbst geboren hat, einem nicht<br />

gehört, und vielleicht Eigenschaften<br />

hat, die man sich nicht gewünscht<br />

hat. Das war bei mir nicht anders.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Ich empfand unseren Sohn als sehr<br />

«Erfolg im Beruf schwierig. Er hat mich immer wieder<br />

ist nicht die Folge herausgefordert, mich mit mir selber<br />

konfrontiert. Ich musste einsehen:<br />

von möglichst Man kann ein Kind nicht schleifen<br />

vielen Förderkursen wie einen Diamanten. Das funktioniert<br />

nur selten.<br />

im Kleinkindalter.» Man gewöhnt sich den Defizitblick an.<br />

Ja, gerade die sogenannt schwierigen<br />

dann der Meinung: Aber das Wichtigste<br />

ist doch, dass es schon Rechnen<br />

und Lesen kann! Das ist fatal,<br />

denn aus der Forschung weiss man<br />

heute, dass Schul-, Berufs- und<br />

Lebenserfolge nicht primär von<br />

einem hohen Intelligenzquotienten<br />

und vielen Frühförderkursen abhängen,<br />

sondern ebenso vom Ausmass<br />

Kinder schaut man viel schneller aus<br />

diesem Blickwinkel an, wenn man<br />

entdeckt, dass sie eine Eigenschaft<br />

haben, die man nicht mag. Dann<br />

konzentriert man sich nur noch darauf.<br />

Wie kann ich ein langsames<br />

Kind dazu anhalten, schneller zu<br />

werden? Wenn man es antreibt, trödelt<br />

es noch mehr und es endet, wie<br />

erwartet, in Tränen. Dabei wäre es<br />

so wichtig, die vielen anderen positiven<br />

Eigenschaften des Kindes zu<br />

sehen und zu betonen.<br />

Und zu loben?<br />

Lob ist eine zweischneidige Sache.<br />

Man soll das Kind nur für das loben,<br />

was es macht oder kann oder wozu<br />

es sich gerade überwunden hat, eine<br />

«Lob für eine<br />

Eigenschaft ist<br />

unnötig. Loben Sie<br />

Ihr Kind nur für<br />

das, was es macht.»<br />

Anstrengung zum Beispiel. Lob für<br />

eine Eigenschaft ist dagegen unnötig.<br />

So vermeidet man, dass das Kind<br />

auf Lob angewiesen ist.<br />

Was soll das Kind tun, wenn es nach<br />

dem Kindergarten heimkommt?<br />

Der Kindergarten ist für Kinder sehr<br />

anspruchsvoll. Die Präsenzzeiten<br />

sind hoch. Pendeln Kinder zwischen<br />

Hort und Kindergarten hin und her,<br />

bedeutet das eine zusätzliche Belastung.<br />

Nicht wenige Kindergartenkinder<br />

haben damit im ersten Jahr<br />

Probleme. Haben Kindergartenkinder<br />

frei, sollten sie sich erholen, und<br />

zwar ohne Programm.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Das Kind soll dann machen können,<br />

was es will: lesen, spielen, rausgehen,<br />

Nanny-Studie<br />

Machen Sie mit bei der Mary-Poppins-Studie von<br />

Margrit Stamm! Sind Sie Mutter resp. Vater und haben<br />

eine Nanny angestellt oder sind selbst eine Nanny,<br />

freut sich das Forschungsteam über Ihre Anmeldung.<br />

Die einmalige, maximal 30 Minuten dauernde Online-<br />

Befragung wird im Herbst durchgeführt. Als Dankeschön<br />

erhalten alle Teilnehmer ein Dossier mit den<br />

wichtigsten Studienergebnissen und nehmen an einer<br />

Verlosung für eine Städtereise für zwei Personen teil.<br />

Anmeldung:<br />

Ursula Olden, Mail: jeckelmannu@gmail.com<br />

18 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Anzeige<br />

herumtollen. Kein Programm, kein<br />

Erledigungsmodus.<br />

Frei spielen also.<br />

Genau. Ich wohne in einem kinderreichen<br />

Quartier und sehe, wie oft<br />

die Kinder draussen spielen. Bis fast<br />

zur Oberstufe ist das so. Das ist vorbildlich.<br />

Kinder würden noch sehr<br />

lange spielen, wenn man sie liesse.<br />

Sie sind eine vehemente Verfechterin<br />

des freien Spiels.<br />

Absolut. Das freie Spiel hat das ganze<br />

Leben eine grosse Bedeutung, es<br />

ist für die Erholung enorm wichtig.<br />

Doch leider passt es nicht in unsere<br />

so zielorientierte Erwachsenenwelt,<br />

in der Zeit ein kostbares Gut ist. Das<br />

finde ich sehr schade.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Margrit Stamm ist emeritierte Professorin an der<br />

Universität Freiburg und Direktorin des<br />

Forschungsinstituts Swiss Education in Bern. Ihre<br />

Forschungsschwerpunkte liegen in der Begabung,<br />

der Qualität in der Berufsbildung und der Förderung<br />

von Migrantenkindern. Zudem untersucht sie in einer<br />

laufenden Studie unter Müttern deren Erfahrungen mit<br />

der Delegation von Erziehungsarbeiten an Nannys. Ihr<br />

Studium der Pädagogik, Psychologie und Soziologie<br />

begann die ausgebildete Primarlehrerin erst als<br />

35-Jährige. Margrit Stamm ist Mutter von zwei<br />

erwachsenen Kindern und lebt mit ihrem Mann in Aarau.<br />

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Kolumne<br />

Die Zukunft Ihres Kindes ist jetzt!<br />

Eltern planen, organisieren, sorgen sich. Völlig unnötig, meint unser Kolumnist Jesper Juul.<br />

Denn dieses Verantwortungsgefühl entferne uns von unseren Kindern. Viel zentraler sei<br />

der wahrhaftige Umgang zwischen uns und unseren Töchtern und Söhnen.<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2<strong>01</strong>2<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Seit Jahrhunderten schon<br />

haben Eltern versucht, die<br />

Zukunft ihrer Kinder zu<br />

planen. Es gab viel, worüber<br />

sie sich Sorgen machten.<br />

Bis zu einem gewissen Mass<br />

waren sie dabei Geiselnehmer der<br />

kindlichen Individualität und<br />

Zukunft. «Alles, was wir wollen, ist,<br />

dass du glücklich bist!», lautet gewissermassen<br />

das jahrzehntelange elterliche<br />

Mantra. Im 21. Jahrhundert<br />

gewinnen die sozialen Ambitionen<br />

der Eltern beträchtlich an Bedeutung.<br />

Und zwar so viel, dass es an<br />

der Zeit ist, sich einige grundlegende<br />

und ethische Fragen zu stellen.<br />

Welche Rolle spielen Kinder im<br />

Leben ihrer Eltern – und deren eigenem?<br />

Was möchten Sie als Eltern?<br />

Wollen Sie einfach, dass Ihr Kind<br />

glücklich ist? Denken Sie oft über die<br />

Ausbildung und die Karriere Ihres<br />

Kindes nach? Was sind Ihre grössten<br />

Sorgen? Welche Träume gibt es für<br />

Eltern wünschen sich<br />

selbstkompetente Kinder.<br />

Es ist der beste Schutz gegen<br />

die Gefahren<br />

und Risiken des Lebens.<br />

die Zukunft Ihres Kindes – und<br />

inwieweit beeinflussen Ihre Träume<br />

Ihr Kind? Wie wichtig ist es Ihnen,<br />

dass Ihr Kind zu einem gesunden<br />

und kompetenten Menschen heranwächst?<br />

Wir müssen uns darauf besinnen,<br />

dass Kinder zu bekommen ein sehr<br />

egoistisches Projekt ist. Wir bekommen<br />

Kinder nicht der Kinder wegen,<br />

sondern in der Hoffnung, dass sie<br />

unser Leben bereichern werden.<br />

Sobald ein Kind geboren ist, sinkt<br />

unsere Selbstsucht und steigt das<br />

Interesse an der Sorge um das Kind.<br />

Als Eltern schwankt man oft zwischen<br />

zwei Extremen: «Du bist mein<br />

Kind und ich entscheide!» und<br />

«Mein Kind ist mein Leben!». Zwischen<br />

diesen beiden Polen gibt es<br />

Eltern mit einer ausgewogenen Einstellung.<br />

Unabhängig davon, wie ein Kind<br />

geboren wird und welche Träume<br />

und Ängste Eltern beschäftigen, gibt<br />

es unzählige Dinge, die Familien<br />

richtig machen können – und noch<br />

mehr, die missverstanden werden<br />

könnten. Dennoch gibt es einen<br />

Grund für unser Verhalten: Eltern<br />

wünschen sich, dass ihre Kinder im<br />

Alter von 20 Jahren physisch gesund<br />

sind und über gute psychosoziale<br />

Kompetenzen verfügen, damit sie<br />

fähig sind, mit sich selbst und anderen<br />

zurechtzukommen.<br />

Dieses Ziel gilt für alle Kinder,<br />

egal unter welchen Umständen und<br />

in welches Umfeld sie geboren werden.<br />

Ein selbstkompetentes Wesen<br />

zu sein, ist die Voraussetzung fürs<br />

Lernen, sowohl in der Schule als<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

20 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


auch vom Lebens selbst. Es ist der<br />

optimale Schutz gegen jegliche Art<br />

von Gefahr oder Risiken, welche die<br />

Zukunft bringen könnte. Es ist<br />

ausserdem das Beste, um Abhängigkeiten,<br />

Missbrauch, Gewalt, Essstörungen<br />

und vieles mehr zu verhindern.<br />

Und es ist weitaus effektiver,<br />

als Grenzen zu setzen, Regeln, Strafen,<br />

moralische Aufrüstung oder<br />

Beurteilungen und alles andere zu<br />

betreiben, das wir gemeinhin als<br />

Präventionsmassnahmen erachten.<br />

Trotzdem sind wir noch weit von<br />

diesem Ziel entfernt. In vielerlei<br />

Hinsicht geht es Erwachsenen und<br />

Kindern heute besser als je zuvor.<br />

Wenn wir allerdings unsere psychische<br />

und soziale Gesundheit be ­<br />

trachten, sieht es anders aus.<br />

Die Statistiken sprechen eine klare<br />

Sprache: Missbrauch und Abhängigkeit<br />

nehmen zu, ebenso die Zahl<br />

jener Kinder und Jugendlichen in<br />

psychologischer Behandlung. Der<br />

Verbrauch an Medikamenten ist<br />

erschreckend hoch. Der Traum<br />

einer Wohlstandsgesellschaft, die<br />

Sorge zu unserer Gesundheit und<br />

Lebensqualität trägt, hat sich also in<br />

einen Albtraum verwandelt. Die<br />

einzige brauchbare Lösung ist deshalb:<br />

persönliche Verantwortung.<br />

Die Wichtigkeit des Selbstwerts<br />

Der bestmögliche Schutz, physisch<br />

und psychisch gesund zu sein,<br />

besteht aus den folgenden Teilen:<br />

• Ein gesundes Gefühl seines Selbst<br />

und die Erfahrung, uns als wertvoll<br />

für die Menschen zu fühlen,<br />

die wir lieben. Das Gefühl, dass<br />

wir okay sind. Wir es wert sind,<br />

geliebt zu werden, genau so, wie<br />

wir sind – hier und jetzt.<br />

• Die Möglichkeit, unser Leben in<br />

vollem Umfang zu leben, unser<br />

Potenzial bestmöglich zu entfalten,<br />

auf intellektueller, emotionaler<br />

und psychischer Ebene. All das<br />

unterstützt unseren Selbstwert.<br />

Diese Qualitäten entwickeln sich in<br />

erster Linie innerhalb der Familie.<br />

Es ist ein ernsthaftes Problem für die<br />

heutigen Kinder, dass ihre Eltern die<br />

Freizeit der Kinder mit externen<br />

Anregungen überfrachten. Die Folge<br />

davon sind Kinder, die von<br />

Unterhaltungsprogrammen überstimuliert<br />

sind. Sie haben weder ge ­<br />

lernt noch wissen sie, wie sie ihren<br />

Weg in ihr Innerstes finden können<br />

– jenen Ort, wo die unverfälschte<br />

Kreativität verborgen liegt.<br />

Wenn nun Eltern zu alldem auch<br />

noch Ambitionen und Ziele für die<br />

Zukunft ihres Kindes hegen, so wird<br />

Folgendes passieren. Zuerst entsteht<br />

ein hoher Stressfaktor. Kinder können<br />

im Grunde mehr Stress aushalten<br />

als Erwachsene, aber nur wenn<br />

sie gelernt haben, sich auch zu entspannen.<br />

Das bedeutet, die Fähigkeit<br />

zu haben, innezuhalten und<br />

dem, was im Inneren passiert, Aufmerksamkeit<br />

zu schenken. Das<br />

bezeichnet man heute als «Achtsamkeit».<br />

Nun denkt aber das Kind: «Wenn<br />

die Erwachsenen ständig mit den<br />

nächsten Schritten meiner Entwicklung<br />

beschäftigt sind, dann fühle ich<br />

mich nicht okay, so wie ich jetzt<br />

gerade bin.» Genau diese Beschäftigung<br />

mit dem Leben, der Laufbahn<br />

und dem Lernprozess des Kindes<br />

durch seine Eltern verhindert, dass<br />

es ein gutes Gefühl für sich selbst<br />

entwickeln und an seine Fähigkeiten<br />

glauben kann.<br />

Das Selbstwertgefühl ist aber ein<br />

weitaus wichtigerer Schutz als das<br />

Selbstvertrauen, das ich mir durch<br />

das Erlernen verschiedenster Fähigkeiten<br />

aneigne. Gerade für Kinder,<br />

die sich aus irgendeinem Grund<br />

anders als andere fühlen, ist ein<br />

gutes Selbstwertgefühl von besonderer<br />

Bedeutung.<br />

Das bedeutet, dass die Ambitionen,<br />

die Eltern für ihre Kinder<br />

hegen, letztlich scheitern müssen.<br />

Oder kennen Sie jemanden über 45,<br />

dem Selbstvertrauen oder Statussymbole<br />

sein Leben, seine Beziehungen<br />

oder sein Familienleben<br />

bereichert haben? Ich bin sicher, die<br />

Antwort lautet «nein».<br />

Jeder Mensch braucht einen<br />

Zufluchtsort für Geist<br />

und Körper: Das ist das<br />

Hier und Jetzt.<br />

Egal, wen wir fragen, Hirnforscher,<br />

Naturwissenschaftler, die sich mit<br />

der Gesundheit und dem Wohlbefinden<br />

befassen, Geisteswissenschaftler,<br />

Pädagogen oder Entwicklungspsychologen<br />

– sie alle kommen<br />

zum gleichen Schluss: Es ist nichts<br />

daran auszusetzen, sich Ziele zu setzen<br />

oder einen Traum zu verfolgen.<br />

Ohne einen Zufluchtsort zu haben,<br />

den das «Hier und Jetzt» dem Geist,<br />

dem Körper und der Seele bietet,<br />

könnte vieles fehlschlagen. Aussergewöhnliche<br />

Leistungen brauchen<br />

die Fähigkeit, sich auf das Hier und<br />

Jetzt zu konzentrieren. So wie eine<br />

gute persönliche Beziehung die<br />

Fähigkeit braucht, präsent und aufmerksam<br />

zu sein.<br />

Zu viel Erziehung<br />

Im Moment sind Kinder einem<br />

Zuviel an «Erziehung» ausgesetzt.<br />

Die unübersehbare Folge dessen ist,<br />

dass «Erziehung» immer mehr an<br />

Einfluss verliert und unerheblich<br />

wird, ja sogar kontraproduktiv. Wieder<br />

erfahren Kinder, dass sie zu<br />

Werkzeugen ihrer Eltern wurden,<br />

um ein öffentliches und persönliches<br />

Image zu schaffen. Ungefähr 50 Prozent<br />

der Kinder unterliegen den<br />

elterlichen Bedürfnissen, während<br />

die andere Hälfte ihre Eltern herausfordert.<br />

Die Anzahl der Kinder mit<br />

sogenanntem «unbegründetem<br />

Ärger» oder «oppositionellem Syndrom»<br />

steigt.<br />

Wieso setzen sich manche Kinder<br />

ihren Eltern entgegen oder werden<br />

wütend? Weil Eltern zu ihnen >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>721


Kolumne<br />

>>> sagen: «Wenn du es nicht für<br />

uns tust, wirst du niemals ein<br />

anständiger Mensch werden!» Diese<br />

Aussage ist eine elementare<br />

Deklaration des Misstrauens in die<br />

natürliche Fähigkeit und den<br />

Wunsch eines Kindes, zu kooperieren.<br />

Und es ist auch ein Versuch,<br />

seine Zukunft zu kontrollieren. Die<br />

meisten Eltern sind immer noch<br />

nicht daran interessiert, was Kinder<br />

wirklich denken und was sie fühlen.<br />

Sie sind mehr daran interessiert, wie<br />

Verbringen Sie viel Zeit mit<br />

Ihrem Kind – nehmen Sie es<br />

so wahr, wie es ist.<br />

Und seien Sie persönlich.<br />

Kinder zu denken und zu fühlen<br />

haben. Das schwächt den Selbstwert<br />

des Kindes enorm. Manche von<br />

ihnen entwickeln eine erlernte Hilflosigkeit.<br />

Eine neue Welt wird sich Ihnen<br />

öffnen<br />

Es ist gleichermassen einfach wie<br />

schwierig: Verbringen Sie viel Zeit<br />

mit Ihrem Kind – vorzugsweise ohne<br />

sogenanntes «Lernspielzeug». Sie<br />

müssen gar nichts sagen. Sitzen Sie<br />

still, beobachten Sie und Sie werden<br />

etwas Neues über Ihr Kind erfahren.<br />

Versuchen Sie nicht, es zu belehren<br />

oder es zu erziehen. Nehmen Sie es<br />

einfach so wahr, wie es ist, und seien<br />

sie persönlich. Eine neue Welt wird<br />

sich Ihnen öffnen.<br />

– Wenn Ihr Kind zu Ihnen sagt:<br />

«Mir ist soooo langweilig!», machen<br />

Sie sich keine Sorgen. Es gibt keinen<br />

Grund, sich für die Langeweile Ihres<br />

Kindes schuldig zu fühlen oder<br />

einen Veranstaltungs- oder Beschäftigungskatalog<br />

zu inszenieren, denn<br />

dieser würde ohnehin zurückgewiesen<br />

werden. Schenken Sie Ihrem<br />

Kind ein freundliches Lächeln und<br />

sagen Sie ihm: «Gratuliere dir, mein<br />

Kind, es wird spannend sein, zu<br />

sehen, welche Ideen du haben<br />

wirst.»<br />

Langeweile dauert kaum länger<br />

als 20 Minuten. Das ist die Zeit, die<br />

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1 Ausgabe zum Kennenlernen


ein Mensch braucht, um sich von<br />

den äusseren Anregungen zu lösen,<br />

sich mit sich selbst und seiner eigenen<br />

Kreativität zu verbinden. Versuchen<br />

Sie es einmal selbst, wenn Sie<br />

sich innerlich unruhig fühlen (das<br />

ist jener Zustand, den Kinder «langweilig»<br />

nennen): Schalten Sie Ihr<br />

Handy, Ihren Computer und Ihr<br />

Fernsehgerät aus und lassen Sie sich<br />

überraschen, was passiert.<br />

• Wenn Sie mit Ihrem Kind spielen,<br />

so lassen Sie Ihr Kind die Initia tive<br />

ergreifen anstatt die Beschäftigung<br />

zu steuern.<br />

• Wenn Sie ihr Kind zu Bett bringen,<br />

erzählen Sie von Ihrem Tag.<br />

Fragen Sie Ihr Kind nicht, wie sein<br />

Tag war – es wird es Ihnen automatisch<br />

erzählen.<br />

• Es gibt keinen Grund, sich vor<br />

Stille oder Pausen zu fürchten –<br />

beides ist gut für die Atmosphäre.<br />

Versuchen Sie, sich weniger verantwortlich<br />

zu fühlen. Das, was<br />

Sie als Ihre Verantwortlichkeit als<br />

Eltern erachten, wird einer echten<br />

Verbindung zwischen Ihnen und<br />

Ihrem Kind im Weg stehen. Wenn<br />

Sie eine persönliche Beziehung<br />

entwickeln möchten, müssen sie<br />

sich selbst dem Kind zeigen, sich<br />

offenbaren und verletzlich sein.<br />

Jede Minute und jede Stunde, in der<br />

sie in diesem Sinne mit Ihrem Kind<br />

in Beziehung stehen, wird seinen<br />

seelisch-leiblichen Schutz stärken.<br />

Folglich müssen Sie sich nicht um<br />

die Zukunft sorgen, denn Sie bauen<br />

damit eine gesunde Beziehung zwischen<br />

Ihnen auf. Es wird Ihnen beiden<br />

gut tun – viel besser als jegliche<br />

präventive Massnahme, die Sie sich<br />

vorstellen können.


Neu im Chindsgi –<br />

und schon gestresst<br />

Lena ist seit zwei Wochen im Kindergarten. Sie ist unruhig und kann<br />

sich schlecht konzentrieren. Sie meidet das Spiel mit anderen<br />

Kindern und reagiert aggressiv auf Annäherungen. Warum reagiert<br />

Lena so? Bereitet ihr der Kindergarten eintritt Stress?<br />

Text: Nadine Messerli-Bürgy<br />

Kinder sind bereits im<br />

Kindergartenalter<br />

Stress ausgesetzt und<br />

reagieren mit Unsicherheit,<br />

Aggression<br />

oder Unruhe. Der erlebte Stress<br />

kann unterschiedliche Gründe<br />

haben: Tägliche kleinere Belastungen,<br />

grosse Belastungssituationen<br />

oder lebensverändernde Ereignisse<br />

wie ein Kindergarteneintritt können<br />

für Kinder in diesem Alter durchaus<br />

stressig sein.<br />

Stress beeinflusst die Entwicklung<br />

des Kindes<br />

Für uns Menschen entsteht Stress,<br />

wenn eine Situation als Herausforderung<br />

erlebt wird. Wir sind ge ­<br />

stresst, wenn eine Situation unsere<br />

Ressourcen und Möglichkeiten, mit<br />

der Situation umzugehen, übersteigt<br />

und von uns eine Anpassung an diese<br />

herausfordernde Situation verlangt<br />

wird. Diese Anpassung zeigt<br />

sich in unserem Körper (angespannt<br />

sein, höheren Puls haben, schneller<br />

Stress entsteht aus<br />

herausfordernden Situationen<br />

und lebensverändernden<br />

Ereignissen.<br />

atmen usw.), unseren emotionalen<br />

Reaktionen (verärgert, verängstigt,<br />

besorgt sein) und in unserem Verhalten.<br />

Stress kann durch kurz- oder<br />

langfristige Herausforderungen entstehen<br />

und kann die kindliche Entwicklung<br />

negativ beeinflussen.<br />

Kinder aus lang anhaltenden<br />

oder schweren Belastungssituationen<br />

wie Lebensereignisse oder ge ­<br />

häufte Konfliktsituationen in der<br />

Familie zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Man weiss heute,<br />

dass ein Verlust einer nahestehenden<br />

Person, ein Unfall, aber auch ein<br />

Umzug oder der Verlust eines ge ­<br />

liebten Haustieres bereits beim Vorschulkind<br />

Stress auslösen kann und<br />

bei einem gehäuften Auftreten solcher<br />

Belastungen sich Verhaltensauffälligkeiten<br />

zeigen können. Weiter<br />

haben Kinder aus Familien mit<br />

finanziellen Schwierigkeiten, mit<br />

psychisch kranken Familienmitgliedern,<br />

hohem Stresserleben der<br />

Eltern, wenig unterstützendem Er ­<br />

ziehungsstil der Eltern oder Vernachlässigung<br />

ein erhöhtes Risiko<br />

für Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Eingeschränkte Stressregulation<br />

führt zu Verhaltensauffälligkeiten<br />

Es ist jedoch nicht die stressige Situation<br />

selbst, die zu Verhaltensauffälligkeiten<br />

führt. Vielmehr ist es die<br />

fehlende Anpassungsfähigkeit an die<br />

Herausforderung der Stresssituation.<br />

Diese Anpassungsfähigkeit wird<br />

auch als Stressregulationsfähigkeit<br />

verstanden. Sie bestimmt, wie stark<br />

und wie lange eine Situation von uns<br />

als stressig erlebt wird. Das Temperament<br />

des Kindes, aber auch die<br />

Unterstützung durch die Eltern und<br />

bisherige Erfahrungen mit Belastungssituationen<br />

legen fest, wie erfolgreich<br />

die Stressregulationsfähigkeit<br />

des Kindes ist.<br />

So ermöglichen verschiedene<br />

kleinere Herausforderungen dem<br />

Kind, diese Stressregulationsfähigkeit<br />

zu entwickeln und damit die<br />

Anpassungsfähigkeit auf spätere<br />

Herausforderungen stetig zu verbessern.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

spricht man auch von einer Kalibrierungsphase<br />

der Stressregulation.<br />

Diese Kalibrierung kann nur stattfinden,<br />

wenn das Kind in verschiedenen<br />

kleinen bis mittleren Herausforderungen<br />

die Möglichkeit hat,<br />

sich im Umgang mit Stress zu üben<br />

und neue Strategien zu erlernen.<br />

Ohne diese kleinen herausfordernden<br />

Ereignisse im Leben eines Kindes<br />

sind eine spätere erfolgreiche<br />

Stressregulation und damit eine<br />

adäquate Anpassung an grössere<br />

Belastungssituationen nicht möglich.<br />

24 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Erziehung & Kindergarten<br />

Studie zur kindlichen Stressregulation<br />

im Kindergartenalter<br />

Die Stressregulation entwickelt sich in der<br />

frühen Kindheit und kann sich unter<br />

verschiedenen Bedingungen verändern. Ein<br />

Team der Universität Freiburg untersucht ab<br />

2<strong>01</strong>8, wie sich die Stressregulationsfähigkeit<br />

beider Elternteile positiv auf die kindliche<br />

Stressregulation auswirken kann. Die Studie<br />

interessiert sich für Risiko- und Schutzfaktoren<br />

der kindlichen Stressregulation und deren<br />

Einfluss auf die Entwicklung von<br />

Verhaltens auffälligkeiten, die bisher in dieser<br />

Form nicht untersucht wurden. Im Fokus stehen<br />

die Veränderung der Stressregulation während<br />

des Kindergarteneintritts und die<br />

Zusammenhänge von kindlichen und elterlichen<br />

Faktoren in dieser Lebensphase.<br />

Haben Sie an der Studie Interesse und<br />

möchten mehr darüber erfahren?<br />

Schreiben Sie an: nadine.messerli@unifr.ch.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.<br />

Während dieser Kalibrierungsphase<br />

kann ausgeprägter Stress auch zu<br />

einer Verschlechterung der Stressregulation<br />

führen. Traumatisierungen<br />

oder Missbrauchserfahrungen,<br />

Vernachlässigung der Eltern, häufige<br />

Konfliktsituationen und schwere<br />

Lebensereignisse sind Stresssituationen,<br />

die das Kind überfordern und<br />

reduzieren die Stressregulationsfähigkeit.<br />

Als Folge zeigen Kinder<br />

durch diese psychische Überbelastung<br />

ein höheres Risiko für Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Der Kindergarteneintritt: Belastung<br />

oder Chance?<br />

Eltern erleben ihre Kinder während<br />

des Kindergarteneintritts oft als verändert.<br />

Die Kinder sind häufig<br />

gestresst. Er ist für viele Kinder ein<br />

einschneidender Moment, der mit<br />

viel Neuem und Unbekanntem verbunden<br />

ist und von einigen als mittlere<br />

Stresssituation erlebt wird. Er<br />

weckt zwar beim Kind meist die<br />

Neugier und Freude, sich in neuen<br />

Aufgaben zu üben, kann aber auch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten Sommer 2<strong>01</strong>7<br />

Ungewissheit oder Unruhe auslösen.<br />

Kinder können sich davor fürchten,<br />

sich in eine Gruppe einzufügen und<br />

ohne elterliche Unterstützung neue<br />

Aufgaben bewältigen zu müssen. Zu<br />

diesen Aufgaben gehört die Gewöhnung<br />

an neue Regeln und an eine<br />

neue Betreuungsperson, welche<br />

andere Anforderungen an das Kind<br />

stellt, als es gewohnt ist.<br />

Der Kindergartenstart ist also<br />

eine Herausforderung, in welcher<br />

sich das Kind an die neue Situation<br />

anpassen muss. Bisherige Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass die<br />

Trennung von der familiären Umgebung<br />

für Kinder belastend sein<br />

kann. Jedes sechste Kind erlebt den<br />

Kindergarteneintritt als schwierig.<br />

Dabei zeigen einige Kinder zu<br />

Beginn Verhaltensauffälligkeiten,<br />

die sich nach einer ersten Gewöhnungsphase<br />

wieder normalisieren.<br />

Der Kindergartenbeginn kann<br />

also zu Veränderungen in der emotionalen,<br />

verhaltensspezifischen und<br />

biologischen oder körperlichen<br />

Reaktionsweise führen. Studien zeigen,<br />

dass Kinder während dieser<br />

Phase eine höhere Ausschüttung des<br />

Stresshormons Kortisol aufweisen.<br />

Dieses Stresserleben scheint jedoch<br />

durch das Temperament des Kindes,<br />

durch die neue Umgebung und auch<br />

durch die Eltern beeinflusst zu sein.<br />

Kinder von Eltern, die sich besonders<br />

sorgten, zeigten eine höhere<br />

Stresshormonausschüttung.<br />

Ein Kindergarteneintritt kann<br />

also Belastung oder Chance zur Verbesserung<br />

der Stressregulation sein.<br />

Die selten auftretenden lang anhaltenden<br />

Verhaltensauffälligkeiten<br />

sprechen jedoch dafür, dass ein Kindergartenstart<br />

eine Chance ist, in<br />

einem noch geschützten Rahmen<br />

Wenn Eltern sich sehr<br />

sorgen, verspüren auch<br />

die Kinder Stress.<br />

die eigene Stressregulationsfähigkeit<br />

zu optimieren, sich für zukünftige<br />

Belastungssituationen zu wappnen<br />

und dem Risiko potenzieller Verhaltensstörungen<br />

entgegenzuwirken.<br />

Er ist für Kinder eine gute Gelegenheit,<br />

ihre Stressregulation weiterzuentwickeln.<br />

Diese kann vor allem<br />

dann positiv genutzt werden, wenn<br />

Kinder bereits im Vorschulalter<br />

Gelegenheiten hatten, sich in verschiedenen<br />

kleineren Situationen zu<br />

üben und ihre Anpassungsfähigkeit<br />

an Stresssituationen zu verbessern.<br />

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Nadine<br />

Messerli-Bürgy<br />

PD Dr. phil., ist Mutter von zwei Kindern und<br />

arbeitet seit 2<strong>01</strong>4 als Senior Researcher<br />

in der Abteilung für Klinische Psychologie<br />

und Psychotherapie am Departement für<br />

Psychologie und am Institut für Familienforschung<br />

und -beratung der Universität<br />

Freiburg. Sie ist klinische Psychologin und<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin der<br />

Schweizer Kinderstudie Swiss Preschooler’s<br />

Health Study (SPLASHY). Ab Herbst 2<strong>01</strong>7<br />

leitet sie ein vierjähriges Forschungsprojekt<br />

zur «kindlichen Stressregulation während<br />

des Kindergarteneintritts» im Rahmen einer<br />

Förderungsprofessur des Schweizerischen<br />

Nationalfonds.<br />

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Gesundheit & Ernährung<br />

«Wir sollten die Stärken<br />

unserer Kinder betonen»<br />

Man liest immer wieder, dass Kinder keine Purzelbäume mehr schlagen<br />

können. Bewegen sich unsere Kinder zu wenig? Der Oberarzt und<br />

Praxispädiater Sepp Holtz kennt die Fakten. Text: Claudia Landolt<br />

Herr Holtz, macht Bewegung klug?<br />

Grundsätzlich kann man sagen, dass<br />

Bewegung die Durchblutung anregt.<br />

Der Wachheitsgrad bei Kindern, die<br />

sich bewegen, ist höher. Empirische<br />

Daten gibt es aber nur wenige. Wir<br />

stellen einen leichten Zusammenhang<br />

fest: Ein kleiner Teil der Ko ­<br />

gnition, rund zehn Prozent, lässt sich<br />

mit Bewegung und Motorik erklären.<br />

Auch spielt die Individualität<br />

eine grosse Rolle. Es gibt Kinder, die<br />

sich viel bewegen müssen, andere<br />

weniger.<br />

Es heisst, Kinder würden sich ab<br />

Schuleintritt immer weniger bewegen.<br />

Stimmt das?<br />

Nein. Die Forschung zeigt etwas<br />

anderes: Kinder zwischen acht und<br />

neun Jahren haben das grösste Bewegungsbedürfnis.<br />

Deshalb fällt ihnen<br />

das Sitzen während 45 Minuten in<br />

der Schule oft sehr schwer.<br />

Was ist mit Purzelbaum, Hampelmann<br />

und Co.? Haben tatsächlich immer<br />

mehr Kinder damit Probleme?<br />

Das ist nicht bewiesen. Dieser Eindruck<br />

stimmt nicht mit unseren<br />

Daten überein.<br />

Lassen sich Koordination und Gleichgewicht<br />

trainieren?<br />

Jein. Was ich Eltern jeweils sage:<br />

Wenn ich noch nie über einen<br />

Baumstamm balanciert bin, mache<br />

ich es beim ersten Mal nicht sehr gut.<br />

Wenn ich es aber nochmals mache,<br />

geht es besser, aber immer noch<br />

nicht extrem gut. Man kann es üben,<br />

aber nur innerhalb des biologischen<br />

Potenzials. Motorik hat ihr eigenes<br />

Programm. Ob ein Kind also den<br />

Purzelbaum kann, hat mit seinem<br />

eigenen inneren Programm zu tun.<br />

Der Schweizer Kinderarzt Remo<br />

Largo sagte: Kein Kind lernt kriechen,<br />

weil man ihm vorkriecht. Hinzu<br />

kommt: Die Variabilität ist riesig.<br />

Es gibt keine saubere Grenze, ab<br />

wann ein Kind was genau motorisch<br />

leisten muss.<br />

Gestatten Sie mir ein Beispiel: Ein<br />

Kind turnt nicht gern, wird im Turnen<br />

als Letztes gewählt. Ist das Grund zur<br />

Sorge?<br />

Man kann auch ohne Motorik gut<br />

durchs Leben kommen. Kinder entwickeln<br />

da erstaunliche Strategien.<br />

Diese gilt es zu erfragen. Ein Anhaltspunkt<br />

ist etwa das Verhalten des<br />

Kindes im Kindergarten oder auf<br />

dem Pausenplatz. Was macht das<br />

Kind in der Pause? Spielt es mit<br />

anderen Kindern? Mit den Mädchen<br />

oder mit den Buben?<br />

Können Sie ein Beispiel dazu<br />

anführen?<br />

Ich erinnere mich an einen Jungen,<br />

der sich in der Pause hinter einem<br />

Busch versteckte und dort sein Znüni<br />

ass. Er wagte es nicht, mit den<br />

anderen auf dem Pausenplatz zu<br />

spielen, weil er wusste, dass er nicht<br />

mithalten konnte. Damit verpasste<br />

er nicht nur soziale Kontakte, sondern<br />

konnte auch sein motorisches<br />

Potenzial weder üben noch ausschöpfen.<br />

Dieses Kind brauchte also<br />

unsere Unterstützung. Die Frage<br />

aber ist: Wie sehr definiert sich ein<br />

Kind über den Sport? Hat es andere<br />

Begabungen oder Stärken? Eltern<br />

sollten dann diese betonen. Vielleicht<br />

wird das Kind zwar im Turnen<br />

als Letztes gewählt, ist aber im Rechnen<br />

spitze. Dann ist das nicht so<br />

schlimm. Nicht alle Kinder definieren<br />

sich über den Sport.<br />

Was raten Sie den Eltern?<br />

Die Kinder bei ihren Stärken abholen<br />

und die Schwächen ihrer Kinder<br />

akzeptieren, statt diese beheben zu<br />

wollen. Die Erfahrung zeigt nämlich,<br />

dass ein Kind, das in anderen Bereichen<br />

als beispielsweise dem Turnen<br />

positive Erlebnisse hat, sich auch<br />

mehr zutraut. Also da mutig ist, wo<br />

es vielleicht noch nicht ganz so gut<br />

ist.<br />

Zur Person<br />

Sepp Holtz ist Oberarzt im Kinderspital<br />

Zürich und Praxispädiater. Er hat vor<br />

18 Jahren zusammen mit dem Kinderspital<br />

das Praxisassistenzarztrotationsmodell<br />

entwickelt, das in der Schweiz Schule<br />

gemacht hat. 2<strong>01</strong>7 wurde er mit dem Guido-<br />

Fanconi-Preis für seine Leistungen in Lehre<br />

und Praxis ausgezeichnet. Zusammen mit<br />

seiner Tochter Noa betreibt er den Podcast<br />

«Familienbande», welcher Eltern die<br />

Möglichkeit bietet, sich von Experten Rat bei<br />

Fragen rund um den Nachwuchs zu holen.<br />

www.kispi.uzh.ch, Stichwort: Familienbande.<br />

26 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Kolumne<br />

Was wirklich wichtig<br />

ist, habe ich im<br />

Kindergarten gelernt<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer Tochter<br />

und eines Sohnes, lebt in Biel und<br />

schreibt regelmässig für das<br />

Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

und andere Schweizer Medien.<br />

Ich stehe an einem Punkt im Leben, an dem ich Fehler noch immer<br />

dreimal mache, an dem ich aber auch sagen kann, dass ich manches<br />

gelernt habe. Zum Beispiel, dass es klüger ist, zu fragen, als zu<br />

antworten. Oder dass die meisten Dinge vorübergehen – vor allem<br />

jene, von denen man es nicht denkt. Es sind Einsichten, die ich im<br />

Laufe der Jahre, oft schmerzhaft, gewonnen habe. Die wichtigste Einsicht<br />

aber habe ich im Kindergarten erlangt: Es ist gut, anderen zu helfen.<br />

Die Person, die mir das beibrachte, hiess Frau Wolff. Sie pflegte in<br />

unserem Rudolf-Steiner-Kindergarten ein strenges, aber gütiges Regime.<br />

Die meiste Zeit mussten wir Tücher falten, die Puppenecke aufräumen,<br />

den Tisch decken oder Schnüre entknoten. Sobald man mit einer Tätigkeit<br />

fertig war, musste man zu Frau Wolff gehen und fragen: «Wie kann<br />

ich helfen?» Nicht «Was soll ich jetzt machen?» – als wären wir Teilnehmer<br />

einer Beschäftigungstherapie, und auch nicht «Soll ich Ihnen helfen?»<br />

– als wäre sie eine Bedürftige, zu durcheinander, sich selber die<br />

Schuhe zu binden. Nein, die Frage sollte lauten: «Wie kann ich helfen?».<br />

Anderen zu helfen, ist vermutlich ein tiefer menschlicher Instinkt.<br />

Aber wie man hilft, ist mindestens so wichtig wie, dass man hilft. Ich bin<br />

mir nicht ganz sicher, ob Frau Wolff die feinen semantischen Unterschiede<br />

von «Soll ich dir helfen?» und «Wie kann ich dir helfen?» vollends<br />

bewusst waren, aber mir scheint ihre Ansage heute fast prophetisch.<br />

«Soll ich dir helfen?» hat etwas Ungeduldig-Paternales, oft Helfersyndromhaftes<br />

und handelt meist mehr von dir als von der Person, der<br />

geholfen wird. «Wie kann ich helfen?» hingegen zeigt, dass du<br />

an erkennst: Nicht du, sondern das Gegenüber kennt sich in seinem<br />

Leben am besten aus.<br />

Der Satz war für uns damals nicht so wichtig, die Handlung, die er<br />

auslöste, aber veränderte uns. Wir halfen einander und sahen darin keinen<br />

selbstlosen, sondern einen stinknormalen Vorgang, so alltäglich und<br />

unhinterfragbar wie Zähneputzen oder Tellerabtragen. Die wenigsten<br />

Kinder putzen gern die Zähne, aber die wenigsten (es gibt Ausnahmen)<br />

machen daraus eine Riesensache, einfach weil sie früh gelernt haben, dass<br />

es zum Leben gehört. Und das kleine sozialpsychologische Experiment,<br />

das Frau Wolff da betrieb, lautete: Was wäre, wenn Solidarität auch einfach<br />

zum Leben dazugehören würde? Kaum eingeschult, tauschte ich die<br />

Hilfsbereitschaft gegen ein sozial darwinistisches Gebaren, das mich perfekt<br />

auf die neoliberale Wirklichkeit vorbereitete, aber aus mir auch ein<br />

ziemliches Arschloch machte. Und doch wusste ich die ganze Zeit, dass<br />

es auch anders geht, dass dieser kleine Satz noch immer gilt.<br />

Ich weiss nicht, was Frau Wolff heute macht. Ob sie noch lebt, ob ihr<br />

jemand hilft, ob sie sich überhaupt an das kleine Experiment erinnert.<br />

Ich weiss nur, dass ich eine der wichtigsten Lektionen im Kindergarten<br />

gelernt habe. Und ihr dafür gerne danken würde.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>727


Gute<br />

Nacht!<br />

Mit dem Eintritt in den Kindergarten kommt viel<br />

Neues auf Ihr Kind zu. Die Eindrücke zu verarbeiten,<br />

macht müde. Umso wichtiger ist erholsamer<br />

Schlaf – der Bedarf variiert dabei von Kind zu Kind.<br />

Text: Virginia Nolan<br />

28 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Gesundheit & Ernährung<br />

Schlaf ist Voraussetzung, um<br />

tagsüber in Verbindung mit unserer<br />

Umwelt treten zu können.<br />

Seit sie den Kindergarten<br />

besucht, geht Solaine am<br />

Abend freiwillig ins Bett.<br />

«Sie scheint richtig dankbar<br />

zu sein, dass sie endlich<br />

schlafen darf», sagt ihre Mutter<br />

Natalie. Ihre Sechsjährige freue sich<br />

jeden Morgen auf den Kindergarten,<br />

sei aber entsprechend erschöpft,<br />

wenn sie nach Hause komme. Am<br />

Nachmittag möge sie oft nichts<br />

unternehmen, sei zu müde für Ausflüge:<br />

«Dann will sie einfach zu Hause<br />

sein und spielen.» Ähnliches<br />

berichtet die Mutter von David, der<br />

im ersten Kindergartenjahr ist. Ihr<br />

Sohn trete morgens fröhlich den<br />

Schulweg an, sei in der zweiten<br />

Tageshälfte aber oft unausgeglichen.<br />

«Früher hatten wir am Nachmittag<br />

meist Pläne», sagt Davids Mutter,<br />

«jetzt entscheiden wir spontan, ob<br />

wir etwas unternehmen mögen.»<br />

Lernen im Schlaf<br />

Mit dem Eintritt in den Kindergarten<br />

kommt viel Neues auf ein Kind zu:<br />

die Lehrperson, zu der es eine Beziehung<br />

aufbauen muss, soziale Erfahrungen<br />

in der Gruppe, ein veränderter<br />

Rhythmus, die neue Umgebung.<br />

All diese Eindrücke wollen verarbeitet<br />

werden – das macht müde. Darum<br />

ist erholsamer Schlaf besonders wichtig.<br />

Schlaf ist nämlich langfristig die<br />

Voraussetzung dafür, dass wir tagsüber<br />

mit unserer Umwelt in Verbindung<br />

treten können. «Durch Informationen,<br />

die wir aufnehmen, gehen<br />

die Synapsen, das sind Kontaktstellen<br />

zwischen den Nervenzellen in unserem<br />

Gehirn, Verbindungen miteinander<br />

ein. Dadurch werden sie grösser<br />

und schwerer», sagt Reto Huber,<br />

Schlafforscher am Kinderspital<br />

Zürich sowie an der Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie der Universität<br />

Zürich. «So funktioniert Lernen.»<br />

Liefe dieser Prozess ununterbrochen,<br />

wären Energie- und >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>729


Platzreserven, aber auch<br />

unser Gehirn selbst bald erschöpft.<br />

Das wird durch Schlaf verhindert<br />

– indem er Reize minimiert, welche<br />

die Synapsen veranlassen, neue<br />

Verbindungen einzugehen. Auch<br />

werden laut Huber im Tiefschlaf<br />

gewisse Hirnareale gleichgeschaltet,<br />

was dazu führt, dass die Synapsen<br />

sich wieder verkleinern. Schlaf<br />

setzt, vereinfacht gesagt, die «Festplatte»<br />

des Gehirns neu auf, löscht<br />

Unwichtiges und sorgt dafür, dass<br />

sie am nächsten Tag wieder be ­<br />

schrieben werden kann. Zugleich<br />

trägt er zur Verfestigung von Ge ­<br />

lerntem bei. Tiefschlaf sei gekennzeichnet<br />

durch langsame Wellen,<br />

sogenannte Slow-Wave-Ströme,<br />

sagt Huber. Und: «Slow Waves sind<br />

jeweils in der Hirnregion besonders<br />

aktiv, wo gerade ein Reifungsprozess<br />

stattfindet.»<br />

Wann ist es Zeit?<br />

Schlafforscher am Kinderspital liessen<br />

Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />

verschiedene visuomotorische<br />

Tätigkeiten ausführen. Das sind<br />

Aufgaben, welche die Hand-Auge-Koordination<br />

beanspruchen, wie<br />

etwa Schreiben oder Zeichnen. Nach<br />

den Experimenten analysierten die<br />

Forscher den Schlaf der Probanden<br />

– und stellten fest, dass der Tiefschlaf<br />

im parietalen Kortex, der für die<br />

visuell-motorische Kontrolle von<br />

Bewegung zuständig ist, erhöht war,<br />

und zwar bei allen Teilnehmern. «Bei<br />

den Kindern», sagt Huber, «war er<br />

im Vergleich zu den Erwachsenen<br />

aber noch viel ausgeprägter.» Das<br />

hänge mit der hohen Plastizität des<br />

Fünfjährige Kinder<br />

brauchen im Durchschnitt<br />

11,5 Stunden Schlaf,<br />

um leistungsfähig zu sein.<br />

Fünf Schlaftipps für das<br />

Kindergartenkind<br />

1. Feste Tagesstrukturen<br />

wie gemeinsame Mahlzeiten,<br />

ein Einschlafritual<br />

und insbesondere<br />

geregelte Bettzeiten<br />

helfen dem Kind, leichter<br />

in den Schlaf zu finden.<br />

Halten Sie die Schlaf-<br />

Wach-Zeiten des Kindes<br />

so oft wie möglich ein.<br />

2. Eine ruhige Atmosphäre<br />

zu schaffen, ist wichtig vor<br />

dem Zubettgehen. Vermeiden<br />

Sie abends Raufspiele<br />

sowie andere Aktivitäten,<br />

die den Puls hochjagen<br />

und für Aufregung sorgen.<br />

3. Das Bett soll Erholungszone<br />

sein. Es ist kein Ort<br />

zum Gamen, Spielen oder<br />

Hausaufgabenmachen.<br />

kindlichen Gehirns zusammen – der<br />

Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen<br />

und ganzen Hirnarealen, sich in<br />

ihrer Ausprägung und Funktion zu<br />

verändern. Diese Eigenschaft, der<br />

Kinder ihre ausserordentliche Lernfähigkeit<br />

verdanken, bedingt wohl<br />

auch ihren erhöhten Schlafbedarf<br />

gegenüber Erwachsenen.<br />

Daraus eine allgemeingültige<br />

Formel abzuleiten, ist nicht möglich,<br />

denn der Schlafbedarf variiert von<br />

Kind zu Kind, wie Studien des Kinderspitals<br />

zeigen. Demnach brauchen<br />

Fünfjährige durchschnittlich<br />

11,5 Stunden Schlaf, um leistungsfähig<br />

zu sein – einige kommen auch<br />

mit 9,5 Stunden aus, andere benötigen<br />

dafür 13 Stunden. «Dieser<br />

Unterschiede sind sich Eltern zu<br />

4. Ein normales Schlafverhalten<br />

gibt es nicht. Jedes<br />

Kind ist anders. Versuchen<br />

Sie, ein Gefühl für sein<br />

individuelles Schlafbedürfnis<br />

zu entwickeln:<br />

Schläft Ihr Kind schnell ein<br />

und ist am Morgen kaum<br />

aus dem Bett zu kriegen?<br />

Dann sind vermutlich<br />

frühere Schlafenszeiten<br />

nötig. Umgekehrt bringt<br />

es nichts, Ihr Kind aus<br />

Prinzip früh ins Bett zu<br />

schicken, wenn der Schlaf<br />

dadurch lange auf sich<br />

warten lässt.<br />

5. Keine Strafe! Setzen Sie<br />

verfrühte Bettzeiten nicht<br />

als Strafe ein. Kinder<br />

sollten Schlaf mit etwas<br />

Gutem verbinden.<br />

30 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Gesundheit & Ernährung<br />

wenig bewusst», sagt Schlafforscher<br />

Huber. So betrachteten viele Eltern<br />

den kindlichen Schlafbedarf als fixe<br />

Grösse – und beharrten folglich auf<br />

einer bestimmten Schlafdauer. Das<br />

sei nicht hilfreich, sondern könne<br />

Schlafstörungen sogar begünstigen:<br />

«Es geht vielmehr darum, ein Gefühl<br />

zu entwickeln für die individuellen<br />

Schlafbedürfnisse des Kindes und<br />

dafür passende Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen.»<br />

Die innere Uhr einstellen<br />

Die sogenannte innere Uhr, die im<br />

Zwischenhirn lokalisiert ist, steuert<br />

unsere Wach- und Schlafphasen. Sie<br />

wird täglich mit regelmässig wiederkehrenden<br />

Umgebungsfaktoren synchronisiert.<br />

«Der wichtigste ist das<br />

Tageslicht», sagt Huber. Wer kennt<br />

nicht das abendliche Klagelied der<br />

Kinder, dass es draussen «noch Tag»<br />

sei? So fruchteten die Bemühungen<br />

von Davids Eltern, den Kindergärtler<br />

um sieben Uhr abends ins Bett<br />

zu verabschieden, zwar im Winter<br />

– aber als die Tage länger wurden,<br />

war daran nicht zu denken. «Er war<br />

um sieben im Bett und um neun<br />

noch hellwach», sagt seine Mutter.<br />

Das Warten auf den Schlaf habe den<br />

Bub unruhig werden lassen. So geht<br />

David im Sommer eben eine Stunde<br />

später ins Bett. Trotzdem hält seine<br />

Mutter an der Regel fest, dass um<br />

sechs Uhr gegessen und um sieben<br />

Uhr mit Zähneputzen begonnen<br />

wird, damit das Zubettgehen stressfrei<br />

abläuft.<br />

Fixe Tagesstrukturen seien für<br />

einen guten Schlaf wichtig, sagt Reto<br />

Huber: «Sie sind ein weiterer Zeitgeber,<br />

auf den unsere innere Uhr<br />

sich einstellt.» Je konstanter die<br />

Schlaf-Wach-Zeiten eingehalten<br />

würden, desto besser. Das gelte idealerweise<br />

auch für das Wochenende.<br />

Den Ansatz der hier vorgestellten<br />

Mütter, ihre Kinder nicht mit Aktivitäten<br />

zu überfrachten, findet der<br />

Schlafforscher sinnvoll. «Für das<br />

kindliche Gehirn bedeuten Aktivitäten<br />

nichts anderes als Lernen»,<br />

Feste Tagesstrukturen sind für<br />

einen guten Schlaf wichtig.<br />

sagt er, «und Lernen steigert die<br />

Erregbarkeit.» Wer nun fürchtet, das<br />

süsse Nichtstun verwehre seinem<br />

Kind Lernerfahrungen, tröste sich<br />

mit der Tatsache, dass unser Gehirn<br />

keinem Krug gleicht, der behält, was<br />

man hineingiesst – eher einem Sieb,<br />

an dem nichts mehr hängen bleibt,<br />

wenn es im Turbomodus hindurchschiesst.<br />

>>><br />

Virginia Nolan<br />

ist froh, dass ihre Tochter noch nicht<br />

in aller Frühe aus den Federn muss –<br />

nächstes Jahr wirds losgehen.<br />

www.landesmuseum.ch


Fiese Viren!<br />

Warum Kindergartenkinder so häufig von Erregern heimgesucht werden –<br />

und wie man sich als Familie wappnen kann. Von Kristin Hüttmann<br />

Abholen aus dem Kindergarten,<br />

die Fünfjährige<br />

wartet vergnügt<br />

mit einer<br />

Nachricht auf, die<br />

Panik auslöst. «Basil hat auf Lea<br />

gekotzt!» Nicht schon wieder! Es<br />

möge bitte eine Magenverstimmung<br />

sein, bloss kein Norovirus, von der<br />

die Kollegin mit den zwei kleinen<br />

Kindern gestern noch in düsteren<br />

Tönen warnte. Durchfall. Strapaziös.<br />

Hoch ansteckend. Hat es einer,<br />

haben es alle, Mutter, Vater, Kind.<br />

Dabei ist die letzte Erkältungswelle<br />

doch gerade erst durch die Familie<br />

geschwappt.<br />

Noch ist Sommerzeit, und wer<br />

Kinder hat, der betet drum, dass die<br />

warme Jahreszeit noch möglichst<br />

lange andauert, bitteschön. Denn<br />

den Herbst und Winter mögen wir<br />

nicht: Es ist die Zeit der Krankenstandsmeldungen.<br />

«Wir haben grad<br />

Magen-Darm, und ihr?», ist in diesen<br />

Wochen ein beliebter Gesprächseinstieg.<br />

Die tatsächliche Gruppengrösse<br />

in Kindergärten und Horten<br />

32 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Gesundheit & Ernährung<br />

Sechs bis acht Infekte pro Jahr<br />

sind für ein Kleinkind<br />

völlig normal, sagt der Experte.<br />

schwankt enorm und erreicht im<br />

Januar ihr Jahrestief. Auf der Arbeit<br />

meldet sich jede Woche ein anderer<br />

Vater oder eine andere Mutter<br />

krank. Täuscht der Eindruck oder<br />

sind die Jahre mit Kindern ein einziger<br />

Staffellauf der Infektionskrankheiten?<br />

Der Eindruck täuscht nicht.<br />

Mediziner registrieren im Herbst<br />

ein allmähliches Ansteigen des<br />

Hust- und Schniefgeschehens. Kurz<br />

nach Neujahr erreicht der Krankenstand<br />

seinen Höhepunkt, die Grippewelle<br />

rollt mit Macht durchs<br />

Land. Wenn es wärmer wird, nehmen<br />

Atemwegserkrankungen ab.<br />

Dafür suchen uns vermehrt Durchfallerreger<br />

heim. Prominente Ausnahme:<br />

Das Norovirus mag es winterlich<br />

kalt.<br />

In der Infektsaison sehen Eltern<br />

ihren Kinderarzt meist häufiger als<br />

die besten Freunde. Kein Wunder,<br />

denn kleine Kinder haben den Erregern<br />

wenig entgegenzusetzen. «Das<br />

Immunsystem der Kinder muss erst<br />

noch trainieren», sagt der erfahrene<br />

Kinderarzt Rolf Temperli aus Köniz<br />

bei Bern. «Dabei lernt es.»<br />

Der 59-Jährige ist Vorstandsmitglied<br />

im Berufsverband Kinderärzte<br />

Schweiz, hält Vorträge und bildet<br />

Kinderärzte und Medizinstudenten<br />

aus. Seine jahrzehntelange Praxiserfahrung<br />

deckt sich mit den<br />

Erkenntnissen aktueller Fachbücher:<br />

«Sechs bis acht Infekte pro Jahr<br />

sind völlig normal», sagt er. «Es ist<br />

auch nicht aussergewöhnlich, wenn<br />

ein Kleinkind im gleichen Monat<br />

sogar zweimal an einem Luftwegsinfekt<br />

erkrankt.»<br />

Zu diesem Ergebnis kamen auch<br />

Philipp Latzin und seine Kollegen,<br />

die für die Swiss Pediatric Respira-<br />

tory Research Group Eltern von<br />

Säuglingen im ersten Jahr über die<br />

Krankheitssymptome ihrer Kinder<br />

befragten. Einige Kinde wiesen bis<br />

zu 23 Wochen Erkältungssymptome<br />

auf.<br />

Erreger schlagen monatlich zu<br />

Heisst also tatsächlich: Mindestens<br />

einmal im Monat schlägt ein Erreger<br />

zu. Denn das kindliche Immunsystem<br />

muss erst noch üben, Keime,<br />

Bakterien und Viren abzuwehren.<br />

Die ganz Kleinen haben es gut – in<br />

den ersten Lebensmonaten profitieren<br />

Babys noch vom Nestschutz der<br />

Mutter, einer Art Leihimmunität.<br />

Erfahrene Abwehrzellen schützen<br />

das Kind in der ersten Zeit, nicht vor<br />

allen, aber vor einer ganzen Reihe<br />

von Krankheiten wie Masern,<br />

Mumps, Röteln und vielen anderen<br />

Virus erkrankungen.<br />

Nach einem halben Jahr lässt dieser<br />

Nestschutz aber nach. Dann<br />

müssen sich Kinder selbst mit ihrer<br />

Umwelt und den Keimen und Erregern<br />

auseinandersetzen. Dieses<br />

Trainingslager für Abwehrkräfte<br />

dauert einige Jahre, bis das Immunsystem<br />

mit etwa fünf Jahren recht<br />

stabil ist.<br />

Sich mit der Umwelt auseinandersetzen<br />

– das bedeutet für immer<br />

mehr Kinder in der Schweiz: Betreuung<br />

im Kindergarten, Hort oder bei<br />

Tageseltern. Mittlerweile sind laut<br />

dem Bundesamt für Statistik über 60<br />

Prozent der Kinder zwischen 0 und<br />

12 Jahren in einer familienergänzenden<br />

Kinderbetreuung. Aus Sicht der<br />

Krankheitserreger ist das eine grossartige<br />

Entwicklung. Die laben sich<br />

am Rotznasen-Komplex: Viele<br />

unfertige Immunsysteme tauschen<br />

ungehemmt Keime aus.<br />

Keine Immunität<br />

Die hohe Keimdichte in Kindertageseinrichtungen<br />

erklärt aber noch<br />

nicht, warum es Eltern so oft miterwischt.<br />

Denn eigentlich ist das<br />

Immunsystem der 25- bis 40-Jährigen<br />

in der Regel gut trainiert, und<br />

sie sind selten krank. Im Nationalen<br />

Gesundheitsbericht 2<strong>01</strong>5 des<br />

Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums<br />

(Obsan) beschreiben die<br />

24- bis 44-Jährigen ihren Gesundheitszustand<br />

als ausgesprochen gut.<br />

Warum also schlagen die Erreger<br />

unserer Sprösslinge so ein?<br />

Zunächst ist der Kontakt mit den<br />

eigenen Kindern naturgemäss innig.<br />

Wenn das Kind heult, wäscht man<br />

ihm nicht erst Hände und Gesicht<br />

mit Seife, bevor man es auf den Arm<br />

nimmt. Ausserdem gibt es eine<br />

Unmenge von Erregern – selbst<br />

geübte Immunsysteme müssen da<br />

gelegentlich passen. «Es gibt so viele<br />

Viren, die akute Atemwegserkrankungen<br />

auslösen», sagt Osamah<br />

Hamouda, Leiter der Abteilung<br />

Infektionsepidemiologie am Robert-<br />

Koch-Institut (RKI) in Berlin. Allein<br />

vom Rhinovirus, das Erkältungen<br />

auslöst, kennt er über 100 Varianten.<br />

Das Risiko, dass ein Kind einen für<br />

die Familie neuen Erreger nach<br />

Hause bringt, ist also relativ hoch.<br />

Hamoudas Fazit: «Gegen Erkältungsviren<br />

entwickelt man keine<br />

lebenslange Immunität.»<br />

So macht die Kombination aus<br />

schwacher Immunabwehr der<br />

Jüngsten und hoher Kontaktquote in<br />

Kindergarten und Schule die Familien<br />

im Wortsinn zur Keimzelle der<br />

Gesellschaft. Nicht umsonst lautet<br />

die Empfehlung der amerika- >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>733


nischen Gesundheitsbehörde<br />

CDC, Kinder ab sechs Monaten<br />

gegen Influenza zu impfen. Den<br />

Fachleuten geht es nicht nur um das<br />

Wohlergehen der Kleinsten – sondern<br />

auch um die Volksgesundheit.<br />

So schätzen Forscher in mathematischen<br />

Modellrechnungen für<br />

Deutschland, dass sich durch die<br />

Impfung von Kindern ab zwei Jahren<br />

in den folgenden zehn Jahren<br />

23,9 Millionen Influenza-Infektionen<br />

verhindern liessen. Das würde<br />

bedeuten, dass sich einer von drei<br />

Erwachsenen erst gar nicht ansteckt.<br />

Nun mögen sich Eltern von diesem<br />

Argument nicht überzeugen<br />

lassen, ihre Kinder gegen die Grippe<br />

zu impfen. Aber wenn das Infektszenario<br />

so unausweichlich ist, wäre<br />

es dann nicht gesünder für alle, die<br />

Kinder einfach zu Hause zu betreuen,<br />

bis sie fünf Jahre alt sind und ihr<br />

Immunpanzer stabil ist? Trugschluss,<br />

sagen Kinderärzte und<br />

Gesundheitsforscher. Studien legen<br />

nahe, dass der frühe Infektmarathon<br />

in Krippe und Kindergarten das beste<br />

Training fürs Immunsystem ist.<br />

Frühe Infekte, spätere Stabilität<br />

So hat die kanadische Forscherin<br />

Sylvana Côté in einer Studie herausgefunden,<br />

dass besonders Kinder, die<br />

in eine Krippe kommen, bevor sie<br />

zweieinhalb Jahre sind, in der<br />

Grundschule Gleichaltrigen gesundheitlich<br />

überlegen sind und seltener<br />

fehlen.<br />

Seit den 1990er-Jahren weiss<br />

man: Kinder, die im ersten Lebensjahr<br />

mindestens zwei Infektionen<br />

mitmachen, erkranken später nur<br />

halb so häufig an Asthma wie Kinder,<br />

die keine Virusinfekte hatten.<br />

Wichtig dabei ist: Das gilt für letztlich<br />

harmlose Infekte, die nach einigen<br />

Tagen überstanden sind. Kinder<br />

können bleibende Schäden davontragen,<br />

wenn sie gefährliche Krankheiten<br />

wie Masern oder Röteln<br />

durchmachen, für die Impfempfehlungen<br />

bestehen.<br />

Die gute Nachricht für Eltern:<br />

Auch sie trainieren ihr Immunsystem.<br />

Wie sehr sie dafür in den ersten<br />

Lebensjahren ihrer Kinder leiden<br />

müssen, weisen die Statistiken leider<br />

nicht aus. Aber grundsätzlich fühlen<br />

sich Eltern nicht stärker gebeutelt<br />

als Nichteltern. Ganz im Gegenteil.<br />

So fanden Andreas Hirschi und seine<br />

Kollegen am Institut für Psychologie<br />

der Universität Bern heraus,<br />

dass Eltern sogar zufriedener mit<br />

ihrem Leben sind. Sie befragten<br />

dafür über 500 Berufstätige und<br />

stellten fest, dass jene, die in ihrer<br />

Karriereplanung die Familienrolle<br />

stärker berücksichtigten, über eine<br />

grössere Zufriedenheit mit ihrer<br />

Karriere und ihrem Leben allgemein<br />

berichteten.<br />

Und auch den Kindern geht es<br />

jüngsten Untersuchungen zufolge<br />

allgemein gut. Den Gesundheitszustand<br />

ihrer 3- bis 17-jährigen Kinder<br />

beschreiben 94 Prozent der<br />

Eltern als «sehr gut» oder «gut». Zu<br />

diesem Ergebnis kommt eine der<br />

grössten Datensammlungen zur<br />

Kindergesundheit, die Kinder- und<br />

Jugendgesundheitsstudie KiGGS<br />

des Berliner RKI. Auch die im<br />

Die meisten Infekte sorgen<br />

leider nicht für eine Immunität<br />

– man erkrankt immer wieder.<br />

In den Dreck – und Hände waschen!<br />

Als vorbeugende Massnahmen für die Familiengesundheit<br />

eignen sich Stressabbau, ausgewogene<br />

Ernährung und regelmässige Bewegung. Und vor<br />

allem: raus mit den Kindern, rein in die Natur!<br />

Denn die Bakterien aus unserer Umwelt brauchen<br />

wir für unser Mikrobiom. Diese Gemeinschaft von<br />

nützlichen Bakterien lebt in und auf unserem<br />

Körper und ist wichtig für unsere Gesundheit. In<br />

frühester Kindheit rekrutieren wir dafür die<br />

Organismen aus unserer Umgebung. Bakteriologen<br />

glauben: Je vielfältiger diese sind, desto robuster<br />

ist am Ende auch die Gemeinschaft schützender<br />

Begleiter, die uns bei der Abwehr vieler<br />

Infektionen hilft. Und trotzdem: Auch das trainierteste<br />

Immunsystem kapituliert zuweilen vor der<br />

Vielfalt der Erreger. Besonders Atemwegsinfekte<br />

machen uns allwinterlich erneut zu schaffen.<br />

Deshalb ist und bleibt regelmässiges, korrektes<br />

Händewaschen das Mittel der Wahl gegen<br />

Mini-Epidemien in der Familie. Normale Flüssigseife<br />

reicht dafür völlig aus, Desinfektionsmittel<br />

oder antibakterielle Seifen sind nicht notwendig.<br />

34 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Gesundheit & Ernährung<br />

Stressabbau, gesunde<br />

Ernährung und genug<br />

Bewegung stärken<br />

das Immunsystem.<br />

Gesundheitsreport des Schweizer<br />

Obsan befragten Jugendlichen<br />

schätzen ihren Gesundheitszustand<br />

überwiegend als gut bis sehr gut ein.<br />

Gute Gesundheit und trotzdem<br />

ständig Schnupfen. Am Ende bleibt<br />

eben, was man schon ahnte und<br />

Experten wie Kinderarzt Temperli<br />

so formulieren: «Die meisten Infekte<br />

hinterlassen keine lebenslange<br />

Immunität, das heisst leider – man<br />

erkrankt immer wieder.» Temperlis<br />

Trost: «Je besser das Immunsystem<br />

auf Infekte vorbereitet ist, umso seltener<br />

wird man erkranken.»<br />

Wer also nicht nur tatenlos Bettwache<br />

halten will, kann auch etwas<br />

tun – mit drei üblichen Handlungsempfehlungen<br />

fürs Vorfeld: Stressabbau,<br />

ausgewogene Ernährung und<br />

ausreichend Bewegung.<br />

>>><br />

Kristin Hüttmann<br />

arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.<br />

Den Infektionsmarathon kleiner Kinder<br />

kennt sie aus eigener leidvoller Erfahrung.<br />

Die Schnupfen- und Husteninfekte ihrer<br />

beiden Kinder hat sie fast alle<br />

mitgenommen. Und sich wie viele Eltern oft<br />

krank ins Büro geschleppt.<br />

Starten Sie die<br />

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scannen Sie die Seite<br />

und sehen Sie in unserer Serie<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten Sommer 2<strong>01</strong>735<br />

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Grün – gelb – rot<br />

Mit einer ausgewogenen Ernährung bleiben Kindergarten- und Schulkinder<br />

leistungsfähig. Im Kindergarten wird die Zwischenverpflegung gemeinsam<br />

eingenommmen. Aber nicht alles ist erlaubt. Text: Claudia Landolt und Ruth Hoffmann<br />

Im Chindsgi ist das Znüni<br />

etwa so wichtig wie das Kindergartentäschli<br />

und der<br />

Leuchtstreifen. Es wird ge ­<br />

meinsam eingenommen und<br />

ist ein Fixpunkt im Kindergartenmorgen.<br />

Auch bei den Kindern: Wer<br />

hat welches Znüni dabei? Mit wem<br />

könnte ich tauschen? Für manche<br />

Eltern ist ein selbst zubereitetes<br />

Znüni Neuland – besonders, wenn<br />

die Kinder eine Krippe besucht<br />

haben, wo das Znüni von den Erzieherinnen<br />

zubereitet wurde.<br />

In vielen Kindergärten gilt ein<br />

sogenanntes Znüni-Ampelsystem:<br />

grün, gelb und rot. Kindergärten,<br />

die kein Ampelsystem haben, kontrollieren<br />

das Znüni der Kinder und<br />

erklären, was als Zwischenmahlzeit<br />

unerwünscht ist. Bei Bedarf geben<br />

sie ein Informationsblatt mit. Aus<br />

diesen Vorgaben entstanden im<br />

Netz zahlreiche Anleitungen für feine<br />

Znüni-Varianten: Melonenschiffli,<br />

Rüeblistängeli, Käsewedel und<br />

vieles mehr. Doch nicht alle Eltern<br />

haben am Morgen Zeit und Musse,<br />

für den Nachwuchs Rüebli- und<br />

Gurkenscheiben auszustechen. Als<br />

pragmatische Faustregel gilt daher:<br />

mindestens eine Frucht oder ein<br />

Gemüse. Bei Bedarf ein Milch- oder<br />

ein Käseprodukt sowie Getreide<br />

(Brot, Nüsse) und Wasser.<br />

Gesunde Ernährung im Fokus<br />

Warum eine Zwischenmahlzeit? Ein<br />

Kindergartentag kann ganz schön<br />

anstrengend sein. Um optimal mit­<br />

halten zu können, braucht ein Kind<br />

konstante Glukosezufuhr. Süssigkeiten,<br />

Chips und Weissbrot, aber auch<br />

eine Banane lassen den Blutzuckerspiegel<br />

in die Höhe schnellen und<br />

rasch wieder abfallen. Das Kind<br />

kann sich so nur schlecht konzentrieren.<br />

Ausserdem können diese<br />

Lebensmittel Karies verursachen.<br />

Das gilt auch für die meisten Getreideriegel<br />

und für Dörrfrüchte.<br />

Milch- und Vollkornprodukte,<br />

Obst und Gemüse lassen den Blutzuckerspiegel<br />

dagegen nur mässig<br />

ansteigen und sorgen für optimale<br />

Leistungsfähigkeit. Auch genügend<br />

Flüssigkeit ist wichtig: am besten in<br />

Form von Wasser oder ungesüsstem<br />

Tee. Faustregel: Ein Mix aus Kohlenhydraten,<br />

Eiweiss und Fett plus Vitamine<br />

und Mineralstoffe sind das<br />

Rezept für eine gesunde Ernährung.<br />

Die gute Basis ist ein Frühstück.<br />

Es füllt die in der Nacht geleerten<br />

Energiespeicher wieder auf und<br />

schafft eine gute Grundlage für<br />

einen erfolgreichen Tag im Kindergarten<br />

und in der Schule. Zahlreiche<br />

wissenschaftliche Studien kommen<br />

zum Schluss: Kinder, die ein Frühstück<br />

essen, sind am Vormittag leistungsfähiger,<br />

reagieren schneller<br />

Ein Kindergartentag ist<br />

anstrengend. Um<br />

durchzuhalten, braucht das<br />

Kind einen Znüni.<br />

und ermüden weniger als Kinder,<br />

die nicht oder nicht ausreichend<br />

frühstücken. Das Zmorge eignet<br />

sich ideal, um bereits eine der drei<br />

empfohlenen Tagesportionen Milch<br />

und Milchprodukte zu geniessen<br />

und eine Portion Früchte zu essen.<br />

Ein gesundes Znüni bringt den<br />

nötigen Energienachschub für den<br />

zweiten Teil des Vormittages und<br />

verhindert einen Leistungsabfall.<br />

Was in die Znünibox kommt, hängt<br />

auch davon ab, was das Kind zum<br />

Frühstück isst: Isst es ausgiebig, reichen<br />

ein Getränk und eine Frucht.<br />

Frühstücksmuffel brauchen dagegen<br />

eine üppigere Zwischenmahlzeit.<br />

Bitte kein Gemüse!<br />

Ob das Kind das Znüni auch essen<br />

wird, ist nicht sicher. Vielleicht<br />

tauscht es mit seinem Kindergartengspänli.<br />

Oder es isst die Paprika<br />

auf dem Heimweg, weil es vor lauter<br />

Aufregung im Znünikreis keinen<br />

Bissen runterbringt.<br />

Kinder, die nicht freiwillig zu<br />

Früchten und Gemüse greifen, brauchen<br />

Vorbilder, sagen Ernährungswissenschaftler.<br />

Je echter und selbstverständlicher,<br />

desto besser, denn<br />

Kinder haben feine Antennen für<br />

36 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


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Zwischentöne und doppelte Böden:<br />

Wenn der Vater Müesli als «gesund<br />

und fein» preist, es aber insgeheim<br />

nicht mag und nur sehr selten isst,<br />

wird seine Werbung wenig Erfolg<br />

haben.<br />

Wenn Kinder ihre Eltern aber mit<br />

Vergnügen essen sehen, in der Familie<br />

eine undogmatische Vielfalt auf<br />

den Tisch kommt und gemeinsam<br />

in entspannter Atmosphäre gegessen<br />

wird, stehen die Chancen sehr<br />

gut, dass sie sich davon eines Tages<br />

anstecken lassen und ebenfalls zu<br />

Paprika, Gurke und Birne greifen.<br />

Etwas apodiktischer formuliert es<br />

die Kinderärztin und Ernährungsspezialistin<br />

Marguerite Dunitz-<br />

Scheer: «Uns ist die Normalität beim<br />

Essen abhandengekommen.» Eine<br />

Banane etwa als Znüni wird in Zürcher<br />

Kindergärten sanktioniert. Die<br />

Ärztin befürwortet einen anderen<br />

Kontext: Mindestens einmal am Tag<br />

kochen und den Kindern dabei ein<br />

abwechslungsreiches Essen hinstellen,<br />

das befähige die Kinder ganz<br />

nebenbei, einzuordnen, was eine<br />

lustvolle und gute Esskultur sei.<br />

«Das Vorbild der Eltern hat eine<br />

starke Wirkung, auf die man sich<br />

getrost verlassen kann», sagt Ines<br />

Heindl, Professorin für Ernährungswissenschaften<br />

an der Universität<br />

Flensburg (D). «Entscheidend ist,<br />

dass der ‹soziale Raum des Essens›<br />

von allen als etwas Schönes empfunden<br />

wird und sich mit positiven<br />

Erlebnissen anreichern kann.»<br />

Was aber, wenn sich das Töchterchen<br />

strikt weigert, Neues zu probieren?<br />

Tatsächlich sind Kinder dickfellige<br />

Gewohnheitstiere und haben<br />

meist kein Problem damit, jeden Tag<br />

dasselbe zu essen. Das heisst aber<br />

nicht, dass Eltern sich dem dauerhaft<br />

ergeben müssen.<br />

Der Geschmack eines Menschen<br />

entwickelt sich allmählich und in<br />

Schüben: Phasen einseitiger Vorlieben<br />

und vermeintlicher Rückschritte<br />

sind völlig normal und kein<br />

Grund zur Sorge. «Wenn die Eltern<br />

kein Problem daraus machen, gelassen<br />

weiterhin Unterschiedliches<br />

anbieten und das Kind wählen lassen,<br />

wird sich sein Spektrum früher<br />

oder später wieder erweitern», beruhigt<br />

Ines Heindl.<br />

Dranbleiben und sich nicht verunsichern<br />

lassen lautet also die Zauberformel.<br />

Es braucht meist mehrere<br />

Anläufe, bis ein unbekanntes<br />

Lebensmittel akzeptiert wird, die<br />

erste Reaktion also nicht das letzte<br />

Wort sein muss. Zwei Wochen später,<br />

in neuem Kontext oder anders<br />

zubereitet, kann das kindliche Urteil<br />

ganz anders ausfallen.<br />

Will man also Kindern beibringen,<br />

sich gesund und abwechslungsreich<br />

zu ernähren, tut man gut daran,<br />

sich in einer Haltung zu üben,<br />

die zu kultivieren ohnehin – auch<br />

für einen selbst – ausgesprochen<br />

nützlich und heilsam ist: Vertrauen<br />

und Gelassenheit.<br />

Znüni: Das geht immer<br />

• Wasser oder ungesüsster Tee<br />

• Frische Früchte, am besten in<br />

mundgerechten Stücken, mit<br />

etwas Zitronensaft beträufelt,<br />

damit sie nicht braun werden<br />

• Gemüse, am besten in<br />

Stängeln<br />

• Käse, Frischkäse<br />

• ungesalzene Nüsse<br />

• Vollkornbrot<br />

• ungesüsste Vollkornkracker,<br />

Knäckebrot, Reiswaffeln<br />

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Gesundheit & Ernährung<br />

Bewegung macht<br />

38 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


schlau<br />

Wir scheinen automatisch davon<br />

auszugehen, dass Förderung<br />

im Kopf stattfinden muss. Die<br />

Forschung zeigt aber, dass es<br />

einen viel einfacheren Schlüssel<br />

zu unserem Gehirn gibt<br />

als Frühenglisch & Co.: unseren<br />

Körper. Text: Virginia Nolan<br />

Zahlenspiele, Sprachkurse,<br />

Tüftelworkshops: Es<br />

gibt unzählige Möglichkeiten,<br />

Kinder zu fördern.<br />

Kognitive Bildung<br />

wird heute schon lange vor dem<br />

Kindergartenalter zum Thema, sei<br />

es in den Förderkonzepten von<br />

Betreuungseinrichtungen, in Eltern-<br />

Kind-Kursen oder zu Hause, wo<br />

Mütter und Väter den Nachwuchs<br />

für die Zukunft wappnen wollen.<br />

Dabei scheinen wir automatisch<br />

davon auszugehen, dass Förderung<br />

im Kopf stattfinden muss. Ein Fehlschluss,<br />

wie die Forschung nahelegt<br />

– ihr zufolge scheint ein Schlüssel<br />

zur kognitiven Entwicklung auch<br />

unser Körper zu sein, denn Bewegung<br />

ist Nahrung fürs Gehirn.<br />

Wie Kinder den Kopf freikriegen<br />

Es beginnt schon ganz früh: Ein Baby<br />

sieht etwas, dann robbt es los, um<br />

das Objekt zu betasten. «Kinder<br />

erschliessen sich durch Bewegung<br />

die Welt, darum haben sie vermutlich<br />

den Drang danach», sagt Stefan<br />

Schneider. Die Experimente >>><br />

Nach der Bewegung steigt<br />

die Konzentration – aber<br />

nur, wenn man auch Spass<br />

daran hatte.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>739


Gesundheit & Ernährung<br />

>>> des Hirnforschers vom Institut<br />

für Bewegungs- und Neurowissenschaft<br />

der Deutschen Sporthochschule<br />

Köln legen nahe, dass die<br />

Gehirnaktivität sich verändert, wenn<br />

wir uns bewegen. «Körperliche Betätigung<br />

aktiviert den motorischen<br />

Kortex, der Bewegung und Koordination<br />

steuert», erklärt Schneider.<br />

Wenn wir uns auspowern, klettern<br />

oder balancieren, braucht der motorische<br />

Kortex alle Ressourcen des<br />

Gehirns – und entlastet damit den<br />

präfrontalen Kortex, jene Hirnregion,<br />

die uns befähigt, logisch zu denken<br />

und zu planen, Entscheidungen<br />

zu treffen und unsere Emotionen zu<br />

regulieren. Diese Entlastung bewirke,<br />

so Schneider, dass wir uns nach<br />

körperlicher Aktivität besser konzentrieren<br />

und fokussieren können.<br />

Schneider und sein Team gehören<br />

zu den wenigen, die diesen<br />

Effekt am Menschen nachweisen<br />

konnten. Der Hirnforscher will sich<br />

aber nicht missverstanden wissen.<br />

«Nicht Bewegung als solche macht<br />

uns intelligenter», sagt er, «sondern<br />

im Idealfall die erhöhte Aufnahmeund<br />

Konzentrationsfähigkeit, die<br />

sich nach Bewegung einstellt.» Und:<br />

Das mit dem freien Kopf, der besser<br />

aufnimmt, funktioniert nicht<br />

immer. Auch das zeigen Schneiders<br />

Experimente, bei denen die Probanden<br />

nach dem Sport kognitive Tests<br />

lösen. «Damit der Effekt eintritt»,<br />

sagt Schneider, «ist Spass an der<br />

Sportart die Voraussetzung – und<br />

eine körperliche Belastung, die<br />

weder als zu hoch noch als zu niedrig<br />

empfunden wird.» Wie lange die<br />

verbesserte Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit<br />

anhält, variiere<br />

von Mensch zu Mensch. Untersu-<br />

Bewegung macht den Kopf<br />

frei fürs Lernen.<br />

Und sie kann helfen,<br />

Inhalte besser zu verstehen.<br />

chungen dazu existierten nicht,<br />

Erfahrungen gingen von 30 bis<br />

120 Minuten aus.<br />

Eine Erfolgsgeschichte aus den USA<br />

Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass<br />

sich Bewegung auch langfristig auf<br />

unsere kognitive Leistung auswirkt.<br />

Im Buch «Superfaktor Bewegung»<br />

berichtet der US-Psychiater John<br />

J. Ratey über ein Schulsportprojekt<br />

in Naperville, Illinois, das ihn bewogen<br />

habe, seinen Bestseller überhaupt<br />

zu schreiben. Die Rede ist von<br />

der «Stunde null», einem freiwilligen<br />

Fitnesstraining, das in mehreren<br />

Highschools von Naperville angeboten<br />

wird. Frühmorgens, bevor der<br />

reguläre Unterricht beginnt, trainieren<br />

die Schüler während einer Stunde<br />

Ausdauer und Kraft in ihrem<br />

persönlichen Hochleistungsbereich.<br />

Das Ziel der «Stunde null», in den<br />

1990er-Jahren erstmals eingeführt,<br />

war ursprünglich, festzustellen, ob<br />

Sport hilft, die Schulleistungen der<br />

Kinder zu verbessern. Das tat er:<br />

Das Training machte die Schüler<br />

nicht nur fitter, sondern auch klüger.<br />

Von den Achtklässlern in Naper ville<br />

waren 1999 nur drei Prozent übergewichtig,<br />

während es im nationalen<br />

Durchschnitt der Altersgenossen 30<br />

Prozent waren.<br />

Im gleichen Jahr beteiligten sich<br />

Achtklässler aus Naperville mit<br />

230 000 Schülern aus aller Welt an<br />

der Testreihe TIMSS (Trends in<br />

International Mathematics and Science<br />

Study). Schüler aus China,<br />

Japan und Singapur liessen die Teilnehmer<br />

aus den USA weit hinter<br />

sich – mit Ausnahme der Achtklässler<br />

aus Naperville. Sie belegten den<br />

sechsten Platz in Mathematik und<br />

waren die Weltbesten in Naturwissenschaften.<br />

«Ich habe seit Jahrzehnten<br />

nichts gesehen», schreibt<br />

Ratey, «was so ermutigend und in -<br />

spirierend war wie das Programm in<br />

Naperville.»<br />

Bewegung macht den Kopf frei<br />

fürs Lernen – sie könne auch helfen,<br />

Inhalte besser zu verstehen, sagt<br />

Neuropsychologe und Mathematiker<br />

Hans-Christoph Nürk. Nürk gilt<br />

als Experte auf dem Gebiet der<br />

Embodied Cognition, was so viel<br />

wie «verkörperlichtes Denken»<br />

bedeutet. Hinter diesem Forschungszweig<br />

der Psychologie steckt<br />

die Idee, dass Gedächtnis durch eine<br />

Kopplung von motorischen Prozessen<br />

mit Sinnesreizen entsteht. Forscher<br />

konnten zum Beispiel nachweisen,<br />

dass im Gehirn eines Affen<br />

das Bewegungszentrum aktiviert<br />

wird, wenn er Artgenossen beim<br />

Klettern beobachtet, obwohl der<br />

beobachtende Affe sich nicht<br />

bewegt. «Das Gleiche geschieht in<br />

unserem Gehirn, wenn wir auf der<br />

Couch beim Fussball mitfiebern»,<br />

sagt Nürk. Seine Untersuchungen<br />

deuten darauf hin, dass viele kognitive<br />

Vorgänge untrennbar mit dem<br />

Körper verbunden sind.<br />

Mathe mit der Matte<br />

In Zusammenarbeit mit der Exzellenz-Graduiertenschule<br />

LEAD, dem<br />

Wissenschaftscampus Tübingen und<br />

der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg<br />

hat Nürk untersucht, wie<br />

körperliche Wahrnehmungen unser<br />

abstraktes Denken strukturieren.<br />

Ein gutes Beispiel dafür ist das Rechnen<br />

durch Fingerabzählen. «Viele<br />

Lehrer wollen ihre Schüler davon<br />

abbringen», sagt Nürk, «weil sie<br />

befürchten, dass die Kinder später<br />

ihre Finger brauchen, wenn sie 24<br />

und 38 zusammenzählen müssen.»<br />

Daten, die Nürk und seine Kollegen<br />

gesammelt haben, entkräften dies.<br />

Vielmehr, sagt Nürk, deuteten sie<br />

darauf hin, dass sich Kinder durch<br />

den Fingertrick eine gute Basis zum<br />

Verständnis einstelliger Ziffern erarbeiteten.<br />

So schnitten «Fingerrech-<br />

40 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


ner» in Tests besser oder gleich gut<br />

ab wie ihre Mitschüler.<br />

«Mathe mit der Matte» heisst ein<br />

weiteres Projekt aus derselben Studienreihe.<br />

Dabei soll eine interaktive<br />

Tanzmatte Kindern helfen, zweistellige<br />

Zahlen zu verstehen. Die<br />

Matte hat neun Felder, angeordnet<br />

in einer 3-mal-3-Matrix. Beim<br />

Experiment wird sie auf eine Treppe<br />

gelegt. Durch Bewegung von einem<br />

Feld aufs nächste können Kinder<br />

die Matte aktivieren, zum Beispiel<br />

die Markierung auf dem Zahlenstrahl<br />

verschieben. Für eine Verschiebung<br />

im einstelligen Zahlenbereich<br />

müssen sie sich lediglich zur<br />

Seite bewegen – wer die Markierung<br />

dagegen um 10 verschiebt, muss<br />

sich auch zur Seite bewegen, aber<br />

dabei eine Treppe höher steigen.<br />

«Offenbar hilft es, wenn Kinder eine<br />

grössere körperliche Anstrengung<br />

mit einem grösseren Zahlenwert<br />

verknüpfen können», sagt Nürk.<br />

«Der Lerneffekt ist grösser, als wenn<br />

sie Tasten am Computer drücken<br />

und keine Vorstellung haben, wie<br />

sich eine numerische Grösse mit<br />

räumlicher Grösse in Verbindung<br />

bringen lässt.»<br />

Bewegung ermöglicht Förderung<br />

auf die einfachste Art und Weise.<br />

Aber: Es muss Spass machen, damit<br />

sie ihre Wirkung auch entfalten<br />

kann, das haben die Experimente<br />

von Hirnforscher Schneider gezeigt.<br />

«Kinder sollten möglichst vielfältige<br />

Bewegungserfahrungen machen<br />

dürfen», sagt Schneider. Der Forscher<br />

appelliert an Eltern, dem<br />

Nachwuchs solche Erfahrungen<br />

nicht durch Überbehütung zu verwehren:<br />

«Das beginnt damit, die<br />

Kinder nicht in die Schule zu fahren.»<br />

Überdies, so Schneider, sollten<br />

Eltern mit gutem Beispiel vorangehen:<br />

«Studien zeigen, dass das Bewegungsverhalten<br />

der Kinder von dem<br />

der Eltern abhängt.»<br />

Der Körper denkt mit: Wer mit<br />

den Fingern rechnet, entwickelt<br />

ein besseres Gefühl für Zahlen.<br />

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«Starkes Kind», wie man<br />

seine Angst verliert.<br />

Virginia Nolan<br />

weiss, wie das mit dem Neustart im Kopf läuft.<br />

Bei Schreibblockaden hilft nur noch der<br />

Hundespaziergang, am besten steil bergauf.<br />

Wie das Gehirn in Schwung kommt<br />

• Bewegung ist eine der einfachsten und<br />

wirkungsvollsten Methoden, die kognitive<br />

Entwicklung des Kindes zu fördern.<br />

• Nicht nur Sport, auch das freie Spiel in der<br />

Natur, bei dem Kinder klettern, hüpfen, rennen<br />

oder auf Baumstämmen balancieren, ist<br />

Nahrung fürs Gehirn.<br />

• Körperliche Aktivität erhöht unsere<br />

Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit – aber<br />

nur, wenn sie auch Spass macht, wie Forscher<br />

herausfanden.<br />

• Gehirn und Körper gedeihen am besten, wenn<br />

Kinder von möglichst vielfältigen<br />

Bewegungs­arten profitieren. Eltern sollten<br />

Kinder nicht durch Überbehütung daran<br />

hindern – das beginnt damit, den Nachwuchs<br />

nicht in die Schule zu fahren.<br />

• Bewegungsspiele können Kindern helfen,<br />

Lerninhalte besser zu verstehen, etwa Zahlen.<br />

Ein vereinfachtes Beispiel dafür ist ein<br />

am Boden aufgemalter Zahlenstrahl mit<br />

Markierungen von 1 bis 10, dem Kinder<br />

entlanghüpfen können. Kinder lernen<br />

einfacher, wenn sie einen grösseren<br />

Zahlenwert mit grösserer körperlicher<br />

Anstrengung verknüpfen können.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>741


Gesundheit & Ernährung<br />

Mutig, stark und selbstbewusst –<br />

dank Kinderyoga<br />

Keiner zu klein, ein Yogi oder eine Yogini zu sein. Der Yogatrend hat auch<br />

die Kleinsten erreicht. Wir haben einen Kurs besucht. Text: Claudia Landolt<br />

ruft da ein Kind. «Ich au», ruft ein<br />

anderes.<br />

Die kleine Katze Mika<br />

will unbedingt ans<br />

Meer. Denn sie hat<br />

gehört, dass es dort<br />

Muscheln mit echten<br />

Perlen gebe. Auch ihr Freund, Zwerg<br />

Purzel, träumt davon, das Meer zu<br />

sehen und den Wind in seinem Fell<br />

zu spüren. Gemeinsam machen sie<br />

sich auf die Reise dorthin.<br />

Diese Geschichte erzählt Kinderyogaleiterin<br />

Claudia Giacalone an<br />

einem Samstagmorgen im Yogastudio<br />

Raum der Achtsamkeit in Rupperswil.<br />

In einem Kreis auf ihren<br />

Yogamatten sitzen acht Kinder zwischen<br />

vier und neun Jahren und<br />

hören der Fantasiereise zu. Vor<br />

ihnen stehen, schön gruppiert, eine<br />

Schatztruhe, ein Zwerg, eine Kerze<br />

und viele, viele Muscheln. Diese<br />

Muscheln halten sich die Kinder ans<br />

Ohr. «Ich bi scho mal am Meer gsi»,<br />

Still sein muss nicht sein<br />

Kinderyoga ist anders. Hier muss<br />

niemand still sitzen und still sein.<br />

Und doch spüren die Kinder genau,<br />

wann es Zeit für Ruhe ist. Nach dem<br />

Begrüssungsritual – dem Händedruck<br />

im Kreis und einem Namaste<br />

– sitzen alle im Kreis. Bereits bekannte<br />

Übungen aus früheren Stunden<br />

werden noch einmal durchgespielt.<br />

Dann darf ein Kind eine Karte aus<br />

der Schatzkiste ziehen.<br />

Heute ist es die Schildkröte. Man<br />

spricht darüber, was eine Schildkröte<br />

ist und wie sie aussieht. «Wie gseht<br />

ächt e Yoga-Schildchrot uus?», fragt<br />

Claudia Giacalone und zeigt die<br />

Yoga-Asana vor. Die Kinder begeben<br />

sich mit Begeisterung in die Position,<br />

die so manchem Erwachsenen<br />

schwerfällt. Und weil eine Schildkröte<br />

bekanntlich gern isst, essen alle<br />

gemeinsam ein paar imaginäre<br />

Salatblättchen. Dabei wird laut<br />

geschmatzt.<br />

Kinderyoga ist spielerisch: Beim<br />

herabschauenden Hund darf gebellt,<br />

bei der Kobra gezischt und bei der<br />

Schildkröte geschmatzt werden.<br />

Nach einer Ausgleichsstellung für<br />

den Rücken wird eine zweite Übung<br />

vorgestellt: das Boot. Denn die<br />

Katze Mika und der Zwerg Purzel<br />

stellen sich schon vor, was sie auf<br />

42


dem Meer so alles tun könnten. Mit<br />

einem Boot fahren, zum Beispiel.<br />

Einem ruhigen Boot – und einem,<br />

in welchem fest gerudert werden<br />

muss, um auf Kurs zu bleiben.<br />

Boom aus Deutschland<br />

Kinderyoga boomt. In fast allen<br />

Deutschschweizer Städten gibt es<br />

Kinder- und/oder Teenyoga im<br />

Angebot. Der Trend kommt unter<br />

anderem aus Deutschland. Dort gibt<br />

es an gewissen Schulen bereits Yoga<br />

als Pflicht- oder zumindest Wahlschulfach.<br />

Anlass war dort eine Studie<br />

des Deutschen Kinderschutzbundes,<br />

die Eltern wie Lehrer verstörte.<br />

Ein Viertel der befragten Kinder<br />

zwischen sieben und neun Jahren<br />

gab an, sich regelmässig und vor<br />

allem durch die Schule gestresst zu<br />

fühlen. Zwei Drittel wünschten sich<br />

mehr Entspannung.<br />

Aber auch an Schweizer Schulen<br />

hält Yoga Einzug. In einem Kindergarten<br />

in Zermatt etwa ist eine halbe<br />

Stunde pro Woche für Yoga reserviert.<br />

Ein Gymnasium in Biel bietet<br />

eine Yoga-Blockwoche an, und in<br />

einer Gemeinde im Kanton >>><br />

Einfach sein – ohne<br />

Beurteilung und ohne<br />

Leistungsdruck.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>743


Aargau ist Yoga sogar als J&S-<br />

Kurs im Angebot. «Wichtig ist dabei,<br />

dass Kinder und auch Jugendliche<br />

erfahren, dass sie mehr sind als auf<br />

Leistung getrimmte Maschinen,<br />

dass sie einfach sein dürfen, dass sie<br />

ausschliesslich etwas für sich tun<br />

dürfen, und ohne dabei beurteilt zu<br />

Den Atem beobachten? Das<br />

geht mit einem Papierschiff<br />

auf dem Bauch viel leichter.<br />

werden», heisst es in der neusten<br />

Ausgabe des Yoga Journal, der Verbandszeitschrift<br />

der Schweizer<br />

Yogalehrer und -lehrerinnen.<br />

Zeit fürs Kindsein<br />

Das stellt auch die Leiterin dieses<br />

Kinderyoga-Kurses fest. «Vielen<br />

Kindern fehlt die Zeit zum Kindsein,<br />

sich selber zu spüren, sich wahrzunehmen<br />

und auszudrücken», erklärt<br />

Claudia Giacalone, selbst Mutter von<br />

zwei Söhnen. Vielen Kindern fehle<br />

es auch an Beweglichkeit, Konzentration<br />

und Ruhe. Das wolle sie<br />

ändern – mit Yoga. Denn Yoga heisst:<br />

4 FRAGEN<br />

an Ursula Salbert, Yogalehrerin und Ausbildnerin für Kinder yoga<br />

Frau Salbert, warum tut Yoga Kindern<br />

gut?<br />

Weil die Kinder lernen, sich selbst in den<br />

verschiedensten Bewegungsformen und in<br />

den unterschiedlichsten Ruhezeiten<br />

ganzheitlich wahrzunehmen. Dies lässt die<br />

Kinder bewegungskompetenter,<br />

ausgeglichener und zufriedener werden.<br />

Die Kinderyoga-Inhalte erweitern das<br />

Wissen über die Formen und Funktionen<br />

des Körpers und seiner Teile sowie die<br />

Erfahrung von Bewegungsfähigkeiten und<br />

Grenzen, aber auch das Wissen, warum wir<br />

atmen, und die Erfahrung der<br />

Zusammenhänge von Bewegung, Stille,<br />

Atem und Befindlichkeiten. Auch das<br />

Kommunizieren über Stimmungen,<br />

Gefühle und Sinneswahrnehmungen, ist<br />

wichtig. Man erfährt, dass alle Kinder<br />

unterschiedlich sind.<br />

Was kann Yoga nicht?<br />

Yoga kann nicht sofort wirken wie die<br />

Einnahme eines Medikamentes oder nach<br />

dem Motto: Mache eine Yogaübung und du<br />

wirst die Wirkung gleich erfahren. Yoga<br />

üben braucht Motivation, Zeit und<br />

Erfahrungen aus vielen unterschiedlichen<br />

Varianten, Impulsen und Wiederholungen.<br />

Yoga üben wirkt immer in seiner<br />

Gesamtheit auf die körpereigenen<br />

Selbstregulationssysteme. Darauf weisen<br />

Yogatherapie-Spezialisten immer wieder<br />

hin. Ein hyperaktives Kind wird durch<br />

Yoga nicht im Handumdrehen ruhiger, aber<br />

es macht in kleinen Schritten die<br />

Erfahrung, dass es selbst vieles verändern<br />

kann.<br />

Gibt es Einschränkungen?<br />

Da Kinder noch im Wachstum sind, sollte<br />

das Yogaüben sie nicht überfordern. So<br />

sollten Kinder nicht das Luftanhalten üben<br />

oder nach einheitlichen, vorgegebenen<br />

Rhythmen atmen. Lange, kraftintensive,<br />

statische, die Gelenke bis an ihre Grenzen<br />

ausreizende Haltungen sowie passive<br />

statische Dehnungen bergen eine hohe<br />

Verletzungsgefahr und sollten besser nicht<br />

geübt werden. Kranke Kinder sollen keine<br />

Körperübungen ausführen,<br />

Entspannungsübungen sind okay. Kinder<br />

mit psychischen Problemen sollten Yoga<br />

nur mit einer darauf spezialisierten und<br />

gut ausgebildeten Therapeutin üben. Das<br />

gilt auch für Kinder mit schweren<br />

Behinderungen. Im Zweifelsfall sollte<br />

immer eine ärztliche Meinung eingeholt<br />

werden.<br />

Worauf müssen wir als Eltern bei der<br />

Auswahl eines Kinderyoga-Kurses<br />

achten?<br />

Eltern sollten wissen, dass Yogalehrer und<br />

-lehrerinnen unterschiedliche<br />

Schwerpunkte und Inhalte auswählen<br />

können. Ein genaues Hinschauen in Flyer<br />

und Website ist da sehr wichtig. Am besten<br />

ist ein persönliches Gespräch, so erhalten<br />

Eltern umfangreiche Informationen über<br />

Ausbildungen, Unterrichtserfahrungen,<br />

Yogatraditionen, Ausrichtungen, Inhalte<br />

und Ziele der Anbieter und können sich<br />

bewusst für das eine oder andere Angebot<br />

entscheiden. Für die Kinder ist es wichtig,<br />

dass sie die Möglichkeit haben, in<br />

Schnupperstunden verschiedene<br />

Yogalehrer und ihre Angebote<br />

kennenzulernen. So können sie sich frei<br />

entscheiden, wohin sie gehen möchten.<br />

Zur Person<br />

Ursula Salbert ist Yogalehrerin, staatlich<br />

anerkannte Erzieherin und Yogabuch-Autorin.<br />

Anfang der 90er-Jahre kam sie erstmals mit<br />

Kinderyoga in Berührung. Seit der Gründung<br />

ihrer eigenen Yogaschule bildet sie in<br />

Deutschland und der Schweiz Kursleiter in Yoga<br />

mit Kindern und Jugendlichen aus.<br />

44 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Gesundheit & Ernährung<br />

im Einklang mit sich selber zu sein.<br />

«Ich finde Yoga für Kinder sinnvoll,<br />

damit sie mal zur Ruhe kommen und<br />

eine Auszeit vom Alltag nehmen»,<br />

sagt eine Mutter.<br />

Kinderyoga bedeutet auch: Energie.<br />

So werden die Kinder von Claudia<br />

Giacalone verzaubert und können<br />

ihr Tier selbst darstellen. Nun<br />

wird im Raum herumgehüpft, ge ­<br />

krochen und gelacht, bevor die Kinder<br />

sich auf den Boden legen. Die<br />

Yogaleiterin setzt ihnen ein Papierschiffchen<br />

auf den Bauch. «Wenn<br />

die Kinder sich auf den Rücken<br />

legen und das Schiff auf den Bauch<br />

nehmen, können sie zusehen, was<br />

beim bewussten Atmen passiert»,<br />

erklärt sie. Die Kinder finden das<br />

alles andere als langweilig – sie<br />

schätzen auch den ruhigen Teil der<br />

Stunde. Nach der Schlussentspannung<br />

und der Rückverzauberung in<br />

den Alltag darf jedes Kind mit einem<br />

Erzählstein sagen, wie es sich nun<br />

fühlt, was ihm gefallen hat und was<br />

nicht – wenn es möchte. Ein Händedruck<br />

und ein Namaste lassen die<br />

Stunde ausklingen. «Die Geschichte<br />

war sehr schön», sagt ein Mädchen.<br />

Und ein Junge findet am besten,<br />

«dass wir noch gemalt haben».


Medien<br />

Kleine Kinder<br />

brauchen kein Internet<br />

Und plötzlich will der Fünfjährige ein Computerspiel spielen. Das stellt<br />

unsere Autorin vor die komplizierte Frage: Wie viel Medien ist bei<br />

Kleinkindern erlaubt? Und wie viel ist zu viel? Text: Claudia Landolt<br />

Bis heute ist umstritten, ob<br />

intensive Computernutzung im<br />

Kindesalter zu irreversiblen<br />

Schäden im Gehirn führt.<br />

Rumms! Der Fünfjährige<br />

ist zu Hause. Voller<br />

Elan wirft er zuerst die<br />

Türe ins Schloss, dann<br />

die Kindergartentasche<br />

und den Leuchtstreifen auf die<br />

Bank. Ein kurzes «Hoi Mama!»,<br />

dann kommt der Hammersatz:<br />

«Mama, chani Minecraft?» Mir kippt<br />

die Kinnlade runter. «Wie kommst<br />

du denn da drauf?», frage ich. «Von<br />

Moritz, der darf das JEDEN Tag»,<br />

kräht er. Willkommen zu Hause,<br />

seufze ich innerlich, und bin ein<br />

wenig ratlos. Ich denke: «Jetzt fang<br />

bitte du nicht auch noch damit an,<br />

deine älteren Brüder reichen mir<br />

diesbezüglich.»<br />

Abends tue ich das, was Eltern<br />

immer tun, wenn sie etwas nicht<br />

wissen: Sie fragen Google. Im Netz<br />

stosse ich auf eine neue Umfrage aus<br />

Deutschland. Sie besagt, dass immer<br />

mehr Kinder schon im Primarschulalter<br />

ein eigenes Handy besitzen: 18<br />

Prozent der Acht- und Neunjährigen<br />

verfügten 2<strong>01</strong>6 über ein Smartphone.<br />

Zwei Jahre zuvor waren es<br />

erst 10 Prozent. Bei den Sechs- und<br />

Siebenjährigen stieg die Zahl binnen<br />

zwei Jahren von 2 auf 4 Prozent. Das<br />

geht aus der KIM-Studie hervor, der<br />

Basisstudie zum Medienumgang der<br />

6- bis 13-Jährigen in Deutschland.<br />

Medienpädagogen haben<br />

Hochkonjunktur<br />

Zahlen, die nachdenklich stimmen.<br />

Und Medienpädagogen sowie Experten<br />

zu gefragten Personen >>><br />

10 Tipps für Eltern<br />

zum richtigen Umgang mit<br />

digitalen Medien<br />

• Kinder unter 3 Jahren benötigen direkte Zuwendung,<br />

aktives Spielen und Gespräche – kein TV.<br />

• Kinder zwischen 3 und 5 Jahren können mit elterlicher<br />

Begleitung bis zu 30 Minuten pro Tag fernsehen. Ihre<br />

Konzentrationsfähigkeit ist jedoch beschränkt. Kinder<br />

nehmen die TV-Welt als «wirklich» wahr. Sie erkennen<br />

nicht, was real und was inszeniert ist.<br />

• 30 Minuten Aufmerksamkeitsphase ist ein Richtwert.<br />

Wie viel Ihr Kind verträgt, können Sie am besten<br />

einschätzen.<br />

46 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


• Beobachten Sie Ihr Kind bei seinen Medienerfahrungen<br />

und gehen Sie auf seine Signale ein.<br />

• Altersgerechte Videos eignen sich für Kinder unter<br />

4 Jahren besser als TV, da DVDs gestoppt und wieder<br />

angeschaut werden können.<br />

• Kinder ahmen gern ihre TV-Helden nach und testen die<br />

Grenzen ihrer eigenen Welt immer wieder neu aus.<br />

Nehmen Sie die Helden Ihrer Kinder ernst. Kinder<br />

können an und mit ihren Helden wachsen. Fragen Sie Ihr<br />

Kind, was es an seinen Helden gut findet. Sprechen Sie<br />

mit ihm auch über reale Helden aus seinem Umfeld.<br />

• Bewegung und freies Spiel helfen Ihrem Kind, seine<br />

Eindrücke besser zu verarbeiten.<br />

• Vor dem Schlafengehen sollte Ihr Kind auf Filme und TV<br />

verzichten.<br />

• Gemeinsames Fernsehen darf zu einem Ritual werden.<br />

Einigen Sie sich mit Ihrem Kind auf feste Fernsehzeiten<br />

und -inhalte und erstellen Sie gemeinsam Regeln. Damit<br />

helfen Sie Ihrem Kind, dem Fernsehen einen konkreten<br />

Platz zuzuweisen und eine Sendung bewusst zu<br />

konsumieren. Ausserdem stärken gemeinsame Rituale<br />

und Verabredungen das Wir-Gefühl in der Familie und<br />

fördern das soziale Verhalten Ihres Kindes.<br />

• Kinder orientieren sich auch bei der Mediennutzung<br />

stark an ihren Eltern. Achten Sie deshalb auf Ihren<br />

Medienkonsum und versuchen Sie Ihrem Kind ein<br />

Vorbild zu sein. Die digitale Welt kann das Spielen im<br />

Garten und auf dem Spielplatz, Treffen mit Freunden<br />

oder das gemeinsame (Vor-)Lesen nicht ersetzen.<br />

Quelle: Jugend und Medien<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>747


Medien<br />

>>> machen, die uns Eltern Tipps<br />

geben, ob, wann, wie lange und<br />

wofür Kinder Medien nutzen dürfen.<br />

«Angebote wie Kurse, Broschüren<br />

und Webseiten zum Thema schiessen<br />

wie Pilze aus dem Boden, die Zahl<br />

der Ratschläge und Regeln wächst<br />

mit der Zahl der Möglichkeiten, die<br />

neue Medien mitbringen», schrieb<br />

2<strong>01</strong>5 das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi im Dossier Medien. Auf<br />

Orientierung bietet die<br />

Regel 3/6/9/12. Kein<br />

Bildschirm vor 3, keine<br />

Spielkonsole vor 6 Jahren.<br />

der Webseite des nationalen Medienkompetenzprogramms<br />

«Jugend<br />

und Medien» sind aktuell 521 Beratungsangebote<br />

in der Schweiz aufgelistet.<br />

521 Angebote bedeuten 521<br />

Möglichkeiten – doch Vielfalt ist<br />

nicht gerade das, was Eltern in solchen<br />

Momenten suchen. Sie wollen<br />

Eindeutigkeit.<br />

Orientierung bietet die Regel<br />

«3/6/9/12». Diese Richtlinie wurde<br />

von Experten des Informationsportals<br />

«Jugend und Medien» ausgearbeitet.<br />

Sie bedeutet: kein Bildschirm<br />

vor 3, keine eigene Spielkonsole vor<br />

6 Jahren, kein Internet vor 9 Jahren<br />

und kein unbeaufsichtigtes Internet<br />

vor 12 Jahren. Andere Experten wie<br />

etwa die deutsche Medienratgeberseite<br />

schau-hin.info empfehlen: Jüngere<br />

Kinder bis 5 Jahre sollten nicht<br />

länger als eine halbe Stunde, ältere<br />

Kinder bis 9 Jahre nicht länger als<br />

eine Stunde täglich vor dem Bildschirm<br />

verbringen.<br />

Medienerziehung beginnt mit der<br />

Geburt<br />

Wer jedoch glaubt, das Thema neue<br />

Medien mindestens bis zur Primar-<br />

«Ein Kind mit digitalen<br />

Medien ruhigzustellen,<br />

ist verführerisch»<br />

Medienpädagogin Eveline Hipeli<br />

über Verbote, den richtigen<br />

Umgang mit digitalen Medien und<br />

was Eltern wissen sollten über den<br />

Medienkonsum ihrer Kinder.<br />

Interview: Claudia Landolt<br />

Frau Hipeli, dürfen Kindergartenkinder<br />

mit neuen Medien in Kontakt kommen?<br />

Wir weisen als Medienpädagogen immer<br />

wieder darauf hin, dass Kinder vor Kindergarteneintritt<br />

keinen Nachteil gegenüber ihren<br />

Altersgenossen haben, wenn sie noch keine<br />

digitalen Medien benutzt haben. Die Realität<br />

in den Familien ist jedoch so, dass der grösste<br />

Teil aller Kindergartenkinder bereits im<br />

Vorschulalter die ersten Erfahrungen mit<br />

digitalen Medien macht: sei dies mit dem<br />

«Fernsehen» auf dem Tablet der Eltern, mit<br />

dem kurzen Spiel auf dem Smartphone von<br />

Papi in der Einkaufsschlange oder beim<br />

Anhören des Kasperli via Spotify. In einem<br />

Ein-Kind-Haushalt ist der Kontakt mit<br />

digitalen Medien sicher einfacher zu steuern.<br />

Je mehr Kinder unterschiedlichen Alters im<br />

Haushalt leben, desto schwieriger wird es.<br />

Was ist Ihre Empfehlung?<br />

Eltern sollten sich grundsätzlich fragen: Wie<br />

soll mein Kind aufwachsen? Welche Medien<br />

spielen in unserem Haushalt eine Rolle?<br />

Welche Medien möchte ich meinem Kind<br />

zugänglich machen? Und welche nicht? Bin<br />

ich selbst ein einigermassen authentisches<br />

Vorbild als Elternteil? Um auf Ihre Ursprungsfrage<br />

zurückzukommen: Kindergartenkinder<br />

kommen bereits mit neuen Medien in Kontakt<br />

und ja, das dürfen sie auch. Idealerweise<br />

findet dieser Kontakt schrittweise, dosiert<br />

und vor allem begleitet statt.<br />

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie<br />

im Tram oder Zug Kinder mit einem<br />

Smartphone sehen?<br />

Für sie ist das Smartphone in solchen<br />

Situationen ein Ersatz für eine andere<br />

Tätigkeit (die man im Tram/Zug oder Bus<br />

eben gerade nicht ausüben kann). Oder ein<br />

Ersatz für Kommunikation (mit einem<br />

Gspänli, mit den Eltern, der Begleitperson).<br />

Als es noch keine Smartphones gab, hat man<br />

dem Kind einen Gameboy, ein Kinderheftli<br />

vom Kiosk oder einen Walkman in die Hand<br />

gedrückt – mit dem gleichen Ziel: das Kind in<br />

dem Moment zu unterhalten, Langeweile zu<br />

überbrücken.<br />

Genau das wird aber kritisiert.<br />

Ein Kind mit digitalen Medien ruhigzustellen,<br />

ist verführerisch einfach. Kinder sollten<br />

lernen, dass Langeweile nicht immer<br />

«aufgefüllt» wird mit einer medialen Tätigkeit.<br />

Wie viel Medienkonsum ist zu viel?<br />

Es ist ein Unterschied, ob ein Fünfjähriger im<br />

Tram fünf Minuten lang die Fotos der Mutter<br />

durchscrollt oder sein eigenes Zoovideo vom<br />

Vortag anschaut, oder ob eine Vierjährige<br />

eine halbe Stunde im Restaurant Youtube-<br />

Videos schaut. Je jünger das Kind, desto<br />

mehr sollten sich Eltern überlegen, warum<br />

und wie lange sie ihr Smartphone aus der<br />

Hand geben.<br />

Was ist der wichtigste Rat für Eltern zum<br />

Medienkonsum für Kindergartenkinder?<br />

Entscheidend ist, dass Eltern den Medienkonsum<br />

ihrer Kinder kennen, sie beim Kontakt<br />

mit Medien begleiten und bei Fragen und<br />

Anliegen zur Stelle sind. Dazu empfiehlt es<br />

sich, Regeln aufzustellen, etwa, wie lange und<br />

wann digitale Medien genutzt werden dürfen.<br />

Dabei können Eltern dem Kind erklären,<br />

weshalb sie diese Regeln vorsehen. Nicht, um<br />

48 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


schulstufe umschiffen zu können,<br />

täuscht sich. Laut Bo Reichlin, der<br />

Initiantin von mediolino.ch, einem<br />

Programm, das Medienerziehung in<br />

Krippen, Kindergärten und Familien<br />

fördert, kann Medienerziehung gar<br />

nicht früh genug einsetzen – gerade<br />

weil auch in Medienfragen eine vertrauensvolle<br />

Beziehung so wichtig<br />

ist. «Eigentlich beginnt sie mit der<br />

Geburt.»<br />

Sie finde zunächst indirekt statt<br />

– indem Kinder beobachteten, was<br />

die Eltern mit Medien machten.<br />

Zur Vorbildrolle komme später die<br />

wichtige Rolle als Begleiter, selbst<br />

wenn Kinder offenbar harmlose<br />

Dinge wie «Biene Maja» guckten.<br />

«Um Medienbotschaften zu verste­<br />

das Kind zu «bestrafen», sondern weil sie<br />

möchten, dass es ihm gut geht.<br />

Finden Sie eine totale Internet-Abstinenz<br />

im Kleinkindalter sinnvoll?<br />

Kleine Kinder brauchen kein Internet. Der<br />

allergrösste Teil des Internets ist für sie etwas<br />

ganz Unbegreifliches. Sie begegnen dem<br />

Internet und seinen Funktionen aber im<br />

Alltag, beispielsweise, wenn sie mit der Oma<br />

via Videotelefonie im Ausland telefonieren<br />

oder einen Trickfilm auf Netflix schauen<br />

dürfen. Eltern sollten sich bei kleinen Kindern<br />

deshalb gut überlegen, wann und wie sie das<br />

Internet in ihrer Lebenswelt zulassen – oder<br />

ob die Kinder den Lieblingstrickfilm nicht<br />

besser via TV oder DVD schauen. Grundsätzlich<br />

gilt: Ein Kind sollte in jungen Jahren im<br />

Internet nie alleine auf Entdeckungsreise<br />

gehen.<br />

Zur Person<br />

Eveline Hipeli, Dr. phil., ist Kommunikationswissenschaftlerin<br />

und Medienpädagogin. Sie<br />

arbeitet als Dozentin an der Pädagogischen<br />

Hochschule Zürich. Als Mutter dreier junger<br />

Kinder erlebt sie den Alltag mit (und ohne)<br />

Medien auch privat hautnah mit.<br />

Eltern müssen sich stets<br />

aufs Neue fragen: Welche<br />

Medien möchte ich meinem<br />

Kind zugänglich machen?<br />

Und welche nicht?<br />

hen, müssen Kinder komplexere<br />

Erzählstrukturen verstehen. Sie<br />

müssen Körpersprache und Ge ­<br />

sichtsausdrücke lesen und Realität<br />

von Fiktion unterscheiden», sagt<br />

Reichlin. Letzteres erlernen Kinder<br />

im Schnitt erst zwischen 5 und 7.<br />

«Ich kann Eltern nur empfehlen,<br />

Mass zu halten, bei Bedarf Inhalte zu<br />

erklären und den Entwicklungsstand<br />

des Kindes immer wieder zu<br />

überprüfen.»<br />

Denn dass Eltern auch in Sachen<br />

Smartphone und Co. eine Vorbildrolle<br />

haben, ist unbestritten. Das<br />

namhafte Hans-Bredow-Institut<br />

stellte 2<strong>01</strong>5 in seinem Bericht<br />

«Mobile Internetnutzung von Kindern<br />

und Jugendlichen» fest, dass<br />

die Art der Smartphone-Nutzung<br />

durch kleinere Kinder von den «Vorerfahrungen<br />

und der Begleitung<br />

durch Eltern abhängt».<br />

Einer der vehementesten Kritiker<br />

von frühkindlicher Mediennutzung<br />

ist der deutsche Neurobiologe<br />

Gerald Hüther. «Wenn Kinder zu<br />

viel Zeit am Computer verbringen,<br />

verändert das nicht nur ihre Wahrnehmung,<br />

ihr Raum- und Zeitempfinden<br />

und ihre Gefühlswelt. Alles,<br />

was sie in Computerspielen erleben,<br />

verändert auch ihr Gehirn.»<br />

Hüther fordert nichts weniger, als<br />

dass Kinder von digitalen Medien<br />

ferngehalten werden. Eine Forderung,<br />

bei der Experten wie der Neuropsychologe<br />

Lutz Jäncke von der<br />

Universität Zürich abwinken. «Ich<br />

halte es für falsch, ein Medium zu<br />

verteufeln, nur weil es negative Folgen<br />

haben kann.»<br />

Bis heute ist umstritten, ob intensive<br />

Computernutzung im Kindesalter<br />

zu irreversiblen Schäden im<br />

Gehirn führt. Langzeitstudien fehlen.<br />

Fakt ist, dass bei der Computernutzung<br />

andere Hirnareale aktiviert<br />

werden als beim Spielen oder Lernen.<br />

Lutz Jäncke ist sich aber sicher,<br />

dass unser Denkorgan auf die neuen<br />

Herausforderungen reagiert. «Ich<br />

bin überzeugt, dass das Gehirn sich<br />

von den neuen Medien nicht aus<br />

dem Konzept bringen lässt.»<br />

Und mein Minecraft-Knirps?<br />

Der hatte nach seinem Mittagessen<br />

die faszinierende Welt der bunten<br />

Games wieder vergessen. Zu verlockend<br />

waren der Garten und der<br />

nahe Wald. Möge die Faszination für<br />

das freie Spiel hoffentlich noch lange<br />

anhalten.<br />

>>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>749


Kindergarteneintritt:<br />

Das sind die Elternpflichten<br />

Nicht nur für Ihr Kind, auch für Sie als Eltern beginnt mit dem Kindergarteneintritt ein<br />

neuer Lebensabschnitt. Ab sofort heisst es: Organisation. Wir sagen, was Sie erwartet.<br />

Und worauf Sie achten müssen. Text: Claudia Landolt<br />

50 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Service<br />

Stundenplan, Quartalsplan,<br />

Quartalsziel, Jahresplan<br />

und Znüniblatt. Dazu<br />

Elterntermine: Besuchsmorgen<br />

oder -nachmittage,<br />

Elternabende, Elterngespräch,<br />

Kindergartenkaffee und Räbeliechtlischnitzen,<br />

den dazu gehörigen<br />

Umzug mit der ganzen Familie<br />

sowie das Jahresabschlussfest. Eventuell<br />

kommt noch ein Theater oder<br />

Weihnachtssingen dazu. Uff! Eltern<br />

von Kindergartenkindern haben<br />

Dichtestress, genauer: Termindichtestress.<br />

Pro Kind kommen so gut und<br />

gerne zehn Termine zusammen, die<br />

es übers ganze Schuljahr hinweg<br />

wahrzunehmen gilt. Kein Problem,<br />

wenn Eltern nicht jedes Mal selber<br />

hingehen können – auch Gotti, Götti,<br />

Grosseltern oder Freunde sind im<br />

Kindergarten herzlich willkommen.<br />

Die zahlreich erscheinenden Termine<br />

sind aber auch ein Qualitätsmerkmal<br />

– dafür, dass sich die Lehrpersonen<br />

Ihres Kindes ganz viel Zeit<br />

nehmen dafür, das Schuljahr<br />

abwechslungsreich zu gestalten.<br />

Denn viele Kinder sind wahnsinnig<br />

stolz und freuen sich, wenn ihre<br />

Familie sie im Kindergarten besucht,<br />

der sie ihre Sachen zeigen dürfen.<br />

Dennoch ist der Kindergarteneintritt<br />

für viele Eltern in organisatorischer<br />

und betreuungstechnischer<br />

Hinsicht eine grosse Umstellung.<br />

Damit Sie wissen, was diesbezüglich<br />

auf Sie zukommmt, hier eine Übersicht:<br />

1. Betreuung<br />

Der Kindergarten gehört zur Volksschule<br />

und ist deshalb den Blockzeiten<br />

unterworfen. Das heisst, das<br />

Kind ist um 8 Uhr (oder um 8.15<br />

Uhr) bis 11.30 (oder 11.45 Uhr) im<br />

Kindergarten. Wird es nachmittags<br />

unterrichtet, ist es von 13.30 bis<br />

15.10 Uhr weg (je nach Stundenplan).<br />

Diese Zeiten verdeutlichen:<br />

Wer sein Kind bis anhin ganztags<br />

von einer Tagesmutter oder einer<br />

Kita betreuen liess, muss sich ganz<br />

neu organisieren. Damit sind Sie,<br />

liebe Eltern, jedoch keinesfalls allein:<br />

In der Schweiz gehören familienergänzende<br />

Betreuungsformen zum<br />

Familienalltag: Rund 60 Prozent aller<br />

Kinder unter 13 Jahren werden laut<br />

Bundesamt für Statistik institutionell<br />

betreut. Das Betreuungsangebot für<br />

Kinder im Vorschul- und Schulalter<br />

ist sehr heterogen. Je nach Kanton<br />

wird die familienergänzende Kinderbetreuung<br />

kantonal oder kommunal<br />

geregelt. In einigen Fällen<br />

sind sogar beide politischen Ebenen<br />

zuständig. Dies führt zu grossen<br />

regionalen Unterschieden in Bezug<br />

auf die Vorschriften, die Anzahl verfügbarer<br />

Betreuungsplätze, den Preis<br />

und die Leistungen.<br />

Die Dichte des Angebots unterscheidet<br />

sich stark zwischen städtischen<br />

und ländlichen Regionen<br />

sowie pro Altersgruppe. Die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf ist<br />

jedoch ein wichtiges politisches Ziel.<br />

So hat der Bund mit der Finanzhilfe<br />

für familienergänzende Kinderbetreuung<br />

während den letzten 13 Jahren<br />

die Schaffung von 47 760 neuen<br />

Betreuungsplätzen unterstützt, was<br />

einer Erhöhung des geschätzten<br />

Platzangebots von 96 Prozent entspricht.<br />

Diese sogenannte Anstossfinanzierung<br />

wird mit einem Kredit<br />

von 120 Millionen Franken bis 2<strong>01</strong>9<br />

verlängert.<br />

Wer ist für die Finanzierung zuständig?<br />

Anders als beispielsweise in<br />

Skandinavien wird die Betreuung in<br />

der Deutschschweiz grösstenteils<br />

durch die Eltern finanziert. Manchmal<br />

subventionieren auch die Gemeinden<br />

(etwa durch Gutscheine<br />

wie im Kanton Luzern). Die Tarifsysteme<br />

für einen Betreuungsplatz variieren<br />

beträchtlich – nicht nur zwischen<br />

den Kantonen, sondern auch<br />

innerhalb der Kantone. Je nach<br />

finanzieller Unterstützung durch die<br />

öffentliche Hand (meist einkommensabhängige<br />

Tarife) und/oder<br />

durch die Wirtschaft sind die Tarife<br />

sehr unterschiedlich. In der Deutschschweiz<br />

ist der Elternbeitrag laut<br />

Verband Kinderbetreuung Schweiz<br />

Kibesuisse generell deutlich höher<br />

(⅔ der Vollkosten) als in der Westschweiz<br />

(⅓ der Vollkosten).<br />

Diese Betreuungsmodelle gibt es für<br />

Kindergarten- und Schulkinder:<br />

Institutionelle Betreuung<br />

Dazu gehören: modulare Tagesstrukturen,<br />

gebundene Tagesstrukturen<br />

und Tagesstrukturen für alle<br />

Altersstufen. Diese Art von Betreuung<br />

wird in der Wohngemeinde<br />

angeboten. Es lohnt sich daher, sich<br />

spätestens bei der Anmeldung des<br />

Kindes in den Kindergarten zu informieren<br />

und den Platz zu reservieren.<br />

Dort erfahren Sie auch, was eine<br />

Betreuung kostet. Generell gilt: Nirgendwo<br />

sind die Betreuungskosten<br />

für Kinder so hoch wie in der<br />

Schweiz. Besserverdienende müssen<br />

mit der vollen Kostenbeteiligung<br />

rechnen. Zudem wird mit dem<br />

Schul eintritt die Vereinbarkeit<br />

schwieriger. Muss das Kind um >>><br />

Nirgendwo sind die<br />

Betreuungskosten für<br />

Kinder so hoch wie<br />

in der Schweiz.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>751


Service<br />

>>> 8 Uhr im Kindergarten sein,<br />

die Eltern aber schon um 7 Uhr 30<br />

zur Arbeit, muss das Kind vor Unterrichtsbeginn<br />

in die Tagesstruktur<br />

oder den Hort. Hat es Nachmittagsunterricht,<br />

muss es über Mittag wieder<br />

in den Hort und nach dem<br />

Unterricht ebenfalls. Das ist für<br />

kleinere Kinder in der Anfangsphase<br />

eine grosse Belastung. Am Anfang<br />

empfiehlt es sich daher – wenn möglich<br />

–, auf alternative Betreuungsformen<br />

auszuweichen, etwa durch<br />

Familie, Freunde oder Nachbarn.<br />

Wer eine Nanny oder ein Au-pair<br />

(Sonderform der institutionellen<br />

Betreuung) hat, hat diese Sorgen<br />

nicht. Dafür kommen zusätzliche<br />

Kosten auf die Familie zu, etwa Sozial-<br />

und Versicherungskosten sowie<br />

die berufliche Vorsorge.<br />

Vorteil: Betreuung durch Fachpersonal;<br />

viele Gspänli; nahe Umgebung.<br />

Nachteil: keine oder eingeschränkte<br />

Betreuung in den Ferien; modulare<br />

Tarifsstruktur; anstrengend für die<br />

Kinder.<br />

Nichtinstitutionelle Betreuung<br />

durch Privatpersonen<br />

Dazu gehören: Tagesfamilien,<br />

Gross eltern, andere Verwandte<br />

oder Freunde. Während Letztere<br />

fast immer unentgeltlich arbeiten,<br />

sind Tagesfamilien nicht kostenlos.<br />

In der Schweiz gibt es rund 10 000<br />

Tagesmütter, die 30 000 Kinder<br />

betreuen. Diese Tagesmütter werden<br />

von Vermittlerinnen begleitet, müssen<br />

eine obligatorische Ausbildung<br />

absolvieren und sind zur jährlichen<br />

Weiterbildung verpflichtet. Die<br />

Finanzierung ist ähnlich wie bei den<br />

Tagesfamilie, Grossfamilie,<br />

Mittagstisch, Hort, Nachbarn:<br />

Die Betreuungsmöglichkeiten<br />

sind zahlreich.<br />

Kitas: Die meisten Vereine werden<br />

finanziell von den Gemeinden<br />

unterstützt, meist aber in geringerem<br />

Ausmass.<br />

Vorteil: sind oftmals in der Nähe des<br />

Wohnorts; kurzfristig abrufbar; oft<br />

unentgeltlich.<br />

Nachteil: Wartelisten bei Tagesmüttern;<br />

keine Betreuung in den Schulferien<br />

und im Krankheitsfall.<br />

Kosten der Betreuung<br />

Babysitter (Stundenlohn tagsüber)<br />

• Jugendliche zwischen 13 und 15<br />

Jahren: 7 Fr. pro Stunde; zwischen<br />

16 und 18 Jahren: 8 bis10 Fr. pro<br />

Stunde.<br />

Babysitter (Stundenlohn abends)<br />

• Ab 19 Uhr: 8 bis10 Fr. pro Stunde.<br />

• Pauschalentschädigung pro<br />

Abend: 25 bis 30 Fr. für Jugendliche<br />

unter 16 Jahren bzw. 30 bis 50<br />

Fr. für Jugendliche zwischen 16<br />

und 18 Jahren.<br />

(aus: Handbuch «Alternativen zur Kita»,<br />

Stadt Zürich)<br />

Tagesmutter<br />

• Der Tagesfamilienverein stellt pro<br />

Betreuungsstunde ca. 8 Fr. in<br />

Rechnung.<br />

• Spezielle Auslagen wie Freizeitbeschäftigungen<br />

werden nach<br />

vorheriger Absprache von den<br />

Eltern direkt an die Tagesmutter<br />

bezahlt.<br />

• Fahrspesen werden der Tagesmutter<br />

mit ca. 0,70 Fr. pro Kilometer<br />

vergütet.<br />

• Darüber hinaus fällt eine einmalige<br />

Bearbeitungsgebühr von ca.<br />

150 Fr. an.<br />

• Tageseltern, die ihre Betreuungsleistung<br />

selbständig anbieten,<br />

handeln die Höhe des Betreuungsgeldes<br />

mit den Eltern aus.<br />

Informationen: www.tagesfamilien.ch<br />

Mittagstische/Hort<br />

Vorteil: hohe Sozialität; das Kind ist<br />

in der Regel mit seinen Gspänli<br />

zusammen; eine gute und fachliche<br />

Betreuung wird sichergestellt.<br />

Nachteil: lange Wartezeiten, wenig<br />

Plätze; nicht immer sind Horte nach<br />

Altersgruppen getrennt; kann lärmig<br />

sein; in den Ferien oft geschlossen<br />

oder dann Vollzeitbetreuung; Kosten<br />

nach Einkommen.<br />

Aufnahmegebühr: individuell, bis<br />

zu 200 Franken; die Ganztagsbetreuung<br />

kostet 120 Franken, ein halber<br />

Tag ohne Mittagessen 60 Franken,<br />

ein halber Tag mit Mittagessen 85<br />

Franken, nur Mittagessen um 25<br />

Franken pro Kind (Preisangaben<br />

sind Richtwerte).<br />

Nanny<br />

Vorteil: Kinder können in der vertrauten<br />

Umgebung bleiben; auch<br />

wenn sie krank sind, kümmert sich<br />

jemand um sie; auch in den Ferien<br />

und zu Randzeiten ist die Betreuung<br />

geregelt.<br />

Nachteil: Nanny hat nicht immer<br />

eine spezifische Ausbildung.<br />

Wird sie über Vermittler angestellt,<br />

erfüllt sie pädagogische Minimalvoraussetzungen<br />

und hat im<br />

Idealfall eine pädagogische Grundausbildung<br />

absolviert. Mit einer<br />

Vermittlungsgebühr ist zu rechnen.<br />

52 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Der Lohn für die Nanny ist Verhandlungssache<br />

und orientiert sich<br />

an Ausbildung und Erfahrung der<br />

Nanny: «Die Nanny gilt als Angestellte<br />

in einem Privathaushalt»,<br />

erklärt die Stadt Zürich. «Der<br />

Anstellungsvertrag ist Sache zwischen<br />

den Eltern und der Betreuungsperson.»<br />

Der Verein Childcare<br />

Service Zürich sowie Portale wie<br />

www.nannyvermittlung.ch gehen<br />

von einem Stundenansatz von 25 bis<br />

35 Fr. bzw. 3800 bis 4800 Fr. monatlich<br />

bei Vollanstellung aus.<br />

Informationen zum Lohn und Muster<br />

Arbeitsvertrag: www.hauswirtschaft.ch<br />

2. Post<br />

Im Kindergarten gibt es die sogenannte<br />

Poströhre, in welcher das<br />

Kind die Post mit nach Hause<br />

nimmt. Kontrollieren Sie die<br />

Poströhre regelmässig und unterschreiben<br />

Sie wo notwendig.<br />

6. Elternabend<br />

Meist findet dieser zu Beginn des<br />

Schuljahres statt. Er dient dem<br />

gegenseitigen Kennenlernen. Sie<br />

erhalten dort alle relevanten Informationen,<br />

eine Übersicht über die<br />

Aktivitäten und die Jahresplanung.<br />

Auch findet ein persönliches Elterngespräch<br />

statt, in dem Sie über den<br />

Entwicklungsstand Ihres Kindes<br />

informiert werden.<br />

>>><br />

Im Kindergarten gibt es<br />

viele Anlässe.<br />

Am Elternabend erfahren<br />

Sie alles darüber.<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite und<br />

sehen Sie in unserer Serie<br />

«Starkes Kind», wie Kinder<br />

verlieren lernen.<br />

3. Alltag<br />

Aller Anfang ist schwer und braucht<br />

Zeit. Geben Sie Ihrem Kind die Zeit,<br />

die es braucht, um im Kindergarten<br />

anzukommen. Es wird anfangs oft<br />

müde sein. Nehmen Sie auf das<br />

erhöhte Schlafbedürfnis Rücksicht<br />

und überfrachten Sie seine freien<br />

Nachmittage nicht mit zusätzlichen<br />

Aktivitäten.<br />

4. Neue Aktivitäten<br />

Der Kindergarten gehört zur Volksschule<br />

und bietet nach Möglichkeit<br />

Turnstunden an. Manche Kindergärten<br />

gehen zusätzlich in den Wald,<br />

kochen oder backen. Zeichnen, Basteln<br />

und Singen werden grossgeschrieben.<br />

5. Geburtstage<br />

Jeder Kindergarten regelt dies<br />

anders. Bei manchen Kindergärten<br />

wird das Geburtstagskind zu Hause<br />

abgeholt. Oft wird ein Kuchen<br />

erwartet. Die Kindergartenlehrperson<br />

wird Sie am Elternabend darüber<br />

informieren.<br />

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Stärken stärken. Lernen lernen.<br />

Die innovative Schweizer Schule – elementar, einzigartig, erfolgreich.<br />

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Sommer 2<strong>01</strong>753


Service<br />

Juhui,<br />

ich gehe in den Chindsgi!<br />

Wie fühlt sich ein Kindergartenkind am ersten Tag? Wer wüsste das<br />

besser als unsere Autorin. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren als<br />

Kindergärtnerin. Den nachfolgenden Text hat sie für die Eltern ihrer<br />

Kindergartenkinder geschrieben. Text: Claudia Hartmann<br />

Heute!<br />

Du, heute gehts<br />

los, heute ist dein<br />

grosser Tag, hat<br />

Oma gesagt. Wie<br />

gross ist wohl so ein grosser Tag,<br />

grösser als ich? Weiss nicht.<br />

Auf jeden Fall ist mein Tag gross.<br />

Ich gehe das erste Mal. Nicht allein,<br />

nein, Papi geht mit. Warum weiss ich<br />

auch nicht. Aber Oma meint, vielleicht<br />

bist du ja um Papas Hand noch<br />

froh. Ich? Ich doch nicht. Ich kenne<br />

den Weg ja schon, weisst du, meine<br />

grosse Schwester ging auch dorthin.<br />

Die hat übrigens einen noch grösseren<br />

Tag, sogar einen wichtigen. Meiner<br />

ist gross, aber bei ihr, weisst du,<br />

bei ihr gehts echt los, sagt Opa, bei<br />

mir wahrscheinlich nur ein bisschen.<br />

Aber schön sei es, meint Oma, denn<br />

ich darf den ganzen Morgen spielen,<br />

basteln und singen.<br />

Das ist gut. Spielen, das kann ich,<br />

mach ich jetzt schon.<br />

Singen, okay, wenn Andrew Bond<br />

mitsingt, klappt das auch.<br />

Basteln? Ja, das mit Schere und<br />

Leim? Mama sagt immer, mach keine<br />

Seen mit dem Leim, das ist echt<br />

schwierig. Und Freude hatte sie auch<br />

nicht, als ich letzthin mit der Schere<br />

spielte, nachher waren nämlich ein<br />

paar Haare kürzer.<br />

Komm endlich, du kleine Quasselstrippe,<br />

es ist Zeit, ruft Papa.<br />

Mama ist schon unterwegs mit meiner<br />

Schwester, die, die den wichtigen<br />

Tag hat.<br />

Papa hilft mir. Ich weiss noch<br />

nicht recht, welcher Schuh an welchen<br />

Fuss kommt. Es stört mich<br />

auch nicht, wenn es andersrum ist.<br />

Es fühlt sich witzig an, verkehrt zu<br />

gehen. Aber Papa meint, am ersten<br />

Tag willst du doch mit den Schuhen<br />

richtig an den Füssen im Chindsgi<br />

auftauchen.<br />

Ach ja, das hab ich dir noch gar<br />

nicht verraten, ich gehe in den<br />

Chindsgi. Der ist gross und voller<br />

Spielsachen. Du, und meine grosse<br />

Schwester geht heute mit Mama in<br />

die erste Klasse.<br />

Sie hat mir heute Morgen verraten,<br />

dass Mama gar nicht mitkommen<br />

müsste. Sie kennt ja den Weg, die<br />

Gspänli und die Lehrerin, die hat sie<br />

ja auch schon oft gesehen. Und überhaupt,<br />

auf der Strasse wisse sie ja<br />

auch schon lange, wie sie gehen müsse.<br />

Schliesslich war der Polizist schon<br />

zwei Mal im Kindergarten, und auf<br />

der Chindsgireise war sie auch und,<br />

und, und.<br />

Da weiss ich plötzlich, warum es<br />

bei ihr ein wichtiger Tag ist, bei ihr<br />

gehts echt los. Sie weiss und kann<br />

schon so viel. Mein Tag ist gross, ich<br />

weiss noch wenig. Auf der Strasse<br />

war ich nur mit Mama oder Papa, da<br />

haben sie mich immer an die Hand<br />

genommen. Autos, ihr müsst jetzt<br />

auf mich aufpassen.<br />

Mit meinem Täschli, nigelnagelneu,<br />

weisst du, mein Gotti hat es für<br />

mich gemacht, mit einem Drachen<br />

drauf, der eine Prinzessin und einen<br />

Prinzen rettet. Schön knifflig, hat<br />

Gotti gemeint, aber es ist das schönste<br />

Täschli auf der ganzen Welt. Echt!<br />

54 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Also mit dem Täschli und «Lüchtsgi»,<br />

auch neu, und mit Papa, nicht<br />

neu, gehen wir auf den Weg. Mit<br />

Papa darf ich vorausspringen.<br />

Du, jetzt sind wir da.<br />

Viele sind da. Viele grosse und<br />

kleine Menschen. Endlich dürfen<br />

wir hinein. Schuhe ausziehen, Finken<br />

an, welcher gehört nur wieder<br />

an welchen Fuss? Und wo ist Papas<br />

Hand? Warum hat Oma gewusst,<br />

dass ich sie doch brauche?<br />

Im Chindsgi hat es viele Stühle;<br />

Mensch, einen riesigen Kreis. Und<br />

ausserhalb viele Beine, riesige, lange<br />

Beine. Wo ist Papa? Direkt hinter<br />

mir, zum Glück.<br />

Nur Spielsachen, von denen sehe<br />

ich keine, nur Beine. Womit spiele<br />

ich denn den ganzen Tag?<br />

Nach einer Weile geht Papa. Ich<br />

komme dir entgegen, sagt er und<br />

Mein grosser, wichtiger Tag<br />

beginnt. Ich kann schon viel,<br />

und jetzt gehts erst richtig los.<br />

gibt mir einen Kuss. Ich bin froh. Es<br />

wird ganz still. Ich schaue umher.<br />

Jetzt sehe ich die Spielsachen zum<br />

Spielen – und singen kann ich auch<br />

und das mit Schere und Leim kriege<br />

ich auch noch hin.<br />

Du, mein Tag beginnt. Mein<br />

gros ser, wichtiger Tag beginnt. Denn<br />

weisst du, ich kann schon viel, und<br />

jetzt gehts erst richtig los.<br />

Claudia<br />

Hartmann<br />

ist Mutter zweier erwachsener Kinder und<br />

arbeitet schon viele Jahre auf der<br />

Kindergartenstufe. Vieles hat sich in der<br />

Bildungswelt verändert, aber die Neugierde<br />

der Kinder, ihre Freude an Neuem ist<br />

geblieben. An ihrem Beruf gefällt ihr unter<br />

anderem, dass sie Kinder auf ihrem<br />

Lern- und Erfahrungsweg begleiten kann.<br />

SelfProtect<br />

Privathaftpflichtversicherung<br />

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15:12<br />

Genau jetzt<br />

merken Sie, dass Ihre Kleine<br />

schon Grosses bewirken kann.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>755<br />

Die Mitgliedsversicherer der Groupe Mutuel


Service<br />

Eintritt in den<br />

Kinder garten –<br />

alles, was<br />

Eltern wissen<br />

müssen<br />

Ernährung<br />

Plattform für Bewegung und<br />

Ernährung: www.radix.ch,<br />

Stichwort Elternbroschüren<br />

Zum Kindergartenstart<br />

Bücher<br />

Ein Überblick über Bilderbücher, die zusammen mit<br />

dem Kind angeschaut werden können, bietet die Webseite<br />

des Carlsen-Verlags: www.carlsen.de<br />

Ein tolles, prämiertes Buch über<br />

Zusammenleben und Freundschaft,<br />

das in Kindergärten gerne vorgelesen<br />

wird:<br />

Helme Heine: Freunde.<br />

Beltz-Verlag, 32 S., ca. 11 Fr.<br />

Webseiten<br />

www.ch.ch bietet weit gefächerte<br />

Informationen rund um<br />

den Kindergarteneintritt. Die<br />

Webseite ist eine Dienstleistung<br />

des Bundes, der<br />

Kantone und der Gemeinden.<br />

www.edk.ch ist die Webseite<br />

der Schweizerischen Konferenz<br />

der kantonalen Erziehungsdirektoren<br />

und bietet<br />

eine Übersicht über Harmos,<br />

Berichte und Studien rund um<br />

Schule.<br />

Ernährungspyramiden und vieles<br />

mehr: www.sge-ssn.ch<br />

Rezepte und Informationen:<br />

www.swissmilk.ch<br />

Ernährungsinformationen<br />

nach Alter:<br />

www.gesundheitsfoerderung.ch<br />

Stressbewältigung, Bewegung, Neuromotorik<br />

Bücher<br />

Holger Domsch et al.: Kinder im<br />

Stress. Wie Eltern Kinder stärken<br />

und begleiten.<br />

Springer-Verlag, 147 S.,<br />

E-Book ca. 20 Fr.<br />

Remo Largo: Das passende Leben.<br />

Was unsere Individualität<br />

ausmacht und wie wir sie leben<br />

können.<br />

Verlag S. Fischer, 480 S., ca. 28 Fr.<br />

Jesper Juul: Leitwölfe sein.<br />

Liebevolle Führung in der Familie.<br />

Beltz-Verlag,<br />

224 S., ca. 18 Fr.<br />

Studien, Links, Webseiten<br />

Splashy ist die wichtigste na -<br />

tio nale Studie zur Gesundheit<br />

von Vorschulkindern, die den<br />

Einfluss von Stress und<br />

Bewegung auf die psychische<br />

Gesundheit der Kinder<br />

untersuchte. Informationen:<br />

www.splashy.ch. Den<br />

Download gibt es hier:<br />

www.survey.unifr.ch,<br />

Stichwort: splashy<br />

Weitere Studien:<br />

www.kispi.uzh.ch, Stichwort:<br />

normale Entwicklung<br />

www.elternbildung.ch listet<br />

Elternbildungskurse auf zum<br />

Thema, wie man Kinder<br />

stressfreier begleiten kann.<br />

56 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Medienkonsum<br />

Bücher<br />

Bücher<br />

Eveline Hipeli: Medien-Kids.<br />

Bewusst umgehen mit allen<br />

Medien – von Anfang an.<br />

Beobachter-Verlag,<br />

224 S., ca. 33 Fr.<br />

Johnny Haeusler, Tanja Haeusler:<br />

Netzgemüse. Aufzucht und Pflege<br />

der Generation Internet.<br />

Aktualisierte und erweiterte<br />

Ausgabe. Goldmann Verlag,<br />

320 S., ca. 14 Fr.<br />

Antje Bostelmann: Digital genial:<br />

Erste Schritte mit neuen Medien<br />

im Kindergarten.<br />

Verlag Bananenblau,<br />

102 S., ca. 18 Fr.<br />

Emotionale Entwicklung<br />

Margrit Stamm: Lasst die Kinder<br />

los. Warum entspannte Erziehung<br />

lebenstüchtig macht.<br />

Verlag Piper,<br />

288 S., ca. 27 Fr.<br />

Gerhard Spitzer: Entspannt<br />

erziehen. Mit den Augen Ihres<br />

Kindes sehen.<br />

Verlag Ueberreuter,<br />

230 S., ca. 17 Fr.<br />

Webseiten<br />

www.ulladieeule.ch/ulla/<br />

über-die-autorin (enthält u. a.<br />

Materialien, wie mit Kindern<br />

über Medien gesprochen<br />

werden kann)<br />

www.jugendundmedien.ch<br />

www.schau-hin.info<br />

www.bag.admin.ch<br />

Stichwort: Medienkonsum von<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

(Informationsmaterial,<br />

Downloads, Studien)<br />

Webseiten<br />

Überblick über die Entwicklung<br />

der emotionalen Kompetenz:<br />

www.kindererziehung.com<br />

Wie Kinder den kompetenten<br />

Umgang mit Gefühlen lernen:<br />

www.familienhandbuch.de<br />

Yoga für Kinder<br />

Bücher<br />

Ursula Salbert:<br />

Ganzheitliche<br />

Entspannungstechniken<br />

für<br />

Kinder.<br />

Bewegungsund<br />

Ruheübungen,<br />

Geschichten und Wahrnehmungsspiele<br />

aus dem Yoga,<br />

dem Autogenen Training und der<br />

Progressiven Muskelentspannung.<br />

Verlag Ökotopia, 142 S., ca. 25 Fr.<br />

Ursula Salbert:<br />

Das<br />

Kinderyoga<br />

Spielebuch.<br />

Mit Maus und<br />

Biene nach<br />

Indien: Spannende<br />

Abenteuergeschichten,<br />

fantasievolle Yoga-Übungen und<br />

14 komplette Stundenbilder.<br />

Verlag Ökotopia, 136 S., ca. 20 Fr.<br />

Webseiten:<br />

www.derkleineyogi.ch<br />

Ursula Karven:<br />

Sina und die<br />

Yogakatze.<br />

Verlag<br />

Wunderlich,<br />

40 S., ca. 15 Fr.<br />

Übungsreihen für zu Hause gibts<br />

im Netz unter dem Stichwort<br />

Kinderyoga, Übungsreihen, z. B.<br />

www.yogarelations.ch oder<br />

www.kindergaerten-in-aktion.de,<br />

Stichwort: Yoga<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>757


Essay<br />

Eine Liebeserklärung an alle<br />

Frau Brauns dieser Welt<br />

Unsere Autorin erinnert sich an ihre glückliche Kindergartenzeit. Und stellt<br />

fest, dass im Chindsgi ihrer vier Buben vieles noch immer so ist wie damals.<br />

Text: Claudia Landolt<br />

Frau Braun war klein und<br />

rund. Ihre Haare waren<br />

grau und zu einem kleinen<br />

Dutt gebunden. Frau<br />

Braun hatte keine Kinder.<br />

Ich weiss nicht einmal mehr, ob sie<br />

in einer Partnerschaft lebte.<br />

In meiner Erinnerung hat sie<br />

etwas Nonnenhaftes, auf jeden Fall<br />

umgab sie eine Aura der Heiligen.<br />

Ich liebte sie heiss und innig. Sie war<br />

die Geduld in Person. Nie hat sie<br />

aufgeseufzt, weil ich mal wieder auf<br />

dem Weg getrödelt oder Heimweh<br />

nach meiner Mutter hatte.<br />

Frau Braun kochte gern. In regelmässigen<br />

Abständen durften wir<br />

Kinder im Kindergarten mittagessen.<br />

Es gab jeweils viele Transfette in<br />

Form von Fischstäbchen, nicht<br />

wenig Zucker in Form von Schokoladenpudding<br />

und Mayonnaise.<br />

Gurken gabs nur als Verzierung. Das<br />

erklärt zumindest teilweise, warum<br />

wir Frau Braun so ergeben waren.<br />

War man danach müde, durfte man<br />

sich kurz hinlegen, auf die jeansblauen,<br />

weichen Mätteli, die so gar<br />

nicht nach Kreide, Linoleum und<br />

Putzmitteln rochen.<br />

Auch im Kindergarten meiner<br />

Söhne gibt es solche Mätteli. Sie sind<br />

grün, rosa und gelb, mit Kissen und<br />

Plüschtieren ausgestattet, darüber<br />

ein Baldachin. Als ich meinen<br />

Jüngsten dorthin begleitete, verspürte<br />

ich an manchen Tagen den<br />

Wunsch, mich kurz hinzulegen, dort<br />

in dieser lauschigen Ecke.<br />

Ich stellte mir dann vor, wie ich so<br />

da liege, wie die DaZ-Lehrerin, die<br />

eben noch mit den Kindern einen<br />

Stofftierpinguin genäht hatte, sich zu<br />

mir setzt und mir eine Geschichte<br />

erzählt, die nur sie kennt. Ach, wie<br />

gemütlich! So schön ist es im Chindsgi<br />

meiner Söhne. Und dann ist da<br />

Frau Braun. Sie heisst natürlich<br />

anders, ist jünger, schöner und weltlicher,<br />

als es meine Kindergärtnerin<br />

jemals war. Aber auch Frau Braun<br />

2.0 ist die Sanftmut in Person.<br />

Meine Kinder waren im ersten<br />

Kindergartenjahr oft müde, ab Donnerstag<br />

nudelfertig und nicht immer<br />

bestens gelaunt. Sie sah darüber hinweg.<br />

Einer meiner Buben wollte im<br />

Kreis nicht mitsingen; sie störte das<br />

nicht. Sie registrierte vielmehr, dass<br />

der Junge – tatsächlich! – gerne aufräumt<br />

und zeichnet. So wurde mein<br />

Sohn zum Aufräumchef berufen –<br />

was er natürlich prima fand, denn so<br />

konnte er die anderen Kinder anleiten,<br />

was es zu versorgen gebe.<br />

Gefühlte 5000 Polizeibilder,<br />

Fahrzeugbilder und Hundebilder<br />

hat Frau Braun 2.0 wohl für meine<br />

Söhne ausgedruckt. Sie turnt, geht<br />

mit den Kindern in den Wald, bastelt<br />

Blätterkronen, backt an Weihnachten<br />

Guetsli und erfand den Hot<br />

Hamburger– ein kulinarischer<br />

Hy brid aus Hamburger und Hotdog,<br />

mit Augen aus Würstchenrädern<br />

und Pupillen aus Schokolade.<br />

An Tagen, an denen ein Termin<br />

den nächsten jagt und ich mir schon<br />

mittags wünsche, der Abend möge<br />

bald kommen, beame ich mich<br />

gedanklich in die Sandsteinhöhle,<br />

auf den Pferdewagen oder ins<br />

Motorboot, Stationen der Kindergartenreisen<br />

von Frau Braun 2.0. Ich<br />

glaube, im Universum meiner Kinder<br />

kommt sie direkt nach Globi,<br />

Yoda und Urmel.<br />

Neulich sagte mein Jüngster:<br />

«Mama, meine Plüschtiere haben<br />

mich am liebsten, dann dich und<br />

dann den Papa.» Ich bin sicher, Frau<br />

Braun 2.0 kommt an vierter Stelle.<br />

Hat sie Geburtstag, malt er ihr ein<br />

Bild. Eine Karte aus den Ferien muss<br />

sein, gerne aus Paris, ihrer Lieblingsstadt.<br />

Der am Waldrand entdeckte<br />

Stein geht an sie.<br />

Was ich gut verstehen kann. Sie<br />

nimmt die Kinder so, wie sie sind.<br />

Sieht sie als wunderbare und vollständige<br />

Wesen, die sie mit vier Jahren<br />

schon sind. Das Gefühl, bedingungslos<br />

angenommen und geliebt<br />

zu werden, es wird bei allen Frau<br />

Brauns dieser Welt mitgenährt.<br />

Claudia Landolt<br />

ist leitende Autorin bei Fritz+Fränzi,<br />

Projektverantwortliche dieser<br />

Kindergartenausgabe, Mutter von<br />

vier Buben und Yoga-Lehrerin. Sie<br />

wohnt mit ihrer Familie im Aargau.<br />

58 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten


Impressum<br />

Vielen Dank<br />

Finanzpartner<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

den Partnern und Sponsoren<br />

der Stiftung Elternsein:<br />

Hauptsponsoren<br />

Rozalia Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

Inhaltspartner<br />

Stiftungspartner<br />

17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 <strong>01</strong> <strong>01</strong><br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Evelin Hartmann (Stv. CR,),<br />

e.hartmann@fritzundfraenzi.ch<br />

Claudia Landolt, leitende Autorin<br />

c.landolt@fritzundfraenzi.ch<br />

Leo Truniger,<br />

l.truniger@fritzundfraenzi.ch<br />

Onlineredaktion:<br />

Leitung: Bianca Fritz,<br />

b.fritz@fritzundfraenzi.ch<br />

Irena Ristic, i.ristic@fritzundfraenzi.ch<br />

Verantwortlich für diese<br />

Kindergarten-Ausgabe<br />

Claudia Landolt<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Ruth Fritschi, Fabian Grolimund, Claudia<br />

Hartmann, Ruth Hoffmann, Kristin<br />

Hüttmann, Jesper Juul, Mikael Krogerus,<br />

Nadine Messerli-Bürgy, Virginia Nolan,<br />

Stefanie Rietzler<br />

Anzeigen<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Jacqueline Zygmont,<br />

j.zygmont@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 65<br />

Anzeigenadministration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur,<br />

www.partner-partner.ch<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich, www.13photo.ch<br />

Korrektorat<br />

Brunner AG, Kriens, www.bag.ch<br />

Auflage der regulären Ausgabe<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2<strong>01</strong>6)<br />

total verbreitet 1<strong>01</strong> 725<br />

davon verkauft 18 572<br />

Auflage dieser Kindergarten-Ausgabe<br />

55 000<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg, www.unifr.ch/iff<br />

Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz,<br />

www.lch.ch<br />

Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz,<br />

www.vslch.ch<br />

Jacobs Foundation,<br />

www.jacobsfoundation.org<br />

Elternnotruf, www.elternnotruf.ch<br />

Pro Familia Schweiz, www.profamilia.ch<br />

Elternbildung CH, www.elternbildung.ch<br />

Marie-Meierhofer-Institut für das Kind,<br />

www.mmizuerich.ch<br />

Schule und Elternhaus Schweiz,<br />

www.schule-elternhaus.ch<br />

Pädagogische Hochschule Zürich, www.phzh.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Pro Juventute, www.projuventute.ch<br />

Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />

und Väter SVAMV, www.svamv.ch<br />

Leiter Business Development & Marketing<br />

(Stv. Verlagsleitung): Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlagsadministration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Verlagsassistentin: Éva Berger,<br />

e.berger@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 67<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich,<br />

www.hfh.ch<br />

Kinderlobby Schweiz, www.kinderlobby.ch<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien, www.sikjm.ch<br />

Verband Kinderbetreuung Schweiz, www.kibesuisse.ch


Leuchtende<br />

Puzzlebälle<br />

Die 3D Puzzle-Bälle werden durch ein Händeklatschen zum coolen Nachtlicht! Der Leuchtsockel<br />

lässt den Ball von innen erstrahlen und dank unserer Easyclick-Technology passen alle<br />

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