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Courage, Mumm, Schneid

Credit Suisse bulletin, 1998/04

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Schwerpunkt<br />

15<br />

Männerwirtschaft behindert – als Selbständige<br />

könnten sie sich aller firmeninternen<br />

Benachteiligungen ein für allemal entledigen.<br />

Und Müttern fiele es mit einer<br />

flexibel gestaltbaren Tätigkeit leichter, Beruf<br />

und Familie unter einen Hut zu bringen.<br />

Anmut und Armut senken den Mut<br />

Woher also rührt nur die weibliche Unlust an<br />

der beruflichen Selbständigkeit ? Eine Erklärung<br />

läge auf der Hand: Frauen sind weniger<br />

mutig. «Keineswegs!» erhebt Irène<br />

Meier vehement Einspruch. Und sie weiss<br />

Bescheid. Die Unternehmerin und Mutter<br />

hat das erste Forum für beruflich selbständige<br />

Frauen Anfang Juni in Zürich mitorganisiert.<br />

«Hält man sich die Rahmenbedingungen<br />

vor Augen, wird deutlich: Frauen<br />

sind nicht mutlos; sie sind nur vernünftig.»<br />

Frauen sind tatsächlich finanziell häufig nicht<br />

auf Rosen gebettet und können bei Banken<br />

auch heute noch nur mit wenig Vertrauen in<br />

ihre Geschäfts tüchtigkeit rech nen. Mache<br />

sich eine Frau trotz dieser Widrigkeiten selbständig,<br />

zeige sie mehr Mut als ihr männlicher<br />

Kollege, so Irène Meier. Zumal es so<br />

gut wie keine Vorbilder gibt, die jungen Frauen<br />

das Unter neh mer tum schmackhaft machen<br />

würden. Natürlich liegt auch beim<br />

weiblichen Aus- und Weiterbildungsverhalten<br />

noch einiges im argen. Vielfach denken<br />

Frauen immer noch in traditionellen Mustern,<br />

was sie in ihrer Berufswahl stark einschränkt.<br />

Auch für Unternehmerin Anita Bäumli,<br />

die das erwähnte Forum aus der Taufe gehoben<br />

hat, ist die dürftige «Unternehmungslust»<br />

der Frauen keine Frage des mangelnden<br />

Mutes: «Die geschlechtsspezi fische<br />

Sozialisierung weckt bei Mädchen einfach<br />

nicht den Wunsch nach Selbstbestimmung.»<br />

Diese Ansicht teilt sie mit der selbständigen<br />

und erfolgreichen Unternehmensberaterin<br />

Elisabeth Michel-Alder, die im traditionellen<br />

Rollenbild der Frau den Grund allen Übels<br />

sieht. «Mit Bescheidenheit, Anpassungsfähigkeit<br />

und Liebenswürdigkeit kommt frau<br />

nicht weit. Ein Unternehmen gründen heisst,<br />

sich seine Umgebung selber schaf fen. Das<br />

haben Frauen nicht gelernt. Dazu kommt<br />

noch, dass Unternehmerinnen von der Gesellschaft<br />

geringere Anerkennung erfahren<br />

und überhaupt weniger belohnt werden als<br />

männliche Unternehmer. Eine selbständige,<br />

unabhängige und erfolgreiche Geschäftsfrau<br />

entspricht auch heute noch nicht dem<br />

landläufigen Idealbild einer Frau.»<br />

Überhaupt ist die berufliche Selbständigkeit<br />

für Frauen nicht sonderlich einträglich.<br />

Gemäss einer Studie der ETH können Frauen<br />

die Lohndiskriminierung, die sie be reits<br />

als Angestellte zu spüren bekommen, auch<br />

als Selbständige nicht abstreifen. 1995<br />

brachten es die weiblichen Selbstän digen<br />

auf spärliche 63 Prozent des jährlichen Bruttoerwerbseinkommens<br />

der vollzeiterwerbstätigen<br />

selbständigen Männer. So empörend<br />

dieser Befund ist – für Irène Meier sind die<br />

Gründe klar: «Frauen ma chen sich häufig in<br />

wenig wertschöpfungs in ten siven, personennahen<br />

Dienstleistungs bran chen mit geringem<br />

Wachs tums potential selbständig.<br />

Denn das entspricht am ehesten ihrer Ausbildung<br />

und beruflichen Erfahrung; ausserdem<br />

kommt der geringe Investitionsaufwand<br />

ihrem ohne hin schma len Budget entgegen.»<br />

Was auf Ärztinnen oder Anwältinnen nicht<br />

unbedingt zutrifft, gilt um so mehr für die<br />

unzähligen Ein-Frau-Betriebe im Gesundheits-,<br />

Schönheits- und Pflegebereich, die<br />

<strong>Schneid</strong>erin nen- und Gestaltungsateliers,<br />

die Schreib büros oder Eso te rikläden.<br />

Mut zur Andersartigkeit<br />

«Vollprofi-Berufsfrauen, die sich eine Existenz<br />

auf gebaut haben, sind durchschnittlich<br />

sicher ebenso erfolgreich wie männliche<br />

Unternehmer. Für das Gros der anderen, der<br />

Familienfrauen mit erwerbstätigem Partner,<br />

rentiert die selbständige Tätigkeit meist<br />

nicht. Ich bezeichne Frauen, die nur teilzeitig<br />

tätig sind und davon weder leben müssen<br />

noch können, nicht als echte Unternehmerinnen»,<br />

erklärt Norbert Winis törfer.<br />

Anderer Meinung ist da Anita Bäumli: «Wir<br />

müssen endlich mit dem Gründermythos<br />

auf räumen, dass nur ernstzunehmen ist, wer<br />

sich 150 Prozent beruflich engagiert.» Und<br />

Irène Meier ergänzt, dass Frauen sich eben<br />

eigene Unternehmensformen schaff ten, die<br />

ihrer Lebensrealität von Beruf und Familie<br />

entsprächen. «Meine Erfahrung hat gezeigt,<br />

dass wir auf diese Weise sehr erfolgreich<br />

sind. Und Frauen zeigen hier besonders<br />

Mut: Sie leben un konventionelle Formen von<br />

Selbständigkeit und Arbeitsteilung.»<br />

Frauen sind bessere Unternehmer<br />

Irène Meiers Worte machen Mut. Und den<br />

können Frauen auch brauchen. Noch heute<br />

sind sie nämlich weniger gut ins Er werbsleben<br />

eingebettet als Männer und verfügen<br />

auch gesellschaftlich und politisch über weniger<br />

Vernetzungen. Und Kontakte sind für<br />

Unternehmer nun mal das A und O. Solange<br />

Frauen nicht ihre angestammten Branchen<br />

verlassen und in Männerdomänen wie Technik<br />

und Naturwissenschaften vordringen,<br />

ziehen sie wahrscheinlich fi nan ziell weiterhin<br />

den kürzeren. Wenn eine Frau den Schritt in<br />

die Selbständigkeit erst einmal gewagt und<br />

die Feuertaufe im Markt bestanden habe,<br />

dann sei sie aber die bessere Unternehmerin<br />

als ihre männlichen Konkurrenten. Davon ist<br />

Elisabeth Michel-Alder überzeugt. «Frauen<br />

agieren als Unternehmerinnen betriebswirtschaftlich<br />

einfach vernünftiger.»<br />

«Frauen haben mut,<br />

unkonventionelle<br />

formen von beruflicher<br />

selbständigkeit zu leben.»<br />

CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98

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