11.08.2017 Aufrufe

01/2017 KiGa-Heft

Fritz + Fränzi

Fritz + Fränzi

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gesundheit & Ernährung<br />

>>> des Hirnforschers vom Institut<br />

für Bewegungs- und Neurowissenschaft<br />

der Deutschen Sporthochschule<br />

Köln legen nahe, dass die<br />

Gehirnaktivität sich verändert, wenn<br />

wir uns bewegen. «Körperliche Betätigung<br />

aktiviert den motorischen<br />

Kortex, der Bewegung und Koordination<br />

steuert», erklärt Schneider.<br />

Wenn wir uns auspowern, klettern<br />

oder balancieren, braucht der motorische<br />

Kortex alle Ressourcen des<br />

Gehirns – und entlastet damit den<br />

präfrontalen Kortex, jene Hirnregion,<br />

die uns befähigt, logisch zu denken<br />

und zu planen, Entscheidungen<br />

zu treffen und unsere Emotionen zu<br />

regulieren. Diese Entlastung bewirke,<br />

so Schneider, dass wir uns nach<br />

körperlicher Aktivität besser konzentrieren<br />

und fokussieren können.<br />

Schneider und sein Team gehören<br />

zu den wenigen, die diesen<br />

Effekt am Menschen nachweisen<br />

konnten. Der Hirnforscher will sich<br />

aber nicht missverstanden wissen.<br />

«Nicht Bewegung als solche macht<br />

uns intelligenter», sagt er, «sondern<br />

im Idealfall die erhöhte Aufnahmeund<br />

Konzentrationsfähigkeit, die<br />

sich nach Bewegung einstellt.» Und:<br />

Das mit dem freien Kopf, der besser<br />

aufnimmt, funktioniert nicht<br />

immer. Auch das zeigen Schneiders<br />

Experimente, bei denen die Probanden<br />

nach dem Sport kognitive Tests<br />

lösen. «Damit der Effekt eintritt»,<br />

sagt Schneider, «ist Spass an der<br />

Sportart die Voraussetzung – und<br />

eine körperliche Belastung, die<br />

weder als zu hoch noch als zu niedrig<br />

empfunden wird.» Wie lange die<br />

verbesserte Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit<br />

anhält, variiere<br />

von Mensch zu Mensch. Untersu-<br />

Bewegung macht den Kopf<br />

frei fürs Lernen.<br />

Und sie kann helfen,<br />

Inhalte besser zu verstehen.<br />

chungen dazu existierten nicht,<br />

Erfahrungen gingen von 30 bis<br />

120 Minuten aus.<br />

Eine Erfolgsgeschichte aus den USA<br />

Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass<br />

sich Bewegung auch langfristig auf<br />

unsere kognitive Leistung auswirkt.<br />

Im Buch «Superfaktor Bewegung»<br />

berichtet der US-Psychiater John<br />

J. Ratey über ein Schulsportprojekt<br />

in Naperville, Illinois, das ihn bewogen<br />

habe, seinen Bestseller überhaupt<br />

zu schreiben. Die Rede ist von<br />

der «Stunde null», einem freiwilligen<br />

Fitnesstraining, das in mehreren<br />

Highschools von Naperville angeboten<br />

wird. Frühmorgens, bevor der<br />

reguläre Unterricht beginnt, trainieren<br />

die Schüler während einer Stunde<br />

Ausdauer und Kraft in ihrem<br />

persönlichen Hochleistungsbereich.<br />

Das Ziel der «Stunde null», in den<br />

1990er-Jahren erstmals eingeführt,<br />

war ursprünglich, festzustellen, ob<br />

Sport hilft, die Schulleistungen der<br />

Kinder zu verbessern. Das tat er:<br />

Das Training machte die Schüler<br />

nicht nur fitter, sondern auch klüger.<br />

Von den Achtklässlern in Naper ville<br />

waren 1999 nur drei Prozent übergewichtig,<br />

während es im nationalen<br />

Durchschnitt der Altersgenossen 30<br />

Prozent waren.<br />

Im gleichen Jahr beteiligten sich<br />

Achtklässler aus Naperville mit<br />

230 000 Schülern aus aller Welt an<br />

der Testreihe TIMSS (Trends in<br />

International Mathematics and Science<br />

Study). Schüler aus China,<br />

Japan und Singapur liessen die Teilnehmer<br />

aus den USA weit hinter<br />

sich – mit Ausnahme der Achtklässler<br />

aus Naperville. Sie belegten den<br />

sechsten Platz in Mathematik und<br />

waren die Weltbesten in Naturwissenschaften.<br />

«Ich habe seit Jahrzehnten<br />

nichts gesehen», schreibt<br />

Ratey, «was so ermutigend und in -<br />

spirierend war wie das Programm in<br />

Naperville.»<br />

Bewegung macht den Kopf frei<br />

fürs Lernen – sie könne auch helfen,<br />

Inhalte besser zu verstehen, sagt<br />

Neuropsychologe und Mathematiker<br />

Hans-Christoph Nürk. Nürk gilt<br />

als Experte auf dem Gebiet der<br />

Embodied Cognition, was so viel<br />

wie «verkörperlichtes Denken»<br />

bedeutet. Hinter diesem Forschungszweig<br />

der Psychologie steckt<br />

die Idee, dass Gedächtnis durch eine<br />

Kopplung von motorischen Prozessen<br />

mit Sinnesreizen entsteht. Forscher<br />

konnten zum Beispiel nachweisen,<br />

dass im Gehirn eines Affen<br />

das Bewegungszentrum aktiviert<br />

wird, wenn er Artgenossen beim<br />

Klettern beobachtet, obwohl der<br />

beobachtende Affe sich nicht<br />

bewegt. «Das Gleiche geschieht in<br />

unserem Gehirn, wenn wir auf der<br />

Couch beim Fussball mitfiebern»,<br />

sagt Nürk. Seine Untersuchungen<br />

deuten darauf hin, dass viele kognitive<br />

Vorgänge untrennbar mit dem<br />

Körper verbunden sind.<br />

Mathe mit der Matte<br />

In Zusammenarbeit mit der Exzellenz-Graduiertenschule<br />

LEAD, dem<br />

Wissenschaftscampus Tübingen und<br />

der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg<br />

hat Nürk untersucht, wie<br />

körperliche Wahrnehmungen unser<br />

abstraktes Denken strukturieren.<br />

Ein gutes Beispiel dafür ist das Rechnen<br />

durch Fingerabzählen. «Viele<br />

Lehrer wollen ihre Schüler davon<br />

abbringen», sagt Nürk, «weil sie<br />

befürchten, dass die Kinder später<br />

ihre Finger brauchen, wenn sie 24<br />

und 38 zusammenzählen müssen.»<br />

Daten, die Nürk und seine Kollegen<br />

gesammelt haben, entkräften dies.<br />

Vielmehr, sagt Nürk, deuteten sie<br />

darauf hin, dass sich Kinder durch<br />

den Fingertrick eine gute Basis zum<br />

Verständnis einstelliger Ziffern erarbeiteten.<br />

So schnitten «Fingerrech-<br />

40 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!