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Schwerpunkt 14 Firmengründerinnen sind in der Schweiz eher rar. Frauen hätten eben keinen Mut, sagen die einen. «Im Gegenteil», meinen die andern. Von DeMut zu mehr mut von Bettina Junker, Redaktion Bulletin Irène Meier Anita Bäumli Seit die Rezession unser Land in die Mangel genommen hat und sich allenthalben die Angst um den Arbeitsplatz breitmacht, hat einer gut lachen – der Autor Norbert Winistörfer. Mit seinem Beobachter-Ratgeber «Ich mache mich selbständig», der die Bücher-Hitlisten im Nu gestürmt hat, landete er 1996 den grossen Coup. Der reissende Absatz von Winistörfers Dauerbrenner zeigt deutlich: Viele Menschen in der Schweiz spielen mit dem Gedanken, eine eigene Firma zu gründen. Und nicht wenige schreiten auch zur Tat. Doch Frauen scheinen von dieser Gründungseuphorie nicht viel zu halten. Trotz eines Anteils von 43 Prozent an den Erwerbs tä tigen stellen sie gerade mal ein knappes Drittel der Selbständigerwerbenden, und magere 18 Prozent der Vollzeitselbständigen. Auch an Existenzgründungskursen wie «Lust auf eine eigene Firma» an der ETH Zürich sucht man Frauen fast vergebens; vier von fünf Teilnehmern sind Männer. Die kümmerliche Vertretung der Frauen bei den Selbständigerwerbenden leuchtet nicht auf Anhieb ein. Häufig ist von Berufs frauen ja zu hören, dass die berüchtigte «gläserne Decke» ihre Karriere in der CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt 15 Männerwirtschaft behindert – als Selbständige könnten sie sich aller firmeninternen Benachteiligungen ein für allemal entledigen. Und Müttern fiele es mit einer flexibel gestaltbaren Tätigkeit leichter, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Anmut und Armut senken den Mut Woher also rührt nur die weibliche Unlust an der beruflichen Selbständigkeit ? Eine Erklärung läge auf der Hand: Frauen sind weniger mutig. «Keineswegs!» erhebt Irène Meier vehement Einspruch. Und sie weiss Bescheid. Die Unternehmerin und Mutter hat das erste Forum für beruflich selbständige Frauen Anfang Juni in Zürich mitorganisiert. «Hält man sich die Rahmenbedingungen vor Augen, wird deutlich: Frauen sind nicht mutlos; sie sind nur vernünftig.» Frauen sind tatsächlich finanziell häufig nicht auf Rosen gebettet und können bei Banken auch heute noch nur mit wenig Vertrauen in ihre Geschäfts tüchtigkeit rech nen. Mache sich eine Frau trotz dieser Widrigkeiten selbständig, zeige sie mehr Mut als ihr männlicher Kollege, so Irène Meier. Zumal es so gut wie keine Vorbilder gibt, die jungen Frauen das Unter neh mer tum schmackhaft machen würden. Natürlich liegt auch beim weiblichen Aus- und Weiterbildungsverhalten noch einiges im argen. Vielfach denken Frauen immer noch in traditionellen Mustern, was sie in ihrer Berufswahl stark einschränkt. Auch für Unternehmerin Anita Bäumli, die das erwähnte Forum aus der Taufe gehoben hat, ist die dürftige «Unternehmungslust» der Frauen keine Frage des mangelnden Mutes: «Die geschlechtsspezi fische Sozialisierung weckt bei Mädchen einfach nicht den Wunsch nach Selbstbestimmung.» Diese Ansicht teilt sie mit der selbständigen und erfolgreichen Unternehmensberaterin Elisabeth Michel-Alder, die im traditionellen Rollenbild der Frau den Grund allen Übels sieht. «Mit Bescheidenheit, Anpassungsfähigkeit und Liebenswürdigkeit kommt frau nicht weit. Ein Unternehmen gründen heisst, sich seine Umgebung selber schaf fen. Das haben Frauen nicht gelernt. Dazu kommt noch, dass Unternehmerinnen von der Gesellschaft geringere Anerkennung erfahren und überhaupt weniger belohnt werden als männliche Unternehmer. Eine selbständige, unabhängige und erfolgreiche Geschäftsfrau entspricht auch heute noch nicht dem landläufigen Idealbild einer Frau.» Überhaupt ist die berufliche Selbständigkeit für Frauen nicht sonderlich einträglich. Gemäss einer Studie der ETH können Frauen die Lohndiskriminierung, die sie be reits als Angestellte zu spüren bekommen, auch als Selbständige nicht abstreifen. 1995 brachten es die weiblichen Selbstän digen auf spärliche 63 Prozent des jährlichen Bruttoerwerbseinkommens der vollzeiterwerbstätigen selbständigen Männer. So empörend dieser Befund ist – für Irène Meier sind die Gründe klar: «Frauen ma chen sich häufig in wenig wertschöpfungs in ten siven, personennahen Dienstleistungs bran chen mit geringem Wachs tums potential selbständig. Denn das entspricht am ehesten ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung; ausserdem kommt der geringe Investitionsaufwand ihrem ohne hin schma len Budget entgegen.» Was auf Ärztinnen oder Anwältinnen nicht unbedingt zutrifft, gilt um so mehr für die unzähligen Ein-Frau-Betriebe im Gesundheits-, Schönheits- und Pflegebereich, die <strong>Schneid</strong>erin nen- und Gestaltungsateliers, die Schreib büros oder Eso te rikläden. Mut zur Andersartigkeit «Vollprofi-Berufsfrauen, die sich eine Existenz auf gebaut haben, sind durchschnittlich sicher ebenso erfolgreich wie männliche Unternehmer. Für das Gros der anderen, der Familienfrauen mit erwerbstätigem Partner, rentiert die selbständige Tätigkeit meist nicht. Ich bezeichne Frauen, die nur teilzeitig tätig sind und davon weder leben müssen noch können, nicht als echte Unternehmerinnen», erklärt Norbert Winis törfer. Anderer Meinung ist da Anita Bäumli: «Wir müssen endlich mit dem Gründermythos auf räumen, dass nur ernstzunehmen ist, wer sich 150 Prozent beruflich engagiert.» Und Irène Meier ergänzt, dass Frauen sich eben eigene Unternehmensformen schaff ten, die ihrer Lebensrealität von Beruf und Familie entsprächen. «Meine Erfahrung hat gezeigt, dass wir auf diese Weise sehr erfolgreich sind. Und Frauen zeigen hier besonders Mut: Sie leben un konventionelle Formen von Selbständigkeit und Arbeitsteilung.» Frauen sind bessere Unternehmer Irène Meiers Worte machen Mut. Und den können Frauen auch brauchen. Noch heute sind sie nämlich weniger gut ins Er werbsleben eingebettet als Männer und verfügen auch gesellschaftlich und politisch über weniger Vernetzungen. Und Kontakte sind für Unternehmer nun mal das A und O. Solange Frauen nicht ihre angestammten Branchen verlassen und in Männerdomänen wie Technik und Naturwissenschaften vordringen, ziehen sie wahrscheinlich fi nan ziell weiterhin den kürzeren. Wenn eine Frau den Schritt in die Selbständigkeit erst einmal gewagt und die Feuertaufe im Markt bestanden habe, dann sei sie aber die bessere Unternehmerin als ihre männlichen Konkurrenten. Davon ist Elisabeth Michel-Alder überzeugt. «Frauen agieren als Unternehmerinnen betriebswirtschaftlich einfach vernünftiger.» «Frauen haben mut, unkonventionelle formen von beruflicher selbständigkeit zu leben.» CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
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