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01/2017 KiGa-Heft

Fritz + Fränzi

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zurückbehalten, weil sie sagen, das<br />

Kind solle noch Kind sein, der Ernst<br />

des Lebens komme dann noch früh<br />

genug.<br />

Warum?<br />

Weil man nie weiss, wie schnell sich<br />

Kinder entwickeln. Manchmal ist es<br />

bereits nach drei Monaten so weit,<br />

dass es in den Kindergarten gehen<br />

könnte. Gerade in diesem Alter<br />

machen Kinder enorm viele Fortschritte,<br />

manchmal innert Wochen.<br />

Nun muss es aber ein Jahr warten.<br />

Das ist für nicht wenige Kinder entschieden<br />

zu lang.<br />

Fänden Sie denn eine flexible Einschulung<br />

besser?<br />

Ich betone immer wieder, dass der<br />

Kindergarteneintritt so flexibel ge ­<br />

staltet werden müsste wie etwa der<br />

Kitaeintritt. Das Kind sollte langsam<br />

in den Kindergarten eingewöhnt und<br />

so unterstützt werden, zum Beispiel<br />

durch ein grösseres Kind, das als<br />

Gotti oder Götti fungiert, ihm alles<br />

zeigt, hilft und ihm beiseitesteht.<br />

Eine langsame Angewöhnungsphase<br />

wäre gerade für unsichere oder<br />

schüchterne Kinder sehr positiv.<br />

In Ihrer FRANZ-Studie heisst es, dass<br />

der Kindergarteneintritt in der Regel<br />

ohne Probleme verläuft. Bei 52 Prozent<br />

der Kinder aber gebe es Dissonanzen.<br />

Welche sind das?<br />

Wer beim Kindergarteneintritt Probleme<br />

hat, hat diese schon viel früher<br />

entwickelt. Genau deshalb plädiere<br />

ich bezüglich der Kindergartenbereitschaft<br />

für einen bewussteren<br />

«Wer beim<br />

Kindergarteneintritt<br />

Probleme hat, hat<br />

diese schon viel<br />

früher entwickelt.»<br />

Umgang und eine kommunikative<br />

Arbeit. Die grössten Probleme beim<br />

Kindergarteneintritt sind sozialer<br />

Natur.<br />

Können Sie das ausführen?<br />

Schüchternheit oder Angst zum Beispiel<br />

vor einem älteren Kind. Oder<br />

dann gibt es Kinder, die enorm vorpreschen<br />

oder grob sind, andere<br />

Kinder schlagen, anrempeln oder<br />

beissen. Schliesslich gibt es auch die<br />

übertriebene Unselbständigkeit,<br />

hervorgerufen durch Überbehütung.<br />

Nennen Sie uns ein Beispiel.<br />

Die Unfähigkeit, im Kindergarten<br />

das Täschli zu suchen, etwas zu versorgen<br />

oder aufzuräumen.<br />

Gibt es weitere Schwierigkeiten?<br />

Dass sich Kinder emotional noch<br />

nicht so verhalten, wie es von einem<br />

vierjährigen Kind zu erwarten wäre.<br />

Dass sie beispielsweise nicht mehr<br />

aufhören zu schreien oder zu weinen,<br />

dass sie untröstlich sind, wenn<br />

sie etwas nicht bekommen, sich am<br />

Boden wälzen und gar nicht an ­<br />

sprechbar sind. Ich nenne das emotionale<br />

Retardierung, also eine verzögerte<br />

emotionale Entwicklung.<br />

Wie äussert sich diese sonst noch?<br />

Kinder können kaum warten, bis sie<br />

etwas bekommen, reagieren mit<br />

Wutausbrüchen. Tisch decken oder<br />

den Briefkasten leeren? Darauf<br />

haben sie keine Lust. Mit Kritik kommen<br />

sie schlecht zurecht und Misserfolge<br />

können sie kaum ertragen.<br />

Solches Verhalten ist im Kleinkindalter<br />

normal, aber ein vier- bis fünfjähriges<br />

Kind sollte ein gewisses<br />

Mass an Bewältigungsverhalten<br />

haben und seine Gefühle teilweise<br />

kontrollieren können.<br />

Wie merke ich, dass mein Kind<br />

emotio nal retardiert ist?<br />

Wenn es emotional nicht auf dem<br />

Niveau von anderen ist und kindlicher<br />

reagiert, als zu erwarten wäre.<br />

Ich bin keine Psychologin, aber ich<br />

denke, für ein knapp vierjähriges<br />

Kind ist Unzufriedenheit oder Wut<br />

als Reaktion relativ normal. Es muss<br />

erst noch lernen, zu warten. Von<br />

einem Fünfjährigen aber kann man<br />

dies erwarten. Diese Angaben sind<br />

mit Vorsicht zu geniessen: Kinder<br />

entwickeln sich im Vorschulalter<br />

enorm und sehr unterschiedlich.<br />

«Eltern sollten nicht<br />

immer das tun,<br />

was ein Kind gerade<br />

möchte.»<br />

Kinder sind verschieden.<br />

Natürlich. Es gibt verschiedene Temperamente.<br />

Ein ansprechbares, führbares<br />

und liebenswürdigeres Kind<br />

hat es im Kindergarten sicher einfacher<br />

als eines, das rebelliert, in Frage<br />

stellt, eigenwillig ist, nicht zuhört.<br />

Was kann Familien dann helfen?<br />

Eltern mögen Rezepte. Aber es wäre<br />

falsch, ihnen diese zu geben, denn<br />

dann würden sie anfangen, ihr Kind<br />

an diesen Massstäben zu messen. Ich<br />

plädiere dafür, eine gute Intuition zu<br />

entwickeln. Dann merkt man in der<br />

Regel schon, wo ein Kind steht.<br />

Wie entstehen diese Retardierungen?<br />

Unsere Daten und andere Forschungen<br />

zeigen, dass ein angemessenes<br />

Verhalten sich langsam entwickelt.<br />

Entsprechend müsste man das Verhalten<br />

früher angehen, in der Kita,<br />

der Spielgruppe, in der Familie oder<br />

bei den Hütepersonen.<br />

Und was kann man tun?<br />

Auf keinen Fall überreagieren. Es<br />

gibt immer mehr Interventionszentren<br />

für schwierige Kinder. Sie sind<br />

Ausdruck dessen, wie sehr man den<br />

Eltern den Therapieblick aufdrängt.<br />

Kein Wunder, wenn sie dann alles<br />

auslagern und wegen jeder Kleinigkeit<br />

in den Notfall gehen. Besser<br />

wären gute Beratungsstellen für<br />

Eltern mit niederschwelligen Angeboten,<br />

die aus einem sogenannt<br />

schwierigen Kind kein stigmatisiertes<br />

Kind machen. Denn das ist die<br />

grosse Gefahr unserer Gesellschaft:<br />

dass wir Kinder, die in Behandlung<br />

waren, langfristig abstempeln.<br />

Was können Eltern tun, wenn ihr Kind<br />

ausgesprochen schüchtern ist?<br />

Es gibt viele Kinder mit einer sehr<br />

starken Mutterbindung. Sie >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Kindergarten<br />

Sommer 2<strong>01</strong>717

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