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Schwerpunkt 10 « meist ruft gleich der anwalt an» mit scharfBlick erkennt der Kabarettist Lorenz Keiser die übel der zeit und scheut sich nicht, mit dem finger draufzuzeigen. Wer sein Gesicht nicht kennt, käme wohl nie auf die Idee, dass dieser struwwelpetrige, unscheinbare Fast-Vierziger sich mit den ganz Grossen dieses Landes anlegt. Doch wenn er dann so da sitzt und beim Nachmittagskaffee in seiner spitzbübischen Art allerlei Schwänke aus seinem Kabarettistenalltag auftischt, kann man es sich schon denken: Mancher verbale Schabernack, den er vorzugsweise mit Exponenten der hiesigen Wirtschafts- und Politszene und allzu devoten Kirchendienern treibt, ist den Geschmähten schon in den falschen Hals geraten. Die Rede ist von Lorenz, dem Keiser im Schweizer Kabarettistenadel. Den Unmut, welchen seine bissige Satire weckt, hat Lorenz Keiser schon oft zu spüren bekommen: «Meist ruft gleich der Anwalt an», erzählt er und zieht genüsslich an seiner Zigarette. Oder es hagelt böse Briefe. Immer wieder versuchten die Verunglimpften, ihn mit mehr oder weniger lautem Säbelgerassel Mores zu lehren: Eine Satire-Sendung wurde eine Stunde vor Ausstrahlung am Fernsehen auf Androhung einer Wirtschaftsgrösse abgesetzt, gegen einen weiteren Keiser-Beitrag wurde bei der TV-Beschwerdeinstanz UBI Protest ein gelegt, und mit seinem Kabarettstück «Der Erreger» trat Keiser 1992 gar eine Rechtsstreit-Lawine los. «Im Gegensatz zum Theater, wo die Leute die Geisselung von Missständen hören wollen, reicht im Fernsehen schon eine geringe Dosis Satire, und ich werde fast gelyncht», witzelt er. Seine Meinung öffentlich kundzutun, das habe bei ihm nichts mit Mut zu tun. Dass es manchmal heftige Reaktionen auf seine Arbeit gibt, liegt wohl in der Natur der Sache; schliesslich macht Keiser nichts anderes, als Tabus und Konventionen zu brechen. «Es ist mir klar, dass ich polarisiere, wenn ich jemanden durch den Kakao ziehe. Aber das Kabarett muss angriffig, polemisch und zuweilen ein bisschen verrückt sein; es ist meine Waffe gegen Stärkere, deren Tun für mich nicht über jeden Zweifel erhaben ist.» Die Drohgebärden als Antwort auf Keisers verbale Attacken haben ihn nie beirrt. Niemandem ist es bis heute gelungen, ihn das Fürchten zu lehren oder ihm gar einen Maulkorb zu verpassen. «Eine richtige Mutprobe war die Entscheidung, als Freischaffender von meiner Kreativität zu leben», erzählt er. Wenn Mut als Gegenteil von Ängstlichkeit verstanden werde, dann sei er schon ein mutiger Mensch. «Aber bewusst wird mir das nur, wenn die Leute mich fragen: ‹Wie hältst Du das nur aus, so ganz ohne Pensionskasse ?›» Auch die Premieren verlangen Lorenz Keiser einiges an Mut ab. «Das mit dem Lampenfieber ist eine Leidensgeschichte.» Schon Stunden vor dem Auftritt ziehe sich sein Magen auf ein winziges Etwas zusammen. «Die Vorstellung, ich könnte den Faden verlieren, ist einfach grauenhaft! Aber dann der Applaus – das Grösste!» Und der ist ihm sicher. Auch mit seinem letzten Soloprogramm «Aquaplaning – eine Spritzfahrt durch die Pfützen des freien Markts» hat der mit allen Wassern gewaschene Dramaturg sein Publikum nicht im Regen stehenlassen. CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
Schwerpunkt 11 Für Unternehmensgründer gilt von Amerika bis Zentralasien das gleiche: Nur wer wagt, gewinnt Von André Kühni, Economic Research Die Schweizer Wirtschaft erlebt zurzeit einen veritablen Firmengründungsboom. Im vergangenen Jahr liessen sich in unserem Land fast 30 000 Unternehmungen neu ins Handelsregister eintragen – ganze zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Der Saldo zwischen neueingetragenen und gelöschten Unternehmungen lag mit einem Drittel mehr gegenüber 1996 gar im Rekordbereich. Auch im laufenden Jahr scheint die berufliche Selbständigkeit nichts von ihrer Anziehungskraft verloren zu haben. Bis Ende Mai lagen die Neugründungen erneut fünf Prozent über den Vorjahresvorgaben. Und fast die Hälfte aller Neufirmen entstanden 1997 im Dienstleistungssektor. Firmenneugründungen sind aber noch kein Hinweis auf eine gesunde, wettbewerbsfähige und effiziente Volkswirtschaft. Kehrseite der Medaille bilden die Insolven zen von Privatleuten und die Firmenkonkurse; denn der Mut führt nicht selten in den Ruin. Zwar zeigt sich hier in jüngster Zeit eine Beruhigung. Die Schadensumme allerdings, die Firmenaufgaben der Volkswirtschaft zugefügt haben, ist innert weniger Jahre auf das Doppelte angewachsen. Die Hauptgründe für die Konkurse sind zunehmend aufgebrauchte Reserven, die langanhaltende Durststrecke im Baugewerbe sowie die Strukturbereini CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98
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