Barftgaans August/September 2017
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FEUILLETON<br />
HEIDEWANDERERS GEBURTSTAG<br />
Ein Glückwunsch für Horst Hoffmann zum Siebzigsten<br />
„Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist.“<br />
Für den Geheimen Rat zu Weimar mochte auch das eigene Bild für die<br />
Zukunft wichtig gewesen sein – für Horst Hoffmann, den Heimatchronik-Gestalter,<br />
trifft die Aussage dennoch ohne Einschränkung zu. Von<br />
den 107 Jahren „Heidewanderer“, der zurzeit im 93. Jahrgang erscheint,<br />
wirkt er ab 1. Januar des kommenden Jahres seit 30 Jahren. Den Vertrag<br />
dafür unterschrieb er im <strong>August</strong> 1987, zu seinem 40. Geburtstag. Am<br />
Ende des <strong>August</strong>s <strong>2017</strong> wird er also doppeltes Jubiläum feiern können,<br />
denn jetzt wird er 70! Und er weiß es wohl: Man kann nicht leben ohne<br />
den Vergleich, den die Vergangenheit anbietet!<br />
Geboren im Jahr 1947 in Uelzen, nahm er nach dem Abitur sein „privates<br />
Studium generale“ in Angriff. Englisch, Geschichte, Frühgeschichte,<br />
Rechtsgeschichte, Geschichte der Naturwissenschaften…<br />
Ein Studium in den historischen Hilfswissenschaften<br />
gab es damals noch nicht. Eigentlich<br />
wollte Hoffmann mal in irgendeinem Archiv<br />
forschen und arbeiten. Es ist ein Glücksfall, dass er<br />
beim „Heidewanderer“ landete. Und ein ganz privates<br />
Archiv entstand über die vielen Jahre auch.<br />
Es war immer so: Wenn einer in der Allgemeinen<br />
Zeitung Informationen brauchte zu längst Vergangenem,<br />
dann war Hoffmann der richtige Mann.<br />
Dann befragten ihn auch die Jüngeren, die rasenden<br />
Reporter, die das Format Heimatbeilage sonst<br />
oft genug belächelten.<br />
Wie viele solcher Heimatbeilagen gibt es eigentlich<br />
in Niedersachsen? Herauszufinden waren<br />
in einer Bibliografie des Jahres 1971 ganze 31 Stück.<br />
Sie tragen so versinnbildlichende Namen „Am<br />
Webstuhl der Zeit“, „Unser Ostfriesland“, „Heimat<br />
am Meer“ oder „Feierabend an der Weser“. In Sachsen-Anhalt<br />
gibt es übrigens nur eine einzige solche<br />
Publikation: „Die Altmark-Blätter“ bei der Altmark-Zeitung;<br />
vor 27 Jahren von Horst Hoffmann<br />
ins Leben gerufen.<br />
Der Jubilar war über lange Jahre mein Kollege,<br />
und ich danke ihm eine gewisse Aufgeschlossenheit<br />
und Großzügigkeit. Er ließ mich über Hermann<br />
Kant schreiben – wo andere nur „Staatsdichter“<br />
schrien – und den neuesten Christa-Wolf-Roman besprechen.<br />
Er schickte mich los für ein Porträt seines Autors, der zufällig in meiner<br />
Heimat Thüringen wohnte. Er gab mir in seinem Blatt Raum, der die üblichen<br />
75 Zeilen der Tageszeitung weit überschritt, sodass man als Schreiber<br />
auch einmal tiefer eindringen konnte ins Thema, es beleuchten aus<br />
verschiedenen Blickwinkeln, auf dass mehrere Facetten zu funkeln begännen.<br />
Und Horst Hoffmann ist einer, der die Sprache hochhält! Das<br />
verbindet uns wohl immer noch am meisten, auch wenn sein Spott nicht<br />
immer nur nett ist und man sich einfach wehren muss! – Es gab eine<br />
Zeit, da kam der Mann am Morgen in die Redaktion und verteilte – nach<br />
gründlichem Studium der Zeitung – sein Zitronenbonbon. Für ein falsches<br />
Relativsatz-S, für den kenntnislosen Umgang mit „scheinbar“ und<br />
„anscheinend“, für den falschen Plural. Manche Kollegen ärgerten sich<br />
maßlos über den Schnitzer, aber gedruckt war nun mal gedruckt; andere<br />
beförderten die süß-saure Mahnung in den Papierkorb. Heute hat es<br />
Horst Hoffmann wohl aufgegeben, die vielen falschen „gleichzeitig“ und<br />
„zeitgleich“ zu monieren, die zahllosen inkorrekten grammatikalischen<br />
Formen – diese Schlamperei ist salonfähig und schon lange im Fernsehen<br />
angekommen, wo es auch schon mal „Tunnels“ heißt.<br />
Hoffmann brennt für das Format „Heidewanderer“, hat aber nebenher<br />
noch seinen eigenen Verlag gegründet, in dem im vergangenen Jahr beispielsweise<br />
drei Lyrikbände erschienen. Wer kümmert sich heute noch<br />
um Gedichte? Hoffmann tut es. Er geht ins Theater, erscheint auf jeder<br />
Vernissage von Kunstverein und BBK, ist aktiv<br />
im Museums- und Heimatverein und gibt dem<br />
jährlichen Heimatkalender ein Gesicht; das sind<br />
nur die offensichtlichsten Dinge, die mit seinem<br />
Namen verbunden bleiben werden.<br />
„Mit der langjährigen Verbreitung verschiedenster<br />
regionalgeschichtlicher und naturkundlicher<br />
Themen über die Tageszeitung hat Herr<br />
Hoffmann einen großen Beitrag zur Identifikation<br />
der Menschen mit ‚ihrem Landkreis‘ Uelzen<br />
geleistet“, sagte Landrat Heiko Blume, als er den<br />
Kulturpreis des Landkreises 2016/17 an Horst<br />
Hoffmann übergab. „Ihr Herz schlägt für diese<br />
Ihre Heimat und es gelingt Ihnen, das auf Ihre<br />
Leser zu übertragen“, so der Politiker weiter.<br />
„Im Grunde bin ich glücklich mit dieser Arbeit“,<br />
sagt Heidewanderer VIII., denn sieben<br />
zuständige Redakteure waren es vor ihm, „ich<br />
kann meine Neigungen leben und habe mit den<br />
unterschiedlichsten Fachdisziplinen zu tun. Und<br />
mit immer neuen Leuten obendrein.“ So hatte<br />
sich Horst Hoffmann Arbeit immer vorgestellt.<br />
Über die Frage nach einem Nachfolger will er<br />
nicht nachdenken. Vielleicht, weil das Ergebnis<br />
ernüchternd ausfiele? Auch, weil er immer Lösungen<br />
finden wollte und nicht Probleme definieren.<br />
Auf die Frage nach seinem Hauptcharakterzug antwortete George Tabori<br />
der FAZ einmal: Die Flucht in den Witz. Bei dieser Antwort denke ich<br />
immer auch an Horst Hoffmann. Obwohl Zeit für Witze nicht immer angebracht<br />
ist. Aber Spaß, wirklicher Spaß, kostet Mühe, braucht Klugheit<br />
und manch schmerzliche Erfahrung auch.<br />
„Alles Gewesene und Geschehene ist interessant, sofern nur zuverlässige<br />
Chroniken darüber erhalten sind“, wusste der russische Schriftsteller<br />
Nikolaj Gogol. Horst Hoffmann kümmert sich um solche Chroniken,<br />
ohne Gegenwart zu vernachlässigen. Dafür verdient er Dank. Und einen<br />
herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag am 26. <strong>August</strong>!<br />
<br />
[Barbara Kaiser]<br />
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