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FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 2|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung

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Real. 282 Filialen in Deutschland, zuletzt 7,7 Milliarden Euro Umsatz<br />

netto. Mit dem neuen Konzept stellt die Real-Geschäftsführung auf<br />

11 500 Quadratmetern Verkaufsfläche die Jahrzehnte alten Prinzipien<br />

deutscher Supermärkte in Frage, die da sind: optimiertes Angebot,<br />

extrem günstige Preise, höchste Effizienz und möglichst niedrige Kosten.<br />

Doch die Renditen sind in der gesamten Branche des Lebensmitteleinzelhandels<br />

knapp. Wachstum lässt sich nur noch durch Verdrängung<br />

der Wettbewerber erzielen.<br />

Die »Markthalle Krefeld« trägt ihren Namen als Programm:<br />

»Für meine Geschäftsführerkollegen Henning Gieseke, Jörg<br />

Kramer und mich lag es nah, die Markt hallen tradition aus der<br />

Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wiederzubeleben, sie<br />

neu und zeitgemäß zu interpretieren«, erzählt der Real-CEO Patrick<br />

Müller-Sarmiento. »Wir haben mit dem gesamten Management viele<br />

Märkte und Markthallen von München bis Hamburg sowie von Japan<br />

bis Nordamerika besucht. Wir haben die Kunden beobachtet, sie meist<br />

als glücklich wahrgenommen. Da wurde uns klar: Diese Vision wollen<br />

wir aufgreifen.«<br />

Um den Real-Markt in Krefeld-Oppum in die Markthalle Krefeld<br />

zu verwandeln, wurde er 2016 für einige Wochen geschlossen und<br />

umgebaut. Rund einhundert neue Mitarbeiter wurden rekrutiert und<br />

entsprechend geschult. Viele von ihnen arbeiteten zuvor nicht im Handel,<br />

sondern in der Gastronomie, in Hotels und in Dienstleistungs berufen,<br />

sagt Jörg Kramer. Rund zweihundertfünfzig Mitarbeiter stehen nun<br />

für die Kunden zur Verfügung. Insgesamt habe Real einen »niedrigen<br />

zwei stelligen Millionen betrag« in die Markthalle am Krefelder Stadtrand<br />

investiert. Der Markt in der Ebene zwischen Feldern, Lager hallen,<br />

Gewerbe und Wohngebieten sei dafür genau richtig gewesen, ergänzt<br />

Henning Gieseke und erklärt die Wahl des Standorts: »Durch Krefeld<br />

verläuft die Grenze zwischen dem eher wohlhabenden Rheinland und<br />

dem Ruhrgebiet mit deutlich geringerer Kaufkraft«, sagt er. »Wir<br />

wollen ja keinen Feinkostladen nur für Wohlhabende, wir sind für alle<br />

Kunden da.« Zudem liegt die Markthalle nur eine halbe Autostunde<br />

von der Düsseldorfer Konzernzentrale entfernt: »Meine Kollegen und<br />

ich waren über eine sehr lange Phase fast jeden zweiten Tag dort.«<br />

Die meterhohe Glastür öffnet sich. Harald Wohlfahrt geht an einer<br />

langen Einkaufswagenkette vor zartgrüner Wand vorbei, bleibt an einem<br />

einsam platzierten Deko-Baum stehen und greift an eine Frucht. Er hebt<br />

die Augenbrauen und lächelt: »Plastik«. Der Sternekoch federt um die<br />

Ecke, betritt die Markthalle und bleibt stehen. Wann war er zum letzten<br />

Mal einkaufen? »Muss lange her sein. Ich habe ja über vierzig Jahre<br />

lang im Betrieb gelebt und dort gegessen. Ich hatte einen 14-Stunden-<br />

Tag. Und noch nie habe ich einen Real-Markt betreten.« Er schnuppert<br />

einen Moment und steuert auf die Bäckerei zu. Immer der Nase<br />

nach. Da stehen Mehlsäcke, Teigrührmaschinen, meterlange Arbeitsflächen,<br />

bestäubt mit Mehl. Edelstahlrohre ragen aus der Decke, Ofenklappen<br />

aus der Backsteinwand. Hier werden keine Tiefkühl rohlinge<br />

fertig gebacken, hier arbeiten Bäckermeister und -gesellen nach den<br />

Maßstäben des Handwerks. Bis sieben Uhr abends wird produziert:<br />

Brote, Brötchen, Baguette, Kuchen, Stückchen und Torten. Fünfundneunzig<br />

Prozent dieses Angebots entstünden in der Markthalle, erzählt<br />

Patrick Müller-Sarmiento. Das Mehl stamme von der Eifelähre, einer<br />

Nach haltig keits initiative von Landwirten aus der Eifel, die Zutaten von<br />

einem regionalen Großhändler.<br />

Der große Koch genießt die kleinen Freuden:<br />

Aromatischer Ruhepol im bunten Markttreiben ist<br />

die Kaffeerösterei. Zwölf Sorten brauner Bohnen<br />

werden hier täglich frisch geröstet. Belebender für<br />

Körper und Sinne kann ein Espresso nicht sein.<br />

Wohlfahrt nimmt ein »Krefelder Krustenbrot«, das aus selbst<br />

angesetztem Sauerteig produziert wird. Er schiebt die Brille<br />

auf die Stirn, untersucht die Oberfläche, riecht daran, probiert<br />

ein abgeschnittenes Stück und nickt. »Das Brot schmeckt sehr<br />

gut«, urteilt er, »die Teigführung stimmt, es hat eine schöne Konsistenz<br />

und Kruste, es hat Aroma. Manchmal ist weniger mehr.« Seit dem<br />

Start gibt es zehn Brötchen für einen Euro. Harald Wohlfahrt hebt die<br />

Augenbrauen: »Bei diesem Preis denke ich doch, das ist irgendeine<br />

fertige Teigware, die sonst wo herkommt. Das hier aber ist locker und<br />

zart mit feiner Kruste. Dass man in Deutschland für zehn Cent so ein<br />

Brötchen kaufen kann, finde ich sensationell.«<br />

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