Courage, Mumm, Schneid
Credit Suisse bulletin, 1998/04
Credit Suisse bulletin, 1998/04
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Schwerpunkt<br />
6<br />
« Fast hÄtte ich den bettel<br />
hingeschmissen»<br />
«Wie ein nichtschwimmer, der ins kalte<br />
wasser springt.» peter sauber<br />
über seine anfänge im autorennsport.<br />
Wie eine Autowerkstatt sieht es nicht aus<br />
im Untergeschoss der Sauber AG im zürcherischen<br />
Hinwil. Kein Benzingeruch in<br />
der Luft. Keine Öllachen am Boden. Alle<br />
Utensilien säuberlich aufgeräumt. In der<br />
Mitte der Halle sind die beiden Formel-1-<br />
Boliden aufgebockt. High-Tech pur. Eben<br />
erst sind die Maschinen aus Kanada eingetroffen,<br />
wo vier Tage zuvor der Grand<br />
Prix von Montreal stattgefunden hatte –<br />
eines der turbulentesten Rennen der letzten<br />
Jahre. Ein Crash jagte den andern. Pech<br />
für die Sauber-Piloten Jean Alesi und<br />
Johnny Herbert: Sie schieden beide früh<br />
aus. Eben falls aus Kanada eingetroffen ist<br />
das Begleitmaterial, verstaut in über siebzig<br />
Kisten. Ein logistischer Grossaufwand.<br />
Rund 160 Mitarbeiter sorgen mittlerweile<br />
dafür, dass die Sauber-Fahrzeuge Rennen<br />
für Rennen am Start stehen. Auf über 50<br />
Millionen Franken beläuft sich der jährliche<br />
Umsatz des Rennstalls – unglaubliche<br />
Dimen sionen in einem Land, welches über<br />
keinerlei Automobiltradition verfügt.<br />
«In meinem Büro suchen Sie vergeblich<br />
nach Trophäen. Die lagern alle im Keller»,<br />
meint Peter Sauber lachend. Der bescheidene<br />
Herr mit Glatze will so gar nicht in den<br />
schillernden Formel-1-Zirkus passen. Und<br />
doch hat wohl kaum einer so viel erreicht<br />
im Autorennsport wie er. 1970, im Alter von<br />
26 Jahren, beschloss der gelernte Elektromonteur,<br />
einen Rennstall zu gründen. Im<br />
Keller der elterlichen Wohnung baute er<br />
sein erstes Gefährt, einen zweisitzigen<br />
Sportwagen. «Das unternehmerische Risiko<br />
war ungleich grösser als das Risiko auf<br />
der Rennstrecke», sagt der Mann, der in<br />
den ersten Jahren selber am Steuer seiner<br />
Wagen sass. «Einzig in den Bergrennen beschlich<br />
mich jeweils ein ungutes Gefühl.»<br />
Doch der Totalschaden blieb aus. Mehr<br />
noch: Sauber gewann gleich in seinem<br />
ersten Rennjahr die Schweizer Meisterschaft.<br />
Eine Erfolgsserie nahm ihren Anfang.<br />
Als Draufgänger würde sich der Hinwiler<br />
dennoch nicht bezeichnen. «Meine Stärken<br />
liegen eher im Durchhaltewillen und in der<br />
Fähigkeit, mit seriöser Arbeit bei Partnern<br />
das Vertrauen zu gewinnen.» 1984 schaffte<br />
es Sauber, Mercedes zu einer Rückkehr<br />
ins Renn busi ness zu bewegen. Es folgte<br />
eine zehn jäh rige Zusammenarbeit mit vielen<br />
Höhe punk ten, darunter 1989 ein Doppelsieg<br />
im 24-Stunden-Rennen von Le Mans.<br />
«Vielleicht der schönste Erfolg in meiner<br />
Karriere.»<br />
Natürlich blieben Rückschläge nicht aus.<br />
«Situationen, wo ich den Bettel einfach<br />
hinschmeissen wollte, gab es viele. Was<br />
uns Mut gab zum Weitermachen, war die<br />
Einsicht, dass wir etwas Unmögliches geschafft<br />
hatten: in der Schweiz einen Rennstall<br />
zu betreiben.» Der kritische Unterton<br />
ist nicht zu überhören. Sauber seufzt: «Wir<br />
haben Mühe, qualifizierte Mitarbeiter zu<br />
finden. Nur wenige sind bereit, sich für ein<br />
sportliches Ziel einzusetzen und dafür halt<br />
manchmal mehr als üblich zu arbeiten.»<br />
Kritik auch an den hiesigen Gross banken<br />
und Versicherungen, für die ein Engagement<br />
in der Formel 1 kein Thema ist. «Vom<br />
gegenseitigen Nutzen einer Part nerschaft<br />
sind die Verantwortlichen zwar meist überzeugt.<br />
Doch fehlt ihnen der Mut, sich zu<br />
exponieren.» Halb so schlimm, denn fin anziell<br />
steht die Sauber AG schon seit Jahren<br />
auf gesunden Beinen. Und auch<br />
sport lich hat sich der Rennstall, mittlerweile<br />
in der sechsten Formel-1-Saison,<br />
der Spitze angenähert. Fehlt bloss noch<br />
der erste Grand-Prix-Sieg. «Im Jahr 2000<br />
sollte es soweit sein.»<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 4 |98