FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 2|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 2|2017 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
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SCHOKOLADE <strong>UND</strong> WEIN<br />
WIE <strong>FÜR</strong>EINANDER BESTIMMT<br />
GOING FURTHER TOGETHER.<br />
KÖNNEN AUSSER-<br />
GEWÖHNLICHE<br />
LÖSUNGEN ZUR<br />
GEWOHNHEIT<br />
WERDEN?<br />
Die neue METRO ist an der Börse.<br />
Und 150.000 Lösungssucher sind dabei.<br />
Von URSULA HEINZELMANN<br />
Foto GUIDO BITTNER<br />
Wer auf dieses Thema etwas genervt reagiert, weil doch nun wirklich nicht alles und jedes<br />
mit Wein kombi niert werden muss, weil doch zumindest Schokolade eine bitteschön<br />
experten freie Zone bleiben sollte, etwas, das man einfach nascht und genießt: vollstes<br />
Verständnis. Man muss keinen Wein zur Zartbitteren trinken. Aber man kann!<br />
Bearbeitung zuviel Aromastoffe verflüchtigen ließe. Die<br />
Parallele zu unfiltrierten Weinen liegt auf der Hand, und<br />
in der Tat knirschen die Schokoladen von Bonajuto aus<br />
Modica in Sizilien oder Taza in Massachusetts ausgesprochen<br />
fruchtig und lebendig auf der Zunge.<br />
Vor fünfzehn Jahren sah die Fachwelt das ganz anders.<br />
Da hieß es noch, Schokolade und Wein passten<br />
grundsätzlich nicht zusammen, und ich schrieb<br />
ein flammendes Plädoyer für Süßweine wie Banyuls und<br />
Maury oder P.X. Sherry, empfahl fruchtig-kräftigen Vintage<br />
Port zur Mousse au Chocolat und gereifte Riesling Beerenauslese<br />
zur Schokoladen terrine. Und Vin Santo, für den in<br />
der Toskana Malvasia- und Trebbiano trauben auf großen<br />
Strohmatten unterm Dach getrocknet werden, der Most<br />
über mehrere Jahre in versiegelten Fässern reift und schließlich<br />
nach getrockneten gelben Früchten, Honig und Walnüssen<br />
duftet – und Schokolade liebt!<br />
Damals ging es los mit dem Schokoladenhype: Italiener<br />
wie Mack Domori aus Genua öffneten uns die Augen für<br />
die komplexe Aromatik der Kakaobohnen, definierten<br />
Schokoladen qualität von Grund auf neu. Edel- Schoko-<br />
Läden schossen wie Pilze aus dem Boden, nach Wein<br />
und Olivenöl diskutierten Feinschmecker nun über neue<br />
Kakao-Sorten, -Produzenten und autochthone Arten. Selbst<br />
im Supermarkt kletterten die Kakao-Anteile unaufhaltsam<br />
nach oben. Wie bei Wein und Öl begriffen wir, dass<br />
Schokolade in der Tat besser, charakter voller, spannender<br />
schmeckt, wenn sie aus hochwertigen, sauber verarbeiteten<br />
Rohstoffen entsteht. Wenn das Kakao-Aroma nicht<br />
durch die übermäßige Zugabe von Zucker oder Milchpulver<br />
überdeckt wird. Wenn die Schokolade Kakaobutter<br />
statt gehärte ter Fremdfette enthält. Kurzum, wenn sie so<br />
sorgfältig her gestellt ist, dass sich das komplexe Aromenspektrum<br />
entfalten kann, das von Leder und Holz über alle<br />
Arten von roten und Zitrusfrüchten bis zu Nüssen, Honig<br />
und Blüten reicht. Wie beim Champagner ging es auch bei<br />
Kakao und Schokolade zurück zum Ursprung, zu Single<br />
Origins statt großer Blends.<br />
Wir haben Schokoladeschmecken gelernt, und unsere<br />
Toleranz für ihre herbe Seite ist gestiegen, für das faszinierende<br />
Zusammenspiel von fruchtiger Süße, bitterer Adstringenz<br />
und belebender Säure. Je höher der Kakao-Anteil, desto<br />
fordernder, wie ein starker Espresso ohne Zucker. Das mag<br />
zunächst befremdlich wirken, im besten Fall wird es aber<br />
zu einem einzigartigen Geschmackserlebnis. Die besten<br />
Schokoladen mit 90 Prozent Kakao-Anteil oder mehr und<br />
gehaltvolle, kräftige Rotweine können einander ergänzen,<br />
als seien sie füreinander bestimmt.<br />
Doch dafür muss wirklich alles passen. Der Kenner<br />
weiß, wie viele Faktoren Charakter, Geschmack und Potential<br />
eines Weins beeinflussen. Bei Schokolade ist es ganz<br />
genauso. Wilde Hefen, Bakterien und Enzyme sorgen dafür,<br />
dass sich in den Kakaobohnen Milch- und Essigsäure sowie<br />
Geschmacksstoffe entwickeln. Wie beim Kaffee werden die<br />
Bohnen außerdem geröstet, was für zusätzliche Aromen<br />
sorgt. Vanille wird häufig eingesetzt, ein sehr kakao-affines<br />
Gewürz; manche Erzeuger halten dies allerdings für Manipulation,<br />
wie frisches Holz beim Wein. Auch die Verarbeitung<br />
zu geschmeidiger Paste (das Conchieren) und der entsprechende<br />
Schmelz im Mund sind umstritten; Puristen<br />
beschränken sich aufs Mahlen der Bohnen, da die lange<br />
Wer sich nun auf schokoladig-weinige Erkundungstour<br />
begibt, sollte nicht vergessen, dass<br />
die jeweilige persönliche Toleranz für bitter<br />
und sauer ganz unterschiedlich ist – und skeptisch sein,<br />
wenn auf »Wein- Schokoladen« spezialisierte Chocolatiers<br />
»perfekte Begleitung« versprechen. Aber es gibt durchaus<br />
Richtlinien. Je ausdrucksvoller und intensiver die Schokolade,<br />
desto reifer sollten die Trauben sein, desto konzentrierter<br />
und dichter der Wein. Alkohol hilft, Säure und<br />
Bitter stoffe zu balancieren, etwas Zucker macht den Einstieg<br />
einfacher: kalifornischer Zin fandel, Recioto della<br />
Valpolicella, Vins Doux Naturels wie Banyuls, Maury und<br />
Rivesaltes, Portwein und mancher Madeira sind kakao- und<br />
schoko-affin. Ebenfalls positiv in dieser Hinsicht: Flaschenreife<br />
und oxidativer Ausbau. Die nussigen Aromen eines<br />
traditionellen Banyuls kommen wesentlich besser mit dem<br />
dunkelschmelzenden Stoff zurecht als eine säurefrischere<br />
moderne Stilistik.<br />
Vertrautheit mit Kakao und Schokolade wie mit Riesling<br />
und Pinot Noir erlaubt schließlich das Experimentieren<br />
in der Küche. Der mit etwas sehr dunkler Schokolade<br />
gebundene Fond eines gebratenen Lammrückens ergibt<br />
wenig, aber sehr komplexe Sauce, die wiederum hervorragend<br />
durch einen australischen Shiraz ergänzt wird. Sollten<br />
Stimmung und Bestände es zulassen, mag es durchaus<br />
ein Mount Edelstone der Familie Henschke sein. Und zum<br />
Vin Santo mundet ein Domori- Täfelchen aus Venezuela.<br />
Ohne jeden Hype.<br />
Fabio Ziemßen<br />
46 <strong>FINE</strong> 2 | 2017 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />
Alles über die neue METRO auf metroag.de<br />
Head of Food Innovation<br />
and Food-Tech