Courage, Mumm, Schneid
Credit Suisse bulletin, 1998/04
Credit Suisse bulletin, 1998/04
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das magazin der Credit Suisse<br />
august/september 1998<br />
BULLETIn 4<br />
<strong>Courage</strong>,<br />
<strong>Mumm</strong>,<br />
<strong>Schneid</strong><br />
Fünf Porträts zeigen: Mut tut gut<br />
Firmengeschichte<br />
Wider das<br />
Vergessen<br />
Standortqualität im Vergleich<br />
Diese Kantone<br />
sind volltreffer
Man ist, was man isst:<br />
Kantine im Zürcher Üetlihof, CREDIT SUISSE, 12.13 Uhr.
Inhaltsverzeichnis<br />
3<br />
Schwerpunkt<br />
4 Mut tut gut | Mutter <strong>Courage</strong> und ihre Nachahmer<br />
11 Firmengründung | Nur wer wagt, gewinnt<br />
14 Unternehmerinnen | Von Demut zu mehr Mut<br />
16 interview | Hugo Loetscher zur Vollkaskomentalität<br />
News<br />
18 Direct net | Jetzt im neuen Outfit<br />
Wohneigentum | Das Kraftpaket der CREDIT SUISSE<br />
ECash | Einkaufen per Mausklick<br />
19 Invest Game | Spielend zum Börsenkenner<br />
Bonviva ! | Der 100 000ste Kunde ist an Bord<br />
Economic Research<br />
20 Standortqualität | Die Kantone im Vergleich<br />
24 inflation | Wenn Geld zu Konfetti wird<br />
26 rosige aussichten | Europa hebt ab<br />
28 Unsere Prognosen zur Konjunktur<br />
29 Die asienkrise | Störfaktor für den Aufschwung<br />
31 Unsere Prognosen zu den Finanzmärkten<br />
Schauplatz<br />
32 Firmengeschichte | Die Suche nach der Wahrheit<br />
Service<br />
38 kmu-serie | Ihre Bankfiliale im Cyberspace<br />
40 euro | Die CREDIT SUISSE ist eurokompatibel<br />
Dieses Bulletin<br />
dreht sich um<br />
eine ritterliche<br />
Tugend: Mut.<br />
Magazin<br />
42 der grenzgänger | Andreas Vollenweider<br />
44 Geldfragen | Boxerin Christina Nigg stellt sich<br />
45 Auf zum lauf ! | CREDIT SUISSE-OL-Cup<br />
sportler des jahres | CREDIT SUISSE-Sport-Gala<br />
46 Balanceakt mit takt | Der Dirigent Matthias Bamert<br />
48 golf | Geschichte einer Leidenschaft<br />
Carte Blanche<br />
50 « i like to be in america» | Beat M. Fenner<br />
Inhalt<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
M
Schwerpunkt<br />
5<br />
Fünf Menschen,<br />
fünf lebenswege,<br />
fünf arten, mut zu zeigen:<br />
(im GegenUhrzeigersinn<br />
von oben rechts)<br />
nina Dorizzi,<br />
Peter Sauber,<br />
Anne-Marie Im HOf-Piguet, Frédéric<br />
Nicole und<br />
Lorenz KEiser.<br />
Was ist eigentlich Mut? Jede und jeder<br />
mag eine eigene Definition dafür haben.<br />
Schliesslich ist Mut in verschiedenen Ausprägungen<br />
anzutreffen. Wir sprechen von<br />
<strong>Courage</strong>, <strong>Schneid</strong>, Furchtlosigkeit, <strong>Mumm</strong><br />
oder Tapferkeit – und ver binden damit<br />
unterschiedliche Vorstellungen. Die folgenden<br />
fünf Porträts zeigen die Vielfalt rund<br />
ums Mutigsein. Da ist etwa die Zivilcourage<br />
einer Anne-Marie Im Hof-Piguet,<br />
der heute 82jährigen Waadtländerin. Im<br />
Zweiten Welt krieg brachte sie Flüchtlinge<br />
von Frankreich her über die Grenze in die<br />
Schweiz. Oder der Mut des Extremkletterers<br />
Frédérique Nicole, die Grenzen des<br />
Körpers auszudehnen. Oder der Lebensmut<br />
einer Nina Dorizzi, die wegen einer Kinder<br />
utlähmung zwölf Jahre in der Intensiv station<br />
Mut tut gut, meint das bulletin –<br />
und stellt Ihnen fünf<br />
couragierte Schweizerinnen<br />
und Schweizer vor.<br />
Von Andreas Thomann,<br />
Bettina Junker und<br />
Christian Pfister,<br />
Redaktion Bulletin<br />
verbringen musste und heute eine Kämpferin<br />
ist für die Rechte behinderter Menschen.<br />
Formel-1-Rennstallbesitzer Peter Sauber<br />
wiederum steht für die Unerschrockenheit,<br />
als Unter nehmer selbst gegen Widerstände<br />
hartnäckig ein Ziel anzupeilen. Und<br />
Kabarettist Lorenz Keiser hat sich Kühnheit<br />
zum Beruf gemacht; mit spitzer Zunge<br />
geis selt er die Missstände hierzulande. Ja<br />
was ist Mut ? Vielleicht finden Sie beim<br />
Lesen Ihre eigene Antwort.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
6<br />
« Fast hÄtte ich den bettel<br />
hingeschmissen»<br />
«Wie ein nichtschwimmer, der ins kalte<br />
wasser springt.» peter sauber<br />
über seine anfänge im autorennsport.<br />
Wie eine Autowerkstatt sieht es nicht aus<br />
im Untergeschoss der Sauber AG im zürcherischen<br />
Hinwil. Kein Benzingeruch in<br />
der Luft. Keine Öllachen am Boden. Alle<br />
Utensilien säuberlich aufgeräumt. In der<br />
Mitte der Halle sind die beiden Formel-1-<br />
Boliden aufgebockt. High-Tech pur. Eben<br />
erst sind die Maschinen aus Kanada eingetroffen,<br />
wo vier Tage zuvor der Grand<br />
Prix von Montreal stattgefunden hatte –<br />
eines der turbulentesten Rennen der letzten<br />
Jahre. Ein Crash jagte den andern. Pech<br />
für die Sauber-Piloten Jean Alesi und<br />
Johnny Herbert: Sie schieden beide früh<br />
aus. Eben falls aus Kanada eingetroffen ist<br />
das Begleitmaterial, verstaut in über siebzig<br />
Kisten. Ein logistischer Grossaufwand.<br />
Rund 160 Mitarbeiter sorgen mittlerweile<br />
dafür, dass die Sauber-Fahrzeuge Rennen<br />
für Rennen am Start stehen. Auf über 50<br />
Millionen Franken beläuft sich der jährliche<br />
Umsatz des Rennstalls – unglaubliche<br />
Dimen sionen in einem Land, welches über<br />
keinerlei Automobiltradition verfügt.<br />
«In meinem Büro suchen Sie vergeblich<br />
nach Trophäen. Die lagern alle im Keller»,<br />
meint Peter Sauber lachend. Der bescheidene<br />
Herr mit Glatze will so gar nicht in den<br />
schillernden Formel-1-Zirkus passen. Und<br />
doch hat wohl kaum einer so viel erreicht<br />
im Autorennsport wie er. 1970, im Alter von<br />
26 Jahren, beschloss der gelernte Elektromonteur,<br />
einen Rennstall zu gründen. Im<br />
Keller der elterlichen Wohnung baute er<br />
sein erstes Gefährt, einen zweisitzigen<br />
Sportwagen. «Das unternehmerische Risiko<br />
war ungleich grösser als das Risiko auf<br />
der Rennstrecke», sagt der Mann, der in<br />
den ersten Jahren selber am Steuer seiner<br />
Wagen sass. «Einzig in den Bergrennen beschlich<br />
mich jeweils ein ungutes Gefühl.»<br />
Doch der Totalschaden blieb aus. Mehr<br />
noch: Sauber gewann gleich in seinem<br />
ersten Rennjahr die Schweizer Meisterschaft.<br />
Eine Erfolgsserie nahm ihren Anfang.<br />
Als Draufgänger würde sich der Hinwiler<br />
dennoch nicht bezeichnen. «Meine Stärken<br />
liegen eher im Durchhaltewillen und in der<br />
Fähigkeit, mit seriöser Arbeit bei Partnern<br />
das Vertrauen zu gewinnen.» 1984 schaffte<br />
es Sauber, Mercedes zu einer Rückkehr<br />
ins Renn busi ness zu bewegen. Es folgte<br />
eine zehn jäh rige Zusammenarbeit mit vielen<br />
Höhe punk ten, darunter 1989 ein Doppelsieg<br />
im 24-Stunden-Rennen von Le Mans.<br />
«Vielleicht der schönste Erfolg in meiner<br />
Karriere.»<br />
Natürlich blieben Rückschläge nicht aus.<br />
«Situationen, wo ich den Bettel einfach<br />
hinschmeissen wollte, gab es viele. Was<br />
uns Mut gab zum Weitermachen, war die<br />
Einsicht, dass wir etwas Unmögliches geschafft<br />
hatten: in der Schweiz einen Rennstall<br />
zu betreiben.» Der kritische Unterton<br />
ist nicht zu überhören. Sauber seufzt: «Wir<br />
haben Mühe, qualifizierte Mitarbeiter zu<br />
finden. Nur wenige sind bereit, sich für ein<br />
sportliches Ziel einzusetzen und dafür halt<br />
manchmal mehr als üblich zu arbeiten.»<br />
Kritik auch an den hiesigen Gross banken<br />
und Versicherungen, für die ein Engagement<br />
in der Formel 1 kein Thema ist. «Vom<br />
gegenseitigen Nutzen einer Part nerschaft<br />
sind die Verantwortlichen zwar meist überzeugt.<br />
Doch fehlt ihnen der Mut, sich zu<br />
exponieren.» Halb so schlimm, denn fin anziell<br />
steht die Sauber AG schon seit Jahren<br />
auf gesunden Beinen. Und auch<br />
sport lich hat sich der Rennstall, mittlerweile<br />
in der sechsten Formel-1-Saison,<br />
der Spitze angenähert. Fehlt bloss noch<br />
der erste Grand-Prix-Sieg. «Im Jahr 2000<br />
sollte es soweit sein.»<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
7<br />
Nina Dorizzi, Eine KÄmpferin für<br />
die selbstbestimmung Behinderter<br />
Menschen: «Wer sich keine Ziele setzt,<br />
findet Auch keinen weg.»<br />
Zwei Papageien wachen über die Stube,<br />
mustern die Besucher mit ihrem Blick.<br />
Draussen legt die sommerliche Wärme<br />
Ruhe über das Aussenquartier von Winterthur.<br />
Nina Dorizzi sitzt im Rollstuhl vor<br />
dem Computer. Mit Blasen und Saugen<br />
meistert sie über zwei Schläuche das Textprogramm.<br />
Die braungebrannten Hände<br />
ruhen im Schoss. Ein Steuerungschip, ans<br />
Kinn geklebt, ermöglicht ihr das Navigieren.<br />
Sie schreibt an einem Bericht,<br />
nutzt das, was ihre schwere Krankheit<br />
unversehrt liess: ihren wachen Geist und<br />
den Mund.<br />
Nina Dorizzi ist sechzehn, als 1960 eine<br />
Grippewelle die Schweiz heimsuchte. Die<br />
junge Frau erkrankt. Gliederschmerzen,<br />
Zusammenbrüche und Atembeschwerden.<br />
Sie muss notfallmässig ins Spital. Die<br />
Diagnose: Kinderlähmung. Nina Dorizzi<br />
bleibt hospitalisiert. Zur Bewegungs losigkeit<br />
verurteilt. Es folgen zwölf Lebensjahre<br />
in der Intensivstation. «Ich musste<br />
mich damals entscheiden: leben oder<br />
sterben. Ich wählte das Leben.» Und das<br />
hiess kämpfen. Doch wie, wenn man ohne<br />
fremde Hilfe nicht auskommt ? «Wer sich<br />
keine Ziele setzt, findet auch keinen Weg.»<br />
Gedacht, getan. Ein mobiles Atemgerät<br />
ermög lichte Nina Dorizzi den Schritt nach<br />
draussen. Ihr Mann, mit dem sie<br />
seit 27 Jahren verheiratet ist, unterstützte<br />
sie dabei; mit ihm gründete sie eine Wohngemeinschaft<br />
für geistig und psychisch<br />
Behinderte. Selbstbestimmung forderte<br />
sie fortan für sich und andere Betroffene.<br />
Denn die Jahre im Spital hatten sie gelehrt:<br />
«Zuviel Betreuung macht ab hängig.»<br />
Selbstbestimmung. Das Thema beschäftigt<br />
sie noch heute. Das Geld, das Staat<br />
und Versicherungen für Behinderte ausgeben,<br />
fliesst meist in Heime und andere<br />
Institutionen. Dorizzi: «Die Behinderten<br />
sollten selber darüber verfügen dürfen.»<br />
Dieses Credo in der Öffentlichkeit zu ver<br />
treten, fordert Hartnäckigkeit – und Mut.<br />
Mut ? «Ja, davon kann man nie genug<br />
haben.» Gerade als Behinderte werde man<br />
darauf getrimmt, lieb zu sein und nie<br />
anzuecken. Nina Dorizzi eman zipierte sich<br />
aus dem unterwürfigen Verhalten. So or ganisierte<br />
sie 1979 die erste Behinderten <br />
demonstration der Schweiz.<br />
<strong>Courage</strong> ist auch jetzt gefordert, da Nina<br />
Dorizzi die SP im Winterthurer Gemeinderat<br />
vertritt. Damit sie an den Sitzungen<br />
teilnehmen kann, musste zuerst mal das<br />
Rathaus rollstuhlgängig gemacht werden.<br />
Noch sind solche baulichen Massnahmen<br />
die Ausnahme. «Als Behinderte erlebe ich<br />
Diskriminierung, Unterdrückung und Ableh<br />
nung hautnah.» Sie spricht davon, wie<br />
die meisten Läden, Restaurants oder<br />
Ausstellungen den Menschen im Rollstuhl<br />
verschlossen bleiben. Diese Mauern schüren<br />
Wut. Anders in München, schwärmt<br />
Nina Dorizzi: «Da sind Busse und U-Bahn<br />
voll rollstuhlgängig. Man bewegt sich als<br />
freier Mensch.»<br />
Mit einem Freund hat Nina Dorizzi 1994<br />
die «Stiftung für Behinderte in Russ land»<br />
gegründet. Über tausend Rollstühle hat<br />
sie bereits nach Russland verfrachtet. Mit<br />
dem Land verbinden sie familiäre Bande;<br />
ihre Grossmutter war Russin. Die Russen<br />
galten in den 50er Jahren wenig. Dass sie<br />
für ihre Vorfahren von ihren Kameraden in<br />
der ersten Klasse häufig verprügelt wurde,<br />
gereichte ihr zur ersten Lektion in Sachen<br />
Mut: «Obwohl ich die Kleinste war, wollte<br />
ich mir das eines Tages nicht mehr gefallen<br />
lassen. Ich prügelte zurück und hatte von<br />
da an Ruhe.» Sagt’s und lacht. Die Papageien<br />
stimmen freudig in ihr Lachen ein.<br />
Um die Stille in der Stube ist es für einen<br />
Augenblick geschehen. Und das passt weit<br />
besser zur lebendigen Persönlichkeit der<br />
Kämpferin Dorizzi, als Winterthurs sommerliche<br />
Beschaulichkeit.<br />
«Ich wählte das Leben»<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
8<br />
im zweiten weltkrieg plANTE<br />
Anne-Marie Im Hof-Piguet DIE FLUCHT<br />
jüdischeR kinder über die grüne<br />
grenze in die schweiz.<br />
Herbst 1940. Anne-Marie Piguet hat eben<br />
an der Universität Lausanne ihr Studium<br />
ab solviert. Im waadtländischen Schul dienst<br />
könnte sie eine Stelle antreten. Doch<br />
rundherum tobt der Krieg. Die junge Frau<br />
will nicht tatenlos zusehen. Sie verreist<br />
nach Frankreich, um für das Kin der hilfswerk<br />
des Schweizerischen Roten Kreuzes<br />
zu arbeiten. Es folgen zwei Jahre, die ihr<br />
ewig in Erinnerung bleiben werden.<br />
Mehr als ein halbes Jahrhundert ist<br />
seither verstrichen. Anne-Marie Im Hof-<br />
Piguet – sie heiratete kurz nach dem Krieg<br />
– bewohnt ein altes Haus in Köniz bei<br />
Bern. Die Vitalität der 82jährigen wirkt auf<br />
ihre Umgebung ansteckend. Im Gespräch<br />
mit ihr fällt häufig der Name «La Hille». In<br />
diesem baufälligen Schloss am Fusse der<br />
Pyrenäen richtete das Kinderhilfswerk 1941<br />
eine Kolonie ein. Seine Be wohner sind zur<br />
grossen Mehrheit Kinder deutscher und<br />
österreichischer Juden. «Trotz schwieriger<br />
Umstände lebte man wie in einer grossen<br />
Familie.» Doch dann, im August 1942,<br />
tauchen plötzlich französische Gendarmen<br />
auf. In zwei klapprigen Bussen führen sie<br />
alle Jugendlichen über sechzehn in ein Internierungslager.<br />
Nur dank dem resoluten<br />
Einsatz eini ger Rotkreuz-Verantwortlicher<br />
kommen die vierzig Leute wieder frei. Doch<br />
von nun an denken die Grösseren nur noch<br />
an Flucht.<br />
In dieser Zeit der Auflösung kommt<br />
Anne-Marie Piguet nach La Hille. Augenblicklich<br />
begreift sie den Ernst der Lage.<br />
«Ich war zwar nur ein kleiner Wurm, doch<br />
diesem Hitler, den man dauernd im Radio<br />
schreien hörte, dem wollte ich es zeigen.»<br />
Sie besinnt sich auf ihre Heimat, das Vallée<br />
de Joux. «Die Grenze besteht dort nur aus<br />
einem Mäuerchen, das sich durch den<br />
Wald schlängelt.» Noch im Sommer nutzt<br />
sie ihre Ferien, um das Gebiet auszukundschaften.<br />
Sie macht die Bekanntschaft<br />
von Victoria Cordier, einer jungen Französin,<br />
die für den Nachrichten dienst arbeitet<br />
und die Grenze oft passiert.<br />
Die erste Flucht ist auf September angesetzt.<br />
Der 18jährige Addy macht sich<br />
auf den Weg. Auf einer Odyssee durch halb<br />
Frankreich gelangt er ins Grenzdörfchen<br />
Chapelle-des-Bois. Ausserhalb des Dorfes,<br />
im Sperrgebiet, bewohnen die Cordiers<br />
ein Häuschen – der ideale Ort, um<br />
unbemerkt in den nahen Wald zu<br />
entkommen. Doch vor der Grenze wartet<br />
der Gy de l’Echelle, ein tiefer Einschnitt in<br />
den Felswänden. «Der Pfad war steil und<br />
schmal; mit einer Hand musste man sich<br />
am Fels, mit der andern an kleinen Bäumchen<br />
festklammern, um sich hochzu ziehen.<br />
Oben war man auf Schweizer Boden.»<br />
Das Unternehmen gelingt.<br />
Bis im Mai 1944 gelangen so rund zwölf<br />
Personen in die Schweiz. Wie durch ein<br />
Wunder kommt es zu keinen Zwischen fällen.<br />
«Mit ihren schlecht gefälschten Pässen<br />
wären die Kinder in einer Kontrolle sofort<br />
hängengeblieben.»<br />
Nach dem Krieg bleibt die couragierte<br />
Waadtländerin nicht untätig. «Die Ereignisse<br />
hatten mich für immer geprägt.» Sie<br />
engagiert sich in der Entwicklungshilfe.<br />
Und vor kurzem hat sie eine Akademie der<br />
Menschenrechte ins Leben gerufen. «Mut<br />
kann ich auch hier gebrauchen, wenn ich<br />
mit Unternehmern um Beiträge feilschen<br />
muss.» Aus der Zeit von La Hille hat die<br />
nimmermüde Kämpferin auch eine gesunde<br />
Portion Misstrauen gegenüber der<br />
offiziellen Politik mitgenommen. «Immer<br />
wieder beschleicht mich das ungute Gefühl,<br />
dass wir heute die Fehler von damals<br />
« Dem hitler<br />
wollte ich es zeigen»<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
9<br />
«Der Fels ist<br />
wie eine Partitur.»<br />
Dietikon bei Zürich. Der junge Mann mit<br />
dem Lockenkopf und den gewaltigen Unter<br />
armen macht einen etwas verlorenen<br />
Eindruck. Frédéric Nicole, genannt Fred,<br />
ist kein Stadtmensch. Sein Element ist der<br />
Fels. Vier bis fünf Tage pro Woche verbringt<br />
der Extremkletterer an steilen Wänden,<br />
übt neue Griffe und Bewe gungsabläufe,<br />
kämpft sich Zentimeter für<br />
Zen ti meter nach oben – als Hilfsmittel allein<br />
seine Muskelkraft. Sein Name ist<br />
längst ein Begriff in der internationalen<br />
Kletter szene, sein Niveau praktisch unerreicht.<br />
Doch solche Details entlockt man dem<br />
28jährigen Romand nur mit Mühe. «Ich<br />
klettere nicht für den Ruhm. Deshalb habe<br />
ich auch vor drei Jahren aufgehört, an<br />
Wett kämpfen teilzunehmen.» Fred Nicoles<br />
Motivation kommt von innen. Er ist verrückt<br />
nach Fels. Im Einklang mit der Natur<br />
seine eigenen Grenzen überschreiten, die<br />
Gesetze der Schwerkraft aushebeln – das<br />
ist es, was ihn antreibt. Unermüdlich ist er<br />
auf der Suche nach neuen Kletterlinien,<br />
ob im Wallis, in Texas oder Südafrika. Vor<br />
einem Jahr dann, im Handegg, im Berner<br />
Oberland, sieht er zum ersten Mal «Elfe»,<br />
die Route seines Lebens. «Fünfzehn<br />
Meter weit springt der Granitfels vor. Die<br />
Strecke verlangt viel Kraft und ein hohes<br />
Mass an Koordination. Ein Geschenk der<br />
Natur.» Elf Tage braucht Fred Nicole, bis<br />
er die Passage überwindet. Es ist die<br />
schwie rig ste Route, die ein Kletterer je<br />
geschafft hat.<br />
Nicoles Leidenschaft nahm ihren Anfang,<br />
als er dreizehn war. Mit seinem drei<br />
Jahre älteren Bruder François unternimmt<br />
er erste Kletterversuche in den Felsen von<br />
St-Loup bei Yverdon. «In der Schule war<br />
ich nie ein guter Sportler, doch die Kletterei<br />
faszinierte mich.» Fernab von der<br />
übri gen Kletterszene wagen die beiden<br />
Autodidakten immer schwierigere Routen.<br />
1987 – Fred ist damals sechzehn – überwinden<br />
die zwei den «Toit d’Auguste» bei<br />
Monaco, damals das Mass aller Dinge.<br />
«Die Kletterwelt war empört über diese<br />
‹Petits Suisses›, die man für Angeber<br />
hielt.»<br />
Mit 20 beschliesst Nicole, nur noch<br />
vom Klettern zu leben. «Wahrschein lich<br />
mei ne mutigste Tat. Es war ein Sprung<br />
ins Ungewisse. Doch ich wollte meinen<br />
eigenen Weg gehen – ohne Rücksicht auf<br />
gesellschaftliche Zwänge.» Und der Mut<br />
am Fels ? Nicole winkt ab. «Ich habe<br />
Hemmungen, hier von Mut zu sprechen.<br />
Schliesslich zwingt mich niemand zu diesen<br />
Taten. Zudem klettere ich bei längeren<br />
Passagen stets gesichert.» Dies war nicht<br />
immer so. In seinen ungestümen Jugendjahren<br />
probierte er auch den «Solo Intégral»<br />
aus, das Klettern ohne Sicherung.<br />
«Obwohl ich mich nur an Felswänden versuchte,<br />
die ich im Griff hatte, geschah<br />
eines Tages, was geschehen musste: Ich<br />
glitt aus. Mit knapper Not konnte ich mich<br />
mit der einen Hand an einer Felskante<br />
festkrallen.» Risiken geht er seither so<br />
wenig wie möglich ein. «Es gibt Kollegen,<br />
die beim Klettern vor allem den Kitzel<br />
suchen. Ich gehöre nicht dazu.»<br />
Könnte sich der Romand ein anderes<br />
Leben vorstellen als die Jagd nach immer<br />
neuen Routen ? Langes Schweigen. «Vielleicht<br />
würde ich mich der Malerei widmen.»<br />
Die Antwort erstaunt. Doch Nicole sieht<br />
viele Parallelen zwischen Kunst und Kletterei.<br />
«Unser Rohstoff ist der Fels – das<br />
Werk keines Bildhauers, sondern der Natur.<br />
Mein Ziel ist es, diesen Fels zu spüren,<br />
ihn zu lesen, wie ein Musiker eine Parti<br />
Fred Nicole, Extremkletterer,<br />
ist verrückt nach fels, und das<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
10<br />
« meist ruft gleich der<br />
anwalt an»<br />
mit scharfBlick erkennt der<br />
Kabarettist Lorenz Keiser die übel<br />
der zeit und scheut sich nicht,<br />
mit dem finger draufzuzeigen.<br />
Wer sein Gesicht nicht kennt, käme wohl<br />
nie auf die Idee, dass dieser struwwelpetrige,<br />
unscheinbare Fast-Vierziger sich mit<br />
den ganz Grossen dieses Landes anlegt.<br />
Doch wenn er dann so da sitzt und beim<br />
Nachmittagskaffee in seiner spitzbübischen<br />
Art allerlei Schwänke aus seinem<br />
Kabarettistenalltag auftischt, kann man es<br />
sich schon denken: Mancher verbale Schabernack,<br />
den er vorzugsweise mit Exponenten<br />
der hiesigen Wirtschafts- und Politszene<br />
und allzu devoten Kirchendienern treibt, ist<br />
den Geschmähten schon in den falschen<br />
Hals geraten. Die Rede ist von Lorenz, dem<br />
Keiser im Schweizer Kabarettistenadel.<br />
Den Unmut, welchen seine bissige<br />
Satire weckt, hat Lorenz Keiser schon oft<br />
zu spüren bekommen: «Meist ruft gleich<br />
der Anwalt an», erzählt er und zieht genüsslich<br />
an seiner Zigarette. Oder es hagelt<br />
böse Briefe. Immer wieder versuchten die<br />
Verunglimpften, ihn mit mehr oder weniger<br />
lautem Säbelgerassel Mores zu lehren: Eine<br />
Satire-Sendung wurde eine Stunde vor Ausstrahlung<br />
am Fernsehen auf Androhung<br />
einer Wirtschaftsgrösse abgesetzt, gegen<br />
einen weiteren Keiser-Beitrag wurde bei<br />
der TV-Beschwerdeinstanz UBI Protest<br />
ein gelegt, und mit seinem Kabarettstück<br />
«Der Erreger» trat Keiser 1992 gar eine<br />
Rechtsstreit-Lawine los. «Im Gegensatz<br />
zum Theater, wo die Leute die Geisselung<br />
von Missständen hören wollen, reicht im<br />
Fernsehen schon eine geringe Dosis Satire,<br />
und ich werde fast gelyncht», witzelt er.<br />
Seine Meinung öffentlich kundzutun, das<br />
habe bei ihm nichts mit Mut zu tun. Dass<br />
es manchmal heftige Reaktionen auf seine<br />
Arbeit gibt, liegt wohl in der Natur der<br />
Sache; schliesslich macht Keiser nichts<br />
anderes, als Tabus und Konventionen zu<br />
brechen. «Es ist mir klar, dass ich polarisiere,<br />
wenn ich jemanden durch den Kakao<br />
ziehe. Aber das Kabarett muss angriffig,<br />
polemisch und zuweilen ein bisschen verrückt<br />
sein; es ist meine Waffe gegen Stärkere,<br />
deren Tun für mich nicht über jeden<br />
Zweifel erhaben ist.» Die Drohgebärden als<br />
Antwort auf Keisers verbale Attacken haben<br />
ihn nie beirrt. Niemandem ist es bis heute<br />
gelungen, ihn das Fürchten zu lehren oder<br />
ihm gar einen Maulkorb zu verpassen.<br />
«Eine richtige Mutprobe war die Entscheidung,<br />
als Freischaffender von meiner<br />
Kreativität zu leben», erzählt er. Wenn Mut<br />
als Gegenteil von Ängstlichkeit verstanden<br />
werde, dann sei er schon ein mutiger<br />
Mensch. «Aber bewusst wird mir das nur,<br />
wenn die Leute mich fragen: ‹Wie hältst<br />
Du das nur aus, so ganz ohne Pensionskasse<br />
?›»<br />
Auch die Premieren verlangen Lorenz<br />
Keiser einiges an Mut ab. «Das mit dem<br />
Lampenfieber ist eine Leidensgeschichte.»<br />
Schon Stunden vor dem Auftritt ziehe<br />
sich sein Magen auf ein winziges Etwas<br />
zusammen. «Die Vorstellung, ich könnte<br />
den Faden verlieren, ist einfach grauenhaft!<br />
Aber dann der Applaus – das Grösste!»<br />
Und der ist ihm sicher. Auch mit seinem<br />
letzten Soloprogramm «Aquaplaning<br />
– eine Spritzfahrt durch die Pfützen des<br />
freien Markts» hat der mit allen Wassern<br />
gewaschene Dramaturg sein Publikum<br />
nicht im Regen stehenlassen.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
11<br />
Für Unternehmensgründer<br />
gilt von Amerika bis Zentralasien<br />
das gleiche:<br />
Nur wer<br />
wagt,<br />
gewinnt<br />
Von André Kühni, Economic Research<br />
Die Schweizer Wirtschaft erlebt zurzeit<br />
einen veritablen Firmengründungsboom.<br />
Im vergangenen Jahr liessen sich in unserem<br />
Land fast 30 000 Unternehmungen<br />
neu ins Handelsregister eintragen – ganze<br />
zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Der Saldo<br />
zwischen neueingetragenen und gelöschten<br />
Unternehmungen lag mit einem<br />
Drittel mehr gegenüber 1996 gar im Rekordbereich.<br />
Auch im laufenden Jahr<br />
scheint die berufliche Selbständigkeit<br />
nichts von ihrer Anziehungskraft verloren<br />
zu haben. Bis Ende Mai lagen die Neugründungen<br />
erneut fünf Prozent über den<br />
Vorjahresvorgaben. Und fast die Hälfte<br />
aller Neufirmen entstanden 1997 im<br />
Dienstleistungssektor.<br />
Firmenneugründungen sind aber noch<br />
kein Hinweis auf eine gesunde, wettbewerbsfähige<br />
und effiziente Volkswirtschaft.<br />
Kehrseite der Medaille bilden die<br />
Insolven zen von Privatleuten und die Firmenkonkurse;<br />
denn der Mut führt nicht<br />
selten in den Ruin. Zwar zeigt sich hier in<br />
jüngster Zeit eine Beruhigung. Die Schadensumme<br />
allerdings, die Firmenaufgaben<br />
der Volkswirtschaft zugefügt haben, ist<br />
innert weniger Jahre auf das Doppelte angewachsen.<br />
Die Hauptgründe für die Konkurse<br />
sind zunehmend aufgebrauchte Reserven,<br />
die langanhaltende Durststrecke<br />
im Baugewerbe sowie die Strukturbereini<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
12<br />
Start-up-Programm der CREDIT SUISSE<br />
Wie in den meisten anderen europäischen Ländern kommt der Finanzierung über<br />
Bankkredite für die kleinen und mittleren Unternehmungen auch hierzulande eine<br />
grössere Bedeutung zu. Den besonderen Bedürfnissen von Start-up-Firmen<br />
kommt die CREDIT SUISSE mit einem speziellen Kompetenzzentrum entgegen:<br />
Es bietet Beratung, Evaluation und Begleitung von Projekten. Die CREDIT SUISSE<br />
unterstützt die Firmen umfassend mit Bank- und Versicherungsleistungen zu<br />
markt gerechten Preisen. Da in der Startphase oftmals existenzgefährdende Probleme<br />
auftreten, offeriert das Programm zusätzlich eine Managementbegleitung<br />
durch Treuhänder und erfahrene Manager.<br />
Die Banken arbeiten auch bei der Finanzierung von Start-ups, die im Vergleich<br />
zu etablierten Firmen ein höheres Verlustrisiko bieten, mit Geldern, die ihnen<br />
Gläubiger zur sicheren Anlage anvertraut haben. Bankkredite sind also kein<br />
Risiko kapital. Sie können deshalb erst bei Vorliegen von marktfähigen Produkten<br />
über haupt ins Auge gefasst werden. Von der eigentlichen Idee bis zur Marktreife<br />
eines Produktes sind andere Finanzierungsformen wie Lieferantenkredite, eigenes<br />
Kapital oder Darlehen von Privaten vorzuziehen.<br />
gung in der Wirtschaft. Dazu kommen<br />
Ursachen, die bei den Firmen selbst zu<br />
suchen sind, wie beispielsweise eine zu<br />
optimistische Planung, Fehler in der Rechnungslegung,<br />
Unkenntnis der Märkte, Produktefehler<br />
oder ein unzureichendes Kreditmanagement.<br />
Das grosse Interesse an einer selbständigen<br />
wirtschaftlichen Tätigkeit beruht<br />
nicht immer auf dem gestärkten Mut,<br />
sondern geht oftmals mit den akuten Problemen<br />
auf dem Arbeitsmarkt einher.<br />
Noch 1980 erreichte die Zahl der selbständig<br />
Erwerbstätigen in unserem Land<br />
einen Tiefststand in den bisherigen historischen<br />
Aufzeichnungen. Erfahrungen aus<br />
dem Ausland lassen zudem vermuten,<br />
dass die besseren Konjunkturaussichten zu<br />
einer Abschwächung des Gründerbooms<br />
führen werden. Obwohl der Outsourcing-<br />
Trend, der Zwang zur Kunden nähe und<br />
Spezialisierung sowie die fortlaufende<br />
Inter nationa lisierung die Gründung von<br />
neuen Firmen unterstützen.<br />
Die Abschwächung der bisherigen Entwicklung<br />
ist durchaus wünschenswert,<br />
dürften in Zukunft doch vermehrt nur Firmen<br />
gegründet werden, hinter denen eine<br />
echte Unternehmensidee steckt – und<br />
nicht die Flucht aus einer wirtschaftlichen<br />
Notlage. Die Überlebensfähigkeit von<br />
neuen Firmen hängt entscheidend vom<br />
Know-how der Firmengründer sowie den<br />
Wachstumsaussichten des Marktes ab.<br />
Aber initiative Jungunternehmer kämpfen<br />
auch mit den bekannten Problemen von<br />
Start-up-Firmen: Die Kapitalbeschaffung<br />
und die Kontaktaufnahme mit potentiellen<br />
Kunden sind knifflig, und die hohe zeitliche<br />
Bean spruchung, die Opportunitätskosten,<br />
zum Beispiel der Verlust von Sozialversicherungsleistungen,<br />
sowie die schlechtere<br />
Zahlungsmoral der Abnehmer machen<br />
Jungunternehmern zusätzlich zu schaffen.<br />
Internationale Vergleiche zeigen indes,<br />
dass ein gewisses Mass an Widerständen<br />
der längerfristigen Gesundheit von Jungunternehmen<br />
förderlich ist. Tendenziell<br />
liegt die Überlebenschance von Neugründungen<br />
in der Schweiz deutlich über jener<br />
von Deutschland oder der Niederlande,<br />
die staatliche Fördermittel in grossem<br />
Aus mass ausschütten. Gerade in den Niederlanden<br />
ist bereits nach einem Jahr fast<br />
die Hälfte der neugegründeten Firmen<br />
wieder vom Markt verschwunden. Firmengründungen<br />
für sich allein sind deshalb<br />
kaum ein probates Mittel zur Bekämpfung<br />
der Arbeitslosigkeit. Dies zeigt sich auch<br />
in den Vereinigten Staaten, wo nur rund<br />
acht Prozent der Erwerbstätigen selbständig<br />
erwerbend sind. Damit liegt das Land<br />
der unbegrenzten Möglichkeiten deutlich<br />
unter dem EU-Durchschnitt von 12,7 Prozent<br />
und auch unter den 13 Prozent der<br />
Schweiz.<br />
Musterknabe USA, Sorgenkind Asien<br />
Die USA sind aber zweifellos die Vor zeigenation,<br />
wenn es um die Dynamik von Neugründungen<br />
geht. So ist das Verhältnis<br />
in luxemburg lauert der pleitegeier<br />
Übersicht über die prozentuale Zu- bzw. Abnahme der Insolvenzen inklusive Privatkonkurse<br />
zwischen 1993 und 1997:<br />
Dänemark<br />
–46.7<br />
Schweden<br />
–41.3<br />
Finnland<br />
–38.5<br />
Vereinigtes Königreich<br />
–31.8<br />
Norwegen<br />
–29.1<br />
Irland<br />
–28.8<br />
Niederlande<br />
–15.4<br />
Schweiz<br />
–12.6<br />
EU<br />
–5.7<br />
Griechenland<br />
48.7<br />
Deutschland<br />
68.0<br />
Luxemburg<br />
82.9<br />
% 50 -25 0 25 50 75<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
autor andré kühni<br />
stellt sich dem<br />
apfelschuss – der<br />
urform einer<br />
mut probe. doch<br />
mut allein genügt<br />
nicht für eine<br />
firmen gründung.<br />
zwischen jungen Unternehmungen und<br />
Konkursen in den USA rund eineinhalb<br />
Mal höher als in der Schweiz. Die in den<br />
USA herrschende hohe Risikobereitschaft<br />
sowohl bei Unternehmern wie auch bei<br />
Investoren tragen das Ihre dazu bei. Selbst<br />
amerikanische Privatleute investieren ihre<br />
Ersparnisse direkt in Start-ups, wobei das<br />
Misslingen durchaus auch mit einberechnet<br />
wird. Und was besonders wichtig ist:<br />
Ein Konkurs gilt in den USA nicht als<br />
lebenslängliches Stigma.<br />
Geradezu neidisch werden lässt einen<br />
die Fähigkeit amerikanischer Jungunternehmer,<br />
Arbeitsplätze zu schaffen. In den<br />
USA entstehen pro neugeschaffener Firma<br />
durchschnittlich zehn neue Arbeitsplätze<br />
– rund viermal mehr als in Europa.<br />
Zudem sind Unternehmensgründer in den<br />
USA zumeist gestandene Berufsleute mit<br />
er folg reicher Karriere und entsprechenden<br />
Mana gementkenntnissen. Das ist<br />
wohl auch der Grund, warum sich die<br />
Bran chenzuge hörigkeit von Neugründungen<br />
in den USA von jenen in Europa stark<br />
unterscheidet. Auf dem alten Kontinent<br />
wählen die meisten Menschen den<br />
Dienstlei stungs bereich mit seinen tiefen<br />
Eintrittsbarrieren und geringen Kapitalbedürfnissen<br />
für die berufliche Selb <br />
ständigkeit. Jenseits des grossen Teichs<br />
kommt dem verarbeitenden Gewerbe, wie<br />
Rohstoffabbau, Metallverarbeitung und<br />
Elek trizitäts gewin nung, mehr Bedeutung<br />
zu.<br />
Besonders wichtig sind Neugründungen<br />
für den Ausbau von aufstrebenden<br />
Volkswirtschaften. In Deutschland beispielsweise<br />
liegen die beiden neuen<br />
Bundes länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern<br />
mit ihren Firmengründungen<br />
pro<br />
bestehende Anzahl Unternehmungen landes<br />
weit in Führung. Auch in Polen geht<br />
nichts ohne die neuen privaten Firmen:<br />
Sie gene rieren am meisten neue Arbeitsplätze<br />
und beherrschen fast ganz den polnischen<br />
Aussenhandel. In Ungarn eröffnen<br />
vorab Amerikaner und Chinesen neue<br />
Unter neh mungen, während sich die Ein<br />
mehr firmengründungen in der Schweiz<br />
Jahr Anzahl neu- Veränderung Anzahl Firmen- Veränderung<br />
Verhältnis zwischen<br />
gegründeter gegenüber konkurse gegenüber Firmenkonkursen<br />
Firmen Vorjahr in % vorjahr in % und Neugründungen<br />
1994 24 263 8.7 4183 –6.0 5.8<br />
1995 26 349 8.6 3820 –8.7 6.9<br />
1996 27 071 2.7 4156 8.8 6.5<br />
1997 29 693 9.7 4552 9.5 6.5<br />
1998* 13 103 5.0 1900 4.2 6.9<br />
* Januar bis Mai<br />
heimischen auf die Beteiligung an diesen<br />
neuen Firmen beschränken.<br />
Anlass zur Sorge gibt hingegen die<br />
Ent wicklung in Südostasien. In Südkorea<br />
ist die Dynamik der Neugründungen im<br />
laufenden Jahr praktisch zum Erliegen<br />
gekommen. Dies ist um so bedenklicher,<br />
als ein Gross teil der Start-ups bisher in<br />
zukunftsträchtigen Bereichen wie Informatik<br />
und Telekommunikation gegründet<br />
wurden. Das Verhältnis von Neugründungen<br />
und Konkursen lässt die Zukunft in<br />
einem düsteren Licht erscheinen: Zunehmend<br />
tendiert die ses Mass gegen einen<br />
Wert von unter eins – was die Erosion<br />
der wirtschaftlichen Substanz des Landes<br />
bedeuten würde.<br />
Bei allen Unterschieden in den Rahmenbedingungen<br />
– eines ist in allen Ländern<br />
gleich: Wer sich beruflich selbständig<br />
machen will, braucht Mut. Für die Schweiz<br />
gilt dies noch ein bisschen mehr. Denn<br />
anders als in den USA gibt es hierzulande<br />
für das Scheitern einer Firmengründung<br />
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Schwerpunkt<br />
14<br />
Firmengründerinnen sind in der<br />
Schweiz eher rar. Frauen hätten<br />
eben keinen Mut, sagen die einen.<br />
«Im Gegenteil», meinen die andern.<br />
Von DeMut<br />
zu mehr mut<br />
von Bettina Junker, Redaktion Bulletin<br />
Irène Meier<br />
Anita Bäumli<br />
Seit die Rezession unser Land in die Mangel<br />
genommen hat und sich allenthalben<br />
die Angst um den Arbeitsplatz breitmacht,<br />
hat einer gut lachen – der Autor Norbert<br />
Winistörfer. Mit seinem Beobachter-Ratgeber<br />
«Ich mache mich selbständig», der<br />
die Bücher-Hitlisten im Nu gestürmt hat,<br />
landete er 1996 den grossen Coup.<br />
Der reissende Absatz von Winistörfers<br />
Dauerbrenner zeigt deutlich: Viele Menschen<br />
in der Schweiz spielen mit dem Gedanken,<br />
eine eigene Firma zu gründen.<br />
Und nicht wenige schreiten auch zur Tat.<br />
Doch Frauen scheinen von dieser Gründungseuphorie<br />
nicht viel zu halten. Trotz<br />
eines Anteils von 43 Prozent an den<br />
Erwerbs tä tigen stellen sie gerade mal ein<br />
knappes Drittel der Selbständigerwerbenden,<br />
und magere 18 Prozent der Vollzeitselbständigen.<br />
Auch an Existenzgründungskursen<br />
wie «Lust auf eine eigene Firma»<br />
an der ETH Zürich sucht man Frauen fast<br />
vergebens; vier von fünf Teilnehmern sind<br />
Männer.<br />
Die kümmerliche Vertretung der Frauen<br />
bei den Selbständigerwerbenden leuchtet<br />
nicht auf Anhieb ein. Häufig ist von<br />
Berufs frauen ja zu hören, dass die berüchtigte<br />
«gläserne Decke» ihre Karriere in der<br />
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Schwerpunkt<br />
15<br />
Männerwirtschaft behindert – als Selbständige<br />
könnten sie sich aller firmeninternen<br />
Benachteiligungen ein für allemal entledigen.<br />
Und Müttern fiele es mit einer<br />
flexibel gestaltbaren Tätigkeit leichter, Beruf<br />
und Familie unter einen Hut zu bringen.<br />
Anmut und Armut senken den Mut<br />
Woher also rührt nur die weibliche Unlust an<br />
der beruflichen Selbständigkeit ? Eine Erklärung<br />
läge auf der Hand: Frauen sind weniger<br />
mutig. «Keineswegs!» erhebt Irène<br />
Meier vehement Einspruch. Und sie weiss<br />
Bescheid. Die Unternehmerin und Mutter<br />
hat das erste Forum für beruflich selbständige<br />
Frauen Anfang Juni in Zürich mitorganisiert.<br />
«Hält man sich die Rahmenbedingungen<br />
vor Augen, wird deutlich: Frauen<br />
sind nicht mutlos; sie sind nur vernünftig.»<br />
Frauen sind tatsächlich finanziell häufig nicht<br />
auf Rosen gebettet und können bei Banken<br />
auch heute noch nur mit wenig Vertrauen in<br />
ihre Geschäfts tüchtigkeit rech nen. Mache<br />
sich eine Frau trotz dieser Widrigkeiten selbständig,<br />
zeige sie mehr Mut als ihr männlicher<br />
Kollege, so Irène Meier. Zumal es so<br />
gut wie keine Vorbilder gibt, die jungen Frauen<br />
das Unter neh mer tum schmackhaft machen<br />
würden. Natürlich liegt auch beim<br />
weiblichen Aus- und Weiterbildungsverhalten<br />
noch einiges im argen. Vielfach denken<br />
Frauen immer noch in traditionellen Mustern,<br />
was sie in ihrer Berufswahl stark einschränkt.<br />
Auch für Unternehmerin Anita Bäumli,<br />
die das erwähnte Forum aus der Taufe gehoben<br />
hat, ist die dürftige «Unternehmungslust»<br />
der Frauen keine Frage des mangelnden<br />
Mutes: «Die geschlechtsspezi fische<br />
Sozialisierung weckt bei Mädchen einfach<br />
nicht den Wunsch nach Selbstbestimmung.»<br />
Diese Ansicht teilt sie mit der selbständigen<br />
und erfolgreichen Unternehmensberaterin<br />
Elisabeth Michel-Alder, die im traditionellen<br />
Rollenbild der Frau den Grund allen Übels<br />
sieht. «Mit Bescheidenheit, Anpassungsfähigkeit<br />
und Liebenswürdigkeit kommt frau<br />
nicht weit. Ein Unternehmen gründen heisst,<br />
sich seine Umgebung selber schaf fen. Das<br />
haben Frauen nicht gelernt. Dazu kommt<br />
noch, dass Unternehmerinnen von der Gesellschaft<br />
geringere Anerkennung erfahren<br />
und überhaupt weniger belohnt werden als<br />
männliche Unternehmer. Eine selbständige,<br />
unabhängige und erfolgreiche Geschäftsfrau<br />
entspricht auch heute noch nicht dem<br />
landläufigen Idealbild einer Frau.»<br />
Überhaupt ist die berufliche Selbständigkeit<br />
für Frauen nicht sonderlich einträglich.<br />
Gemäss einer Studie der ETH können Frauen<br />
die Lohndiskriminierung, die sie be reits<br />
als Angestellte zu spüren bekommen, auch<br />
als Selbständige nicht abstreifen. 1995<br />
brachten es die weiblichen Selbstän digen<br />
auf spärliche 63 Prozent des jährlichen Bruttoerwerbseinkommens<br />
der vollzeiterwerbstätigen<br />
selbständigen Männer. So empörend<br />
dieser Befund ist – für Irène Meier sind die<br />
Gründe klar: «Frauen ma chen sich häufig in<br />
wenig wertschöpfungs in ten siven, personennahen<br />
Dienstleistungs bran chen mit geringem<br />
Wachs tums potential selbständig.<br />
Denn das entspricht am ehesten ihrer Ausbildung<br />
und beruflichen Erfahrung; ausserdem<br />
kommt der geringe Investitionsaufwand<br />
ihrem ohne hin schma len Budget entgegen.»<br />
Was auf Ärztinnen oder Anwältinnen nicht<br />
unbedingt zutrifft, gilt um so mehr für die<br />
unzähligen Ein-Frau-Betriebe im Gesundheits-,<br />
Schönheits- und Pflegebereich, die<br />
<strong>Schneid</strong>erin nen- und Gestaltungsateliers,<br />
die Schreib büros oder Eso te rikläden.<br />
Mut zur Andersartigkeit<br />
«Vollprofi-Berufsfrauen, die sich eine Existenz<br />
auf gebaut haben, sind durchschnittlich<br />
sicher ebenso erfolgreich wie männliche<br />
Unternehmer. Für das Gros der anderen, der<br />
Familienfrauen mit erwerbstätigem Partner,<br />
rentiert die selbständige Tätigkeit meist<br />
nicht. Ich bezeichne Frauen, die nur teilzeitig<br />
tätig sind und davon weder leben müssen<br />
noch können, nicht als echte Unternehmerinnen»,<br />
erklärt Norbert Winis törfer.<br />
Anderer Meinung ist da Anita Bäumli: «Wir<br />
müssen endlich mit dem Gründermythos<br />
auf räumen, dass nur ernstzunehmen ist, wer<br />
sich 150 Prozent beruflich engagiert.» Und<br />
Irène Meier ergänzt, dass Frauen sich eben<br />
eigene Unternehmensformen schaff ten, die<br />
ihrer Lebensrealität von Beruf und Familie<br />
entsprächen. «Meine Erfahrung hat gezeigt,<br />
dass wir auf diese Weise sehr erfolgreich<br />
sind. Und Frauen zeigen hier besonders<br />
Mut: Sie leben un konventionelle Formen von<br />
Selbständigkeit und Arbeitsteilung.»<br />
Frauen sind bessere Unternehmer<br />
Irène Meiers Worte machen Mut. Und den<br />
können Frauen auch brauchen. Noch heute<br />
sind sie nämlich weniger gut ins Er werbsleben<br />
eingebettet als Männer und verfügen<br />
auch gesellschaftlich und politisch über weniger<br />
Vernetzungen. Und Kontakte sind für<br />
Unternehmer nun mal das A und O. Solange<br />
Frauen nicht ihre angestammten Branchen<br />
verlassen und in Männerdomänen wie Technik<br />
und Naturwissenschaften vordringen,<br />
ziehen sie wahrscheinlich fi nan ziell weiterhin<br />
den kürzeren. Wenn eine Frau den Schritt in<br />
die Selbständigkeit erst einmal gewagt und<br />
die Feuertaufe im Markt bestanden habe,<br />
dann sei sie aber die bessere Unternehmerin<br />
als ihre männlichen Konkurrenten. Davon ist<br />
Elisabeth Michel-Alder überzeugt. «Frauen<br />
agieren als Unternehmerinnen betriebswirtschaftlich<br />
einfach vernünftiger.»<br />
«Frauen haben mut,<br />
unkonventionelle<br />
formen von beruflicher<br />
selbständigkeit zu leben.»<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Interview:<br />
Christian Pfister,<br />
Redaktion Bulletin<br />
Was, wenn Gott<br />
Schweizer wäre ?<br />
SChriftsteller Hugo Loetscher zur<br />
Schweizer Vollkaskomentalität<br />
C.P. Wie würden Sie einem Kameruner, der unser Land nur dem<br />
Namen nach kennt, die Vollkaskomentalität erklären ?<br />
C.P. Ich würde ihm eine Geschichte erzählen. Und zwar ein<br />
Märchen von den Brüdern Grimm: «Die kluge Else».<br />
Als Elses Bräutigam bei ihr zu Hause auf Besuch kommt, schickt<br />
sie ihr Vater in den Keller, um Bier zu holen. Weil Else auf sich<br />
warten lässt, wird die Hausmagd nachgeschickt; auch sie bleibt<br />
im Keller. Das gleiche passiert in der Folge mit dem Knecht und<br />
der Mutter. Als Elses Vater selber nachschaut, findet er alle im<br />
Keller am Weinen. Else hatte nämlich an der Kellerdecke einen<br />
lockeren Haken hängen sehen. Nun sinniert sie: «Was passiert,<br />
wenn ich ein Kind bekomme und es mal in den Keller schicke, um<br />
Bier zu holen ? Was, wenn der Haken sich löst und das Kind tötet<br />
?» Dieses Szenario bringt alle zum Schluchzen. Das ist typisch<br />
schweizerisch. Obwohl noch gar nichts passiert ist, denken wir wie<br />
die Figuren im Märchen an alle möglichen Horrorszenarien. Wir<br />
sind Weltmeister im Ausmalen von Eventualitäten. Und das bremst<br />
unseren existentiellen Elan.<br />
H.L. Dazu passt, dass die Schweizer hinter Japan das bestversicherte<br />
Volk sind. Auch ein Zeichen für Mutlosigkeit ?<br />
H.L. Ich habe mir erlaubt, Grimms «kluge Else» für einen eigenen<br />
Essay zu adaptieren. In meiner Version gesellt sich noch ein<br />
Schweizer zur Runde der Weinenden und fängt an, weitere<br />
mög liche Malheurs auszumalen – er spricht von Feuersbrünsten<br />
oder der Maul- und Klauenseuche. Das ist dann der, der die Rückversicherung<br />
erfindet. Das Ganze ist eine Art Schicksalsbeschwörung,<br />
um nicht in etwas einsteigen zu müssen, weil dies ein Risiko<br />
beinhalten würde. Schweizer sind nur allzu gerne<br />
bereit, vorweg im Kleinen zu leiden, um nicht im Grossen leiden zu<br />
müssen.<br />
Christian Pfister Einst bezeichneten Sie die Schweizer Mentalität als<br />
Konsequenz «ausgeklügelter Naivität» und «berechnender<br />
Bescheiden heit». Hat sich an dieser Einschätzung etwas verändert ?<br />
Hugo Loetscher Was heute auffällt, ist die ungeheure Angst vor<br />
jeglicher Veränderung. Nehmen wir etwa die Europafrage. Hier<br />
schlägt ein Beharrungswillen und ein Sicherheitsdenken durch,<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt<br />
17<br />
das für unsere Gesellschaft zum Problem wird. Wir wollen uns<br />
nicht stören lassen. Und zwischen dem, was wir leben, und dem<br />
was Realität ist, exisitiert eine grosse Diskrepanz.<br />
C.P. Wie das ?<br />
C.P. Im Kopf haben wir immer noch die Vorstellung, die Schweiz<br />
sei ein Agrarstaat. Wir sind aber eine Industrienation mit alpinen<br />
Träumen. Drei Viertel der Bevölkerung leben in Städten oder deren<br />
Agglomerationen. Nehmen wir das Tessin. Ich bin<br />
sicher, dass den meisten abgelegene Täler und charmante Rustici<br />
in den Sinn kommen, wenn wir über diesen Landesteil reden.<br />
Doch das Tessin ist der am weitesten urbanisierte Kanton überhaupt.<br />
Wir leben nur Variationen im Vergleich zum Ausland. Der<br />
Sonderfall Schweiz existiert nicht. Sowenig es angehen kann, uns<br />
für unsere Eigenart hochzujubeln, sowenig ist es aber auch redlich,<br />
uns als die miesesten Kreaturen darzustellen. Die Wahrheit über<br />
uns ist viel unspektakulärer: Wir sind im Guten wie im Schlechten<br />
Durchschnitt – und so gesehen durchaus europatauglich.<br />
H.L. Braucht es denn keinen Mut, in Europa einen eigenen Weg zu<br />
gehen ?<br />
H.L. Mut bräuchte es, sich Europa zu öffnen. Aber verstehen Sie<br />
mich recht: Ich bin nicht für ein Europa in Aufhebung der Schweiz.<br />
Ich bin dafür, dass die Länder, die in Europa mittun, sich neu definieren.<br />
Das würde für uns bedeuten, ständig unsere eigene Art zu<br />
überdenken und sich mit Neuem und Fremdem auseinanderzusetzen.<br />
H.L. Bedeutet das kein Verlust ?<br />
C.P. Die europäische Kulturgeschichte ist eine unentwegte<br />
gegenseitige Beeinflussung der Länder und Völker. Kultur ist<br />
nichts Nationales. Unsere wichtigsten Probleme sind die gleichen<br />
wie die in anderen Nationen Europas. Dass eine Integration auch<br />
mit Verlusten verbunden sein kann, ist klar. Und ich fände es<br />
schrecklich, wenn alle Länder ihre Eigenart opfern würden und<br />
alle nur noch gleich dächten. Doch diese Gefahr besteht nicht.<br />
C.P. Was macht Sie so zuversichtlich ?<br />
H.L. Ein Beispiel: Wir messen in der Schweiz in Kilo und<br />
Metern. Vor 130 Jahren entbrannte darüber noch eine leidenschaftliche<br />
Diskussion. Sie können sich gar nicht vorstellen, was<br />
es brauchte, bis ein Pfund in allen Kantonen auch 500 Gramm<br />
bedeutete. Damals konnte man aufgrund der Masse noch einen<br />
Aargauer von einem Thurgauer unterscheiden, weil ein Pfund mal<br />
435 Gramm, mal 453 Gramm schwer war. Im Wallis wurde damals<br />
sogar gegen das Zehnersystem gewettert, weil es nicht der Natur<br />
des Menschen entspräche. Viele empfanden die Vereinheitlichung<br />
der Masse als Verlust an Eigenart. Dies erinnert mich an die heutige<br />
Europadiskussion. Dabei wird vergessen: Trotz Vereinheitlichung<br />
führten gleiche Masseinheiten nie zu einem kulturellen<br />
Einerlei.<br />
C.P. Der Schriftsteller Carl Spitteler hat behauptet: Hätten wir<br />
Schweizer die Alpen selber erschaffen, sie wären nicht so hoch<br />
ausgefallen. Teilen Sie seine Ansicht ?<br />
C.P. Es gibt in der Demokratie einen grundsätzlichen Konflikt:<br />
Über grosse Leistungen lässt sich nicht demokratisch befinden.<br />
Alle schöpferischen Leistungen sind nicht eine Frage der Mehrheit,<br />
sondern des Individuums. Wir müssen begreifen, dass es<br />
Momente gibt, in denen die Demokratie nicht mehr spielt.<br />
H.L. Haben Sie ein Beispiel ?<br />
H.L. Nehmen wir die Kunst. Sobald ich sage, die Mehrheit will<br />
das und das, töte ich das Schöpferische. Eine Kunstkommission<br />
nach politischen Kriterien zusammenzusetzen wäre fatal. Man<br />
muss begreifen, dass Kultur ein Gegengewicht darstellt, etwas,<br />
welches das Selbstgefällige in Frage stellt. Hier hapert es in unserem<br />
Land an Verständnis. Das führt zum Braven, Mittelmässigen<br />
und Schwerfälligen. Wir sind selbstzufrieden. Carl Spitteler lag mit<br />
seinem Bonmot durchaus richtig. Lassen Sie es mich mit einem<br />
meiner Essays erkären. Dort hiess es: «Wenn der liebe Gott<br />
Schweizer gewesen wäre, würde er heute noch auf den richtigen<br />
Moment warten, um die Welt zu erschaffen.»<br />
C.P. Sind wir wirklich solche Schlafmützen ?<br />
H.L. Die Geschichte der Schweiz ist nicht nur eine Geschichte<br />
der Mutlosen. Es ist allerdings ein Unterschied, ob man Ordnung<br />
als etwas Veränderbares ansieht oder als etwas Gottgegebenes.<br />
Wir tendieren leider zu zweitem. Unsere Bundesverfassung ist nur<br />
ein Hilfsmittel, das wir je nach historischer Situation wieder ändern<br />
können. Könnte ich die Verfassung umformulieren, würde ich die<br />
aktuelle Einleitung «Im Namen Gottes» durch «Im Namen der Revision»<br />
ersetzen – als Ausdruck einer Gesellschaft, die Veränderungen<br />
selbstbewusst gegenübertritt.<br />
C.P. Schriftsteller und Journalisten leben in einigen Ländern sehr<br />
gefährlich, weil das Aufdecken der Wahrheit für sie Tod und Verfolgung<br />
bedeuten kann. Braucht’s auch in der Schweiz Mut, die<br />
Wahr heit zu sagen ?<br />
H.L. Ich habe als Journalist erfahren, was es heisst, für eine unangenehme<br />
Berichterstattung seinen Job zu verlieren. Ver glichen<br />
mit Kolleginnen und Kollegen in Diktaturen ist das jedoch harmlos.<br />
Dennoch brauche ich als Schriftsteller Mut. Im Journalis mus ist die<br />
Rechtfertigung fürs eigene Tun gegeben – sie kommt aus<br />
der Aktualität. Journalisten arbeiten mit Argument und Gegen argument.<br />
Schriftsteller schöpfen hingegen aus dem Nichts. Wir<br />
machen etwas, das ungefragt ist. Mutig sind wir, indem wir uns an<br />
ein leeres Papier wagen, um eine neue Welt zu erschaffen.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
News<br />
18<br />
ecash – Einkaufen<br />
per Mausklick<br />
DIRECT NET in neuem Look<br />
Das Internet entwickelt sich<br />
in rasantem Tempo. Bereits<br />
heute spricht man von Webjahren;<br />
sie dauern gerade<br />
noch drei Kalendermonate.<br />
«Am Ball bleiben» heisst deshalb<br />
die Devise der CREDIT<br />
SUISSE. Seit dem 1. Juli<br />
1998 ist das DIRECT NET –<br />
das CREDIT SUISSE-Internet<br />
Banking – noch übersichtlicher<br />
und schneller geworden.<br />
Übersichtlicher dank der überarbeiteten,<br />
browserbasierten<br />
HTML-Version: Im neuen<br />
Weit winkel-Format erhalten<br />
Internet Banker alle Informationen<br />
auf einen Blick –<br />
und schneller dank neuen<br />
Navigationsmöglichkeiten.<br />
So stehen den Kundinnen<br />
und Kunden die wichtigsten<br />
Funktionen von DIRECT NET<br />
nach dem ersten Klick zur<br />
Verfügung. Wer seine Bankgeschäfte<br />
ohne Browser<br />
erledigen will, kann ab August<br />
auf die neue Banking-Anwendung<br />
in JAVA umsteigen.<br />
Mit dem Download dieser<br />
Applikation auf die Festplatte<br />
des PC kommen Anwender in<br />
den Genuss von schnelleren<br />
Res ponsezeiten, denn nur<br />
noch individualisierte Daten<br />
werden übers Internet ausgetauscht.<br />
Der Beitrag «Banking<br />
im Cyberspace» (BULLETIN,<br />
Seite 38) bringt einen aus -<br />
führlichen Überblick.<br />
Am 5. Juni 1998 hat die<br />
CREDIT SUISSE das elektronische<br />
Zahlungssystem ecash TM<br />
lanciert. Damit wird es möglich,<br />
im Internet einfach,<br />
sicher und anonym einzukaufen.<br />
In der Pilotphase können<br />
Internet Surfer bei ungefähr<br />
40 Firmen Waren bestellen<br />
oder Dienstleistungen<br />
nachfragen. Für die Überwachung<br />
und Abwicklung der<br />
Transaktionen ist die Swiss<br />
NetPay AG verantwortlich, ein<br />
Joint-venture zwischen der<br />
CREDIT SUISSE und der ECO-<br />
FIN AG. Eine zeitgemässe Verschlüsselungstechnik<br />
gewährleistet<br />
die Sicherheit der<br />
Daten. Und so funktioniert’s:<br />
Gegen Überweisung vom<br />
Bank- oder Postkonto an die<br />
Swiss NetPay AG wird dem<br />
Internet Shopper der entsprechende<br />
Wert an elektronischem<br />
Geld auf einem persönlichen<br />
ecash TM -Depot<br />
gutgeschrieben (maximal 5000<br />
Franken pro Monat). Von diesem<br />
Depot kann er nun nach<br />
Bedarf seine elektronische<br />
Geldbörse laden und per<br />
Mausklick bei allen Anbietern<br />
bezahlen, die ecash TM akzeptieren.<br />
Weil die Transaktionskosten<br />
niedrig sind, ist ecash TM<br />
auch für kleine Beträge geeignet.<br />
ecash TM steht Kundinnen<br />
und Kunden aller Schweizer<br />
Banken und der Post offen. Interessierte<br />
haben die Möglichkeit,<br />
sich über die Homepage<br />
der Swiss NetPay AG anzumelden<br />
(www.swissnetpay.ch).<br />
das doppelPaket für WOHN EIGENTÜMER<br />
Befassen Sie sich mit dem Erwerb<br />
oder dem Bau von<br />
Wohneigentum ? Möchten<br />
Sie Ihr Eigenheim renovieren<br />
oder ausbauen ? Dann ist es<br />
wichtig, von Anfang an mit<br />
den richtigen Partnern zu<br />
sprechen. Auf der einen Seite<br />
sind dies der Architekt und<br />
die verantwortlichen Handwerker<br />
– auf der anderen<br />
Seite aber auch die Spezialisten,<br />
welche Sie bei der<br />
Finanzierung und der Lösung<br />
der Versicherungsprobleme<br />
beraten.<br />
Seit dem Zusammenschluss<br />
der Winterthur-Gruppe mit<br />
der Credit Suisse Group<br />
stehen Ihnen jetzt zwei kompetente<br />
Partner zur Seite. Mit<br />
dem Produktepaket «Wohneigentümer»<br />
offerieren CREDIT<br />
SUISSE und Winterthur<br />
erstmals eine Palette hochstehender<br />
Produkte aus dem<br />
Bank- und dem Versicherungsbereich<br />
– von Bau krediten<br />
über Hypotheken bis zu Haftpflichtversicherungen.<br />
Damit<br />
erhalten Sie eine auf Ihre<br />
Bedürfnisse abgestimmte<br />
Lösung für den Kauf, den Bau<br />
oder den Ausbau von Wohneigentum.<br />
Kontaktieren Sie Ihre<br />
Beraterin oder Ihren<br />
Berater – sie helfen<br />
Ihnen gerne weiter.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
News<br />
19<br />
DER 100 000STE<br />
BONVIVA-KUNDE<br />
so werden sie SPIELEND<br />
ZUM BÖRSEN KENNER<br />
Vom 31. August bis 24. Oktober<br />
1998 findet das spannende<br />
INVEST GAME der CREDIT<br />
SUISSE statt, ausgezeichnet<br />
mit dem «Worlddidac Award».<br />
Die Teilnahme ist kostenlos,<br />
das Prinzip einfach: Die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer<br />
erhalten 250 000 Franken<br />
Spielgeld als Startkapital. Via<br />
Internet oder Telefon kaufen<br />
und verkaufen sie in- und ausländische<br />
Wertpapiere (Aktien,<br />
Optionen und Anlage fonds)<br />
und versuchen so, ihr Kapital<br />
zu mehren. Das Spiel ist realitätsnah<br />
ausgelegt. Börsenneulinge<br />
können die Möglichkeiten<br />
der Börse ohne jedes<br />
Risiko kennenlernen. Teilnehmer<br />
mit Börsenerfahrung haben<br />
Gelegenheit,<br />
auch gewagtere Börsentransak<br />
tionen zu testen ohne<br />
dabei Kopf und Kragen zu<br />
riskieren. Den besten winken<br />
wiederum attraktive Preise.<br />
Machen Sie mit!<br />
Die Anmeldung erfolgt<br />
über www.investgame.ch.<br />
Unter dieser Adresse finden<br />
Sie auch Antworten auf die<br />
meisten Fragen wie Spiel in formationen,<br />
die Spielbedingungen<br />
und die Valorenliste.<br />
Während des Spiels können<br />
Sie auf die Unterstützung<br />
unserer Spielleiter und Fachspezialisten<br />
zählen. E-Mail:<br />
spielleitung@investgame.ch<br />
Adresse: CREDIT SUISSE,<br />
INVEST GAME, CDMD10,<br />
Postfach 100, 8070 Zürich<br />
Das INVEST GAME können<br />
Sie bereits ab 17. August 1998<br />
testen. Sobald das<br />
richtige Spiel beginnt, werden<br />
sämtliche Depots auf<br />
250 000 Franken zurückgestellt<br />
und<br />
alle noch nicht ausgeführten<br />
Aufträge storniert.<br />
Unter dem Namen BONVIVA<br />
lancierte die CREDIT SUISSE<br />
im Mai 1997 ein neues Dienstleistungspaket<br />
für Individualkunden,<br />
das über den bisher<br />
gewohnten Bankservice<br />
hinausgeht. Kundinnen und<br />
Kunden, die 25 000 Franken<br />
und mehr bei der CREDIT<br />
SUISSE sparen oder anlegen,<br />
profitieren kostenlos von<br />
einem umfassenden Angebot<br />
an Bank- und Serviceleistungen<br />
sowie von Preisvorteilen<br />
in Restaurants, Hotels und<br />
bei Ferienreisen. Der Erfolg<br />
liess nicht lange auf sich<br />
warten. Nach einem Jahr profitierten<br />
bereits über 100 000<br />
Kundinnen und Kunden vom<br />
BONVIVA-Angebot. Am<br />
Apéro anlässlich des CREDIT<br />
SUISSE-Fashion-Events im<br />
Juni 1998 begrüsste Hans<br />
Ueli Keller, Mitglied der<br />
Geschäfts leitung, den<br />
100 000sten BONVIVA-<br />
Kunden mit einem Geschenk.<br />
Der Glückliche, Edwin Kunz<br />
aus Zürich, erhielt eine Wochenendreise<br />
für zwei Personen<br />
nach Stockholm im Wert<br />
von 2000 Franken. Zudem<br />
wurde Herr Kunz eingeladen,<br />
ein Wochenende die Tour de<br />
Suisse zu begleiten. Der<br />
99 999ste Kunde, Michael<br />
Vogt aus Cortaillod, erhielt<br />
eine Wochenendreise für<br />
zwei Personen in die Felsen-<br />
Therme Vals im Wert von 600<br />
Franken sowie eine Aktentasche<br />
von Porsche-Design<br />
im Wert von 1200 Franken.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
21<br />
VON DR.ROLAND FISCHER,<br />
ECONOMIC RESEARCH<br />
Angesichts der fortschreitenden Integra tion<br />
von Märkten und der zunehmenden globa len<br />
Ausrichtung zahlreicher Unternehmungen<br />
scheint es bisweilen paradox, dass in der<br />
Schweiz wesentliche Aspekte der wirtschaft<br />
lichen Rahmen bedingungen in den<br />
26 Kan tons haupt orten bestimmt werden.<br />
Der Um zug von Martin Ebners BZ-Bank<br />
von Zürich in die steuergünstigere Gemeinde<br />
Freienbach SZ hat jedoch einer<br />
breiten Öffentlichkeit wieder einmal vor<br />
Augen geführt, welche öko nomischen Anreize<br />
vom hierzulande stark ausgeprägten<br />
Föderalismus ausgehen. Es entspricht der<br />
heute vielgepriesenen Flexibilität, dass<br />
aufgrund von Verände rungen in der Standortqualität<br />
zahlreiche Unternehmen ihre<br />
Arbeitsstätten verlegen und Tausende von<br />
Privatpersonen ihren Wohnsitz wechseln.<br />
Dieses Verhalten ist keineswegs negativ<br />
zu beurteilen. Im Ge gen teil: Die Möglichkeit,<br />
in einen anderen Kanton abzuwandern,<br />
trägt mit dem Mitspracherecht der<br />
direkten Demokratie wesentlich dazu bei,<br />
dass die Steuerbelastung und die Rahmenbedingungen<br />
in der Schweiz im internationalen<br />
Vergleich nach wie vor gut sind.<br />
Föderalismus und Wettbewerb zwischen<br />
den Standorten führen aber auch dazu,<br />
dass die Schweiz durch regionale Be sonderheiten<br />
gekennzeichnet ist, welche die<br />
wirtschaftliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit<br />
entscheidend beeinflussen. Es ist<br />
die kantone kämpfen um ihre<br />
attraktivität. Eine studie der<br />
Credit Suisse schafft klarheit<br />
in der Frage:<br />
deshalb nicht erstaunlich, dass innerhalb<br />
zahlreicher Branchen regional unterschiedliche<br />
Tendenzen sichtbar sind. So weist<br />
etwa der Privatkonsum von Gütern und<br />
Dienstleistungen regionale Abweichungen<br />
auf, welche die Nachfrage im Detailhandel<br />
und nach Dienstleistungen prägen. Auch<br />
im Bau- und Immobiliengewerbe kann<br />
kaum von kantonalen, geschweige denn<br />
von nationalen Märkten gesprochen werden.<br />
Für die Beurteilung der Chancen und<br />
Risi ken in zahlreichen Branchen ist es<br />
deshalb unabdingbar, die regionalen Volkswirt<br />
schaf ten zu untersuchen und den gesamt<br />
schweizerischen Verhältnissen ge genüberzustellen.<br />
Im internationalen Wettbewerb spielen<br />
regionale Faktoren für die Standortwahl<br />
eine wichtige Rolle. Um die Standortqualität<br />
verschiedener Räume vergleichen zu<br />
können, entwickelte die CREDIT SUISSE<br />
den Stand ort qualitätsindikator SQI. Dieser<br />
Index basiert auf den Faktoren<br />
– Steuerbelastung der natürlichen<br />
Personen<br />
– Steuerbelastung der juristischen<br />
Personen<br />
– Qualität der Verkehrsverbindungen und<br />
– Ausbildungsstand der Wohnbevölkerung.<br />
Beim SQI handelt es sich um einen relativen<br />
Index, so dass der Indexwert für die<br />
gesamte Schweiz 0 beträgt. Positive Werte<br />
einer Region weisen auf eine höhere, nega<br />
Ist jede Region<br />
ein treffer ?<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
22<br />
Jura und Wallis liegen am schwanz<br />
Indexwert 0 = CH-Durchschnitt<br />
Indexwert tiefer als –1<br />
Indexwert 0 bis –1<br />
Indexwert 0 bis 1<br />
Indexwert höher als 1<br />
tive Werte auf eine tiefere Standortqualität<br />
hin – im Vergleich zum gesamtschweizerischen<br />
Mittel. Der SQI liefert also ein Vergleich<br />
zum schweizerischen Durchschnitt.<br />
Ausbildung steigert Attraktivität<br />
Die Abbildung oben zeigt, dass vor allem<br />
die Kantone in der Nord- und Nordwestschweiz<br />
eine überdurchschnittlich hohe<br />
Standortqualität aufweisen. Kantone – wie<br />
Zürich und Aargau – bestechen durch<br />
eine relativ tiefe Besteuerung der natürlichen<br />
Personen. Die hohe Standortattraktivität<br />
der Region ist jedoch in erster Linie<br />
auf die hohe Qualität der Verkehrsverbindungen<br />
und den überdurchschnittlich<br />
hohen Ausbildungsstand der Wohnbevölkerung<br />
zurückzuführen. Das Gegenteil ist<br />
in der Ostschweiz der Fall, wo alle Kantone<br />
im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt<br />
tiefere SQI-Werte aufweisen. Das<br />
gute Abschneiden einiger Innerschweizer<br />
Kantone ist durch die re la tiv tiefe Steuerbelastung<br />
bedingt (Zug, Nidwalden, Schwyz).<br />
Die Standortqualität der beiden Landwirtschaftskantone<br />
Bern und Luzern hingegen<br />
liegt aufgrund der hohen Steuerbelastung<br />
der natürlichen Personen und der relativ<br />
tiefen Qualität der Ver kehrs ver bin dungen<br />
in den ländlichen Be zirken unter dem<br />
schweizerischen Mittel. Eine überdurchschnittlich<br />
hohe Steuerbelastung ist auch<br />
für die tiefen SQI-Werte der meisten<br />
Westschweizer Kantone ausschlaggebend.<br />
Das Tessin hinge gen befindet sich dank<br />
GE<br />
VD<br />
NE<br />
FR<br />
JU<br />
BS<br />
VS<br />
SO<br />
BE<br />
BL<br />
AG<br />
LU<br />
OW<br />
NW<br />
SH<br />
ZG<br />
ZH<br />
UR<br />
SZ<br />
TI<br />
TG<br />
GL<br />
SG<br />
AR<br />
AI<br />
GR<br />
hoher Qualität der Verkehrsverbindungen<br />
und der relativ tiefen Steuerbelastung der<br />
natürlichen Per sonen über dem schweizerischen<br />
Durchschnitt.<br />
Da der SQI auf strukturellen Standortfaktoren<br />
basiert, erlaubt er Rückschlüsse<br />
auf das langfristige Wachstumspotential<br />
von Regionen. Dieses ist entscheidend von<br />
der Investitionstätigkeit und der Kaufkraft<br />
abhängig. Es hat sich gezeigt, dass sowohl<br />
ein Zusammenhang zwischen SQI und Investitionen<br />
als auch zwischen SQI und<br />
Kaufkraft besteht. Das Wachstum einer<br />
Region ist zusätzlich von konjunktu rellen<br />
und demografischen Faktoren abhän gig.<br />
Aus diesem Grund berücksichtigen die<br />
CREDIT SUISSE-Schätzungen und -Prognosen<br />
der kantonalen Volkseinkommen<br />
– den Standortqualitätsindikator (SQI)<br />
– die Entwicklung des nationalen BIP<br />
– die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur<br />
– das Niveau des kantonalen Pro-Kopf<br />
Einkommens.<br />
Während die Höhe des SQI und das gesamtschweizerische<br />
Wirtschaftswachstum<br />
die kantonalen Volkseinkommen positiv beeinflussen,<br />
dämpft das bereits erreichte<br />
Niveau des kantonalen Pro-Kopf-Einkommens<br />
das Wachstum. Die Entwicklung der<br />
Bevölkerungsstruktur ist vor allem deshalb<br />
von Bedeutung, weil die Altersstruktur die<br />
gesamte Lohnsumme im Kanton beeinflusst.<br />
So leisten etwa die 40- bis 54jährigen<br />
Männer den Hauptbeitrag, da sie im<br />
Vergleich zu den 15- bis 24jährigen Männern<br />
im Durchschnitt rund 40 Prozent<br />
mehr verdienen und die Alters klasse mit<br />
der höchsten Erwerbstätigenquote darstellen.<br />
Ein Zuwachs in dieser Altersklasse hat<br />
demnach einen stärkeren Einfluss auf das<br />
Wachstum des Volkseinkommens als ein<br />
Zuwachs an 15- bis 24jährigen.<br />
Vor allem die kleinen Innerschweizer<br />
Kantone können in den kommenden Jahren<br />
mit hohen Wachstumsraten beim kantonalen<br />
Volkseinkommen von jährlich drei bis<br />
vier Prozent rechnen. Den Werten liegt die<br />
Annahme zugrunde, dass das gesamtschweizerische<br />
BIP in den Jahren 1998 bis<br />
2002 durchschnittlich mit einer Wachstumsrate<br />
von 1,8 Prozent steigt. Spitzenreiter<br />
sind, wohl nicht zuletzt aufgrund der<br />
vergleichsweise hohen Standortqualität,<br />
die Kantone Zug, Nidwalden und Schwyz<br />
(siehe Grafik links unten). Ähnliches gilt,<br />
innerschweizer hauen den lukas<br />
Durchschnittliches Wachstum des<br />
Volkseinkommens in der Schweiz: 2.5 %<br />
Wachstum 1% bis 2 %<br />
Wachstum 2 % bis 3 %<br />
Wachstum 3 % bis 4 %<br />
GE<br />
VD<br />
NE<br />
FR<br />
JU<br />
BS<br />
VS<br />
SO<br />
BE<br />
BL<br />
AG<br />
LU<br />
OW<br />
NW<br />
SH<br />
ZG<br />
ZH<br />
UR<br />
SZ<br />
TI<br />
TG<br />
GL<br />
SG<br />
AR<br />
AI<br />
GR<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
23<br />
Dafür geben Schweizer ihr geld aus<br />
Pro-Kopf-Einkommen 1995 und prozentuale Ausgaben für Waren und Dienstleistungen<br />
Bekleidung und Schuhe<br />
Wohnen und Ener<br />
Wohnungseinrichtung<br />
Verkehr und Kommunika<br />
gie<br />
tion<br />
Kanton Zug Fr. 66 888.–<br />
Schweiz Fr. 42 626.–<br />
Kanton Jura Fr. 28 488.–<br />
Nahrungsmittel und Getränke<br />
Gesundheitspflege<br />
wenn auch in geringerem Ausmass, für die<br />
Industriekantone Aargau, Solothurn und<br />
Schaffhausen sowie für Baselland<br />
und Tessin. Aber auch die Ostschweizer<br />
Kantone und Luzern können mit überdurchschnittlichen<br />
Wachstumsraten rechnen,<br />
was vor allem auf die Bevölkerungsstruktur<br />
zurückzuführen ist. Die meisten<br />
Westschweizer Kantone liegen mit jährlichen<br />
Wachstumsraten zwischen zwei und<br />
drei Prozent im Mittelfeld. Tiefere Wachstums<br />
raten (1,5 bis 2,5 Prozent) erwartet<br />
die CREDIT SUISSE in Kantonen mit grösseren<br />
Städten wie Genf, Basel, Zürich sowie<br />
in Kantonen mit einer relativ grossen<br />
Landbevölkerung (Bern, Waadt) – und das<br />
trotz teilweise hoher Stand ort qualität. Die<br />
unterdurchschnittlichen Resul tate in diesen<br />
beiden Gruppen sind vor allem auf demographische<br />
Faktoren zurückzuführen.<br />
Wer mehr verdient, kauft mehr<br />
Obwohl der private Verbrauch im Konjunkturverlauf<br />
als relativ stabile Grösse gilt, sind<br />
die Ausgaben für Güter und Dienstleistungen<br />
unterschiedlich von der Einkommensentwicklung<br />
abhängig. Die Schät zungen<br />
der CREDIT SUISSE auf Basis<br />
der Verbrauchsstatistik und der Kaufkraft<br />
bestä tigen den starken Zusammenhang<br />
zwischen Einkommenshöhe und Konsumausgaben<br />
sowie von Niveau und Struktur<br />
der Haushaltsausgaben. Die Abbildung<br />
oben zeigt die Ausgabenanteile für den<br />
Unterhaltung und Bildung Übrige Waren und<br />
Dienstleistungen<br />
Steuern, Versicherungen, Beiträge, Sparen<br />
% 0 20 40 60 80<br />
Kanton mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen<br />
(Zug), den Kanton mit dem tiefsten<br />
Pro-Kopf-Einkommen (Jura) und für<br />
die Schweiz. Einwohner im Kanton Zug<br />
geben einen geringeren Anteil ihres Einkommens<br />
aus für den Kauf von Nahrungsmitteln<br />
als der durch schnittliche Schweizer<br />
oder Einwohner des Kantons Jura. Die<br />
prozentualen Ausgabenanteile für Bekleidung<br />
und Schuhe oder fürs Wohnen bewegen<br />
sich jedoch in allen Kantonen etwa<br />
auf gleichem Niveau. Hingegen wird im<br />
Kanton Zug ein höherer Anteil des Einkommens<br />
für Verkehr und Kommunikation<br />
ausgegeben als in anderen Regionen. Noch<br />
deutlicher trifft dies für Steuern und Versicherungsprämien<br />
zu.<br />
Die Unterschiede bei den kantonalen<br />
Pro-Kopf-Einkommen sind nach wie vor<br />
hoch. Das ist unter anderem auf Unterschiede<br />
in der Standortqualität zurückzuführen.<br />
In vielen Kantonen ist jedoch<br />
aufgrund der angespannten Finanzlage<br />
das Potential für Mehrausgaben im Bereich<br />
Bildung und Infrastruktur sowie für<br />
Steuer senkungen eingeschränkt. Ausserdem<br />
zeichnet sich gerade im sozialen und<br />
kulturellen Bereich eine immer stärkere<br />
Belastung der Zentren ab. Von den vielen<br />
Leistungen profitieren jedoch häufig auch<br />
Regionen im Einzugsgebiet dieser Städte.<br />
Längerfristig ist deshalb eine verstärkte<br />
finan zielle Integration der Kantone oder<br />
eine Neuverteilung der Auf gaben und Lasten<br />
unumgänglich. Dabei darf nicht vergessen<br />
werden, dass der Wettbewerb zwischen<br />
Regionen sowie eine Begrenzung<br />
des Um fangs von staatlichen Leistungen<br />
einen wesentlichen Beitrag zu einem<br />
nachhal ti gen Wirtschaftswachstum leisten.<br />
roland fischer, Telefon (01) 333 77 36<br />
e-mail: roland.fischer@credit-suisse.ch<br />
die credit suisse nimmt den regionen den puls<br />
Die Ergebnisse der Regionalforschung des CREDIT SUISSE Economic Research<br />
werden laufend in umfassenden Regionalstudien veröffentlicht. Diese beinhalten<br />
in der Regel neben strukturellen und konjunkturellen Aspekten eine Analyse der<br />
Branchenstruktur, des Aussenhandels und der Staatsfinanzen sowie eine Beurteilung<br />
von Chancen und Risiken der wichtigsten Branchen in der Region. Die<br />
Präsentation und Diskussion der Studien im Rahmen von Kundenveranstaltungen<br />
der CREDIT SUISSE bringen die Ergebnisse einem breiteren Publikum näher. Sie<br />
können folgende Studien bestellen unter Telefonnummer (01) 333 33 22 oder per<br />
Fax (01) 333 37 44:<br />
– Region Thun/Berner Oberland, April 1998<br />
– Perspektiven der Ostschweizer Wirtschaft, März 1998<br />
– Region Bern, Februar 1998<br />
– Economia Ticinese Prospettiva 1998, ottobre 1997<br />
– Economie Romande Perspectives 1998, septembre 1997<br />
Und unter Telefon (062) 838 83 07: NAB Regionalstudie Aargau, Juni 1997 und<br />
die Version vom April 1998<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
24<br />
inflation hat<br />
ihren preis<br />
stabile preise als wettbewerbsfaktor<br />
– Eine UNTER SUChung der<br />
CREDIT SUISSE<br />
Von Dr. Karl Rappl, Economic Research<br />
inflation – oder<br />
wenn geld zu konfetti<br />
wird. karl rappl hat<br />
das phänomen etwas<br />
genauer untersucht.<br />
Unlängst erhielt die Regierung Blair Lob<br />
von prominenter Seite: Die Organisation<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung OECD würdigte die Re for men<br />
in der britischen Geldpolitik. Denn diese<br />
hätten dazu beigetragen, so die OECD,<br />
die gesamtwirtschaftliche Effizienz und<br />
Stabilität zu erhöhen. Gemäss dem britischen<br />
Schatzkanzler Gordon Brown ist<br />
gerade die vergangene Instabilität der<br />
Grund, warum Grossbritannien in der Weltrangliste<br />
der Volkswirtschaften unbefrie <br />
digend abgeschnitten hat. Doch die Gefahr<br />
einer konjunkturellen Überhitzung aufgrund<br />
unterlassener Zins erhöhungen ist immer<br />
noch gross. Makroökonomi sche Stabilität<br />
ist also ein Wettbewerbsfaktor.<br />
Ein wichtiger Pfeiler für die makroökonomische<br />
Stabilität sind beständige Preise.<br />
Damit eng verbunden ist die Geldpolitik.<br />
Beide Faktoren spielen eine wesentliche<br />
Rolle für das Wachstum und den Wohlstand<br />
einer Wirtschaft. Im Gegensatz zur<br />
Planwirtschaft sind in einer Marktwirtschaft<br />
die Marktteilnehmer frei in ihren<br />
Nachfrage- und Angebotsentscheidungen.<br />
Die individuellen Pläne werden über Märkte<br />
abgestimmt, auf denen Angebot und Nachfrage<br />
die Preise für die einzelnen Güter<br />
festlegen. Der Preis ist ein Indikator für<br />
die Knappheit eines Gutes. Dieser Preismechanismus<br />
hilft, die Angebots- und Nach<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
25<br />
frageentscheidungen der Marktteilnehmer<br />
aufeinander abzustimmen. Folglich orientiert<br />
sich auch der Einsatz der Produktions faktoren<br />
sowie deren Entgelt an den Preisen.<br />
Dort, wo Gewinne möglich sind, wird investiert<br />
und werden Arbeitsplätze geschaffen.<br />
Eine hohe Inflation ist in der Tat ein Ungemach,<br />
da sie diese Signalfunktion der<br />
Preise stört. Für Anbieter wird es schwerer,<br />
zwischen echten und vermeintlichen Knappheiten<br />
zu unterscheiden. Die Einschätzung<br />
der künftigen Preisentwicklung ist nicht<br />
mehr gut möglich – und die gerade wäre<br />
unabdingbar für jede Kauf- und Inve stitionsentscheidung.<br />
Die Unsicherheit, unter<br />
der diese Entscheidungen getroffen werden<br />
müssen, wird also grösser. Die Konsequenz:<br />
Aufgrund von falschen Erwar tungen<br />
steigt das Risiko von Fehlentscheidungen,<br />
und die daraus entstehenden Kosten wiederum<br />
dämpfen das Wachstum.<br />
Nicht nur in der Schweiz, sondern auch<br />
bei ihren wichtigsten Handelspartnern<br />
Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande,<br />
Japan, Grossbritannien und den<br />
USA ist heute festzustellen, dass das<br />
Preis niveau stabiler ist als in der Vergangenheit.<br />
So liegen zum Beispiel die<br />
durchschnitt lichen Inflationsraten der<br />
neunziger Jahre deutlich unter jenen der<br />
achtziger Jahre.<br />
Ein niedriges Inflationsniveau allein<br />
erleichtert indes die Einschätzung der<br />
künftigen Preisentwicklung noch nicht<br />
umfassend Auch eine geringe Schwankungs-<br />
breite der Inflationsraten müsste<br />
einen positiven Einfluss haben. Damit die<br />
In fla tionsraten nur wenig schwanken,<br />
braucht es eine stabilitätsorientierte Geldpolitik.<br />
Die Streuung der Inflationsraten ist<br />
bei den genannten Handelspartnern der<br />
Schweiz in den neunziger Jahren markant<br />
Inflationsraten im sinkflug<br />
Durchschnittliche Inflationsraten<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
tiefer als in der vorangegangenen Dekade.<br />
Eine Ausnahme bildet die Schweiz selber:<br />
In unserem Land haben die Schwankungen<br />
in den letzten Jahren zugenommen (siehe<br />
Grafik). Diese Erhöhung erklärt sich dadurch,<br />
dass die Stabilität der Inflationsraten<br />
in der Schweiz ohnehin schon sehr<br />
hoch ist.<br />
Und wie sieht’s in der Praxis aus ? Dieser<br />
Frage ist die CREDIT SUISSE in einer<br />
Unter suchung nachgegangen, die sich in<br />
eine Serie von Studien zur Wettbewerbsfähigkeit<br />
einreiht. Die Fragestellung lautete:<br />
Ist die Bedeutung der Preisniveaustabilität<br />
für das Wirtschaftswachstum<br />
auch durch die Erfahrung belegbar ?<br />
Untersucht wurde der Zusammenhang<br />
zwischen Wirtschaftswachs tum, Inflation<br />
und Streuung der Inflationsraten; er wurde<br />
anhand eines kleinen Modells analysiert.<br />
Die Untersuchungsperiode reichte von<br />
1970 bis 1997. Daten der OECD zu den<br />
erwähnten Ländern und der Schweiz dienten<br />
der Studie als Grundlage. Die von<br />
Preis- und Wech selkurseinflüssen bereinigten<br />
Zahlen zum Wachstum wurden der<br />
Infla tion und der In fla tionsstreuung gegenübergestellt;<br />
der Kon sumenten preis index<br />
diente als Massstab.<br />
«preisstabilität stärkt<br />
die wettbewerbsfähigkeit.»<br />
7.30<br />
2.23<br />
2.95<br />
11.07<br />
4.73<br />
2.84<br />
2.53<br />
2.51<br />
1.46<br />
3.26<br />
2.80<br />
7.36<br />
3.99<br />
5.50<br />
Standardabweichung der Inflationsraten<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
F D I NL J CH UK US F D I NL J CH UK US<br />
Periode 1980 – 1989 Periode 1990 – 1997 Periode 1980 – 1989 Periode 1990 – 1997<br />
Quelle: OECD, eigene Berechnungen<br />
3.28<br />
4.26<br />
0.77<br />
1.28<br />
5.47<br />
1.36<br />
2.66<br />
0.48<br />
2.24<br />
1.23<br />
1.74<br />
2.09<br />
4.15<br />
2.44<br />
Das erste Ergebnis der Auswertungen:<br />
Der Einfluss der Inflation auf das Wachstum<br />
gleicht der Flugbahn eines geworfenen<br />
Balls, die zu nächst leicht aufwärts<br />
geht, um dann stark abzufallen. Ein geringes<br />
Mass an Inflation ist mit einer wachsenden<br />
Wirtschaft vereinbar. Sobald die<br />
Inflation aber weiter wächst, kippt der<br />
Zusammenhang ins Gegenteil, und das<br />
Wachstum sinkt. Allerdings wird die Teuerung<br />
aufgrund statistischer Ungenauigkeiten<br />
bei der Mes sung überschätzt. Eine<br />
Inflationsrate von 0,5 bis 1,0 Prozent kann<br />
bereits als Preisstabilität angesehen werden.<br />
Und wird Preisstabilität so definiert,<br />
erklärt sich der positive Zusammenhang<br />
von geringer Infla tion und Wachstum. Fazit:<br />
Preisniveaustabilität ist also aus Wachstumsaspekten<br />
wünschens wert.<br />
Der zweite Befund der Untersuchung<br />
bestätigte uneingeschränkt, was die Theorie<br />
schon vermuten liess: Auch die Streuung<br />
der Inflationsrate hemmt das Wachstum.<br />
Eine um einen Prozentpunkt höhere Standardabweichung<br />
senkt das Wachstum<br />
nämlich um 1/4 Prozentpunkt im Fünfjahresdurchschnitt.<br />
Die Ergebnisse dieser empirischen Unter<br />
suchung stützen die theoretischen<br />
Ausfüh rungen. Denn sowohl eine hohe Inflation<br />
als auch starke Schwankungen der<br />
Inflationsraten bremsen das Wirtschaftswachstum.<br />
Dr. Karl Rappl, Telefon (01) 333 72 65<br />
e-mail: karl.rappl@credit-suisse.ch<br />
3.41<br />
0.98<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
28<br />
unsere prognosen zur<br />
Konjunktur<br />
BIP-Wachstum:<br />
AsienKrise bremst alle aus<br />
Die Finanzkrise in Asien wird spürbarer. Japan ist in eine Rezes sion<br />
gefallen. In Deutschland und der Schweiz hat der Aufschwung<br />
Mühe, seine Dynamik zu halten. In den USA zeigt sich die Konjunktur<br />
noch sehr robust, mit Anzeichen einer Abschwächung.<br />
Durchschnitt<br />
Der Aktuelle Chart<br />
Lager stützen das wachstum<br />
Die BIP-Schätzungen für das erste Quartal des Bundesamtes für Wirtschaft und<br />
Arbeit (BWA) weisen einen Lageraufbau von CHF 2,77 Milliarden aus. Seit 1980<br />
ist dies der höchste Wachstumsbeitrag der Lageinvestitionen.<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0<br />
–1.0<br />
–2.0<br />
–3.0<br />
–4.0<br />
81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98<br />
Schweizer Konjunkturdaten:<br />
Der Arbeitsmarkt lebt wieder auf<br />
Im ersten Quartal 1998 wuchs die Anzahl Voll- und Teilzeitbeschäftigter gegenüber<br />
der Vorjahr wieder – zum ersten Mal seit zwei Jahren: + 0,8%. Die Arbeitslosenquote<br />
sank im Mai auf den tiefsten Stand seit Januar 1993. Schliesslich<br />
zeigt der Purchasing Managers’ Index für Juni eine wenn auch verlangsamte<br />
Expansion der Beschäftigung an.<br />
1997 4.98 5.98<br />
6.98<br />
Inflation 0.5 0.0 0.1 0.1<br />
Waren 0.6 0.0 0.0 0.1<br />
Dienstleistungen 0.5 - 0.1 0.1 0.1<br />
Inland 0.5 0.1 0.2 0.3<br />
Ausland 0.7 - 0.4 - 0.2 - 0.4<br />
Detailhandelsumsätze (real) 0.4 1.3 1.5 –<br />
Handelsbilanzsaldo (Mrd Fr.)* 2.0 0.2 0.5 –<br />
Güterexporte (Mrd Fr.) 105.1 9.4 8.9 –<br />
Güterimporte (Mrd Fr.) 103.1 9.2 8.5 –<br />
Arbeitslosenquote 5.2 4.2 3.9 –<br />
Deutschschweiz 4.5 3.6 3.4 –<br />
Romandie 6.8 5.7 5.3 –<br />
Tessin 7.8 6.5 6.1 –<br />
* Ohne Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände<br />
und Antiquitäten (=Total 1)<br />
1990/1996 1997 1998 1999<br />
Schweiz -0.1 1.1 1.6 1.4<br />
Deutschland 2.5 2.2 2.5 2.6<br />
Frankreich 1.4 2.5 2.9 2,8<br />
Italien 1.2 1.5 2.5 2.7<br />
Grossbritannien 1.3 3.1 2.3 1.9<br />
USA 1.9 3.8 3.0 2.6<br />
Japan 2.2 0.8 0.0 1.2<br />
Inflation:<br />
Kein Aufflackern in Sicht<br />
Die Teuerung bleibt in fast allen Industrieländern unter Kontrolle,<br />
nicht zuletzt weil die Rohstoffpreise auf sehr tiefem Niveau verhar ren.<br />
In den USA stellt der Lohndruck im Dienstleistungssektor das grösste<br />
Risiko einer steigenden Inflation dar. In Grossbritannien bereitet<br />
die Teuerung wegen des kräftigen Konsums immer noch Sorgen.<br />
Durchschnitt<br />
1990/1996 1997 1998 1999<br />
Schweiz 2.8 0.5 0.0 0.8<br />
Deutschland 3.1 1.8 1.4 1.4<br />
Frankreich 2.4 1.2 1.2 1.4<br />
Italien 5.0 1.8 2.0 2.1<br />
Grossbritannien 4.1 2.8 2.8 2.6<br />
USA 3.4 2.3 1.6 2.1<br />
Japan 1.4 1.7 0.8 0.3<br />
Arbeitslosenquote:<br />
Europa macht boden gut<br />
Die Lage der Erwerbslosen scheint sich zu bes sern. In Frankreich<br />
ist die Arbeitslosenrate seit anfangs Jahr von 12,6% auf 11,9%<br />
zurückgefallen, in Deutschland von 11,6% auf 10,5%. In den USA<br />
und in Grossbritan nien verharrt die Arbeitslosigkeit auf tiefen<br />
Niveaus. In Japan ist sie hingegen auf 4,1% gestiegen.<br />
Durchschnitt<br />
1990/1996 1997 1998 1999<br />
Schweiz 3.2 5.2 4.0 3.8<br />
Deutschland 8.4 11.5 11.5 11.2<br />
Frankreich 10.9 12.5 11.9 11.5<br />
Italien 10.3 12.2 11.9 11.5<br />
Grossbritannien 8.7 5.6 4.9 5.0<br />
USA 4.7 4.9 4.6 4.9<br />
Japan 2.6 3.4 4.3 4.5<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
29<br />
Asien durchlebt eine Krise .<br />
Europa hingegen hofft<br />
auf eine wirtschaftliche<br />
bergfahrt. Dennoch gilt :<br />
Asien<br />
funkt allen rein<br />
von Massimo Cavaletto,<br />
Economic Research<br />
Autor Massimo Cavaletto<br />
durchschaut das<br />
asiatische feuerwerk:<br />
«Der japanische Yen hat<br />
gegenüber dem Dollar<br />
innert weniger wochen über<br />
zehn prozent eingebüsst.»<br />
Die Asienkrise begann am 2. Juli 1997 mit<br />
der Abwertung des thailändischen Baht.<br />
Es folgte ein Dominoeffekt, der weite Teile<br />
Asiens in die Rezession stürzte. Das jüngste<br />
Opfer heisst Japan, das mit dem Zerfall<br />
des Yen in die Schlagzeilen geriet. Damit<br />
einher ging ein Schauern durch die Reihen<br />
der weltweit wichtigsten Börsen. Erinnerun<br />
gen wurden wach an die Börsenkorrektur<br />
letzten Oktober, als die Asienkrise die<br />
Aktien märkte erfasste. Auf was müssen<br />
wir uns nun gefasst machen ?<br />
Das Abrutschen Japans in die Rezession<br />
hat zu einem Vertrauensverlust gegenüber<br />
dem Yen geführt. Gegen den US-Dollar hat<br />
der Yen innert weniger Wochen über zehn<br />
Prozent eingebüsst. Er war damit tiefer<br />
be wertet als Anfang der 90er Jahre. Darauf<br />
hin sind die südostasiatischen Börsenplätze<br />
unter starken Abgabedruck geraten.<br />
Japan ist die weltweit zweitwichtigste<br />
Wirt schaftsmacht und der für die betroffene<br />
Region mit Abstand wichtigste Handelsund<br />
Investitionspartner. Mit der Nach fra geschwäche<br />
Japans schwinden die Hoff nungen<br />
der Länder Südostasiens, die eigene<br />
Rezession dank Japans Wirtschaftskraft zu<br />
überwinden. Deshalb kommt die Schwäche<br />
des Yen ungelegen: Sie stärkt die japanischen<br />
Exporte und beeinträchtigt die Exporte<br />
der rezessionsgeplagten Nachbarländer<br />
Japans; zudem erhöht die Schwäche<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
30<br />
den Druck auf die Währungen. Im Vordergrund<br />
stehen China und Hongkong, die<br />
seit der Abwertung des Baht als einzige<br />
ihre Währungen nicht abwerten mussten.<br />
Trotz Beteuerungen der Behörden wird<br />
unter dem Druck des schwachen Yen<br />
befürchtet, dass China gezwungen sein<br />
könnte, den Yuan abzuwerten und davon<br />
auch der Hongkong-Dollar nicht verschont<br />
bliebe. Die Hiobsbotschaft, dass die chinesischen<br />
Exporte im Mai erstmals rückläufig<br />
waren, und dass noch schlechtere<br />
Zahlen folgen werden, hat diesbezüg lich<br />
aufgeschreckt. Die zugespitzte Lage veranlasste<br />
die japanische und amerikanische<br />
Notenbank, am Devisenmarkt dem<br />
Yen mit massiven Stützungskäufen unter<br />
die Arme zu greifen. Insbesondere der<br />
amerikanischen Regierung war die Sache<br />
ernst genug. Sie beschloss eine Kehrtwende<br />
gegenüber ihrer Politik, nicht am<br />
Devisenmarkt zu intervenieren. Letztmals<br />
hatte sie im August 1995 zu diesem Mittel<br />
ge griffen, obwohl man sich über die Wirkung<br />
einer solchen Intervention uneinig<br />
war. Das Problem der Nachfrage schwäche<br />
Asiens bleibt damit ungelöst.<br />
Chinas Yuan gerät unter Druck<br />
Kurzfristig ist das Risiko einer Abwertung<br />
des Yuan trotz Verschlechterung der Exporte<br />
vergleichsweise gering – und zwar<br />
aufgrund einer guten chinesischen Leistungsbilanz<br />
und Devisenreserven, die höher<br />
sind als diejenigen der amerikanischen<br />
Notenbank. Mittelfristig erscheint indes<br />
eine Abwertung des Yuan wegen der<br />
wachsenden Marktöffnung Chinas wahrscheinlich.<br />
Kursverluste in Asien und eine<br />
vorübergehende Eintrübung an den westlichen<br />
Börsen wären die Folge. Eine Abwertung<br />
der zwei letzten Wäh rungshochburgen<br />
Asiens würde wohl die<br />
asia tische Abwertungsrunde beschlies sen<br />
und ein Nachlassen von Währungsunsicherheiten<br />
einleiten. Für die Entwicklung<br />
der westlichen Börsen entscheiden aber<br />
die Gewinnaussichten der Unternehmen.<br />
Diese profitieren weiterhin von der starken<br />
Verbilligung der Rohstoffe, die den Weg<br />
für tiefere Infla tion und Zinsen ebnete.<br />
Die jüngsten Entwicklungen in Asien<br />
dürften daran wenig ändern. Als Nachteil<br />
erweist sich indes die hohe glo ba le Konkurrenz,<br />
die Preiserhöhungen bei Produkten<br />
so gut wie verunmöglicht. Deshalb<br />
sind die tiefen Inflationsraten der Industrieländer<br />
auch Ausdruck hoher globaler<br />
Konkurrenz. Andererseits beginnt der Nachfrageausfall<br />
aus Asien, sich auf die Gewinndynamik<br />
niederzuschlagen. Im ersten Quartal<br />
stiegen die Gewinne von US-Firmen um<br />
3,8 Prozent und lagen damit über den<br />
Erwar tungen. Allerdings wurden diese im<br />
Verlauf des Quartals mehrere Male deutlich<br />
nach unten revidiert.<br />
Gleiches gilt für das zweite Quartal. Bei<br />
Jahresbeginn standen die Erwartungen<br />
bei über zwölf Prozent; zurzeit bei knapp<br />
vier Prozent für die demnächst publizierten<br />
Gewinne. Da wundert es nicht, dass der<br />
US-Aktienmarkt seit Ende des ersten<br />
Quartals auf der Stelle tritt. Deshalb gleicht<br />
das Festhalten der Analysten an Gewinnzuwachsraten<br />
von elf Prozent für das dritte<br />
Quartal und 16 Prozent fürs vierte einem<br />
Blick durch die rosa Brille. Demgegenüber<br />
weisen Erträge euro päischer Firmen eine<br />
hohe Dynamik aus, so dass die Gewinne<br />
laufend nach oben revidiert werden. Woran<br />
liegt das ?<br />
Die US-Unternehmen konnten in der<br />
nun mehr achtjährigen Expansionsphase<br />
ihre Produktionskosten signifikant senken<br />
– das als Konsequenz früherer Restrukturierungs-<br />
und Investitionsmassnahmen.<br />
Ihre Kostenvorteile laufen jedoch langsam<br />
aus. In Europa wurde mit den Restruk turie<br />
rungsmass nah men erst vor wenigen Jahren<br />
begonnen. Die europäischen Früchte<br />
sind noch nicht voll gereift. Aber je länger<br />
desto mehr wer den Kostenein sparungen<br />
zu stei gen den Gewinnen führen. Zu dem<br />
ist in Europa das Restrukturierungspotential<br />
bei vielen Firmen noch nicht ausgeschöpft.<br />
Auch wird der alte Kontinent<br />
weiter hin von der Euro-Phantasie als<br />
Kata lysator profitieren.<br />
Europas Lohnstückkosten fallen<br />
Ein Vergleich der Entwicklung der Lohnstückkosten,<br />
das heisst der Arbeitskosten<br />
pro Produktionseinheit, fällt deutlich zugunsten<br />
Europas aus. Sowohl in den USA<br />
als auch in Europa sind sie auf historischem<br />
Tiefstand. In Deutschland fallen sie<br />
seit 1993. In den USA ist der Trend jedoch<br />
seit dem vierten Quartal 1996 steigend.<br />
Angesichts des angespann ten Arbeitsmarkts<br />
in den USA und der hohen Arbeitslosigkeit<br />
in Europa dürfte sich dieser Trend<br />
fortsetzen. Wir denken deshalb, dass sich<br />
ein Anstieg der Börse in den USA schwerer<br />
gestal ten wird als in Europa, wo die Unternehmen<br />
weiterhin mit sinkenden Lohn stückkosten<br />
rechnen können, um die Gewinndynamik<br />
zu stützen.<br />
Massimo cavaletto, Telefon (01) 333 45 31<br />
e-mail: massimo.cavaletto@credit-suisse.ch<br />
Asiatische Nachfrageschwäche hält an<br />
Auch Mexiko fiel 1995 infolge der Peso-Abwertung in eine Rezession, die jedoch<br />
innerhalb nur eines Jahres überwunden werden konnte. Als günstige Voraussetzung<br />
erwies sich die boomende Nachfrage der US-Wirtschaft, die eine zügige<br />
exportgetriebene mexikanische Erholung ermöglichte. Vergleichbares steht den<br />
rezessionsgebeutelten asiatischen Staaten, nachdem Japan selbst in die Rezession<br />
gefallen ist, nicht zur Verfügung. Als zusätzliche Belastung dürfte sich die<br />
teilweise instabile Lage und die notorische Abneigung asiatischer Regierungen<br />
gegen Strukturreformen erweisen. Damit wird sich eine Erholung der betroffenen<br />
Länder schleppend gestalten. Der Druck auf den Yen bleibt mittelfristig bestehen.<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Economic Research<br />
31<br />
unsere prognosen<br />
zu den Finanzmärkten<br />
Geldmarkt:<br />
Repo heizt Zinsen an<br />
In der Schweiz sind wegen der Einführung des Repo-Geschäfts<br />
und Verteilprobleme die kurzen Zinsen gestiegen. In den USA,<br />
Deutschland und Japan bewegen sie sich seit anfangs Jahr seitwärts.<br />
Da die Bank of England ihren Leitzins erhöht hat und die<br />
Inflation Sorgen bereitet, sind die englischen Zinsen gestiegen<br />
Obligationenmarkt:<br />
Positive Aussichten<br />
Die Staatsanleihen profitierten von den Unsicherheiten in Asien,<br />
die auch in den nächsten Monaten die Renditen bestimmen dürfte.<br />
Dank der tiefen Inflation in Europa und in den USA rechnet die<br />
CREDIT SUISSE nur mit leicht höheren Zinsen.<br />
Prognosen<br />
ende 97 7.98 3 Mte. 12 Mte.<br />
Fr. / DM 81.30 84.10 82.50 85.00<br />
Fr. / fFr. 24.40 25.10 24.60 25.30<br />
Fr. / Lit. 0.83 0.85 0.83 0.86<br />
Fr. / £ 2.40 2.51 2.48 2.38<br />
Fr. / US-$ 1.46 1.53 1.49 1.49<br />
Fr. / Yen 1.12 1.06 1.02 1.06<br />
Gold $/unze 13 525 14 430 13 846 13 413<br />
Gold Fr/kg 369 292 290 280<br />
Prognosen<br />
ende 97 7.98 3 Mte. 12 Mte.<br />
Schweiz 3.29 3.13 3.0 3.3<br />
Deutschland 5.35 4.72 4.8 5.1<br />
Frankreich 5.34 4.80 4.8 5.1<br />
Italien 5.65 5.02 5.1 5.2<br />
Grossbritannien 6.29 5.82 6.0 5.7<br />
USA 5.74 5.41 5.3 5.5<br />
Japan 1.94 1.62 1.5 2.0<br />
WECHSELKURSE:<br />
Yen macht Verschnaufpause<br />
Der Yen bremste seine Talfahrt Mitte Juni. Bei 146 gegen USD hat<br />
die US Federal Reserve zusammen mit der Bank of Japan interveniert<br />
und dem Yen eine Verschnaufpause ermöglicht. Der<br />
Schweizerfranken ist immer noch unter Druck, nicht zuletzt weil<br />
der Markt mit einem ruhigen Übergang zum Euro rechnet. Die<br />
Russlandkrise könnte den Schweizerfranken stützen.<br />
Prognosen<br />
ende 97 7.98 3 Mte. 12 Mte.<br />
Schweiz 1.50 2.09 1.7 2.0<br />
Deutschland 3.65 3.56 3.6 3.6<br />
Frankreich 3.69 3.56 3.6 3.6<br />
Italien 5.95 4.96 4.4 3.6<br />
Grossbritannien 7.69 7.88 8.0 7.2<br />
USA 5.81 5.69 5.7 5.6<br />
Japan 0.77 0.61 0.5 0.6<br />
INTERNATIONALE BÖRSEN:<br />
AsienKrise sorgt für Unruhen<br />
Obschon das Aktienumfeld immer noch positiv ist, ist die Lage auf den internationalen<br />
Aktienmärkten weniger euphorisch. Das Aufflackern der Asien-Krise<br />
hat die Marktakteure verunsichert und Mitte Juni sogar zu Kurseinbrüchen geführt.<br />
In Europa werden im 12-Monatshorizont vor allem die englischen, die<br />
spanischen und die italienischen Aktienmärkte attraktiv werden.<br />
Index Jan. 1995 = 100<br />
Deutschland DAX<br />
Schweiz SMI<br />
USA S&P500<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
1995 1996<br />
Grossbritannien FT-SE 100<br />
Japan NIKKEI<br />
Prognosen<br />
1997 1998<br />
Schweizer Börse:<br />
Die Schweiz kann noch zulegen<br />
Der Schweizer Aktienmarkt verfügt noch über weiteres Potential. Grund dafür<br />
sind verbesserte Gewinnaussichten, die dank Unternehmensrestrukturierungen,<br />
Firmenzusammenschlüssen und einer langfristigen Abschwächung des Schweizerfranken<br />
ermöglicht werden.<br />
Gewinn-<br />
ende KGV wachstum rendite Prog.<br />
1997 7.98 1998 1998 1999 1998 12 Mte.<br />
SPI Gesamt 3898 5091 25.2 15.3 14.1 1.13<br />
Industrie 5361 6541 27.8 17.9 12.0 0.98<br />
Maschinen 2048 2899 13.5 92.9 13.2 1.93 ••<br />
Chemie 10 474 11 407 29.1 11.9 12.5 0.81 ••<br />
Bau 2069 3332 19.5 77.9 14.0 1.09 ••<br />
Dienstleistungen 2661 3856 21.8 12.1 16.7 1.39<br />
Banken 2964 4453 22.2 8.4 16.5 1.47 •••<br />
Versicherungen 4367 6237 21.0 18.7 17.0 1.22 •••<br />
Detailhandel 800 1098 19.5 gegenüber 13.4 16.6 dem Sektor 1.67 ••<br />
Div.<br />
• unterdurchschnittliche Performance<br />
•• Marktperformance<br />
••• überdurchschnittliche Performance<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Die Ruhe vor dem Sturm – eine Tasse Kaffee<br />
macht fit für die zweite tageshälfte,<br />
Cafeteria im Zürcher Üetlihof, CREDIT SUISSE, 13.10 Uhr.