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01/2017 KiGa-Heft

Fritz + Fränzi

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Erziehung & Kindergarten<br />

Frau Stamm, wie können Eltern ihr<br />

Kindergartenkind unterstützen?<br />

Indem sie sich auf den Rhythmus<br />

und die Bedürfnisse ihres Kindes<br />

einstellen. Für manche Mütter und<br />

Väter mag das «bünzlig» tönen, denn<br />

schliesslich fügen sich viele Kinder<br />

problemlos in die Agenda ihrer<br />

Eltern ein. Dennoch: Um sich an die<br />

neuen Strukturen zu gewöhnen,<br />

braucht ein Kind viel, viel Zeit.<br />

Was sind die grössten Herausforderungen<br />

für ein Kind beim Eintritt in<br />

den Kindergarten?<br />

Die Eingewöhnung in eine grosse,<br />

heterogene Gruppe und die Fähigkeit,<br />

sich zurückzuhalten, seine<br />

Bedürfnisse zu kontrollieren oder<br />

aufzuschieben und mit seinen Frustrationen<br />

umzugehen, stellen die<br />

grössten Aufgaben für ein Kindergartenkind<br />

dar. Manchmal kommen<br />

noch Schwierigkeiten bei den<br />

sprachlichen und motorischen<br />

Fähigkeiten hinzu. Diese Fähigkeiten<br />

sind die Basis für die Entwicklung<br />

eines guten Selbstwertgefühls,<br />

dank ihnen kann das Kind gut in<br />

einer Gruppe bestehen. Wenn es<br />

diesen Übergang schafft, wird es<br />

zukünftige herausfordernde Situationen<br />

gut und erfolgreich meistern<br />

können.<br />

Es gibt den Begriff «Kindergartenreife».<br />

Wann ist denn ein Kind kindergartenreif?<br />

Das Wort mag ich nicht so. Ich spreche<br />

lieber von «Kindergartenbereitschaft»,<br />

weil ich der Ansicht bin, dass<br />

Kriterien für den Kindergarteneintritt<br />

diskutiert werden sollten.<br />

Manche Eltern erhalten mit der<br />

Anmeldung in den Kindergarten ein<br />

Merkblatt, auf welchem steht, was das<br />

Kind schon können sollte. Das sorgt<br />

bei vielen Eltern für Verunsicherung.<br />

Ja, vor allem, wenn das Merkblatt als<br />

eine Art Forderungskatalog verstanden<br />

wird. Es kommt also sehr darauf<br />

an, wie man ein solches Papier formuliert.<br />

Ich wünsche mir zudem,<br />

dass man sich nicht erst bei der<br />

Anmeldung mit dem Kindergarteneintritt<br />

beschäftigt, sondern viel früher;<br />

in der Familie, der Spielgruppe,<br />

in der Kita und auch in der kinderärztlichen<br />

Praxis. Aus der Forschung<br />

wissen wir, dass die Weichen für<br />

einen positiven Kindergarteneintritt<br />

schon viel früher gestellt werden.<br />

«Lassen Sie Ihrem<br />

Kindergartenkind<br />

Zeit, sich an die<br />

neuen Strukturen<br />

zu gewöhnen.»<br />

Was sind denn die Kriterien der<br />

Kindergartenbereitschaft?<br />

Erstens: dass ein Kind lernt, mit<br />

anderen Kindern in einer grösseren<br />

Gruppe zurechtzukommen, ohne<br />

dass eine erwachsene Person ständig<br />

eingreifend oder unterstützend zur<br />

Stelle ist. Die Kinder müssen lernen,<br />

selber etwas auszutragen. Zweitens:<br />

die Fähigkeit, sich in diese Gruppe<br />

einzufügen. Lernen zu warten. Ein<br />

Bedürfnis aufzuschieben. Zu akzeptieren,<br />

dass man etwas anderes<br />

machen soll, als man selber gerade<br />

möchte. Drittens: ein gewisses Mass<br />

an Selbständigkeit. Ich höre aus Kindergärten<br />

immer wieder, dass es den<br />

kleineren Kindern Mühe bereitet,<br />

den Reissverschluss ihrer Jacke zuzuziehen<br />

oder die Schuhe anzuziehen.<br />

Das Anziehen ist im Kindergarten<br />

wichtig, weil die Kinder oft nach<br />

draussen gehen. Wenn das Kind diese<br />

Dinge einigermassen gut kann,<br />

wirkt das positiv auf sein Selbstbewusstsein.<br />

Wie können Eltern dabei helfen?<br />

Solche Dinge kann man bewusst und<br />

spielerisch üben oder das Kind dazu<br />

anleiten. Es ist wichtig, dass das Kind<br />

merkt, dass Mama oder Papa nicht<br />

alles für es tut. Natürlich weiss ich,<br />

dass Fertigkeiten wie Anziehen oder<br />

Zähneputzen im hektischen Alltag<br />

oft genau in jenen Momenten gefordert<br />

sind, in denen es schnell gehen<br />

muss. Genau deshalb sollte man das<br />

an freien Tagen mit dem Kind üben.<br />

Man täte ihm damit einen grossen<br />

Gefallen.<br />

Und was können Eltern tun, damit das<br />

Kind sich in einer heterogenen Gruppe<br />

anpassen lernt?<br />

Eltern sollten ihr Kind so erziehen,<br />

dass es lernt, seine Bedürfnisse in<br />

gewissen Zeiten unterzuordnen. Die<br />

Bedürfnisse eines Kindes sollten<br />

nicht dauernd im Zentrum stehen.<br />

Man sollte also nicht immer das tun,<br />

was das Kind gerade möchte. Eltern<br />

müssen sich bewusst sein, dass im<br />

Kindergarten Kinder aus den unterschiedlichsten<br />

Schichten und Kulturen<br />

aufeinandertreffen. Kinder, die<br />

sich sonst nie begegnen würden.<br />

Hinzu kommt: Es sind viel mehr<br />

Kinder als in der Kita oder in der<br />

Spielgruppe, manchmal bis zu 20,<br />

teilweise auch ältere Kinder.<br />

Seit der Stichtag des Kindergarteneintritts<br />

auf den 31. Juli vorverlegt wurde,<br />

stellen viele Eltern ihr Kind ein Jahr<br />

zurück. Was halten Sie davon?<br />

Wenn Eltern ihr Kind zurückstellen,<br />

müssen sie verschiedene Faktoren<br />

berücksichtigen. Ein zurückgestelltes<br />

Kind braucht eine anspruchsvolle,<br />

seinem Niveau entsprechende<br />

Betreuung, um so angeregt zu werden,<br />

damit es sich nicht langweilt.<br />

Zweitens ist es problematisch, wenn<br />

Eltern ihr Kind lediglich aufgrund<br />

eigener Bedürfnisse zurückstellen,<br />

etwa weil Betreuung und familiäre<br />

Organisation vor dem Kindergarteneintritt<br />

einfacher sind. Und drittens<br />

ist es kritisch, wenn Eltern ihr Kind<br />

16 Sommer 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten

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