2008-03
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Inhaltsübersicht / Aus der Redaktion<br />
Aus der Redaktion <strong>03</strong><br />
Werbung Sparkasse 04<br />
Preußendrill im Reichspost- und Telegrafenamt 05<br />
Ein ungeliebter Gast 06<br />
E Liffje es kän Liffjesbotze 07<br />
Der neue Spielplan 07<br />
Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie 08<br />
Schöne Aussichten fürs Alter 10<br />
Elisabeth Koch – Tochter aus „Kochs Ecke“ wurde 100 12<br />
Wie der Magolwes zu seinem Namen kam 17<br />
Als Rolf Kretzer noch den „Magolwes“ machte ... 20<br />
Mittelpunkt des Kreises gefunden 21<br />
Verlobung 23<br />
Schulprojekt mit Altenheim 24<br />
Es ist angerichtet 27<br />
Der Kommentar 27<br />
Aus dem Seniorenbeirat 28<br />
Haushaltsnahe Dienstleistungen 30<br />
Gedächtnistraining 32<br />
Ein verlässlicher Begleiter 34<br />
Jubiläumsimpressionen mit der Kamera eingefangen 37<br />
„Entfalten“ 38<br />
Zeichen der Jahre 38<br />
Wikipedia, die freie Enzyklopädie 39<br />
Organspende 40<br />
Leserbriefe 49<br />
Es fiel uns auf/Lösungen 50<br />
Impressum/Zu guter Letzt 50<br />
Unsere Redaktionskonferenzen sind immer turbulente Veranstaltungen! Das Bemühen<br />
um Vielseitigkeit, auch innerhalb von zeit- und gesellschaftskritischen Beiträgen, lässt gelegentlich<br />
die Meinungen härter aufeinanderprallen. Geht es doch um den gemeinsamen<br />
Erfolg, um die Erstellung einer guten regionalen Zeitung für Menschen jenseits der „50“.<br />
Die letzte Titelbildkonferenz übertraf aber alles bisher Dagewesene.<br />
Zwei Fraktionen „stritten“ über den richtigen, zeitgemäßen Auftritt ihres „durchblick“.<br />
Zur Auswahl stand neben dem jetzigen Titelbild auch eine Collage, mit der auf Seite 40<br />
dieser Ausgabe Eberhard Freundts Essay über Organspenden eingeleitet wird. „Nicht<br />
zumutbar für unsere LeserInnen“. „Die kritische und persönlich engagierte Betrachtung<br />
des todernsten, wichtigen Themas findet in der reißerischen Darstellung keine Entsprechung.<br />
Unsere LeserInnen sollen zwar von dem Inhalt des Berichts berührt und zu eigener<br />
Meinungsbildung herausgefordert, aber nicht durch ein blutiges Titelbild geschockt und<br />
erschreckt werden“, so der Tenor der Kritiker. Im Gegensatz dazu standen die Argumente<br />
der Befürworter. „... unsere LeserInnen sind urteilsfähig“, „... dieses ernste Thema, das<br />
in seiner Auswirkung kaum behandelt wird, ist sehr wohl ein Titelbild wert“. Darüber<br />
hinaus empfand die Bildredaktion, in der die Collage unter der Federführung von Gottfried<br />
Klör entstand, dass „ihr“ Bild sehr wohl eine passende Visualisierung des Themas<br />
Organspende sei.<br />
Durchgesetzt hat sich letztendlich ein ganz anderes Bild. Es illustriert den Beitrag<br />
„Preußendrill im Reichspost- und Telegrafenamt“. Maria Anspach geht hier auf die<br />
100-jährige Geschichte des alten Siegener Telegrafenamtes ein, das heute u. a. das weit über<br />
Südwestfalens Grenzen hinaus bekannte Museum für Gegenwartskunst beherbergt.<br />
Ihnen nun viel Freude beim Lesen des neuen durchblick.<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 3
Anzeige<br />
Sparkasse Siegen veranstaltet Messe rund ums Älter werden<br />
Motorroller, Elvis Presley und Petticoats – jede Generation<br />
hat ihre Trends, die heute entweder „Retro“ und damit<br />
wieder hoch aktuell sind oder aber längst Geschichte. Als<br />
man jung war, ganz egal in welchem Jahrzehnt, feierte man<br />
Nächte durch, schlief in Zelten draußen auf dem Boden und<br />
lebte auch gern mal sorglos in den Tag hinein.<br />
Wenn man älter wird, ändern sich nicht nur die Ansprüche<br />
an Wohnkomfort, Lebensqualität und Freizeitgestaltung,<br />
sondern auch die sozialen Bedürfnisse und die eigene<br />
Wertorientierung. Der Wunsch gebraucht zu werden, anderen<br />
Menschen nützlich zu sein und Gutes zu tun, wächst<br />
meist kontinuierlich mit zunehmendem Alter. Auch nach<br />
Austritt aus dem Arbeitsleben möchten ältere Menschen<br />
weiterhin eine sinnvolle und erfüllende Aufgabe haben. Unerlässlich<br />
für das Funktionieren der Mehrgenerationengesellschaft<br />
leisten die „jungen Alten“ heute einen wichtigen<br />
Beitrag dazu und tragen entscheidend zu einer gelingenden<br />
Kommunikation zwischen Jung und Alt bei. Viele ältere<br />
Menschen engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen oder<br />
in gemeinnützigen Organisationen. Mit ihrem Fachwissen<br />
und ihrer Lebenserfahrung unterstützen sie nachfolgende<br />
Generationen und tragen so zur Stabilisierung und Weiterentwicklung<br />
des sozialen Gefüges bei.<br />
Was die Region Siegen für Ältere zu bieten hat, präsentiert<br />
die Sparkasse Siegen am Samstag, 25. Oktober <strong>2008</strong>,<br />
von 10 bis 17 Uhr in ihrem Kundenzentrum an der Morleystraße<br />
in Siegen und im angrenzenden Sieg-Carré. Die<br />
Nach vier Monaten „lÿzloser“ Zeit gibt<br />
es nun wieder jede Menge Kabarett,<br />
Musik, Theater und Literatur in Siegens<br />
St.-Johann-Str. 18. Zum Auftakt präsentiert<br />
Altmeister Heinz Rudolf Kunze am<br />
21. 9. nur mit der Gitarre bewaffnet<br />
seine populärsten Hits von „Finden Sie<br />
Mabel“ bis „Ich geh meine eigenen<br />
Wege“. Einen Tag später kommen die<br />
inzwischen in Siegen bestens bekannten<br />
„Schwerdtfegers“ ins Lÿz und stellen<br />
Mitten im Leben – und nicht von gestern!<br />
Spielzeitbeginn im Lÿz<br />
unter dem Titel: „Scheidung? Neues und<br />
Haileids von den Schwerdtfegers“ ihre<br />
Ehe auf eine harte Probe (21. 9.). In Sachen<br />
Kabarett geht es weiter mit Gerlies<br />
Zillgens & Bernd Gieseking (17. 10.) und<br />
Ludwig Müller (25. 10.), später stehen<br />
dann neben Django Asül (21. 3.), Konrad<br />
Beikircher (11. 12.) u. a. auch Matthias<br />
Deutschmann (26. 2.) und Serdar<br />
Somuncu (25. 4.) auf dem Spielplan. Im<br />
Rahmen der Lÿz-Literaturreihe besucht<br />
Messe „Mitten im Leben!“ dreht sich rund um das Thema<br />
älter werden und möchte eben jene Senioren ansprechen,<br />
die zwar an Lebensjahren nicht mehr jung, dafür aber ganz<br />
und gar nicht „von gestern“ sind. Eine Vielzahl von Ausstellern<br />
aus den Themenbereichen Freizeit, Gesundheit und<br />
Leben präsentiert sich mit ihrem Angebot, speziell auf die<br />
Interessen von Senioren und der Altersgruppe „55 plus“<br />
ausgerichtet. Wandern, ehrenamtliches Engagement, Sport,<br />
gesunde Ernährung, Gehirnjogging und Reisen – das speziell<br />
zugeschnittene Angebot ist vielfältig und wird ergänzt durch<br />
thematisch passende Vorträge und Mitmach-Workshops. Damit<br />
die Senioren von heute und von morgen ihren Ruhestand<br />
sorglos genießen und ganz nach ihren eigenen Vorstellungen<br />
gestalten können, sollten sie auch im Alter finanziell unabhängig<br />
bleiben. Fachvorträge zum Thema Finanzen runden<br />
daher das Programm ab. Dabei werden so wichtige Themen<br />
abgedeckt wie „Erben und vererben“, „Finanzielle Absicherung<br />
im Alter“ oder auch „Pflegeversicherung“. Eine Anmeldung<br />
für die Vorträge ist nicht erforderlich – alle Interessierten<br />
sind herzlich eingeladen vorbeizuschauen.<br />
Das komplette Messeprogramm sowie den Veranstaltungsplan<br />
mit allen Fachvorträgen und Workshops finden<br />
Sie ab Anfang Oktober im Internet unter www.sparkassesiegen.de.<br />
Interessierte können ab Oktober auch einen<br />
Programmprospekt in allen Filialen der Sparkasse Siegen<br />
erhalten. Der Besuch der Messe ist kostenlos.<br />
Armin Benfer<br />
Musik, Theater,<br />
Kabarett & Varieté:<br />
mit Charlotte Roche (22. 11.) eine echte<br />
Grimme-Preisträgerin den Siegener<br />
Kleinkunsttempel, doch auch schriftstellerische<br />
Geheimtipps wie Jens Thomas‘<br />
„Goethe! Gesang der Geister“ (27. 9.)<br />
versprechen teils ernste, teils witzige<br />
und auf jeden Fall immer spannende<br />
Lesungen. Wer jetzt mehr wissen will,<br />
kann das komplette Programm kostenlos<br />
unter Tel. 0271/333-2448 anfordern oder<br />
auf www.Lyz.de nachlesen.<br />
...alles im<br />
medien- und kulturhaus<br />
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4 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Historisches<br />
Preußendrill im Reichspost- und Telegrafenamt um 1900<br />
Das Museum für Gegenwartskunst am Unteren Schloss ist<br />
von Anfang Juni bis Ende September mit der großen Retrospektive<br />
zum 100. Geburtstag des 8. Rubenspreisträgers der<br />
Stadt Siegen, Rupprecht Geiger, zum überwiegend rot leuchtenden<br />
Anziehungspunkt für Stadt und Region geworden.<br />
Als der Künstler den Preis am 28. Juni 1992 im Haus<br />
Seel aus der Hand von Bürgermeisterin Hilde Fiedler in<br />
Empfang nahm, war er – wie den Tageszeitungen zu entnehmen<br />
war – „begeistert von der Stadt Siegen und ihrer<br />
städtischen Galerie.“ Ganz sicherlich hätte seine Begeisterung<br />
noch ganz andere Ausmaße angenommen, wenn er<br />
die Wirkung seiner Farbexplosionen in dem historischen<br />
Gebäude am Unteren Schloss erlebt hätte. Hier ist dem Architekten<br />
eine Synthese zwischen erhaltener Bausubstanz<br />
und herausragender moderner Planung und Gestaltung im<br />
Inneren gelungen.<br />
So etwas gelingt nicht immer. Als am 18. Juni 1894<br />
das Reichspost- und Telegrafenamt mit 128 Fernsprechanschlüssen<br />
an der heutigen Poststraße eröffnet wurde, war<br />
von Lebendigkeit und Einfallsreichtum im Innenleben des<br />
Neubaus kein Hauch zu spüren.<br />
Das Gebäude, damals in den Formen früher Renaissance<br />
mit Anklängen an gotische Stilformen erbaut, ergänzte<br />
wunderbar die malerische Anlage in dichter Nähe<br />
zum Schlosskomplex. Aber der Postbetrieb mit den engstirnigen<br />
Bestimmungen der Reichspost und überlieferten Vorschriften<br />
aus alten Revisionsbüchern des Postamtes Siegen,<br />
bildeten mit der repräsentativen Dienststelle zweifellos keine<br />
harmonische Synthese. Nur einige Beispiele:<br />
Für die sogenannten „unteren Beamten“ war von der<br />
Reichspost zunächst eine Arbeitszeit von 60 Wochenstunden<br />
festgesetzt. Von den Landbriefträgern wurden noch um<br />
die Jahrhundertwende 9 Wochenstunden und eine tägliche<br />
Wegeleistung von 28 Kilometern verlangt.<br />
Vor dem Einzug ins Telegrafenamt war das Postamt<br />
mit einem einzigen Schalter im Wittgensteiner Flügel des<br />
Schlosses untergebracht. Aus dieser Zeit verraten die alten<br />
Revisionsbücher Erstaunliches. 1877 bittet der einzige Siegener<br />
Oberpostsekretär die Obrigkeit gehorsamst, „durch<br />
dauernde Überlassung eines Reservebeamten die ordnungsgemäße<br />
Erledigung des vermehrten Arbeitspensums<br />
hochgeneigt erleichtern zu wollen.“<br />
Der Revisor hatte darauf zu achten, dass die Beamten<br />
und Unterbeamten „ein geordnetes, sittliches Bild, angepasst<br />
an den Dienstbetrieb“, abgaben. Da hieß es: „Es<br />
wurde beobachtet, dass „ein Unterbeamter im Dienst keine<br />
Halsbinde trug. Solche Zuwiderhandlung wird bestraft.“<br />
Zu dieser Zeit wurde registriert, dass in einem Verzeichnis<br />
über das Postinventar ein Spucknapf fehlte. Als sich herausstellte,<br />
dass dieser Spucknapf irrtümlich unter anderer<br />
Nummer doppelt eingetragen war, hatte das Postamt die<br />
Streichung des doppelten Spucknapfes schriftlich zu beantragen.<br />
Solche Notizen können heute Mut machen, wenn<br />
1894 wurde das Reichspost- und Telegrafenamt mit<br />
128 Fernsprechanschlüssen eröffnet.<br />
das Arbeitsklima mal verstimmen kann. Aber auch für die<br />
Post kamen schließlich andere Zeiten. Allerdings, Kontrolleure<br />
mit Spürnasen gibt es wohl immer noch, und nicht<br />
nur bei der Post.<br />
Zurück zur Entwicklung: Bereits 1860 war die Errichtung<br />
einer eigenen Reichspost geplant. Der Telegrafenbetrieb<br />
wurde 1862 mit drei Beamten und vier Apparaten<br />
eröffnet. Aber erst 1889 stand das Grundstück des sogenannten<br />
„Halbmondtorgebäudes am Pfuhl“, dem ehemaligen<br />
stadteigenen Zugang zum Schloss, dafür zur Verfügung.<br />
Die Baukosten waren auf 246000 Mark veranschlagt. Der<br />
runde Treppenturm und der massive Unterbau des Fernsprechturmes<br />
wurden im Laufe des Sommers 1893 errichtet.<br />
Eine Fernsprechleitung Siegen–Hagen wurde dem Verkehr<br />
übergeben. Der erste Spatenstich für das Reichspost- und<br />
Telegrafengebäude folgte im Mai 1892, zwei Jahre später<br />
dann die Eröffnung. Was heute daraus geworden ist, kann<br />
sich sehen lassen.<br />
Die drei Beamten mit vier Apparaten von 1862 würden<br />
staunen, wenn sie das noch könnten.<br />
Maria Anspach<br />
Foto gefunden in: „Siegen in alten Ansichten“ (die damals Reihe)<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 5
„Hör“, sagte sie zu ihm. „Mhm“, knurrte er nur kurz<br />
und beschäftigte sich weiter mit seinem Hobby. „Der muss<br />
weg“, redete sie weiter und klopfte dem Herrn Gemahl dabei<br />
kurz auf die Schulter. Das war eines<br />
der kleinen Mahnzeichen, die er zur Genüge<br />
kannte. Er drehte sich um und sah<br />
seiner Frau in die bereits leicht blitzenden<br />
Augen. „Also“, fragte er, „wer sitzt bei<br />
uns am Tisch und isst uns etwas weg“?<br />
„Es ist kein ‚Er‘, sondern eine ‚Sie‘„war<br />
die Antwort, „und ‚Sie‘ ist eine Maus“!<br />
„Sitzt ‚Sie‘ auf dem Stuhl oder auf dem<br />
Schemel, und kann, Sie‘ auch mit Messer<br />
und Gabel essen“? – sprudelte es aus ihm<br />
heraus.<br />
Frauchen fühlte wohl, dass sie auf den<br />
Arm genommen wurde und setzte in ihrer<br />
Stimme die Hochtöne in Kraft. „Lass<br />
deine Witze, die Maus muss weg, nicht<br />
nächste Woche oder irgendwann, sondern<br />
gleich morgen“. – „Ja, ja“, sagte er, denn<br />
er wusste, wenn die Hochtöne klirrten, gab es kein Entkommen<br />
mehr. Er wollte nur noch kurz einwenden, wo man das<br />
graue Tierchen denn wohl fände, legte sie ihm auch schon<br />
die genauen Ortskenntnisse und den festen Plan vor.<br />
„Im Garten, neben der Blautanne kommt der Aus- und<br />
Eingang – das Mauseloch – aus der Erde, dort kann man<br />
‚Sie‘ schnappen!“ „Klar, Klar, mein Schatz“, sagte er und<br />
drückte seinem klugen Frauchen ein Küsschen auf die Stirn.<br />
„Ich weiß auch schon wie!“ Man merkte, dass auch der Herr<br />
des Hauses jetzt vom Jagdfieber gepackt war. „Wir werden<br />
‚Sie‘ ertränken!“ – „ach du Klugscheißerle, wie soll das<br />
denn gehen? Hier gibt es weder Bach, Fluss noch Teich.<br />
Willst du ‚Sie‘ etwa im Kochtopf ersäufen“? – „Warte nur,<br />
du wirst schon sehen, wie geschickt dein Ehemann im Mäusefangen<br />
ist.“<br />
Am nächsten Tag war alles parat. Der Mann trug den<br />
Gartenschlauch um den Hals, in der rechten Hand einen<br />
Am Dicken Turm<br />
Peter Müller | Kölner Straße 48 | 57072 Siegen | 0271 53616<br />
Unterhaltung<br />
Ein ungeliebter Gast<br />
Zutrauliche Feldmaus<br />
Spaten, in der linken eine schwere Spitzhacke, die er seiner<br />
Frau in die Hand drückte.<br />
Da stehen wir nun, bewaffnet bis an die Zähne, aber<br />
die Maus lässt sich nicht sehen. „Wollen<br />
wir beide hier Wurzeln schlagen?“<br />
„Wart’s ab“, sagte er ziemlich gelassen.<br />
Er schloss den Schlauch an den Kran<br />
an und schob das andere Ende so weit<br />
er konnte in das Mauseloch. „Ja, und<br />
jetzt“, sagte sie – „jetzt bläst du in den<br />
Schlauch, bis ‚Sie‘ rauskommt“. – „Ne,<br />
ne, das geht so. Ich hole ganz tief Luft<br />
und saug das Mäuschen an. Sollst Sehen,<br />
eins, zwei, drei, springt ‚Sie‘ mir<br />
auf die Nase“. „Hör auf mit deinen Witzen,“<br />
sagte die Frau, und „tu, was du tun<br />
wolltest.“<br />
Er drehte den Wasserhahn auf und<br />
hörte, wie das Wasser in die Mäusegänge<br />
floss. „Gleich kommt ‚Sie‘ raus“,<br />
sagte er frohlockend – aber auch nach<br />
einiger Zeit tat sich nichts. Nun sahen beide schon ein wenig<br />
betribbelt aus. „Dreh den Hahn zu“, sagte sie, „das Wasser<br />
ist so teuer, so viel ist die Maus nun auch nicht wert“.<br />
– „Na, wer wollte das Mäuschen weg haben, du oder ich?<br />
– Jetzt wird weitergemacht. Ich lasse mich doch nicht von<br />
so einem Winzling an der Nase herumführen“. – „‚Sie‘ hat<br />
eben ein großes Haus, viele Gänge. Denk mal, wie die Monacos<br />
leben – die Paläste könntest du auch nicht so schnell<br />
unter Wasser setzen. Also weiter – Wasser marsch“! Er<br />
stützte sich auf den Spaten, sie auf die Hacke, und beide<br />
starrten auf das Mauseloch.<br />
Da, auf einmal schoss ‚Sie‘ heraus. Platschnass blieb sie<br />
vor ihrem Hauseingang, dem Mäuseloch, stehen. „Oh je,<br />
oh je, die hast du aber geschockt! Die läuft ja nicht einmal<br />
weg“! Sie prustete sich wie ein Hund, damit das Fell trocken<br />
werden sollte. Immer und immer wieder rieb ‚Sie‘ sich<br />
mit den kleinen, rosaroten Vorderfüßchen über Gesicht und<br />
Schnäuzchen. Dann guckte sie ihre Verfolger sogar an! Die<br />
Frau beugte sich etwas vor und hauchte: „Ach, ist die süß“!<br />
– und der Mann meinte, „ob wir uns bei ihr entschuldigen<br />
sollten, so ein reizendes Geschöpf“.<br />
„Ich hole ein Stückchen Käse“, sagte die Frau – aber der<br />
Mann sagte: „Wenn du dich jetzt bewegst, läuft sie fort.“<br />
„Du hast recht“, pflichtete sie ihm zu und blieb, wie ihr<br />
Mann, regungslos mit einem Lächeln im Gesicht stocksteif<br />
stehen.<br />
Die Maus aber schaute die Beiden verächtlich<br />
an und ging dann – sie rannte nicht – davon.<br />
Gute Wünsche von Frauchen und Mann begleiteten sie.<br />
Dann schauten die beiden sich fragend an „was wollten<br />
wir eigentlich mit dem Werkzeug?“<br />
Inge Göbel<br />
6 durchblick 3/<strong>2008</strong><br />
Foto und Bearbeitung: durchbölick Bildredaktion)
Unterhaltung<br />
E Liffje es kän Liffjesbotze<br />
Jong on Al, de Mannsli on de Wibsli, kainer bleb ferschoant<br />
d’rfoar, Liffjer on Liffjesbotze azedo en dä domolije<br />
Zitt. Gearn wuern se net gedrät. Si mossden agedo wearn,<br />
wailet sost niks gob bes zo Afang d’r drissicher Joarn.<br />
Linnet woar d’r rechdje Liffjesschdoff. Fa onner de Arme<br />
a bes en de Taille, foar d’r Brost, mänchmo och henne<br />
gegnäbbt on gehale met braire Schdoffdräger, e bessje afgeschdäbbt,<br />
zemmlich eng, dat woar e Liffje.<br />
Et gob Liffjer, di hadden foarn on henne onne am Rand jewails<br />
zwo Gnäbbe ofgenät. Do dra wuern da Schdrombbänner<br />
uss Gummi met Lochern agegnäbbt. Et gob ner och, do<br />
wuern Schdoffbänner ewer de Dräger genät, so lang, em<br />
och als Schdrombbänner benotzt ze wearn.<br />
Min Modder hät, wi de maisde Froue, de Liffjer ewerhaubt<br />
net gearn gedrät. „Di drecke ainem oawerem alles<br />
zesame“, säde se emmer, wann d’rfa geschwatt wuer.<br />
Als ech domols so witt woar, darrech „Figuer“ gräj, do<br />
kaufde mier min Modder dat, wat si zo earer Zitt woal och<br />
arich gearn gehat hädde. Aijentlich woaret jo noch wat ze<br />
fre foar dat scheane rosa Schbetze BH-che. Min jengere<br />
Schwäsder säde da och glich: „Oh! Was für ein süsses Mirabellen-Etuichen.“<br />
Wi got, darret kän Liffjer me get. De moderne Zitt<br />
brengt ho of d’n Mart en richer Usswal Korsetts, Korseletts,<br />
Hefthalder on -haldercher, bondich orrer nuer en ainer Farb,<br />
met on one Schdrombbänner. M’r sät Schdrabbse d’rzo. On<br />
dat da alles met on one Schbetzde, zom Agucke on zom<br />
Amache. Nä, wat ha mier et ho got.<br />
Dienstag, 4. November <strong>2008</strong><br />
DIE GALANACHT DER DEUTSCHEN TENÖRE<br />
Zauber der Musik<br />
Donnerstag, 4. Dezember <strong>2008</strong><br />
Weihnachten mit<br />
den Kastelruther<br />
Spatzen<br />
Freitag, 16. Januar 2009<br />
Helene Fischer<br />
live mit Band<br />
Dienstag, 20. Januar 2009<br />
Das Überraschungsfest<br />
der Volksmusik<br />
präsentiert von Florian<br />
Silbereisen<br />
En en Liffjesbotze schdijj m’r ren wi ho en en „Overal“.<br />
Och do mossden Baumwollschdoffe foar hearhale. Em<br />
Sommer denne, en d’r Wenderzitt schea warm ageraude.<br />
D’rbi moss m’r noch sä, et gob se one, met halwe on met<br />
lange Arme, met kuerze on met lange Bain.<br />
En Liffjesbotze wuer och gegnäbbt fa oawe fa d’r<br />
Brost a bes ronner wo de Botzebain afänge. Fa do uss<br />
da woar de Liffjesbotze hennerem geschletzt, also offe,<br />
nuer d’r Schdoff geng e bessje ewernanner, domet alles<br />
bedäckt sin soll.<br />
Donnerstag, 12. März 2009<br />
BAP<br />
Radio-Pandora-<br />
Tournee<br />
Donnerstag, 26. März 2009<br />
HELMUT LOTTI<br />
Tournee 2009<br />
Ech ka mech got dra erennern wi di Denger bi minner<br />
Groasmodder zom Drijje of d’r Wäschelain hengen on of<br />
d’r Wes zom Blaiche logen: Foarn ronner gegnäbbt on hennerem<br />
geschletzt.<br />
Gerda Greis<br />
Infos: www.siegerlandhalle.de<br />
Eintrittskarten erhältlich bei allen<br />
CTS-Vorverkaufsstellen.<br />
Telefonischer Kartenservice: 0271 5940-350<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 7
Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie<br />
Seine Bezüge zu Siebenbürgen<br />
Brukenthal-Palais, in diesem Barockbau begann<br />
Hahnemann seine Karriere als Arzt.<br />
„Ihr sollt sehen auf den Grund des Menschen“<br />
(Paracelsus 1493–1541).<br />
Es war der 3. Oktober 1777, als der 22-jährige Samuel<br />
Hahnemann im Gefolge des kaiserlichen Gouverneurs von<br />
Siebenbürgen, Samuel Brukenthal, nach Hermannstadt kam.<br />
Hermannstadt war damals die Verwaltungshauptstadt von<br />
Siebenbürgen und hatte etwa 10 000 Einwohner und sechs<br />
Apotheken. Hier sollte er seine Arztkarriere als Leibarzt und<br />
Bibliothekar des kaiserlichen Statthalters Samuel Freiherr<br />
von Brukenthal (1721–18<strong>03</strong>) beginnen. Zwei Jahre zuvor<br />
konnte er das Medizinstudium an der Leipziger Universität<br />
aufnehmen. Danach<br />
beschloss<br />
er nach Wien zu<br />
kommen, um an<br />
der damals führenden<br />
Medizinschule<br />
Europas<br />
klinische Heilkunde<br />
zu studieren.<br />
Der berühmte<br />
Professor und<br />
Leibarzt Maria<br />
Theresias, Josef<br />
Quarin schätzte<br />
den lernbegierigen<br />
Studenten<br />
sehr. Etwa ein<br />
Dreivierteljahr<br />
später vermittelte<br />
er ihm eine<br />
Leibarztstelle<br />
bei Samuel von<br />
Brukenthal, der<br />
Personen<br />
Foto: Dorothea Istock<br />
sich gerade anlässlich seiner Ernennung zum kaiserlichen<br />
Statthalter von Siebenbürgen in Wien aufhielt. Diese Stelle<br />
kam Hahnemann zugute, da seine finanziellen Mittel für<br />
das weitere Studium zu Ende waren und von seinen Eltern<br />
keine Hilfe zu erwarten war. Hahnemann, der 1755 in Meißen<br />
geboren wurde, stammte aus ärmlichen Verhältnissen.<br />
Sein Vater, ein Porzellanmaler hatte kein rechtes Verständnis<br />
für die Studienpläne seines Sohnes, dank mütterlicher<br />
Unterstützung war es möglich gewesen das Studium aufzunehmen.<br />
In Hermannstadt wohnte Hahneman im Gästezimmer<br />
des Brukenthal-Palais, ein schöner Barockbau mit bauplastischer<br />
Ausstattung. Die zahlreichen Räume waren mit<br />
Stuckdekoration, Holztäfelung, Tapeten, Spiegel, Kristalllüster,<br />
Kachelöfen ausgestattet und dienten als Wohnräume,<br />
Empfangszimmer, Arbeitskabinette, Gästezimmer, Bibliothek<br />
und für seine vielseitigen Sammlungen. Brukenthal<br />
war ein Kunstliebhaber und ein leidenschaftlicher Sammler<br />
von Gemälden, Büchern, Münzen und anderen Kunstgegenständen.<br />
Mit dem Bau, der Ausgestaltung und Einrichtung<br />
des Palais sind bedeutende Meister beauftragt worden.<br />
Heute ist das Palais Museum, in dem sein geistiges Erbe<br />
untergebracht ist. Es gehört zu den bedeutendsten Bauten<br />
Hermannstadts.<br />
Hier widmete sich der junge Arzt hauptsächlich der<br />
Ordnung der großen Privatbibliothek und der wertvollen<br />
Münzensammlung seines Gönners.<br />
Die Bibliothek zählte zu der Zeit etwa 10 000 Bände,<br />
76 Wiegendrucke und etwa 200 Handschriften. Die Bücherei<br />
umfasste alle damaligen Wissensgebiete – Geschichte,<br />
Staatswissenschaften, Geografie, Mineralogie, Medizin,<br />
Archäologie, Numismatik, Kunst und Transilvanica in<br />
deutscher, französischer und englischer Sprache. Hahnemann<br />
beherrschte sieben Sprachen, was ihm sicherlich seine<br />
Arbeit erleichterte. Es waren vor allem medizinische und<br />
naturwissenschaftliche Werke, die er für den Baron katalogisierte.<br />
Zeitlich umfasste die Bücherei Produkte aus den<br />
Anfängen des Buchdrucks bis Ende des 18. Jahrhunderts.<br />
Hahnemann beschäftigte sich auch mit der Ordnung der<br />
Münzensammlung. Über die schrieb er: „Sie kann keiner<br />
anderen Sammlung gleichgesetzt werden. Sie enthält römische,<br />
griechische und siebenbürgische Gold und Silbermünzen<br />
von großem Wert, insgesamt etwa 17 500 Stück.“<br />
Einzelheiten über seine ärztliche Tätigkeit, die allerdings<br />
nicht besonders intensiv gewesen sein dürfte, sind kaum bekannt.<br />
Er soll seinen Gönner, der häufig an Kopfschmerzen<br />
litt, mit einer Mischung von Chinarinde und Milchzucker<br />
behandelt haben.<br />
Es ist anzunehmen, dass Hahnemann den Gouverneur<br />
auf dessen Dienstreisen durch Siebenbürgen begleitete und<br />
dabei Land und Leute kennengelernt hat und mit der siebenbürgischen<br />
Volksheilkunde in Berührung kam. Ob und<br />
8 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Personen<br />
Foto: Fritz Fischer<br />
Im Mittelalter galt Lorbeer<br />
als Heilmittel gegen die Pest.<br />
in welcher Form diese<br />
Erfahrungen später in die<br />
Entwicklung seiner Lehre<br />
mit eingeflossen sind,<br />
kann allerdings nicht endgültig<br />
beurteilt werden.<br />
Besser als über die<br />
Heilpraxis Hahnemanns<br />
in Hermannstadt sind wir<br />
über das gesellige Leben<br />
im Palais des aufklärerisch<br />
gesonnen Juristen<br />
Baron Samuel von Brukenthal<br />
informiert, wo<br />
fast jeden Abend Empfänge<br />
stattfanden, bei denen es zu anregenden gelehrten<br />
Gesprächen bei Kerzenschein kam. Außerdem gab es<br />
auch andere Formen der exklusiven Geselligkeit, nämlich<br />
die Freimaurerlogen an denen Hahnemann teilnahm.<br />
Hohe Würdenträger, prominente Künstler, Literaten und<br />
Gelehrten, darunter auch Stadtärzte waren Mitglieder der<br />
Freimaurerlogen.<br />
Hahnemann schreibt in seiner Selbstbiografie über die<br />
Zeit in Hermannstadt Folgendes: „Hier hatte ich die Gelegenheit,<br />
noch einige andere mir nötige Sprachen zu lernen<br />
und einige Nebenwissenschaften mir zu eigen zu machen,<br />
die mir zu fehlen erschienen. Seine (Brukenthals) unvergleichliche<br />
Sammlung antiker Münzen brachte ich, sowie<br />
seinen Büchervorrat, in Ordnung und zu Papier, praktizierte<br />
sieben Vierteljahre in dieser volkreichen Stadt und schied<br />
dann, obwohl sehr ungern, von diesem biedern Volke, um<br />
in Erlangen den Doktorgrad zu erwerben, welches ich nun<br />
aus eigenen Kräften tun konnte.“<br />
Nach etwa 20 Monaten verließ er die Stadt und kam im<br />
April 1779 nach Erlangen. Im August 1779 promovierte er<br />
an der Universität in Erlangen und erhielt den Doktorgrad.<br />
Nach einem unsteten Wanderleben ließ er sich in Torgau<br />
an der Elbe nieder.<br />
Der wissbegierige Forscher widmete sich immer mehr<br />
der Chemie und Pharmakologie. Er fasste seine Erkenntnisse<br />
in Lehrsätzen zusammen. Seine erste, 1796 formulierte<br />
Erkenntnis lautete: „Man wende in der zu heilenden<br />
Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere,<br />
möglichst ähnliche Krankheit zu erzeugen imstande ist und<br />
jene wird geheilt.“ Sechs Jahre prüfte er diese Hypothese,<br />
dass „Ähnliches mit Ähnlichem“ geheilt werden könne.<br />
Seine Familie und seine Freunde mussten für zahlreiche<br />
Versuche mit verschiedensten Arzneimitteln herhalten.<br />
Seine Lehrsätze und die Ergebnisse seiner Arzneimittelprüfungen<br />
veröffentlichte er 1796 in einer damals angesehenen<br />
medizinischen Zeitschrift. Dieses Datum gilt als<br />
Geburtsstunde der Homöopathie.<br />
Der Kern der Hahnemann’schen Homöopathie lautet:<br />
Um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, wähle<br />
eine Arznei, die ein ähnliches Leiden erregen kann wie sie<br />
heilen soll. Die Arzneistoffe<br />
werden zum Teil<br />
extrem niedrig dosiert,<br />
wobei der Wirkstoff meist<br />
in Dezimalpotenzen verdünnt<br />
wird. Die Wirkung<br />
der Arzneistoffe werden<br />
durch seine fortschreitende<br />
Verdünnung potenziert.<br />
Demnach versteht ein<br />
Homöopath das Heilen<br />
nach dem Ähnlichkeitsund<br />
Verdünnungsprinzip.<br />
Schlafmohn wird in der<br />
Pharmacie u. a. zu Schmerzmittel<br />
verarbeitet.<br />
Die hochverdünnten<br />
Wirkstoffe sollen die körpereigenen<br />
Selbstheilungskräfte aktivieren, somit werden<br />
Erkrankungen nicht massiv durch Gegenmittel bekämpft.<br />
Nebenwirkungen treten dank der Verdünnung nicht auf.<br />
Seine Lehre widersprach dem damals medizinischen<br />
Denken, obwohl das Ähnlichkeitsprizip schon seit Hippokrates<br />
Zeiten bekannt war. Es entfachte sich darüber eine<br />
leidenschaftliche Diskussion, die noch bis heute anhält.<br />
Aus Sicht der Patienten ist der Streit der Medizintheoretiker<br />
überflüssig, denn wer zu heilen vermag, hat in der<br />
Regel recht.<br />
Mittlerweile spielt dieses Heilverfahren in der modernen<br />
Naturheilkunde eine hervorragende Rolle und wird<br />
auch vermehrt von Schulmedizinern angewendet.<br />
Samuel Hahnemann starb am 2. Juli 1843 in Paris. Sein<br />
Grab liegt heute auf dem Prominentenfriedhof Pere Lachaise,<br />
wo ein prächtiges Grabdenkmal an den weltbekannten<br />
Mediziner erinnert.<br />
Dorothea Istock<br />
Foto: Fritz Fischer<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 9
Buchbesprechung<br />
Schöne Aussichten fürs Alter<br />
Wie ein italienisches Dorf unser Leben verändern kann<br />
Tiedoli, ein kleines Dorf in den Bergen der italienischen<br />
Provinz Emilia Romagna, ist der Ausgangspunkt des Buches<br />
von Dorette Deutsch. Die<br />
Reportage zeigt am Beispiel<br />
des „Wunders von Tiedoli“ eine<br />
realistische Perspektive für<br />
ein gutes Leben im Alter.<br />
Alles fing damit an, dass<br />
Mario Tommasini, ein angesehener<br />
Sozialpolitiker, auf<br />
dem Markt fünfzig Gänse<br />
kaufte und direkt zur Provinzregierung<br />
brachte, damit diese<br />
durch das Geschrei endlich<br />
aus dem Tiefschlaf gerissen<br />
wird. Sein Ziel ist es Altenheime<br />
überflüssig zu machen.<br />
Dazu geht er zum Bürgermeister<br />
der Kreisstadt Borgetaro und<br />
sagt zu ihm: „Gib mir den<br />
gottverlassensten Weiler, den<br />
du hast.“: Und damit beginnt<br />
die Verwirklichung eines<br />
utopisch anmutenden Altenprojekts<br />
in den ligurischen<br />
Bergen.<br />
Bevor das Altenprojekt<br />
begann, war das Dorf nahezu<br />
ausgestorben. Viele Menschen<br />
waren von dort weggezogen,<br />
weil es außer in der Landwirtschaft keine Arbeitsmöglichkeiten<br />
gab. Parallel zur besseren und billigeren Betreuung<br />
von alten Menschen, war es von Anfang an wichtig<br />
junge Leute zum Bleiben beziehungsweise zur Rückkehr<br />
zu bewegen und Arbeitsplätze für die jüngere Generation<br />
zu schaffen. Durch die Integration in eine „normale“<br />
Dorfstruktur sollte das Leben<br />
im Alter aus der Sanatoriumssituation<br />
herausgeholt werden.<br />
Nicht nur alte, sondern auch<br />
junge Menschen sollten hier<br />
leben können. Inzwischen leben<br />
in Tiedoli die Generationen<br />
wieder miteinander. Es wird im<br />
Buch an vielen persönlichen<br />
Beispielen gezeigt, dass das<br />
Experiment gelungen ist.<br />
Wie diese Idee allmählich<br />
Wirklichkeit wurde, wie viele<br />
Menschen – außer dem charismatischen<br />
Mario Tommasini<br />
– dabei mitgeholfen haben,<br />
welches Misstrauen und welche<br />
Schwierigkeiten überwunden<br />
werden mussten, das alles<br />
erzählt die deutsch/italienische<br />
Autorin so warmherzig, dass es<br />
eine Freude ist ihr Buch zu lesen.<br />
Es ist außerdem spannend,<br />
weil man als Leser gespannt<br />
auf den weiteren Verlauf des<br />
Geschehens ist.<br />
Das Buch berichtet dann<br />
von weiteren Initiativen, Wohnmodellen<br />
und Menschen mit neuen Ideen (auch in Deutschland),<br />
die unser Leben im Alter besser aussehen lassen. Das<br />
alles für 7,95 Euro.<br />
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10 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Stadtgeschichte<br />
Elisabeth-Koch-Tochter aus „Kochs Ecke“ wurde 100<br />
Neubeginn nach der Zerstörung vom April 1945<br />
Als Elisabeth Koch am 5. Juli in einer Pferdekutsche<br />
zur Feier ihres hundertsten Geburtstags vor dem Restaurant<br />
Pfeffermühle vorfuhr, wussten nur wenige aus der großen<br />
Zahl der geladenen Gäste, dass die Jubilarin besondere<br />
Erinnerungen mit von Pferden gezogenen Wagen verbindet.<br />
Ihr Geburtshaus an Kochs Ecke, dem Verkehrsknotenpunkt,<br />
der den Namen der Siegener Familie<br />
trägt, wurde 1854 vom Erbauer Karl Koch als<br />
Gasthof mit Bäckerei, aber damals auch als Pferdeumspann<br />
konzipiert. Im Intelligenzblatt vom 12. September 1854<br />
kündigt er den Umzug „in das von mir neu erbaute Haus“<br />
an, und bittet um „geneigten Zuspruch“. Die Fuhrleute, die<br />
ihre Ware über die Landesgrenze transportierten, waren in<br />
den ersten Jahren des Betriebs Stammgäste an der Theke,<br />
während ihre Tiere sich im Stall erholten.<br />
Nachdem im April 1945, zwei Wochen vor Kriegsende,<br />
ein Bombenangriff auf Siegen das Haus mit Gasthof und<br />
Bäckerei zu Schutt und Asche verwandelt hatte, richteten<br />
die Kochs im noch erhaltenen Pferdestall ein Übergangsquartier,<br />
die sogenannte „Futterkrippe“, für ihre Gäste ein,<br />
während auf dem Grundstück der Wiederaufbau begann.<br />
Vor der echten Futterkrippe mit den eisernen Ringen, an<br />
denen früher die Gäule angekettet wurden, standen helle<br />
Holztische, Stalllaternen spendeten behagliches Licht. Es<br />
ging wieder aufwärts.<br />
Zum hundertjährigen Jubiläum von Elisabeth Koch zeigte<br />
eine von den Angehörigen liebevoll zusammengestellte<br />
Diaschau in Schlaglichtern die wechselvollen Stationen im<br />
Leben der Zeitzeugin durch ihr Jahrhundert, zugleich mit<br />
Hintergrund der Lokal- und Familiengeschichte.<br />
Die Chronik der Familie Koch führt über zehn Generationen<br />
zurück in die Zeit des dreißigjährigen Krieges und<br />
ist eingebettet in fünf Jahrhunderte. Es sind nicht nur die<br />
großen Denker, Vollender und Verwandler, die am Gesicht<br />
ihres Jahrhunderts feilen. Das Heer der regierten „kleinen<br />
Kochs Ecke heute<br />
Leute“, die Handwerker, Kaufleute, Landsknechte, Arbeiter<br />
und Bauern, zimmerten prägend mit am Zeitbild mit<br />
ihren Geschicken, Gefühlen, Gedanken und Taten.<br />
1649 erwirbt der Schuhmacher Henrich Koch aus „bach“,<br />
als künftiger „Gaffelknecht“ mit seiner Unterschrift und<br />
einem Obolus das Bürgerrecht der Stadt Siegen, mit dem<br />
die Bürgergeschichte der Handwerkerfamilie Koch beginnt.<br />
1650 ist sein Name in der Schuhmacherzunft zu finden, der<br />
vornehmen Bruderschaft, die als einzige unter den Zünften<br />
über ein eigenes Haus, die sogenannte Gaffel verfügte.<br />
Das wirtschaftliche Leben stand noch im 17. Jahrhundert<br />
zur Zeit der unbeschränkten Fürstenherrschaft ganz<br />
unter dem Einfluss der Zünfte, die ihrerseits von den strengen<br />
Verordnungen der Landesregierung abhängig waren.<br />
Mit seinen konfessionell zerstrittenen Linien bot das<br />
Fürstentum das typische Bild deutscher Kleinstaaterei. So<br />
stand die Stadt Siegen, auch mit den Ortschaften Vor dem<br />
Hain, Sieghütte und Hammerhütte, unter dem Diktat dieser<br />
Gesetze. Ein Blick auf die Verordnungen und Vorschriften<br />
aus „nassauischen und teutschen Ländern ottonischer<br />
Linie“ zeigt auf, welchen erniedrigenden Zwängen sich die<br />
Untertanen unterwerfen sollten.<br />
Was Henrich Koch, der bis zu seinem Tod drei Mal<br />
verheiratet war, bei Gesetzesverstößen „Erschreckliches“<br />
zu befürchten hatte, zeigt eine Rechtsverordnung aus dem<br />
17. Jahrhundert. Da heißt es unmissverständlich: „Wegen<br />
Ehebruchs mit einer Ehefrau soll die Mannsperson mit<br />
dem Schwerte oder Wasser hingerichtet werden.“ Heute<br />
geschieht Ähnliches höchstens in Eigeninitiative, zum<br />
Beispiel wenn ein betrogener Partner mit einem rächenden<br />
Messerstich Selbstjustiz übt. Der Staat hält sich da raus.<br />
Auch beruflich drohten den Bürgern bei Gesetzesverstößen<br />
harte Strafen. Die Wirte brauten ihr Bier selbst<br />
unter strenger Kontrolle von Bürgermeister und Rat. Der<br />
bei Weinproben geschätzte Wert wurde an die Türpfosten<br />
12 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Stadtgeschichte<br />
der Gaststube geschrieben. Bei Panschereien durfte der<br />
Ertappte „hinfüro sein Lebtag nie wieder zappen.“ Gastfreundschaft<br />
und tätige Nächstenliebe waren ebenfalls<br />
strengsten Geboten unterworfen. Soziale Gesichtspunkte<br />
hatten da keine Chance. Im Wortlaut ist zu lesen: „Wer die<br />
Geborgenheit innerhalb einer Zunftgemeinschaft nicht<br />
nachweisen kann, soll an den Pranger gestellt und mit<br />
Ruten ausgestrichen werden. Hehler und Herberger, welche<br />
solchem Gesindel Essen und Wohnung geben, sollen<br />
an Leib und Leben bestraft werden. Wer solche Personen<br />
entdeckt, dass sie ergriffen werden, soll bei Verschweigen<br />
seines Namens eine Belohnung erhalten.“<br />
Johannes Koch, der letzte Zunftmeister der Gastwirts-<br />
und Bäckerfamilie Koch, die durch vier Generationen<br />
der Bäckerzunft angehört hatte, erlebte noch kurz<br />
vor seinem Tod 1815 das Ende der Zünfte. Im großen<br />
Sitzungssaal des Siegener Rathauses wurde das Fürstentum<br />
Nassau Siegen an die Beauftragten des Königs von<br />
Preußen übergeben.<br />
Heinrich Koch, Enkel des Gründers von Kochs Ecke<br />
und Vater der Geschwister Ernst und Elisabeth, erhielt<br />
1907 die Wirtekonzession für sein Elternhaus. Hundert<br />
Jahre später denkt Elisabeth Koch an ihre Kindheit zurück.<br />
Sie erinnert sich an die Mobilmachung 1914, den<br />
Auszug der Soldaten, die von der jubelnden Bevölkerung<br />
auf der Koblenzer Straße flankiert wurden. Da war<br />
sie gerade frisch eingeschult. Die Vollendung der Ausbaupläne<br />
für das stattliche Schieferhaus mussten wegen<br />
Einberufung von Gastwirt Heinrich Koch zurückgestellt<br />
werden.<br />
Sorgfältig gebündelt und aufbewahrt hat Elisabeth Koch<br />
die Briefe ihrer Eltern aus den ersten beiden Kriegsjahren.<br />
Der Briefwechsel zwischen Front und Heimat wirft ein<br />
Licht auf den Siegener Kriegsalltag. Lina Koch schreibt<br />
im Februar 1915 an ihren Ehemann: „Du fragst, wie ich<br />
mit der Bäckerei fertig werde. Soweit ganz gut, obwohl wir<br />
strenge Vorschriften haben. Jetzt dürfen wir nur Einheitsbrötchen,<br />
Einheitsbrot und Kriegszwieback backen: Man<br />
kann jetzt mehr verkaufen als backen, weil jeder für Vorrat<br />
sorgt.“ Der Mann an der Front schreibt zurück: „In dieser<br />
schweren Zeit erkennt man erst, was ein treues, herzensgutes,<br />
pflichtbewusstes Weib dem Manne wert ist.“ Lina<br />
Koch starb 1916 im 30. Lebensjahr. Die Doppelbelastung<br />
als Geschäftsfrau und Mutter hatte ihre Kräfte überfordert.<br />
Die Rolle der zweiten Mutter übernahm Haushälterin<br />
Wilhelmine Nolte, die Jahre später Heinrich Kochs Frau<br />
wurde. Der Kriegsheimkehrer hat seine Umbaupläne noch<br />
verwirklichen können. Technischer Fortschritt und die<br />
wirtschaftliche Entwicklung ließen die verschlafene Bergmannsstadt<br />
in den kommenden Jahren nach und nach zu<br />
einer Kleinstadt mit blühender Industrie werden. Der Ausbau<br />
neuer Straßen- und Bahnlinien hatte das Siegerland aus<br />
der Verkehrsferne befreit. Der um mehrere Fremdenzimmer<br />
erweiterte Hotelbetrieb wurde für Reisende aus dem In- und<br />
Ausland eine begehrte Adresse.<br />
Statt der rumpelnden Pferdekutschen brausten jetzt<br />
Benzinkutschen über die Koblenzer Straße. Eine Berliner<br />
Zeitung begrüßte das neue Transportmittel enthusiastisch:<br />
„Die Verbesserung der städtischen Lebensbedingungen<br />
durch Einführung der Motorwagen kann nicht hoch genug<br />
geschätzt werden. Die Straßen bleiben sauber und geruchlos,<br />
befahren von Fahrzeugen, die sich auf Gummireifen<br />
sanft und geräuschlos dahinbewegen. Ein großer Teil der<br />
Nervenbelastung des modernen Lebens kann dadurch beseitigt<br />
werden.“<br />
Heinrich Koch erkannte die Zeichen der Zeit und richtete<br />
vor dem Gasthaus in der Mitte der heutigen Straßenkreuzung<br />
eine Tankstelle ein.<br />
Sein Sohn Ernst Koch kam nach gründlicher Ausbildung<br />
als Bäckermeister und Konditorgeselle nach Hause<br />
zurück. Sein Vater hatte das Gasthaus um einen geräumigen<br />
Laden und neue Fremdenzimmer erweitert. Ernst sollte, unterstützt<br />
von Schwester Elisabeth, Backstube und Konditorei<br />
übernehmen, während der Vater mit Frau Wilhelmine<br />
den Gastbetrieb führen wollte. Aber wieder machte der Tod<br />
Pläne und Hoffnungen zunichte. Heinrich Koch starb 1935,<br />
kaum ein Jahr nach Vollendung des Umbaus.<br />
Die Pläne Adolf Hitlers waren inzwischen fern von Kleinstadtidyllen<br />
gereift. Alles begann 1939 wie 25 Jahre zuvor:<br />
Mobilmachung auch in Siegen; nur der Jubel der Be- <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 13
Stadtgeschichte<br />
völkerung war nicht mehr so enthusiastisch. Zwar hatte Hitler<br />
auch im Siegerland die Massen hinter sich, aber um sie für<br />
den Krieg zu begeistern, war die Erinnerung noch zu frisch.<br />
Nach der Einberufung von Ernst Koch an die Front, hatte<br />
Mutter Wilhelmine ein Stockwerk auf dem Stall aufbauen<br />
lassen, 1942 mussten die beiden Frauen sämtliche Gasträume<br />
an die Stahlwerke Südwestfalen vermieten, die ihre<br />
Diensträume von Düsseldorf nach Siegen evakuiert hatten.<br />
Im April 1945 hinterließ der Bombenangriff auf Siegen<br />
dann an Kochs Ecke ein Ruinenfeld. Nur der Stall und das<br />
darüber errichtete Häuschen waren unzerstört geblieben.<br />
Die Hundertjährige denkt zurück: „Wir haben immer Glück<br />
im Unglück gehabt, mit der Futterkrippe ìm Stall ging es<br />
wieder weiter.“<br />
Als Ernst Koch aus dem Krieg zurückkam, wurde fortgesetzt,<br />
was die beiden Frauen mit ersten Räumungsaufgaben<br />
begonnen hatten. Ein Jahr nach dem Angriff war ein<br />
ebenerdiges Gasthaus an Kochs Ecke entstanden.<br />
In der Hammerhütte war man sich in den Jahren des<br />
Wiederaufbaus noch nähergerückt als zuvor. Ernst Koch beobachtete,<br />
wie sich seine Schwester erinnert, mit Interesse,<br />
wenn seine Nachbarin, Lilo Kober, verwitwete Hollstein,<br />
aus ihrem zerstörten Haus gegenüber, St.-Johann-Straße 2,<br />
die noch brauchbaren Bausteine rettete. Der Junggeselle<br />
ließ dann, wie er später gestand, schon einmal die Brote<br />
im Ofen verbrennen, wenn er die Nachbarin zu lange mit<br />
Blicken verfolgt hatte. Es begann eine Freundschaft, die das<br />
Fundament der 1948 geschlossenen Ehe wurde.<br />
Das junge Ehepaar, an der Seite von Elisabeth und Mutter<br />
Wilhelmine, musste den Traum einer Hausaufstockung<br />
aufschieben. Die Geldreserven waren nach Eröffnung<br />
des neu erstandenen Gasthauses erschöpft. Nach Jahren<br />
sparsamsten Wirtschaftens kam aber dann 1955 doch der<br />
Tag, an dem endlich mithilfe der Sparkasse mit dem Aufbau<br />
begonnen werden konnte. Es wurde gemeinsam gerechnet,<br />
kalkuliert, geplant und angefangen. Die um zwei<br />
kleine Mädchen, Ulrike und Juliane, vergrößerte Familie<br />
brauchte Raum, und der Betrieb, dem die Einnahmen für<br />
Fremdenzimmer fehlten, brauchte Geld. Konzipiert wurde<br />
ein dreistöckiges Gebäude mit Gaststätte, Geschäft, Café<br />
und zehn Fremdenzimmern. Zu Ostern ist der Rohbau unter<br />
Dach und Fach. Der Innenausbau beginnt. Zu dieser<br />
Zeit wird Ernst Koch Vater des Sohnes Henner. Zu den Geschwistern<br />
gehört auch Albrecht Hollstein, Sohn von Lilo<br />
Koch aus erster Ehe.<br />
Im August 1956 zieht die nun sechsköpfige Familie im<br />
zweiten Stockwerk ein. Elisabeth bezieht den Altbau über<br />
der ehemaligen Futterkrippe. Der 30. November ist Eröffnungstag.<br />
Bei Aufgabe der Anzeige zu diesem Termin fällt<br />
den Kochs ein, dass sie das hundertjährige Jubiläum 1854<br />
ganz vergessen haben. Sehr viel später als ihr Elternhaus<br />
vollendet Elisabeth Koch am 5. Juli <strong>2008</strong> ihr Jahrhundert,<br />
ein Jubiläum, das nicht vergessen wurde.<br />
Die Bäckerei mit Backstube wird im Zuge der Entwicklung<br />
schweren Herzens 1956 an Bäckermeister Steinmann<br />
verpachtet, Abschied einer Familientradition durch Jahrhunderte.<br />
1963 stirbt Wihelmine Koch, die bis zum Tag<br />
ihres Todes mit der weißen Schürze in der Küche und hinter<br />
der Theke gestanden hatte.<br />
1966 wird Ernst Koch mitten aus dem Arbeitsleben gerissen.<br />
Trotz geschwächter Gesundheit durch die Kriegsjahre<br />
war die Aufgabe, die der Betrieb von ihm forderte,<br />
bis zum letzten Tag sein Lebensinhalt. Wer ihn gekannt hat,<br />
kannte und liebte seinen knorrigen Siegerländer Humor,<br />
mit dem er seine Gäste in allen Lebenslagen aufzuheitern<br />
wusste. Die Grundsätze von Gastwirt und Familienvater<br />
Koch waren nicht weniger patriarchalisch, als die seiner<br />
Väter. Das sah er selbst mit Humor und bekannte: „He is<br />
Diktatur. Demokratie is dusse.“ Ohne den Menschen, der<br />
Mutter<br />
Lina Koch<br />
mit den<br />
Kindern<br />
Ernst und<br />
Elisabeth<br />
den Stil der bodenständigen Wirtschaft zwei Jahrzehnte mit<br />
seiner Persönlichkeit geprägt hatte, ging es für den Familienbetrieb<br />
darum, dem beliebten Lokal seine Anziehungskraft<br />
zu erhalten.<br />
„Lokalkolorit“ war das Stichwort, das Lilo Koch bewog,<br />
eine Tradition einzuführen, die es in Siegen noch nicht<br />
gab. Siegerländer Trachtenmädchen in blauen Kattunkleidern<br />
– nach Vorbild aus dem westfälischen Trachtenbuch –<br />
bedienten die Gäste, die keinen Tag fernblieben, mit einer<br />
Auswahl Siegerländer Spezialitäten. So blieb das Haus ein<br />
Begriff für Volkstümlichkeit, neben der Aufgeschlossenheit<br />
gegenüber den Strömungen der Moderne. Trotzdem fassten<br />
die Inhaberinnen drei Jahre später den Entschluss, das<br />
Restaurant aufzugeben. Eine schwere Entscheidung, da ein<br />
weiteres Stück Berufstradition zu Ende ging. Im Dezember<br />
1968 wurde das Restaurant verpachtet.<br />
Mit einer großen Portion Wagemut begann Lilo Koch<br />
im Frühjahr 1969 mit ihrem Vorhaben, ein Hotel mit 60<br />
Betten entstehen zu lassen. Die Aufgabe der Hotels Huthsteiner<br />
und Monopol in dieser Zeit bestärkte sie in ihrem<br />
Vorhaben.<br />
Das Defizit an Hotelbetten hatte auch die Stadt Siegen<br />
beschäftigt. Nach einem erfolgreichen Gespräch mit dem<br />
14 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Stadtgeschichte<br />
Stadtkämmerer wurde mit der Aufstockung begonnen. Das<br />
Hotel wuchs in neue Dimensionen.<br />
Dass die persönliche Atmosphäre für die Gäste bewahrt<br />
blieb und der moderne Hotelbetrieb mit Wärme und Behaglichkeit<br />
erfüllt wurde, war dabei entscheidend das Verdienst<br />
von Elisabeth Koch, die dazu sagt: „Ich war einfach da, wo<br />
ich gebraucht wurde, nichts weiter. Und es war schön, Zeit<br />
für die Kinder zu haben, bis sie erwachsen waren.“<br />
Gebraucht wurde die Hilfe von Elisabeth Koch damals<br />
auch kurz nach Kriegsende, als ein Matrose mit seiner hochschwangeren<br />
Frau ein Zimmer im Gasthaus genommen<br />
hatte. Sie denkt mit Lächeln daran zurück: Mitten in der<br />
Nacht meldete ein neuer Erdenbürger sein Erscheinen<br />
an. Elisabeth fahndete nach der nicht sofort erreichbaren<br />
Die Jubilarin<br />
Elisabeth Koch<br />
überraschte ihre<br />
Gäste mit einer<br />
humorvollen<br />
Ansprache beim<br />
Empfang zu ihrem<br />
hundertsten<br />
Geburtstag.<br />
Hebamme. Als sie, fündig geworden, mit der Geburtshelferin<br />
an das ungewöhnliche Wochenbett kam, war ein kräftiger<br />
Junge bereits auf der Welt. „Wir sind oben angekommen.“<br />
Mit diesem Slogan kündigte sich ein neuer Abschnitt<br />
in der Geschichte des Hauses an, als nach einjähriger Bauzeit<br />
im April 1970 zur Einweihung geladen wurde. Dem<br />
Architekten war es gelungen, den sechsstöckigen Baukörper<br />
mit modernen Stilmitteln aufzulockern. Eine harmonische<br />
Verbindung von Tradition und Moderne bestimmte<br />
die Atmosphäre. Lärmstoppfenster wurden hier erstmalig<br />
in einem Siegerländer Hotel eingebaut. Sie garantierten<br />
trotz des an der Kreuzung pulsierenden Verkehrs ungestörte<br />
Nachtruhe.<br />
Für Wochen ausgebucht war das Haus schon während<br />
der Bauzeit. Die internationale Belegung zur Zeit der<br />
Schacholympiade in Siegen, zu der 11 Nationen ihr Kommen<br />
angekündigt hatten, schien zukunftweisend. Bedingt<br />
durch die Verbindungen der Siegerländer Industrie in alle<br />
Erdteile, ebbte der Strom der Besucher aus dem In- und<br />
Ausland nicht ab. Der Kontakt mit den Gästen, von Bedeutung<br />
schon in der alten Umspannkneipe, setzte sich nun fort<br />
mit Prominenzen aus dem Bereich der Wirtschaft, Politik,<br />
Kultur. Es kamen viele bekannte Künstler: Der große Mime<br />
Karl Kraus, Willy Birgel, Rudolf Schock, die Kabarettisten<br />
der Berliner „Stachelschweine“, das sind mit Begegnungen<br />
und guten Gesprächen verknüpfte Namen, die Elisabeth<br />
Koch unvergessen bleiben. Auch Persönlichkeiten wie<br />
Erich von Däniken, Erich Ollenhauer, Rolf Hochhuth und<br />
Pastor Hansen fühlten sich, wie Eintragungen im Gästebuch<br />
zeigen, im Hotel an Kochs Ecke wohl.<br />
Im Erdgeschoss gedieh zu dieser Zeit gepflegte Gastlichkeit<br />
im verpachteten Restaurant. Harmonisch gestaltete<br />
sich auch die Zusammenarbeit mit dem Personal. Kochs<br />
hatten bereits 1950 als erste Gastronomie in Siegen einen<br />
Betriebsruhetag eingeführt.<br />
Als die Entlastung durch die Abgabe der Gaststätte<br />
spürbar wurde, fand Lilo Koch Zeit, sich Dingen des öffentlichen<br />
Lebens zu widmen, die mit Bürgernähe, Heimatbezug,<br />
Berufsverbundenheit und Umweltbewusstsein<br />
in Zusammenhang standen. Als Ortsvorsitzende im Hotelund<br />
Gaststättenverband hatte die Gastronomin vielfältige<br />
Aufgaben. Mehrere Jahre hat das Hotel die Zimmervermittlung<br />
im Stadtverband übernommen.<br />
Mit großem Engagement setzte sich Lilo Koch dafür<br />
ein, die Bäume im Stadtbereich für die Zukunft zu erhalten.<br />
Diese Liebe zum Baum brachte ihr im Volksmund den<br />
Namen „Baum-Lilo“ ein.<br />
Im Jahre 1997 wurde das Haus verkauft und der Hotelbetrieb<br />
eingestellt.<br />
Bis zum Tod von Schwägerin Lilo Koch, im Jahre 20<strong>03</strong>,<br />
konnten die beiden Frauen noch gemeinsam die Zeit genießen,<br />
in der die Erinnerung an die erfüllten Jahre lebendig<br />
blieb, aber der unermüdliche Einsatz nicht mehr erforderlich<br />
war.<br />
Die bewundernswerte, jung gebliebene alte Dame sagt an<br />
ihrem Geburtstag im Rückblick: „Ich kann es kaum glauben,<br />
dass ich hundert Jahre alt geworden bin, aber es ist wunderbar.“<br />
Sie freut sich am schönen Garten, am Sommer und an<br />
den häufigen Besuchen der Großfamilie, von der sie liebevoll<br />
umsorgt wird. Das sind ihre Neffen und Nichten mit Kindern<br />
und Enkeln. Die Hundertjährige liest immer noch gern gute<br />
Bücher, vor allem Lyrik. Sie kennt Gedichte und lange Balladen<br />
auswendig und schreibt selbst kleine Gedichte.<br />
Ihre Gäste begrüßte sie zum Empfang mit diesen<br />
eigenen Versen, denen nichts hinzuzufügen ist.<br />
Maria Anspach<br />
Alle Fotos aus Besitz der Familie Koch<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 15
Einer von den Alten ...<br />
Es ist jammerschade, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie<br />
meinen Großvater nicht gekannt haben. Er war ein Mann<br />
von echtem Schrot und Korn, er konnte und er wusste alles.<br />
Er flocht – ruck-zuck – einen Weidenkorb oder band einen<br />
Reiserbesen, er besohlte die Schuhe und er schlachtete jedes<br />
Jahr in der Adventszeit zwei fette Schweine. Auf alle<br />
meine Fragen wusste er gewöhnlich die richtige Antwort<br />
und an jedem Sonntag, vor<br />
dem Kirchgang, kam der im<br />
Nachbarort wohnende Pastor<br />
ins Haus und beriet sich mit<br />
ihm in der guten Stube. Die etwas<br />
weniger frommen Kirchgänger<br />
erfuhren im Verlauf<br />
der Predigt zu ihrem Leidwesen<br />
dann schon, welche<br />
Ratschläge mein Großvater<br />
in diesem Unter-vier-Augen-<br />
Gespräch erteilt hatte, denn<br />
die kleinen und gröberen Untaten<br />
wurden damals noch aus<br />
der Kanzel heraus gegeißelt.<br />
So erwarb sich mein Großvater<br />
bei den richtig frommen<br />
und untadeligen Kirchgängern einen guten Ruf und wurde<br />
als Respektsperson geachtet. Man sieht, er war noch einer<br />
von den Alten, einer, wie es sie heute leider nicht mehr gibt.<br />
Und dennoch fiel ihm, der doch sogar dem Pastor immer<br />
wieder sachdienliche Ratschläge geben konnte, so gut wie<br />
nichts ein, als ich ihn einmal fragte, warum der Magolwes,<br />
den Hermann Löns einst so trefflich beschrieb, so heißt wie<br />
er heißt. Nach einigem Nachdenken sagte er nur: „Där hot<br />
schu immer su gehaase, mie waas äch aach net.“<br />
Diesen wenigen Worten haben sie sicherlich entnommen,<br />
dass es sich nicht um meinen Siegerländer Großvater<br />
handelte, sondern um den aus dem Nassauer. So nannten<br />
meine hiesigen Verwandten das ihrer Meinung nach raue<br />
Land jenseits der Kalteiche mit seinen ungehobelten Menschen<br />
und deren grober Sprache. Sie haben dazu erfahren,<br />
dass nicht nur im Siegerland der Magolwes so heißt wie er<br />
heißt. Dass mein Großvater nichts von der Namensherkunft<br />
wusste, verwunderte mich damals sehr. Er war nämlich in<br />
meinen Augen ein brillanter Vogelkenner, dem es besonders<br />
der Stieglitz angetan hatte. Allgemein gebräuchlich<br />
war bei diesem Gefiederten allerdings ein anderer Name,<br />
nämlich Distelfink. In der Nähe des Hauses waren einige<br />
Nester und alljährlich brachte mein Großvater den Distelfink-Nachwuchs<br />
mithilfe einer an der Scheune befestigten<br />
Leimrute um die Freiheit. Der Verkauf an Liebhaber dieser<br />
Gattung bescherte ihm gutes Geld und darum mochte er die<br />
Distelfinken. Exotische Vögel gab es seinerzeit kaum und so<br />
Historisches<br />
Wie der Magolwes zu seinem Namen kam<br />
Ist der von Luther genannte Markolfus der<br />
Patron für den Spitznamen des Eichelhähers?<br />
landeten die spatzengroßen Sänger mit ihren Köpfen in den<br />
alten Nationalfarben Schwarz-Weiß-Rot in den Volieren.<br />
Als wir, meine Kameraden und ich, im späten Frühjahr einmal<br />
einen jungen Magolwes aus dem Nest stibitzten und versuchten,<br />
den in einen Käfig gesteckten Schreihals mit Quark<br />
und Würmern aufzuziehen und ihm bei dieser Gelegenheit ein<br />
bisschen das Sprechen beizubringen, schimpfte mein Großvater.<br />
Er hatte ja so recht. Warum ließen wir dem Tier nicht<br />
seine Freiheit?! Und überhaupt:<br />
Irgendwann würde der rötlichgraue<br />
Vogel mit seinen hellblau<br />
und schwarz gebänderten<br />
Flügeldecken und dem weißen<br />
Bürzel ja vermutlich doch von<br />
der Katze gefressen. Und seltsam:<br />
Auch der Schullehrer hatte<br />
– woher auch immer – am<br />
nächsten Tag bereits Kenntnis<br />
von der Gefangennahme. Er<br />
stauchte alle mächtig zusammen,<br />
zog jedem der Beteiligten<br />
im wahrsten Sinne des Wortes<br />
wenigstens ein Ohr lang und<br />
verbot uns im Übrigen, von<br />
einem Magolwes zu sprechen.<br />
Der Vogel heißt Eichelhäher und während der Schule wird nur<br />
dieses Wort benutzt, so lautete sein strenger Befehl.<br />
Magolwes ist Markolfus<br />
Die halten mich für den Hutten, ihr für den Luther, bald<br />
werde ich wohl gar Markolfus werden. Und nach solchem<br />
Gespräch nahm er ein großes Bierglas und sprach nach des<br />
Landes Brauch: Schweizer, trinken wir noch einen freundlichen<br />
Trunk zum Segen!<br />
Diese Zeilen fand ich vor einiger Zeit in dem Buch Sabbata,<br />
Chronik der Jahre 1523 bis 1539. Johannes Keßler, ein<br />
Schweizer Student, berichtet über seine Begegnung anno<br />
1523 mit dem ihm noch unbekannten Martin Luther. Denken<br />
Sie bitte nicht, liebe Leserin, lieber Leser, der Passus sei<br />
mir aufgefallen, weil in ihm der Reformator als ein Freund<br />
des edlen Gerstensafts dargestellt wird. Das erstaunte mich<br />
keineswegs, schließlich gab es damals schon das Reinheitsgebot.<br />
Ein mir bis dato noch unbekanntes Wort weckte vielmehr<br />
meine Aufmerksamkeit. Aufgrund der Lautähnlichkeit<br />
fiel mir die immer noch offene Frage aus der Kinderzeit<br />
wieder ein. Sollte der von Luther genannte Markolfus am<br />
Ende der Patron für den Spitznamen des Eichelhähers gewesen<br />
sein? Eine schnelle Bestätigung fand ich im Siegerländer<br />
Wörterbuch, wo Prof. Dr. Jakob Heinzerling unter<br />
anderem schreibt: Magolwes ist Markolfus. Der Name erscheint<br />
in den mannigfaltigsten Umbildungen ... <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 17<br />
Foto: Gottfried Klör
War das Ende der jahrzehntelangen Ungewissheit in<br />
Sichtweite? Zumindest einen Zipfel hielt ich in der Hand.<br />
Zwei Fragen blieben freilich einstweilen völlig offen. Zum<br />
einen: Wer um alles in der Welt war dieser Markolfus?<br />
Und zum anderen: Welchen<br />
Grund gab es, den Eichelhäher<br />
nach ihm zu benennen?<br />
Heinzerling legt in seinem<br />
Wörterbuch eine Spur, indem<br />
er das Volksbuch von<br />
Salomon und Markolf erwähnt.<br />
Und dieses Werk<br />
ist in der Tat ein Schlüssel<br />
zur Lösung der ersten Frage.<br />
Die Wissenschaftlerin<br />
Sabine Griese, die heute<br />
an der Universität Zürich<br />
lehrt, wählte Salomon und<br />
Markolf zum Thema ihrer<br />
Dissertation. Und dieser<br />
Doktorarbeit, die sogar im<br />
Jahre 1996 mit dem Kulturpreis<br />
Ostbayern in Regensburg<br />
ausgezeichnet wurde,<br />
ist es zu verdanken, dass<br />
etliche der nachfolgenden<br />
Erkenntnisse zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Der Inhalt der schon<br />
vor über tausend Jahren in<br />
ganz Europa kursierenden<br />
Geschichte über die beiden<br />
Kontrahenten in Kurzform:<br />
Ein Bauer (Markolf bzw.<br />
Markolfus) kommt an den Hof in Jerusalem, streitet in Worten<br />
und Taten mit dem König Salomon, siegt und wird als<br />
Diener an den Hof genommen.<br />
Teuflisch abstoßende Züge<br />
Seien Sie nicht traurig, liebe Leserin, lieber Leser, dass<br />
Sie diesen Markolfus nicht gekannt haben. Im genannten<br />
Volksbuch ist sein Äußeres genau beschrieben. Jeder<br />
Teil seines Körpers ähnelte irgendeinem Tier. So hatte er<br />
senkrecht nach oben stehende Haare wie ein Igel, die ungewöhnlich<br />
großen Augen standen hervor wie bei einem<br />
Straußenvogel, die langen Ohren, aus denen büschelweise<br />
die Haare herauswuchsen, glichen denjenigen eines Esels,<br />
die wulstige Unterlippe hingegen sah aus wie bei einem<br />
Pferd. Während sein schmutziger Ziegenbart als mächtig<br />
stinkend beschrieben wird, entsprach der Rest des überall<br />
behaarten Körpers einem großen Bären. Es wird von teuflisch<br />
abstoßenden Zügen berichtet. Doch an keiner Stelle<br />
ist etwas von einem Eichelhäher zu lesen.<br />
Im 16. Jahrhundert trat unser Held bei Volksfesten (Turniere,<br />
Freischießen) häufig auch leibhaftig auf. So wird in<br />
Historisches<br />
Wildverkünder – Wildvergrämer<br />
Niemand hat vermutlich das Gebaren des Eichelhähers<br />
besser geschildert als Hermann Löns. Hier ein Auszug<br />
aus den Tierbildern des Heidedichters:<br />
Es sitzt ein Vogel im Eichenbaum und gibt ein Potpourri<br />
zum Besten. Er schwatzt und plaudert, als wäre er ein Pirol<br />
oder Würger, und dann schnalzt er wie eine Eichkatze,<br />
miaut wie ein Bussard, trompetet wie ein Kranich, ruft wie<br />
ein Buntspecht, pfeift wie ein Star und quietscht wie ein Wagenrad.<br />
Jetzt kreischt er laut und gellend auf und schwebt<br />
dahin wie ein riesengroßer bunter Schmetterling.<br />
Der Markwart (= Grenzhüter, die Red.) ist es, der Eichelhäher,<br />
der Schalksnarr und Irrwisch, Hans Dampf in<br />
allen Gassen, Bruder Immerlustig und Meister Wunderlich,<br />
der lustige Schwätzer, der fröhliche Spötter, der Hüpfer und<br />
Schlüpfer, Schweber und Flatterer, der Prahlhans und der<br />
Angstmeier, des Jägers Vergnügen, des Jägers Verdruss,<br />
Wildverkünder und Wildvergrämer, der Nestzerstörer und<br />
Eichenpflanzer, der alles kann, der alles sieht, alles kennt,<br />
der heute pfiffig und morgen dummdreist, eben vorlaut und<br />
frech und jetzt wieder heimlich und zage ist, der Vogel, dessen<br />
Stimme, dessen Benehmen ebenso voller Gegensätze ist<br />
wie sein Gefieder.<br />
einem Turnierbuch berichtet, dass ein Markolfus verkehrt<br />
herum auf einem ungesattelten Esel ritt, den Schwanz seines<br />
Reittiers in der Hand haltend und allerlei Unsinn und Gauklerei<br />
treibend, ... daß ein sehr gut Lachen was. Er stach unter<br />
anderem den Esel mit einem<br />
spitzen Gegenstand ins Hinterteil.<br />
Das Grautier bockte<br />
und warf seinen Reiter im<br />
hohen Bogen ab, was diesem<br />
wenig ausmachte, denn<br />
er war unter seiner roten<br />
und grünen Kleidung dick<br />
gepolstert. Und weder diese<br />
Farben noch irgend sonst<br />
etwas erinnerte an einen Eichelhäher.<br />
Es wurde für mich<br />
immer mehr zur Gewissheit,<br />
dass weder Aussehen noch<br />
Ausstattung des Schelms etwas<br />
mit dem Magolwes zu<br />
tun hatten.<br />
Salomons Gegenspieler<br />
Bei Markolfus stand im<br />
Gegensatz zu seinem Äußeren<br />
die intelligente Verschlagenheit.<br />
Er war auf seine<br />
Weise schlau, listig und<br />
vor allem redegewandt. Der<br />
Siegerländer hätte ihn kurzum<br />
als Lälles klassifiziert.<br />
Mit der Selbstsicherheit des<br />
stolzen Bauern behauptete<br />
er immer wieder mit vielen<br />
Worten das genaue Gegenteil von dem, was Salomon sagte.<br />
Dabei nutzte er die gröbsten Obszönitäten als Stilmittel.<br />
Beispiele hierzu bringe ich nicht. Es sind Zoten, nach deren<br />
Gebrauch man ganz ohne Zweifel den Mund ausspülen<br />
muss – und zwar mit Seife. Ich selbst habe mir nach dem<br />
Lesen der entsprechenden Stellen sofort die Augen ausgewaschen.<br />
Beinahe in allem unterscheidet sich Markolfus<br />
von Salomon, der im Mittelalter als oft zitiertes Sinnbild<br />
des weisen und gerechten Herrschers galt.<br />
Während man in der (lateinischen) Literatur Aussagen<br />
über Salomon und Markolfus bereits ab dem 11. Jahrhundert<br />
findet, taucht die Geschichte in vielen europäischen Volkssprachen<br />
(u. a. in Englisch, Französisch, Deutsch, Polnisch)<br />
etwa ab dem Jahre 1450 auf. In den Hochburgen des Karnevals<br />
wurden Bühnenstücke aufgeführt, in denen die beiden<br />
Hauptdarsteller gegeneinander eiferten. Die von Dichtern<br />
wie Hans Sachs geschriebenen Texte sorgten wegen ihrer<br />
Fäkaliensprache für eine großartige Unterhaltung der Fastnachtgesellschaft.<br />
Und der lasterhafte Maulheld Markolfus<br />
wurde auch im letzten Winkel Europas bekannt. Wie Till Eulenspiegel<br />
galt er als großer Schelm. Der eine oder andere<br />
18 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Historisches<br />
Schabernack wurde damals sowohl dem einen wie auch dem<br />
anderen zugeschrieben. Der bereits genannte Martin Luther<br />
führte Markolfus häufig als abschreckendes Beispiel auf. In<br />
seinen Tischreden, in Predigten und auch in Briefen erzählte<br />
er von dessen Possen und zitierte seine Sprüche.<br />
Dass Markolfus im Gegensatz zu Till Eulenspiegel im<br />
Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr in Vergessenheit geriet,<br />
hat einen Hauptgrund: das Schul-Lesebuch. Ersterer wurde<br />
aus nachvollziehbaren Gründen als unflätig, scham- und<br />
zuchtlos und damit als sittenverderbend und jugendgefährdend<br />
angeprangert; Eulenspiegels Streiche hingegen galten<br />
als lehrreich und lustig zugleich, fanden somit viel leichter<br />
Eingang in die Lesebücher der Volks- und höheren Schulen.<br />
Albert von Lauingens Wissen<br />
Sie unterliegen einem Irrtum, liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wenn Sie nunmehr annehmen, dass der Eichelhäher im<br />
16. Jahrhundert, sozusagen in der Blütezeit des Markolfus,<br />
zum Magolwes wurde. Dass wir es besser wissen, ist Albert<br />
von Lauingen zu verdanken, der um das Jahr 1200 geboren<br />
wurde und 80 Jahre später starb. Als Naturwissenschaftler<br />
wollte dieser das Wissen seiner Zeit vollständig in Lehrbüchern<br />
erfassen. So schrieb er auch Bücher über die Tiere<br />
(De animalibus libri). Im Band 26, der um das Jahr 1260<br />
wie damals üblich in lateinischer Sprache verfasst wurde,<br />
stehen im Kapitel 24 folgende (ins Deutsche übertragene)<br />
Sätze: Garrulus, den die Germanen „heester“ nennen, ist<br />
der Vogel, der wegen seiner Geschwätzigkeit so genannt<br />
wird; und er ist so mit Farben bemalt, dass ihm keine Farbe<br />
zu fehlen scheint. Dieser Vogel schreit alle an und ahmt<br />
die Stimmen aller nach, deshalb wird er auch von einigen<br />
Leuten Markolfus genannt. Wenn er aber in Käfigen gehalten<br />
wird, ahmt er manchmal auch artikulierte Laute von<br />
Menschen nach. Dieser Vogel gerät zuweilen vor Zorn so<br />
sehr in Wut, dass er sich selbst umbringt, indem er sich in<br />
gegabelten Ästen aufhängt.<br />
„Heureka!“, rief einst der alte Grieche Archimedes, als<br />
er endlich die Gesetzmäßigkeit des Auftriebs entdeckt hatte.<br />
Und: „Heureka!“, rief auch ich, denn die Lösung war<br />
gefunden.<br />
Garrulus ist der erste Begriff im Zitat. Das Wort ist der<br />
lateinische Name für die Gattung Eichelhäher und bedeutet<br />
„der Geschwätzige“ bzw. „Schwätzer“. Dass der gelehrige<br />
Eichelhäher den Spitznamen Markolfus erhielt, lag also tatsächlich<br />
nicht – wie von mir lange Zeit vermutet – an einem<br />
markanten Äußeren, sondern an einem losen Mund- bzw.<br />
Schnabelwerk, dazu der Fähigkeit, die Stimmen anderer<br />
nachzumachen. Aus dem Zitat ist des Weiteren zu ersehen,<br />
dass der schwatzhafte Markolfus ganz offensichtlich im 13.<br />
Jahrhundert dem Volk schon so vertraut war, dass er ohne<br />
Weiteres als Spitznamenspatron des ebenso schwatzhaften<br />
Eichelhähers dienen konnte.<br />
In später erschienenen Büchern tritt der Schalk im Übrigen<br />
noch des Öfteren als Häher auf, so im Jahre 1608, als<br />
ein Georg Rollenhagen in seinem Werk „Froschmeuseler“<br />
den Häher Markolfus als Ratgeber<br />
bei der Wahl des Königs<br />
der Vögel einsetzt.<br />
Da der Eichelhäher vor gut<br />
und gerne 800 Jahren zum Magolwes<br />
wurde, war die Aussage<br />
meines Großvaters, dass dieser<br />
schon immer den Spitznamen<br />
führe, durchaus schlüssig. Jedenfalls<br />
ist für mich seine ornithologische<br />
Ehre posthum<br />
wieder hergestellt. Und auch<br />
Albert von Lauingen wollen<br />
wir die ihm zustehende Ehrenbezeugung<br />
nicht verweigern.<br />
Er ging wegen seines vielseitigen<br />
Wissens als der größte<br />
deutsche Philosoph und Naturwissenschaftler<br />
des Mittelalters<br />
mit dem Namen Albertus<br />
Magnus in die Geschichte ein, und ohne diesen vom<br />
Papst sogar heiliggesprochenen Albert den Großen wüssten<br />
weder Sie, liebe Leserin, lieber Leser, noch ich, wie der<br />
Magolwes zu seinem Namen kam.<br />
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durchblick 3/<strong>2008</strong> 19
Langjährigen Hörern von Radio Siegen ist er als Magolwes<br />
sicherlich noch ein Begriff. Viele Jahre lang war Rolf<br />
Kretzer beinahe jede Woche einmal mit einem mundartlichen<br />
Beitrag im Bürgerfunk auf Sendung. Dazu wirkte er<br />
im Seniorenbeirat der Stadt Siegen mit und war einer der<br />
Initiatoren zur Gründung des Vereins ALTERAktiv. Dort ernannte<br />
man ihn kürzlich sogar zum Ehrenvorsitzenden. Der<br />
durchblick sprach mit dem Eiserfelder über sein früheres<br />
Steckenpferd. Eine Anmerkung zu den im Text enthaltenen<br />
mundartlichen Wörtern und Sätzen: Diese entsprechen hinsichtlich<br />
ihrer Schreibweise den Aufzeichnungen von Rolf<br />
Kretzer.<br />
durchblick: Herr Kretzer, hatten Sie in Ihrem Berufsleben<br />
auch schon etwas mit dem Radio und dem Produzieren<br />
von Sendungen zu tun?<br />
Rolf Kretzer: Nein, keineswegs. Ich war technischer<br />
Angestellter in der Verwaltung des Kreises Siegen-Wittgenstein<br />
und dort in den Jahren vor meinem Eintritt in den<br />
Ruhestand mit den Problemen der Abfallbeseitigung betraut.<br />
d.b.: Wie kam der doch sehr große Schritt von der Mülldeponie<br />
in die Medienlandschaft zustande?<br />
R.K.: Als ich 1994 mit 60 Jahren aus dem Dienst ausschied<br />
habe ich mir überlegt, was ich künftig machen könne.<br />
Das Interview<br />
Als Rolf Kretzer noch den „Magolwes“ machte …<br />
Ich fühlte mich noch zu rüstig, um mir nur mit Spaziergängen<br />
die Zeit zu vertreiben. In einer Broschüre der Volkshochschule<br />
stieß ich auf das Stichwort Radiowerkstatt ...<br />
d.b.: ...wollten Sie gerne Radios reparieren?<br />
R.K.: Meine Vermutung ging bei dem Stichwort zunächst<br />
auch in diese Richtung. Ich erkundigte mich und<br />
erfuhr, dass in der Radiowerkstatt gelehrt wird, wie man<br />
Radio macht. Spontan entschied ich: Das ist etwas für dich!<br />
Ich meldete mich an und bei verschiedenen Seminaren im<br />
Stift Keppel bekamen etliche Mitstreiter und ich die entsprechenden<br />
Grundlagen beigebracht.<br />
d.b.: Wann haben Sie den ersten Beitrag für das Radio<br />
getextet?<br />
R.K.: Sozusagen als Abschlussprüfung musste jeder<br />
Teilnehmer einen Artikel verfassen. Ich wählte einen Beitrag<br />
über eine Tempo-30-Zone, in der sich gewöhnlich<br />
kaum einer an die Begrenzung der Geschwindigkeit hielt.<br />
Der Beitrag wurde im Siegerländer Dialekt verfasst, und<br />
weil ich nach Meinung der anderen Seminarteilnehmer das<br />
reinste Platt sprach, wurde mein Artikel unter dem Stichwort<br />
Magolwes im „Hauberchsfunk“ gesendet. Die Reaktionen<br />
hierauf waren durchweg positiv und so konnte man mich<br />
lange Jahre beinahe in jeder Woche einmal zwischen 18 und<br />
19 Uhr als Magolwes hören.<br />
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20 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Das Interview<br />
Foto: Gottfried Klör<br />
d.b.: Welche Themen wurden von Ihnen<br />
in der Sendung vorrangig behandelt?<br />
R.K.: In der Regel musste ein lokaler<br />
Bezug da sein. Ich habe mir dazu immer<br />
viele Gedanken über dieses und jenes<br />
gemacht. Die Bandbreite war groß und<br />
reichte von der Bürgermeisterwahl über<br />
die Veranstaltung KulturPur bis zum Radio-Förderverein.<br />
Manchmal kamen aber<br />
auch Dinge wie 10 Jahre Deutsche Einheit<br />
oder der 100. Geburtstag der Queen Mum<br />
zur Sprache. Oft bekamen die Beiträge eine<br />
etwas lustige Richtung hin zur Glosse.<br />
Dabei wurden, wie der Siegerländer sagt,<br />
manchmoal och de Lie of de Schuffel genomme.<br />
d.b.: Wie waren die Reaktionen auf den<br />
Radio-Magolwes in Ihrem Bekannten- und<br />
Freundeskreis?<br />
R.K.: Da mein bürgerlicher Name im<br />
Radio niemals genannt wurde, wussten nur<br />
wenige Insider, wer da als Magolwes sei-<br />
ne Meinung kundtat. Diejenigen, die es<br />
wussten, haben mich unterstützt und mir<br />
auch Thementipps gegeben.<br />
d.b.: Haben Sie neben Ihren Radio-<br />
Auftritten auch andernorts Beiträge als<br />
Magolwes abgeliefert?<br />
R.K.: Hin und wieder hat man<br />
mich gebeten, bei den sonntäglichen<br />
Sommerkonzerten am Oberen Schloss<br />
einige mundartliche Sätze zu sagen.<br />
Dazu habe ich bei den Siegener Sportfreunden,<br />
bei denen der Magolwes als<br />
Maskottchen dient, etliche Monate<br />
lang vor den Heimspielen moralische<br />
Unterstützung über die Lautsprecher<br />
geleistet. Einmal beklagte ich die<br />
Treffsicherheit der Angreifer und gab<br />
an, dass ich im Rückenflug über das<br />
Stadion geflogen sei, um dieses Elend<br />
nicht zu sehen. Das nahm man mir sehr<br />
übel und ich durfte nicht mehr ans Mikrofon.<br />
Die Sportfreunde wollten den<br />
Namen Magolwes im Übrigen rechtlich<br />
schützen lassen. Da dies nicht gelang,<br />
wurde von ihnen die Schreibweise Magolves<br />
– also mit einem v in der Mitte<br />
– gewählt. Dies galt dann auch für den<br />
Bus-Sonderverkehr zu den Heimspielen,<br />
der als Magolves-Linie unterwegs war.<br />
d.b.: Kommen wir zur letzten Frage.<br />
Wann und warum haben Sie Ihre Arbeit<br />
für den Bürgerfunk eingestellt?<br />
R.K.: Im Jahre 2004 erkrankte ich für<br />
längere Zeit und konnte leider keine Artikel<br />
mehr verfassen, was mir sehr leidtat.<br />
All die Jahre hatte mir meine Tätigkeit großen<br />
Spaß gemacht. Das Gespräch schließen<br />
möchte ich mit dem Schlusswort, das auch<br />
am Ende eines jeden Magolwes-Beitrags<br />
über den Äther ging: Mir wonn det Bäsde<br />
hoffe, det Schlechde kemmt vam sealwer.<br />
Doabi wonn mr et och ho beloase. Nodda,<br />
– au Magolwes.<br />
Die Fragen stellte Ulli Weber.<br />
Mittelpunkt des Kreises gefunden<br />
Viele machten sich mit dem Geo-Dreieck, mit dem Zirkel und anderen Utensilien<br />
an die Arbeit, als Radio Siegen dazu aufrief, den Mittelpunkt des Kreises Siegen-<br />
Wittgenstein zu suchen. Mit der Breite 50 Grad, 56 Minuten und 16 Sekunden und<br />
der Länge 8 Grad, 11 Minuten und 40 Sekunden wurden schließlich die Koordinaten<br />
für die Mitte gefunden. Am gedachten Punkt im Ederquellgebiet pflanzte Landrat<br />
Paul Breuer eine vom Leiter des Forstamts, Diethard Altrogge, gestiftete Eiche,<br />
die mit dem Wasser der „heiligen“ Ilsequelle angegossen wurde. Das Katasteramt,<br />
das Forstamt und Radio Siegen übernahmen die Patenschaft für die Aktion.<br />
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durchblick 3/<strong>2008</strong> 21
Unterhaltung<br />
Verlobung<br />
In unserem Betriebsbüro, das in einer Baracke auf dem<br />
Firmengelände vor dem Hauptgebäude untergebracht war,<br />
gab es keinen Raum, wo sich Besucher hätten aufhalten<br />
können, sie warteten in unserem Schreibbüro und sahen uns<br />
bei der Arbeit zu.<br />
Ein junger Fabrikant<br />
aus Haiger-<br />
Dillenburg, der zu<br />
dieser Zeit seinen<br />
Lkw noch selbst<br />
fahren musste,<br />
kam öfters, wartete<br />
gern und es schien,<br />
als ob er ein Auge<br />
auf mich geworfen<br />
hätte. Wir nannten<br />
ihn „Dreckspatz“.<br />
Ständig sah er Autoöl<br />
verschmiert<br />
aus, wohl weil er<br />
oft unter der Kühlerhaube<br />
seines alten<br />
Lkw zu arbeiten<br />
hatte und dann unterwegs<br />
mit Wasser<br />
nicht in Berührung<br />
kam.<br />
Zaghaft befragte nun dieser Besucher eine Kollegin im<br />
gegenüberliegenden Büro nach meinem Alter, und ob ich<br />
einen Freund habe. Die erste Frage beantwortete sie, bei<br />
der zweiten hielt sie sich vorsichtshalber zurück. Saß der<br />
junge Mann in unserem Büro, sprach er nie ein Wort, sah<br />
aber häufig zu mir hin. Und eines Tages bat er die Kollegin,<br />
sie möchte mich fragen, ob ich ihn heiraten würde, er wolle<br />
auch warten bis ich achtzehn Jahre alt sei. Dabei lächelte er<br />
sie an und übergab ihr ein Paket für uns drei.<br />
Aufgeregt haben wir die Kordel aufgezuppelt und waren<br />
äußerst überrascht, denn in einem Leinenlappen eingeschlagen<br />
lag ein halber geräucherter „Schweine-Hinterschinken“.<br />
Oh je, was machen wir bloß damit? Teilen!<br />
Aber wie? Und wo gehen wir hin, dass uns niemand sieht?<br />
„Schnubbelchen! Du setzt dich auf die Toilette!“ Gesagt,<br />
getan, zwar fehlte der Deckel, doch hielt ich, nachdem wir<br />
die Toilettentür verriegelt hatten, den Schinken im Leinenlappen<br />
auf meinen Beinen fest umarmt.<br />
Bei dem Versuch meiner Kolleginnen, den Brocken<br />
Fleisch mit einem scharfen Taschenmesser zu dritteln,<br />
brach bald darauf die Klinge ab. Mit einem alten, stumpfen<br />
Schmiermesser säbelten sie dann weiter an dem Schinkenstück<br />
herum. War das ein langwieriges Gestocher, dabei<br />
rutschte mir die halbe Schweinebacke fast aus den Händen<br />
und ich immer tiefer ins WC. Es dauerte, aber am Ende war<br />
jede von uns mit dem Ergebnis zufrieden. „Für dich ist der<br />
Schinkenknochen, und wir helfen dir, den ‚Schweigsamen‘<br />
nicht zu heiraten“, sagten die beiden. Obwohl, gewaschen<br />
wäre er ganz ansehnlich gewesen.<br />
Große Aufregung, „Dreckspatz“ hatte sich wieder angekündigt.<br />
Was<br />
tun? Da saß er<br />
nun in unserem<br />
Büro, versuchte<br />
mich anzusehen,<br />
ich ihn nicht, und<br />
dann endlich bemerkte<br />
er an meiner<br />
linken Hand –<br />
ich saß günstig in<br />
seinem Blickfeld<br />
– den goldenen<br />
Ring, der ihm bei<br />
früheren Besuchen<br />
bestimmt nicht an<br />
meinem Finger<br />
aufgefallen war.<br />
Ich schielte<br />
zur Seite – er war<br />
leicht irritiert –<br />
dann wartete er<br />
eine Weile, um<br />
sich nochmals zu<br />
vergewissern, was er zu sehen geglaubt hatte. Der Ärmste,<br />
plötzlich stand er auf, ging aus dem Zimmer, fragte bei der<br />
Kollegin nach, die ihm bestätigte, dass ich mich kürzlich<br />
verlobt habe. Sehr enttäuscht muss er gewesen sein, er kam<br />
nie wieder.<br />
Das war meine fast einstündige Verlobung mit einem<br />
ausgeliehenen Ehering, ohne Partner und alles nur wegen<br />
eines halben geräucherten „Schweine-Hinterschinkens“.<br />
Die fast einstündige Verlobung wegen eines Schweine-Hinterschinkens<br />
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Gerda Greis<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 23<br />
Foto bearbeitet: durchblick Bildredaktion<br />
Talblick 15<br />
57080 Siegen<br />
Tel. 0271/3 17 72 78<br />
Fax 0271/3 17 72 79
Generationen<br />
Schulprojekt mit Altenheim<br />
Schüler verfassen Lebensbücher<br />
Lara und Katharina erfahren viel aus dem Leben ihrer Gesprächspartnerin.<br />
„Den Jahren Leben geben,<br />
dem Alter Wert geben“.<br />
So könnte das Motto lauten, unter welchem sich zehn<br />
Schülerinnen und ein Schüler des Differenzierungskurses<br />
Pädagogik vom Peter-Paul-Rubens Gymnasium Siegen<br />
zum Ziel gesetzt haben, die Bewohner des nahe gelegene<br />
AWO-Fritz-Fries-Seniorenzentrums aufzusuchen, sie über<br />
ihr Leben zu befragen und aus all den Informationen ein<br />
sogenanntes „Lebensbuch“ zu schreiben.<br />
Die Ideegeberin des Projekts war Barbara Kerkhoff,<br />
Diplomgerontologin und Sozialpädagogin, die reichhaltige<br />
Erfahrung in der Lebensbuch-Arbeit besitzt. Sie hat<br />
bereits mit Schülern des Fachseminars Altenpflege in Bad<br />
Berleburg solche Projekte erfolgreich durchgeführt, allerdings<br />
waren die Teilnehmer dort Erwachsene, angehende<br />
Altenpflege – Profis, und diesmal Schüler von 14 bis 15<br />
Jahren. Dementsprechend war das Bedenken groß, ob das<br />
Experiment gelingen kann. Als das Konzept feststand, nahmen<br />
die Umsetzung in die Praxis Lehrer Manfred Häbler<br />
und Hubert Plugge, Sozialpädagoge im Seniorenheim in<br />
die Hand und unterstützten die Schülerinnen und Schüler<br />
mit Rat und Tat, vor allem in organisatorischen Fragen.<br />
Es wurden sechs Gruppen gebildet, die sich mit je einem<br />
Bewohner des AWO-Fritz-Fries-Seniorenzentrums zusammentaten.<br />
Sie sollten Erinnerungen an Ereignisse im Leben<br />
der Heimbewohner aufschreiben und Dokumente wie Fotos,<br />
Urkunden usw. sammeln und aus dem gesammelten<br />
Material ein Lebensbuch für die Heimbewohner zusammenstellen.<br />
Definition des Lebensbuches:<br />
„In einem Lebensbuch findet man eine<br />
Sammlung von Informationen, Fotos, Erzählungen,<br />
Dokumenten, die, selbst erstellt<br />
oder von anderen zusammengetragen, etwas<br />
über die Person und ihre Lebensgeschichte<br />
aussagt.“<br />
Das Projekt startete am 22. Januar <strong>2008</strong><br />
mit einer ersten von drei Doppelstunden,<br />
in denen Frau Kerkhoff die Schülerinnen<br />
und Schüler auf ihre Aufgaben vorbereitete<br />
und auf einige kritische Fragen Antwort<br />
gab. Fragen wie: „Wie stellt man bei ersten<br />
Kontakten eine Vertrauensbasis her?“ „Wie<br />
muss ich reden, dass die Menschen mich<br />
verstehen?“ Gerade für jene, die schwer<br />
hören, sei das sehr entscheidend langsam<br />
und deutlich zu sprechen mit Pausen und<br />
Stille dazwischen. Sprache vermittelt nicht<br />
nur inhaltliche, sondern auch emotionale<br />
Botschaften, daher ist es sehr wichtig durch<br />
die Sprache eine gemeinsame Basis herzustellen.<br />
„Wie geht man mit erschütternden<br />
Ereignissen im Leben der Befragten um?“<br />
„Mit welchen Schwierigkeiten muss man rechnen?“ Auf<br />
solche und andere Fragen wusste Frau Kerkhoff einfühlsam<br />
und vor allem Mut machend einzugehen.<br />
Theoretisch gut vorbereitet gingen die Schülerinnen<br />
und Schüler zum praktischen Teil über. Sie besuchten ihre<br />
Partner im Seniorenheim einmal pro Woche bis Juni <strong>2008</strong>,<br />
als das Projekt beendet wurde. „Wir haben kontaktfreudige<br />
Personen vorgefunden, die schon beim ersten Mal fröhlich<br />
auf uns zukamen und bereit waren ihre Geschichten zu<br />
erzählen“, berichteten die Schülerinnen und Schüler und<br />
das Vertrauen zueinander war spontan hergestellt, was sehr<br />
wichtig für das gute Funktionieren der Zusammenarbeit<br />
war. An Themen fehlte es nicht. Es wurden Lebensbereiche<br />
wie Familienleben, Hausarbeit, Schulzeit, Nachbarschaft,<br />
Feiern und Festtage, Arbeitsleben, Ausgehen, Mode, Liebe<br />
angesprochen, mithilfe derer Erinnerungen geweckt, erzählt<br />
und von den Schülerinnen und Schüler aufgeschrieben<br />
wurden.<br />
Lara und Katharina erfahren von ihrer Partnerin, wie<br />
sie aus der Volksschule kam, und Vater kein Schulgeld für<br />
eine weiterführende Schule aufbringen konnte, und wie sie<br />
früher am Niederscheldener Kriegerdenkmal auf fremde<br />
Kinder aufgepasst hat, auch, dass sie schon früh mit Freundinnen<br />
auf der Eintracht gekegelt hat, und dass sie bei Ausflügen<br />
gerne auf den Bus verzichtet und sich mit den zwei<br />
ersparten Groschen ein Stück billige, einfache Blutwurst<br />
gekauft hat.<br />
24 durchblick 3/<strong>2008</strong><br />
Foto: Fritz Fischer
Generationen<br />
Bei Carolin und Stephanie stimmte vom ersten Augenblick<br />
an die Chemie mit ihrer Seniorin Elisabeth. Sie erzählt<br />
über ihr Elternhaus zunächst in Wiederlah, einem kleinen<br />
Dorf direkt an der damaligen Zonengrenze der DDR, und<br />
später in Vienenburg. Ihre Eltern mussten hart arbeiten, der<br />
Vater hatte im Laufe der Jahre ganz verkrüppelte Hände<br />
und die Mutter Rückenprobleme bekommen. Weiter erzählt<br />
Frau Elisabeth von ihrer Taufe, Kindheit, Schulzeit,<br />
Konfirmation, Berufsleben, über ihre eigene im Jahre 1950<br />
gegründete Familie, über ihre Kinder und Enkelkinder, eigentlich<br />
über ihren ganzen Lebenslauf. Stolz zeigt sie die<br />
von der Industrie und Handelskammer Siegen verliehene<br />
Ehrenurkunde für treue und langjährige Tätigkeit bei der<br />
Firma RWE Siegen. Stolz ist sie auch auf ihre Kinder und<br />
Enkelkinder, die wichtigsten Personen in ihrem Leben, von<br />
denen sie viele Fotos zeigt, und manchmal ging ein Leuchten<br />
durch ihr Gesicht.<br />
Fotos sind Erinnerungen an Lebensgefühle, an Momente,<br />
mit dem das Foto verbunden ist. Frau Elisabeth hat noch<br />
so eingehende Erinnerungen an die schon lange zurückliegende<br />
Zeit über die sie gerne spricht, auch über traurige<br />
Erlebnisse, selbst wenn da innen noch eine tiefe Wunde<br />
sitzt, zum Beispiel der Tod ihres Mannes oder das Erlebnis<br />
mit der „Gustloff“. In letzter Minute konnte sie sich damals<br />
von der Menschenmenge losreißen, die mit der „Gustloff“<br />
geflüchtet sind, und somit dem Tod entkommen. Ihr Großvater<br />
starb bei der Überfahrt.<br />
Nachfolgend eine Erzählung aus dem Lebensbuch von<br />
Frau Elisabeth über ihre drei besten Freundinnen:<br />
„Ich hatte damals drei gute Freundinnen, das waren<br />
Roswitha, Dagmar und Ingrid.<br />
Nach der Schule sind wir oft in die Badeanstalt nach<br />
Vienenburg gegangen, als Schüler dürften wir dort kostenlos<br />
schwimmen. Die einzige Voraussetzung war, dass man<br />
schwimmen konnte. Dort machte ich auch meinen Frosch,<br />
heute nennt man das Seepferdchen. Einmal bin ich fast<br />
ertrunken, doch mein Bruder hat mich an meinen langen<br />
Zöpfen herausgezogen. Danach lag ich einige Wochen im<br />
Krankenhaus.<br />
Meine Freundinnen und ich haben sehr viel zusammen<br />
gemacht, auch unsere Schulaufgaben. Wenn wir damit fertig<br />
waren, klauten wir aus dem Garten unserer Mutter eine<br />
Bohnenstange und liefen damit runter zum Gänsebach. Wir<br />
sprangen mit der Stange über den Bach, dabei mussten wir<br />
sehr aufpassen, dass wir nicht reinfielen. Einmal als wir<br />
über den Bach gesprungen sind, kamen einige Russen zu<br />
uns und wollten auch einmal springen. Wir hatten viel Spaß<br />
dabei ihnen zuzusehen, denn sie fielen immer wieder in<br />
den Bach.<br />
Schließlich wollte mein Bruder auch einmal springen,<br />
doch er dachte, er würde es auch ohne Stange schaffen. Er<br />
hat zu Ostern neue Halbschuhe bekommen, mit denen er in<br />
den Bach fiel. Das gab großen Ärger. Meine Freundinnen<br />
und ich hatten ihm vorher extra noch gesagt, er solle lieber<br />
mit der Stange springen.<br />
Foto: Fritz Fischer<br />
Bei meinen Freundinnen war ich immer die Anführerin,<br />
aber ich war nicht an allem Schuld, was wir ausgefressen<br />
haben. Wegen den Bohnenstangen, die wir meiner Mutter<br />
klauten, bekam ich Ärger und meine Mutter war sehr sauer<br />
auf mich. Sie verschloss ihren Garten von da an immer mit<br />
einem großen Schloss, damit wir nicht immer alles kaputt<br />
treten konnten. Als Strafe musste ich in der Milchkammer<br />
im kalten Wasser schwimmen lernen, obwohl ich schon<br />
längst schwimmen konnte, aber Vater wollte es so.<br />
Dadurch wurde ich krank, meine Schwester bekam sogar<br />
eine Lungenentzündung davon. Daraus hat mein Vater<br />
gelernt und wir mussten nie wieder in der Milchkammer<br />
schwimmen gehen.“<br />
Individuelles Erleben und Verhalten wird in vielfältiger<br />
Weise von der Gesellschaft bestimmt. Was für die eine Generation<br />
gültig, braucht für die andere nicht mehr gültig zu<br />
sein. So ist das auch bei Carolin und Stephanie und ihrer<br />
Seniorin. Sie sind fast ein Dreivierteljahrhundert jünger<br />
als ihre Partnerin, manchmal kam es ihnen vor, als ständen<br />
zwei völlig verschiedene Welten nebeneinander.<br />
Auch über das Alltagsleben im Seniorenheim erfahren<br />
die Schülerinnen und Schüler. Täglich gibt es verschiedene<br />
Angebote für die Bewohnerinnen und Bewohner. Dazu gehören<br />
Gedächtnistraining, Singen, Lesen, Spielen, Basteln,<br />
Malen, Gymnastik, Spazierengehen. Diese Aktivitäten bieten<br />
den Senioren eine viel größere Möglichkeit sich in den<br />
Alltag einzubringen, „tut gut für das Selbstwertgefühl und<br />
bringt viel Freude“, so eine Heimbewohnerin.<br />
Nun ist das Projekt mit Erfolg umgesetzt worden. Es ist<br />
mehr erreicht worden, als alle Teilnehmer erhofft haben.<br />
Die Schülerinnen und Schüler haben die Erwartungen ihres<br />
Lehrers mehr als erfüllt. Sie gingen mit Ernsthaftigkeit und<br />
innerem Engagement an die Arbeit heran und haben schöne<br />
bunte Lebensbücher erstellt. Ihnen gebührt ein großes Lob.<br />
Die positive Bewertung ihrer Leistung wird sich sicherlich<br />
in der Benotung zeigen.<br />
<br />
Die Autorinnen des Lebensbuches, von links:Carolin Mielke,<br />
Steffanie Ammermüller-Klietsch, Laura Lillpopp, Tabea Sänger<br />
stellen unter den neugierigen Blicken der<br />
ProjektbetreuerInnen ihre Arbeit vor.<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 25
Generationen<br />
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Foto: Fritz Fischer<br />
TeilnehmerInnen an dem Projekt Lebensbuch.<br />
Vorn: SchülerInnen des Peter-Paul-Rubens-Gymnasium.<br />
Hinten von rechts: Hubert Plugge, Sozialpäd. Fritz-Friesheim,<br />
Manfred Häbler, Lehrer und Projektleiter, Barbara Kerkhoff,<br />
Initiatorin, Dorothea Istock, Redakteurin des „durchblick“<br />
Was für Erfahrungen haben die TeilnehmerInnen<br />
des Projektes bekommen?<br />
Die Arbeit mit dem Lebenslauf, dem Lebensbild eines<br />
Menschen haben den Schülern Erfahrungen in der Biografiearbeit<br />
und in der Gestaltung von Lebensbüchern gebracht.<br />
Sie lassen die Vergangenheit lebendig werden und den Jugendlichen<br />
tut es gut andere Welten kennenzulernen.<br />
Sie haben eine große Wertschätzung bekommen für<br />
das, was die Person erzählt und erlebt hat, können dadurch<br />
anders mit den älteren Menschen umgehen und mehr Verständnis<br />
für sie aufbringen. Sie haben Freundschaften geschlossen,<br />
die sie auch weiter fortführen möchten. Christina<br />
ist mit ihren Senioren inzwischen beim freundschaftlichen<br />
Du angelangt. Sie haben das Projekt als Bereicherung erlebt.<br />
Umgekehrt genießen ältere Menschen die Vitalität und<br />
Neugierde der Jugendlichen, durch die sie an der Zukunft<br />
teilhaben.<br />
Solche Projekte können zur Chance für ein neues soziales,<br />
generationenübergreifendes Miteinander werden.<br />
Die Schüler<br />
Stephanie Ammermüller-Klietsch und Carolin Mielke,<br />
Laura Lillpopp und Tabea Sänger,<br />
Lara Stichert und Katharina Blumentrath,<br />
Alina Birlenbach und Jana Schuss,<br />
Christina Wangemann,<br />
Michael Buchen und Berenike Scheffer<br />
hatten viel Spaß und große Freude an dem Projekt.<br />
Zum Schluss sei noch gesagt, dass die Mitglieder des<br />
Lebensbuch-Projekts mit einem Kurzfilm am Multimediawettbewerb<br />
„Jung & Alt in 2050“ teilnehmen.<br />
Dorothea Istock<br />
26 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Unterhaltung<br />
Es ist angerichtet.<br />
Das Fest der ersten heiligen Kommunion meines kleinen<br />
Vetters war mal wieder so eine große Familienzusammenkunft,<br />
bei der zwar jeder mit jedem gesprochen hatte, aber<br />
am Abend keiner mehr wusste, was der Einzelne gesagt<br />
hatte. Die meisten hatten sich lange nicht gesehen, und so<br />
hörte der Redefluss zu keiner Minute auf. Immerhin waren<br />
es ja auch über zwanzig Personen die an einer langen<br />
Tafel zusammensaßen und bestens bewirtet wurden. Nach<br />
einem feudalen Mittagessen kamen zur Kaffeezeit Buttercreme<br />
und Sahnetorten, Kleingebäck, Kaffee und Tee sowie<br />
Sahne in großen Schüsseln auf den mit weißen Blumen<br />
dekorierten Tisch.<br />
Die Herren trugen dunkle Anzüge und die Damen waren<br />
nobel gekleidet und frisiert. Alles sah sehr festlich aus. Da<br />
das Kommunionkind auch unser Patenkind war, wollten wir<br />
ihm zum Andenken ein Album machen mit vielen Bildern<br />
von seiner Feier. So knipste mein Mann eifrig in die Runde.<br />
Der schön gedeckte Tisch, die vielen Geschenke und natürlich<br />
auch die Gäste wurden im Bild festgehalten. Tante<br />
Kätchen, ungefähr siebzig, recht mollig, immer gut frisiert,<br />
lächelte stets in die Kamera. Sie war direkt fotosüchtig.<br />
Als nun die Kaffeetafel nach und nach abgeräumt wurde,<br />
um Platz für die Genüsse des Abendessens zu schaffen,<br />
war der Tisch über und über voll. Die Kuchen und Torten<br />
und auch die Sahne standen noch, aber daneben wurden nun<br />
Fleisch, Soßen, Salate und andere Leckereien aufgebaut.<br />
Just in den Minuten fand unsere Tante Käte sich wohl<br />
besonders fotogen. Sie bedrängte meinen Mann, sie doch<br />
einmal so wie die Monroe im Bild für die Nachkommen<br />
festzuhalten. War das ein Jux? Für Tante Käte scheinbar<br />
nicht, denn sie drückte ihre Frisur zurecht, rötete ihre Lippen<br />
und warf sich mächtig in die sowieso schon reichlich<br />
vorhandene Brust. Mein Mann bat nun das Tantchen sich<br />
anders zu positionieren, damit man auch ihre strammen<br />
Beine sähe. Kätchen sprang auf und setzte sich mit übereinander<br />
geschlagenen Beinen auf die unterste Ecke der<br />
langen Tafel. Sie lächelte maliziös und die ganze Gästegesellschaft<br />
hatte ihre Freude daran.<br />
Nach kürzester Zeit aber war der Spaß augenblicklich<br />
vorbei. Durch das Gewicht von Tante Käte ging der Tisch<br />
mit ihr nach unten und das obere Tischende hob sich in<br />
die Höhe. Auf dem glatt polierten Tisch rutschte das weiße<br />
Tischtuch mit all den auf ihm stehenden Köstlichkeiten<br />
hinunter auf die bereits am Boden angekommene Tante<br />
Käte. Ein Bild für die Götter !!! Mit dem Po saß sie in der<br />
Sahneschüssel, auf dem Kopf war eine Portion Kartoffelsalat,<br />
die Buttercremtorte lag in ihrem Schoß, die rechte<br />
Hand hielt einen Weintraubenast und die linke einen Zweig<br />
Strauchtomaten. Eine lange Nudel zierte ihr Ohr wie ein<br />
Schmuckstück. Alles war mit Soße, Kaffee und mit Weinresten<br />
übergossen. Außerdem jede Menge defektes Porzellan.<br />
Tantchen blieb ganz ruhig sitzen und das erste, was sie<br />
nach dem Schrecken sagte war: „Nun knips mal Erhard, so<br />
schön war ich noch nie garniert.“<br />
Auch nach diesem Ungemach wurde noch viel gelacht.<br />
Meine Schwägerin – die ja Gastgeberin war – sagte nur:<br />
„Es ist angerichtet“<br />
Inge Göbel<br />
Von der Zauberkraft der Wertschätzung<br />
„ Wenn ich mich nicht selbst lobe, lobt mich keiner“,<br />
sagt meine Frau, als sie wieder mal ein gutes Mittagessen<br />
gekocht hatte. Ja, sie hat Recht: Ich habe den Eindruck,<br />
dass wir andere – und vielleicht auch uns selbst – zu wenig<br />
wertschätzen. Warum fällt uns das Loben so schwer? Wann<br />
sind Sie das letzte Mal gelobt worden, zu Hause oder in<br />
ihrem Ehrenamt oder überhaupt? Bekommen wir für unsere<br />
Mühe, unser Engagement Anerkennung? Wissen wir<br />
eigentlich, welche Fähigkeiten, Ideen und Möglichkeiten<br />
im anderen stecken?<br />
Wir sind einzigartig mit vielen Gaben, die in uns angelegt<br />
sind. Schon im Alten Testament bringt der Psalm 139 diese<br />
Wertschätzung zum Ausdruck: „Wunderbar und einzigartig<br />
ist ein jeder Mensch, den der Schöpfer ins Leben gerufen hat –<br />
gewoben im Schoß der Mutter, erdacht, geformt, gekannt, geliebt.“<br />
Oft setzen wir bei den Defiziten der Menschen an, statt<br />
die Stärken zu sehen und ihnen etwas zuzutrauen. Die einzigartige<br />
Konstellation von Persönlichkeit, Begabung, Beruf und<br />
Berufung, Temperament, Lebensgeschichte und Erfahrungen<br />
in jedem einzelnen Menschen gibt es nicht doppelt. Durch<br />
Der Kommentar: Heute von Horst Mahle<br />
interessiert-wertschätzende Gespräche, aktiv zuhören, den<br />
anderen und mich wahrnehmen – da können sich auf einmal<br />
ganz neue Türen öffnen. Wertschätzung ist eine Haltung,<br />
die auf einem Menschenbild beruht: Du bist mir wichtig, wir<br />
begegnen uns auf gleicher Augenhöhe. Unsere Beziehung basiert<br />
auf Wertschätzung, Echtheit und Empathie.<br />
Man spricht von<br />
einem Viererschritt zu<br />
einer wertschätzenden<br />
Haltung: „Achtsam sein<br />
– Ansehen schenken –<br />
wahrnehmen und zuhören<br />
– anerkennen und<br />
zutrauen“ mir selbst gegenüber<br />
und anderen gegenüber.<br />
Anerkennung,<br />
Wertschätzung sind<br />
gleichsam Zauberkräfte,<br />
die es zu entdecken gilt<br />
und die Horizonte öffnen<br />
können und motivieren.<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 27<br />
durchblick Foto
Diese Seiten stehen dem Seniorenbeirat der Stadt Siegen zur Verfügung. Die Redaktion des „durchblick“ hat keinen Einfl uss auf die Auswahl der Beiträge.<br />
Aus dem Seniorenbeirat<br />
Siegener Seniorenbeirat<br />
besucht WDR<br />
Den WDR besichtigte jetzt<br />
der Seniorenbeirat der Stadt<br />
Siegen. Dabei kam es auch zu<br />
einem längeren Gespräch mit<br />
Moderator Dirk Glaser im Lokalzeit-Studio<br />
des Senders. Die<br />
Beiratsmitglieder waren beeindruckt<br />
von den hochtechnisierten<br />
Abläufen in den Bereichen Hörfunk,<br />
Fernsehen und Internet.<br />
Mehr Sicherheit für Fußgänger<br />
Gemeinsam sind wir stark. Nach dieser Devise will<br />
man beim Seniorenbeirat der Stadt Siegen sich in Zukunft<br />
noch stärker für die Belange der älteren Mitbürgerinnen<br />
und Mitbürger einsetzen. Jetzt haben sich die Arbeitskreise<br />
„Bauen und Wohnen“ und „Soziale Einrichtungen, Netze,<br />
Infrastruktur und Pflege“ zusammengeschlossen, um konkrete<br />
seniorengerechte Verbesserungen bei der Stadt Siegen<br />
zu erreichen. Und gleich konnten die beiden Arbeitskreissprecher<br />
Günter Heinbach und Dr. Wolfgang Bauch mit<br />
ihrem Team einen<br />
Erfolg verbuchen:<br />
Vom Bauamt der<br />
Stadt wurde der Beiratsantrag<br />
positiv<br />
beschieden, an der<br />
Ecke Löhrstraße/<br />
Kornmarkt in Höhe<br />
des Café Harr ein<br />
Geländer anzubringen.<br />
Denn nach<br />
Starkes Doppel: Günter Heinbach lks.<br />
und Dr. Wolfgang Bauch<br />
Besichtigung der<br />
örtlichen Gegebenheiten<br />
und Fotopräsentation<br />
per Beamer<br />
stand eindeutig fest:<br />
Zur besseren Überwindung der Steigung und zur Erhöhung<br />
der Sicherheit der Fußgänger ist ein Geländer an geeigneter<br />
Stelle des Bürgersteigs erwünscht und erforderlich. „Oberstadtfan“<br />
Helga Mücke (79) machte eindrucksvoll deutlich,<br />
wie schwer es gerade älteren und gehbehinderten Menschen<br />
fällt, die Steigung von der Löhrstraße zum Marktplatz gefahrlos<br />
zu überwinden. Besonders im Winter stellen Schnee<br />
und Eisglätte für die älteren Mitbürger eine zusätzliche Gefahr<br />
dar. Hier wird jetzt Abhilfe geschaffen. •<br />
Präsentation in der City-Galerie<br />
Mit einer ganztägigen Präsentation seiner Arbeit machte<br />
der Seniorenbeirat der Stadt Siegen in der Siegener City-<br />
Galerie auf sich aufmerksam. Der Arbeitskreis „Öffentlichkeitsarbeit“<br />
mit seinem Sprecher Ernst Göckus aber auch<br />
zahlreiche andere Beiratsmitglieder suchten dabei das Gespräch<br />
vor allem mit den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern.<br />
Tatkräftige Unterstützung leistete dabei die städtische<br />
Regiestelle „Leben im Alter“ mit ihrer Leiterin Astrid<br />
E. Schneider. Auch Bürgermeister Steffen Mues nahm sich<br />
eine ganze Stunde lang Zeit, um sich über die Seniorenarbeit<br />
seiner Stadt zu informieren und sich die Sorgen und<br />
Nöte insbesondere der älteren Menschen anzuhören. Dabei<br />
kristallisierten sich im Laufe des Tages vor allem drei<br />
Problemkreise heraus, die den Senioren der Krönchenstadt<br />
auf den Nägeln brennen. Zum einen sind es die fehlenden<br />
Einkaufsmöglichkeiten in so zentralen Gebieten wie z. B.<br />
der Leimbachstraße und dem Rosterberg. Immer wieder<br />
tauchte die Frage nach seniorengerechtem und bezahlbarem<br />
Wohnraum auf. Auch dass man ab einem bestimmten Alter<br />
selbst liebgewordene ehrenamtliche Tätigkeiten (wie z. B.<br />
das Amt eines Schöffen ab dem 70. Lebensjahr) abgeben<br />
müsse, wurde bedauert. Nicht zuletzt waren es oft aber auch<br />
ganz persönliche Sorgen wie Einsamkeit und zunehmende<br />
Armut, mit denen ältere Mitbürger sich an den Seniorenbeirat<br />
wandten. Mit einem Gutschein für eine individuelle<br />
Beratung per Telefon oder für ein persönliches Gespräch erhielten<br />
die Besucher Gelegenheit, kurzfristig eine konkrete<br />
Hilfe anzufordern. Diese Serviceleistung wurde besonders<br />
dankbar angenommen. •<br />
Hoher Besuch von lks.: Ernst Göckus, Michael Dietrich,<br />
Astrid E. Schneider und Bürgermeister Steffen Mues<br />
28 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Verantwortlich für deren Inhalt ist nach dem Presserecht Dr. Horst Bach, der Pressesprecher des Seniorenbeirats der Stadt Siegen.<br />
Aus dem Seniorenbeirat<br />
Hans Berner ist auch mit<br />
90 immer noch am Ball<br />
Hans Berner 90<br />
Die Ehrungen in den<br />
letzten Monaten waren<br />
hochkarätig. Zunächst die<br />
Ernennung zum Ehrenvorsitzenden<br />
des Seniorenbeirates<br />
(der Durchblick berichtete),<br />
dann wenig später<br />
die Verleihung des Ehrensiegels<br />
der Stadt Siegen.<br />
Das Lebenswerk von<br />
Hans Berner, des letzten<br />
Bürgermeisters der einst<br />
selbstständigen Gemeinde<br />
Geisweid, wurde in diesem<br />
Zusammenhang von allen<br />
städtischen Gremien, politischen Parteien und gesellschaftlichen<br />
Gruppierungen voller Respekt und Hochachtung<br />
gewürdigt. Am 24. Juli wurde Hans Berner 90 Jahre alt!<br />
Das Alter sieht man dem Jubilar, der seit 62 Jahren mit seiner<br />
Frau Betty geb. Junker verheirat ist, fürwahr nicht an.<br />
Der große Trubel ist dem stets hilfsbereiten, toleranten und<br />
verständnisvollen Kommunalpolitiker immer ein Greuel<br />
gewesen, und so wurde der Ehrentag auch nur im kleinen<br />
Kreis gefeiert, wenn es auch kein „Dinner for one“ gab.<br />
Walter Nienhagen, der verstorbene langjährige sozialdemokratische<br />
Parteifreund, hat Hans Berner einmal treffend so<br />
charakterisiert: „Als Bürgermeister, stellvertretender Bürgermeister,<br />
stellvertretender Landrat und Vertreter in Aufsichtsräten<br />
hat Hans Berner den Bürgern gedient und sein<br />
Fachwissen eingebracht.<br />
Er war immer freundlich und warmherzig und bis ins<br />
hohe Alter engagiert. Es ist wohl sein gelebter Glaube, der<br />
ihm die Kraft dazu gibt.“ Hans Berners überparteiliches,<br />
bürgerschaftliches Engagement war und ist besonders im<br />
Seniorenbeirat gefragt. Der „Elder Statesman“ absolvierte<br />
voller Elan sein „Comeback“ im Vorstand der Siegener Seniorenvertretung.<br />
Und auch bei seinem geliebten und „nur“<br />
10 Jahre älteren VfL 08 Klafeld-Geisweid ist er nach wie vor<br />
„am Ball“. Sei es als engagiertes Mitglied des Förderkreises<br />
an der Seite seines Freundes Alfred Sünkel oder als fachkundiger<br />
Ratgeber in allen Vereinsbelangen. Schließlich ist Hans<br />
Berner auch ein ermutigendes Vorbild für eine Lebensphase,<br />
die von vielen Mitmenschen hinsichtlich ihrer Gestaltungskraft<br />
immer noch unterschätzt wird. Die persönliche Weiterentwicklung<br />
des älter werdenden Menschen und sein Wert<br />
für das soziale und gesellschaftliche Miteinander enden nicht<br />
automatisch mit dem Eintritt in den „Ruhestand“ oder dem<br />
Erreichen einer wie auch immer definierten „Altersgrenze“.<br />
Hans Berners 90. Geburtstag symbolisiert vielmehr die Bereicherung<br />
des Gemeinwesens durch seine älteren Mitbürger.<br />
Spruch des Tages zum 90.: Als ein Gratulant seine Rede<br />
mit den Worten schloss „Dann auf Wiedersehen beim 100.“<br />
antwortete Hans Berner schlagfertig: „Wenn ihr dann noch<br />
alle lebt!“ •<br />
„Die Fischerin vom Sohlbachtal“<br />
Nomen est omen: Irene Fischer (75) ist keine Wasserratte,<br />
sondern eine Siegforelle. Mit 13 Jahren lernte die gebürtige<br />
Waldenburgerin,<br />
der der<br />
„Schlesscha<br />
Streisalkucha“<br />
genau<br />
so flott über<br />
die Lippen<br />
und Zunge<br />
geht wie der „Seejerlänner Riewekooche“, das Schwimmen<br />
in der Sieg. Seither ist für sie der Aufenthalt im Wasser das<br />
reinste Lebenselixier.<br />
Seit ihrem Umzug nach Weidenau ist sie Stammgast im<br />
dortigen Hallenbad. Doch im Sommer zieht es sie in den<br />
letzten 12 Jahren regelmäßig ins Geisweider Freibad. Dort<br />
schwimmt sie jeden Tag, bei jedem Wetter ihre Bahnen. „Die<br />
Kommunikation mit den Mitschwimmerinnen ist wichtig“,<br />
berichtet die „Fischerin vom Sohlbachtal“ und verrät, dass<br />
im kühlen Nass auch schon einmal Kochrezepte ausgetauscht<br />
werden. Doch Irene Fischer blickt auch nach vorne. Sie ist<br />
Mitglied im Förderverein Freibad Geisweid e.V. geworden.<br />
Ihr sehnlichster Wunsch: Das Angebot einer Wassergymnastik<br />
im runderneuerten Freizeitbad. •<br />
Fotos (5) Dr. Horst Bach)<br />
KNEBEL<br />
BAD & HEIZUNG<br />
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Friedrich-Wilhelm-Straße 147–173<br />
57074 Siegen-Fludersbach<br />
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durchblick 3/<strong>2008</strong> 29
Im Kreis Siegen-Wittgenstein steigt die Zahl der Einund<br />
Zwei-Personen-Haushalte bis 2020 von derzeit 84- auf<br />
voraussichtlich 94-Tausend. Gleichzeitig nimmt die Zahl<br />
der allein oder zu zweit lebenden alten Menschen zu. In diesem<br />
Zusammenhang gibt die<br />
hohe Eigenheimquote Anlass<br />
zur Besorgnis: Mit 67,5 % liegt<br />
sie wesentlich über dem Landesdurchschnitt<br />
(42,5 %). Vor allem<br />
im ländlichen Raum kann dies<br />
problematisch werden, denn<br />
die Wohnfläche ist häufig auf<br />
größere Familien zugeschnitten.<br />
Auch die Grundstücke –<br />
oft in Hanglage – können von<br />
alten Menschen nicht immer im<br />
gewünschten Umfang gepflegt<br />
werden. Nachbarschaftshilfe<br />
ist deshalb nicht zu erwarten,<br />
wenn die Nachbarn ebenfalls<br />
alt sind... Und in Zukunft müssen<br />
immer mehr hochaltrige<br />
Menschen Hilfe annehmen.<br />
Fast jeder ältere Mensch<br />
möchte möglichst lange im gewohnten<br />
Umfeld leben. Daher<br />
wird der Bedarf und die Nachfrage<br />
nach kleinen Dienstleistungen<br />
zunehmen. Unterstützungsangebote<br />
werden immer<br />
wichtiger, damit Menschen ihren<br />
Alltag möglichst „normal“ leben und unabhängig gestalten<br />
können. Dabei geht es meistens weniger darum, dass eine<br />
fremde Person die eigene Bettdecke bezieht, obwohl gerade<br />
solch kleinen Hilfen oft die großen sind. Vor diesem Hintergrund<br />
ist der noch ziemlich unklare Begriff „haushaltsnahe<br />
Dienstleistungen“ entstanden. Diese können das gesamte<br />
Gesellschaft<br />
Haushaltsnahe Dienstleistungen<br />
Haushaltsnahe Dienstleistung - aber nicht so!<br />
Spektrum der menschlichen Bedarfe, Wünsche und Lebenslagen<br />
umfassen: Angefangen vom Engagement der Reinigungshilfe<br />
über Gärtner- und Schneeräumdienste bis hin zur<br />
Betreuung von Kindern, alten Menschen oder Menschen mit<br />
Pflegebedarf. Es gehören auch<br />
Serviceleistungen dazu, wie die<br />
Begleitung bei Arzt- und Behördengängen,<br />
Vorlesestunden oder<br />
einfach nur Zeit zum Erzählen<br />
und Plaudern.<br />
Als dringlich dürften in den<br />
meisten Fällen die Aufgaben<br />
„Verpflegung, Reinigung und<br />
Wäscheversorgung“ sein. Das<br />
gilt z. B. für eine Person die<br />
nicht mehr selbst einkaufen<br />
und kochen kann. Man kann<br />
ihr Essen auf Rädern bringen,<br />
man kann sie an einen Ort begleiten,<br />
an den sie zum Essen<br />
geht, beispielsweise in einem<br />
Altenheim. Oder es kann ja<br />
auch jemand speziell für diese<br />
Person kochen, in deren Wohnung<br />
zum Beispiel.<br />
Wie kann man Menschen<br />
finden, die vertrauensvoll und<br />
kompetent die oft persönlichen<br />
Dinge im Bereich der Hauswirtschaft<br />
erledigen? Natürlich besteht<br />
die Möglichkeit, in diesen<br />
Fällen in die Zeitung zu schauen oder auf schwarze Bretter<br />
in Supermärkten. Aber das kann riskant sein und es ist oft<br />
dem Zufall zu überlassen, wem man anschließend vertrauen<br />
soll. Selbstverständlich muss die Vermittlung haushaltsnaher<br />
Dienstleistungen unabhängig von wirtschafltichen<br />
Interessen sein, die Wünsche des Hilfesuchenden berücksichtigen<br />
und ihn stärken.<br />
Diese Erwartungen können am besten von lokalen Vermittlungsstellen<br />
(„Agenturen für haushaltsnahe Dienstleistungen“)<br />
erfüllt werden. Zum einen können sie Menschen,<br />
die eine Dienstleistung „einkaufen“ möchten, einen guten<br />
Überblick bieten, was es an Möglichkeiten und geeigneten<br />
Angeboten gibt. Die Aufgabe der Vermittlungsstelle kann<br />
dann in einer neutralen Vermittlerrolle gesehen werden. Es<br />
sollen Informationen gesammelt, gebündelt und interessenunabhängig<br />
angeboten werden.<br />
Zweifellos ist eine solche Agentur aber auch im Interesse<br />
von Kommunen, die ihre Familienfreundlichkeit stärken,<br />
ihre Einwohnerzahl halten und verstärkt auf absehbare Folgen<br />
des demografischen Wandels reagieren wollen.<br />
Erich Kerkhoff<br />
30 durchblick 3/<strong>2008</strong><br />
Foto: durchblick Photo-Shop-Club
Gedächtnistraining<br />
Piktogramme<br />
Trainiert werden: Assoziatives Denken, Fantasie<br />
Können Sie erkennen um welche Sportarten es sich handelt? Finden<br />
Sie zusätzlich heraus, welche zwei der abgebildeten Sportarten<br />
keine Disziplinen der Olympischen Sommerspielen <strong>2008</strong> waren.<br />
Olympische Disziplinen<br />
trainiert werden Urteilsfähigkeit und Wahrnehmung<br />
a) um welche Sportarten handelt es sich hier?<br />
b) wie viele Personen gehören zu einer Mannschaft?<br />
Wortsuche<br />
Trainiert werden:<br />
Konzentration<br />
und Wortfindung<br />
In diesem<br />
Buchstabengewirr<br />
sind<br />
40 Sportarten<br />
von den Olympischen<br />
Sommerspielen<br />
versteckt.<br />
Alle Übungen<br />
gefunden im<br />
„denkzettel“<br />
Bundesverband<br />
Gedächtnistraining<br />
e.V. www.<br />
bvgt.de, zusammengestellt<br />
von<br />
Barbara Kerkhoff<br />
32 durchblick 3/<strong>2008</strong>
1 a) Carl Luis<br />
b) Carl Lewis<br />
c) Karl Louis<br />
2 a) George Foureman<br />
b) George Vourman<br />
c) George Foreman<br />
4 a) Ulrike Maifahrt<br />
b) Ulrike Meyfarth<br />
c) Ulrike Mayfahrth<br />
7 a) Dirk Nowizki<br />
b) Dirk Nowitzki<br />
c) Dirk Nowitzski<br />
5 a) Michael Groß<br />
b) Michael Gross<br />
c) Michael Gros<br />
3 a) Heike Drechsler<br />
b) Heike Drexler<br />
c) Heike Drecksler<br />
6 a) Johnny Weißmüller<br />
b) Johnny Weizmüller<br />
c) Johnny Weissmüller<br />
8 a) Paul Schockemöhle<br />
b) Paul Schockemölle<br />
c) Paul Schokemöhle<br />
Gedächtnistraining<br />
Bekannte Sportler<br />
Trainiert wird die Wahrnehmung<br />
9 a) Carlo Tränhard<br />
b) Carlo Tränhardt<br />
c) Carlo Thränhardt<br />
Die Namen der links aufgeführten Sportler haben<br />
Sie sicher auch schon einmal gelesen.<br />
Aufgabe 1:<br />
Entscheiden Sie: Welche Schreibweise ist die<br />
Richtige?<br />
Aufgabe 2:<br />
Ordnen Sie den Namen die entsprechende<br />
Sportart zu.<br />
10a) Jürgen Hingsen<br />
b) Jürgen Hinksen<br />
c) Jürgen Hinghsen<br />
11a) Manfred Nehrlinger<br />
b) Manfred Nerlinger<br />
c) Manfred Neerlinger<br />
12a) Jan Ulrich<br />
b) Jan Ullrich<br />
c) Jan Uhlrich<br />
Basketball<br />
Hochsprung<br />
Leichtathletik<br />
Schwergewichtsboxen<br />
Schwimmen<br />
Weitsprung<br />
Gewichtheben<br />
Hochsprung<br />
Radrennsport<br />
Schwimmen<br />
Springreiten<br />
Zehnkampf<br />
Am Ev. Jung-Stilling-Krkhs.<br />
in Siegen<br />
(02 71) 8 10 88<br />
Am Schloßberg<br />
in Freudenberg<br />
(0 27 34) 43 94 77<br />
Am Ev. Krankenhaus<br />
in Kredenbach<br />
(0 27 32) 20 91 25<br />
Zentrum für<br />
Ambulante Rehabilitation<br />
Physiotherapie<br />
Prävention und Gesundheitssport<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 33
Bild von M-L Raczkowski<br />
Schmerzpunkte<br />
Kaum bezähmbar<br />
von der Enge des Willens<br />
tost wirbelnder Schmerz<br />
Heinrich Waegener<br />
Ein verlässlicher Begleiter<br />
(Der Schmerz)<br />
Der Urknall, so es ihn dann gegeben hat, muss sehr<br />
eruptiv und mächtig gewesen sein. Die Welt wurde also<br />
aus dem Schmerz geboren, und somit auch der Mensch.<br />
Mikrokosmos gleich Makrokosmos. Der Garten Eden, ein<br />
kurzes Intermezzo im Verlauf der Menschheitsgeschichte,<br />
war, vielleicht, die einzige schmerzfreie Zone, leider zum<br />
Wunschdenken mutiert durch die Episode mit dem Baum<br />
der Erkenntnis, letzteres der Stoff, aus dem Tragödien sind.<br />
Welt ist immer Leid und lässt sich nur überwinden, indem<br />
man es auf sich nimmt, die Widerstände gegen manifeste<br />
Umstände aufgibt.<br />
Gesellschaft<br />
Der Mensch kann sicher sein, dass er mit seinem<br />
Schmerz nicht allein ist. Aus jedem Winkel unseres Planeten<br />
dringen die Schreie, das Gewimmer, die Verzweiflung<br />
der gequälten Seelen durch den Äther. Das Weltall<br />
ist ein einziges Echo dieser gemarterten Energien, die da<br />
freigesetzt werden. Schmerz und Leid sind gleichsam global,<br />
da man von einem kosmischen Bewusstsein spricht.<br />
Nach mathematischen Erkenntnissen bleiben alle Teile, die<br />
bei der Explosion freigesetzt wurden, für immer in Verbindung,<br />
und daher ist die Wirklichkeit mit all ihren Aspekten<br />
immer Teil jedes einzelnen Partikels. Zudem wird uns eine<br />
Flut von Bildern heute in die gute Stube gespült, wodurch<br />
der Mensch noch mehr unser Herz berührt und wir seinen<br />
Schmerz, so, als blickten wir alle in den gleichen Spiegel.<br />
Denn die Seele spricht nur in Bildern. Manche unserer individuellen<br />
Beeinträchtigungen und Unlustgefühle mögen<br />
eine Antwort sein auf dieses Leid. Es gibt nie den Schmerz<br />
allein, es geht immer auch um das ihn auslösende Drama.<br />
Schmerz ist Ohnmacht, ist der Stachel, der uns, immer<br />
aufs Neue, zum Nachdenken über das gesamte Leben nötigt.<br />
Der Liebesschmerz fand in den klassischen Dramen<br />
Erlösung nur im Tod, und heute, wo der Mensch nur noch<br />
glücklich sein möchte, wird Leid zum lästigen Begleiter, es<br />
wird nur noch ausgelöscht, sich selbst und den anderen.<br />
Das Hirn unterscheidet nicht zwischen physischem und<br />
psychischem Schmerz. Im ersten Falle geht es um äußere<br />
Verletzungen, im zweiten um eine Mitteilung der Seele, die<br />
auf sich aufmerksam machen will, aber immer ist es eine<br />
Interaktion zwischen Seele, Geist und Körper. Schmerz ist<br />
immer individuell und setzt erst ein, wenn er das Bewusstsein<br />
erreicht hat. Die Unterschiede im Schmerzempfinden<br />
ergeben sich durch Stimmung, Erwartung, Einstellung,<br />
Verhalten und Schmerzempfindlichkeit, wobei Letztere<br />
vererblich ist.<br />
Fast überall im Körper gibt es Sensoren, die auf Hitze,<br />
Druck, Reibung oder chemische Reize ansprechen. Bei Verletzungen<br />
geben diese sogenannten Nozireptoren ein Signal<br />
Friedhofswald Siegen<br />
(Die neue Bestattungsform in Siegen)<br />
- gepflegter alter Baumbestand<br />
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(Friedhofshalle, Parkplätze, Andachtsplatz)<br />
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nur durch die Stadt Siegen, Grünflächenabteilung,<br />
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Gesellschaft<br />
Pablo Picasso: Das des Weges<br />
Kollektion J.K.Thannauser, New York<br />
an das Rückenmark. Das Schmerzsignal bekommt Vorrang<br />
gegenüber allen anderen Nachrichten aus dem Körper. Die<br />
Information wird aufgeteilt. Ein Kanal führt in Bereiche des<br />
Großhirns, welche die Verletzungen lokalisieren. Andere<br />
Impulse gehen in tiefer gelegene Hirnregionen und lösen<br />
die unangenehmen Empfindungen aus. Schmerz findet immer<br />
im Bewusstsein statt.<br />
Ein nörgelnder, immer wiederkehrender Schmerz treibt<br />
einen Menschen zur Verzweiflung. Das Warten auf seine<br />
Rückkehr, die Angst davor, steigert die Empfindlichkeit.<br />
Werden die Neuronen immer wieder gereizt, verschärfen<br />
sich die ankommenden Signale. Das Gehirn lernt eben durch<br />
Wiederholung, was ja im anderen Falle sehr willkommen<br />
ist. In ihm ist der Körper wie auf einer Landkarte wiedergegeben.<br />
Tut das Knie immer wieder weh, bekommen immer<br />
mehr Nervenzellen diese Information. Die Karte verändert<br />
sich, das wunde Knie wird darauf immer größer. Chronische<br />
Schmerzen sind ein Lernprozess auf Um- und Abwegen, sie<br />
verändern den Menschen in seiner Gesamtheit, in seinem<br />
Denken, in seinen Emotionen, in seinem Verhalten, kurzum<br />
in seiner existenziellen Wirklichkeit. Zerschundene,<br />
gequälte, ausgezehrte Körper als Gefäß einer stigmatisierten,<br />
gedemütigten Seele. Er wird zum Gefangenen seines<br />
Schmerzes, rüttelt an den Stäben seines Käfigs, alle seine<br />
Empfindungen führen in den Schmerz.<br />
Es gibt sogar das Schmerzbedürfnis. Die Auswahl ist<br />
immer groß. Wie im Supermarkt können wir, wenn uns<br />
danach ist, in ein Regal greifen, wo für jede unserer körperlichen<br />
oder seelischen Schwachstellen der passende<br />
Schmerz bereitliegt. Dem Alter unterstellt man, dass seine<br />
Lust der Schmerz sei.<br />
Auch spricht man vom sekundären Gewinn des Leidens.<br />
Endlich mal im Mittelpunkt, Aufmerksamkeit und Zuwendung<br />
ist einem gewiss. Wenn wir, freiwillig, diese Häppchen<br />
auch Gesunden zuteil werden ließen, müssten sie oft<br />
nicht den Weg über den Schmerz einschlagen. Er besetzt<br />
eine Nische, verteidigt sein Terrain, er herrscht, setzt sich<br />
durch, tyrannisiert.<br />
Der größte Teil meiner Ausführungen gehört zu einem<br />
Kapitel, welches ich jetzt aufschlagen möchte, indem ich<br />
mich dem seelischen Schmerz zuwende, wie innen so außen,<br />
körperlicher Schmerz hat seine Entsprechung in der Seele.<br />
Ich möchte Sie dazu verleiten, sich einmal auf eine andere<br />
Betrachtungsweise einzulassen. Ich weiß, dass dieses Unterfangen<br />
zu Kontroversen führt, nur bin ich nicht der Urheber<br />
dieser Erkenntnisse, sie sind so alt wie die Welt und werden<br />
auch in unserer heutigen Zeit von namhaften Medizinern,<br />
Autoren und Psychologen geteilt. Ich bin lediglich Anhänger<br />
dieser Sichtweise und durfte schon oft die Stimmigkeit der<br />
Deutungen an mir selbst und anderen erfahren.<br />
Der Mensch ist durch den Sündenfall aus der Einheit<br />
gefallen. Dieser Vorgang schenkte ihm auf der einen Seite<br />
zwar seine Erkenntnisfähigkeit (worüber er nicht immer<br />
sehr glücklich ist – Ironie des Schicksals), zwingt ihn<br />
aber auf der anderen Seite zu einem Leben in der Polarität,<br />
d.h., er kann die Welt nur in Gegensätzen erfahren. Er<br />
entscheidet sich, meistens, für einen Pol, obwohl der eine<br />
ohne den anderen nicht existieren kann, z. B. hell – dunkel,<br />
gut – böse, friedlich – aggressiv. Es sind Begriffspaare,<br />
die die zwei Seiten der Medaille repräsentieren. Da aber<br />
der Mensch in seinem Bewusstsein latent alle Prinzipien,<br />
d.h.,archetypische Seinsbereiche enthält, identifiziert er<br />
sich durch dieses Entweder – oder und der Ignoranz des<br />
Sowohl-als-auch nur mit der Hälfte der Prinzipien, der Rest<br />
fällt in den Schatten, d.h., ist ihm nicht bewusst. Dieser<br />
Vorgang führt immer wieder zu Problemen und Konflikten.<br />
Es geht um eine Annäherung beider Prinzipien, der Rest<br />
ist Einbahnstraße oder Sackgasse. All das, was wir nicht<br />
wollen, was wir in uns nicht vorfinden wollen, nicht leben<br />
wollen, bildet unseren Schatten. Denn die Ablehnung<br />
der Hälfte aller Möglichkeiten bringt diese keinesfalls zum<br />
Verschwinden, sondern verbannt sie nur aus dem Oberbewusstsein.<br />
Als Schatten bezeichnen wir also die Summe<br />
aller abgelehnten Wirklichkeitsbereiche. In unserem Bewusstsein<br />
fehlt dann etwas. Ersatz dafür ist der Schmerz.<br />
Bevor ein Problem sich im Körper als Symptom manifestiert,<br />
meldet es sich in der Psyche als Thema, Idee,<br />
Wunsch oder Phantasie, Ausdruck unserer Bedürfnisse.<br />
Verdrängen wir es wieder aus dem Bewusstsein, um die<br />
Seele zu entlasten, projizieren wir den Impuls als Schmerzsyndrom<br />
auf die körperliche Ebene. Er spielt dann auf unseren<br />
Körper wie auf einem Instrument. Die Seele <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 35
Gesellschaft<br />
ist die Saite und der Körper die Resonanz, fein austariert,<br />
Verstärker oder Leisetreter, je nach Befindlichkeit. Wenn<br />
wir ihn an einer Stelle bekämpfen und vertreiben, taucht er<br />
an einer anderen Stelle wieder auf, wie ein kleiner Kobold.<br />
Symptom-Verschiebung.<br />
Zur Verwirklichung kann sich das Symptom ziemlich<br />
beliebig physiologischer, chemischer, nervaler oder sonstiger<br />
Träger bedienen. Anstatt das Symptom, welches ein<br />
Problem sichtbar machen will, leidenschaftlich im Außen<br />
zu bekämpfen, sollten wir es uns anschauen. Es hat auch<br />
eine Zeitqualität. Es zählen der genaue Zeitpunkt seines<br />
Auftretens und alle synchron ablaufenden Ereignisse, ebenso<br />
wie die inneren Prozesse, sie bilden den Rahmen. Die<br />
abgelehnten Prinzipien wollen integriert und gelebt werden.<br />
Das Symptom zwingt uns über den Körper, den freiwillig<br />
nicht gelebten Seinsbereich dennoch zu verwirklichen. Der<br />
Mensch beschäftigt sich am meisten mit dem, was er nicht<br />
will und nähert sich dabei dem abgelehnten Prinzip soweit<br />
an, dass er es schließlich selbst lebt. Schon Goethe schrieb:<br />
„Alles Unbewusste will Ereignis werden.“<br />
Wohin mit meinem Schmerz? Raus aus dem Dunkel des<br />
menschlichen Seins, aus dem Schmerz, aus dem Grauen.<br />
Schmerz ist faustischer Antagonist, emotionales Aufbegehren.<br />
Medikamentenberge, Operationen, Kliniken, Schmerztherapeuten.<br />
Welch ein aufgeblasenes Gesundheitssystem,<br />
um dem Menschen seinen Schmerz zu nehmen. Gibt es<br />
nicht zu denken, dass allen Fortschritten der Schulmedizin<br />
zum Trotz die Anzahl der Krankheiten und Kranken nicht<br />
abnimmt? Allerdings, die mystische Idee, dass Schmerz<br />
den Menschen veredelt, ist eine antiquierte Vorstellung im<br />
Christentum.<br />
Das Hirn aber hat keine Löschtaste. Aufgezeigte Möglichkeiten,<br />
dem chronischen Schmerz zu entkommen: der<br />
Körper hat ein privates Drogenlabor. Die Kraft der Vorstellung<br />
genügt manchmal, die Substanzen fließen zu lassen.<br />
Eine adäquate Dosis an Schmerzmedikamenten über einen<br />
angemessenen Zeitraum hinweg, damit der Leidende wieder<br />
konstruktiv denken kann. Eine alte, schlechte Erfahrung<br />
werden wir nur los, wenn wir sie im Gedächtnis mit einer<br />
neuen besseren überschreiben. Was der Mensch gelernt hat,<br />
kann er auch wieder verlernen. Die Programmierung auf<br />
den Schmerz muss wieder rückgängig gemacht werden.<br />
Der Weg ist allein schwer zu gehen. Eine Psychotherapie,<br />
Gespräche, Selbsthilfegruppen bieten sich an.<br />
Unter Psychotherapie verstehen wir heute einen Weg<br />
zur Selbsterkenntnis und Bewusstwerdung. Schon zu allen<br />
Zeiten versuchten Menschen, Hilfsmittel für den schweren<br />
Weg der Selbstfindung zu entwickeln. Heute fließen in die<br />
Psychotherapie alle Lehren von der menschlichen Seele<br />
zusammen. Schmerz kann Antriebskraft sein zu künstlerischen<br />
Ausdrucks- und Verarbeitungsmöglichkeiten, wie<br />
Theater spielen, Malen, Schreiben, Musizieren. Yoga und<br />
Meditation sind auch nicht zu verachten.<br />
Erika Krumm<br />
Quellennachweis: ein Wissenschaftsgespräch mit dem bekanntesten Schmerzforscher<br />
Deutschlands in der „Zeit“ und das Buch: Krankheit als Weg“ von<br />
Thorwald Dethlefsen und Ruediger Dahlke<br />
Ich habe gut und böse gekannt<br />
Sünde und Tugend, Recht und Unrecht.<br />
Ich habe gerichtet und bin gerichtet worden.<br />
Ich bin durch Geburt und Tod gegangen,<br />
Freude und Leid, Himmel und Hölle,<br />
und am Ende erkannte ich<br />
dass ich in allem bin<br />
und alles ist in mir.<br />
(Hazrat Inayat Khan)<br />
36 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Haus Herbstzeitlos<br />
Großer Bahnhof zum Zehnjährigen im Rathaus der Stadt Siegen<br />
Jubiläumsimpressionen mit der Kamera eingefangen<br />
Feierlicher Festakt am 21. Juni <strong>2008</strong> für das Geburtstagskind „Haus Herbstzeitlos“<br />
Zahlreiche Ehrengäste und Gäste fanden sich zur Feier des Zehnjährigen im Ratssaal der Stadt Siegen ein.<br />
Bild unten: Wurden während des Festaktes besonders<br />
gewürdigt:Ulrike Schneider, die dem HH den Namen gab<br />
(links), die fleißige Spendensammlerin Erika Röthinger<br />
und Bauleiter Herbert Junk.<br />
Bild lks.: Ein Höhepunkt<br />
des Festaktes<br />
war die Eröffnung<br />
der Bilderausstellung<br />
im Foyer des<br />
Siegener Ratssaales,<br />
die liebevoll von Anke<br />
Berg zusammengestellt<br />
wurde.<br />
Bild rechts: Plausch<br />
zum Jubiläum:<br />
Astrid Schneider,<br />
Leiterin der Regiestelle<br />
„Leben im<br />
Alter“, im Gespräch<br />
mit Peter Eberlein,<br />
Vorsitzender des<br />
Sozialausschusses<br />
der Stadt Siegen<br />
Astrid E. Schneider zeichnete zahlreiche Persönlichkeiten aus, die sich<br />
im Laufe der Jahre besondere Verdienste um das Haus Herbstzeitlos<br />
erworben haben. Ohne ihr Engagement wäre die Vielfalt der Initiativen<br />
nie möglich geworden. Dafür dankte ihnen Astrid E. Schneider, Leiterin<br />
der Regiestelle „Leben im Alter“<br />
Fotos (5) Dieter Gerst<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 37
Leserseite<br />
„Entfalten“<br />
Der<br />
Traum von<br />
der ewigen<br />
Jugend ist<br />
nach wie<br />
vor weit<br />
verbreitet,<br />
dabei entspricht<br />
das<br />
Aussehen<br />
einer heute<br />
90-Jährigen<br />
ohne<br />
Weiteres<br />
dem ihrer<br />
Großmutter<br />
mit<br />
60. Die<br />
Menschen<br />
werden immer älter, aber viele wollen nicht, dass man ihnen<br />
ihr Alter ansieht. Hier setzt die Werbung für sogenannte<br />
Anti-Aging-Produkte an. Das Geschäft floriert, obwohl mit<br />
keinem der Präparate bisher eine positive Wirkung nachgewiesen<br />
werden konnte. Auf diesem Markt werden Milliarden<br />
umgesetzt, Fachleute sprechen von „legalisiertem<br />
Betrug“. Oft werden Wachstumshormone als Anti-Aging-<br />
Mittel eingesetzt. Sie sollen die Haut straffen, fettabbauend<br />
Alles aus<br />
einer Hand:<br />
Mahlzeitendienst<br />
Hausnotrufdienst<br />
Fahrdienst<br />
Reisedienst<br />
Wir beraten Sie gern. Telefon 02738 / 17 17<br />
Ihr Malteserteam<br />
Foto und Bearbeitung: Boris Eickhoff<br />
wirken und vor Diabetes schützen. Ihnen wird eine mögliche<br />
krebsbegünstigende Wirkung nachgesagt.<br />
Meistens wird eine Beeinflussung der Hormonproduktion<br />
versprochen. Richtig daran ist, dass das tatsächliche<br />
Alter eines Menschen nicht allein der Kalender bestimmt,<br />
sondern vor allem von der inneren Uhr, das heißt, die genetische<br />
Ausstattung des Menschen.<br />
Richtig ist aber auch, dass „gute Gene“ den Alterungsprozess<br />
nur zu einem Drittel beeinflussen, die Lebensführung<br />
dagegen bis zu zwei Dritteln. Gemeint ist ein<br />
gesunder Lebensstil: Sport, geistige Betätigung, gute zwischenmenschliche<br />
Beziehungen, eine sinnvolle Tätigkeit.<br />
Zudem stimulieren anspruchsvolle Bewegungen bestimmte<br />
Gehirnregionen. Eine ausgewogene, kalorienarme Ernährung<br />
mit vielen Vitaminen und Spurenelementen sowie<br />
eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme unterstützen das<br />
Jungbleiben.<br />
Getreu dem Motto: wer rastet, der rostet, haben Studien<br />
gezeigt, dass geistige Aktivität die Konzentrations-, Merkund<br />
Denkfähigkeit verbessert. Regelmäßige körperliche<br />
Bewegung stärkt Muskeln und Knochen, baut Stress ab und<br />
schüttet Glückshormone aus. Demnach hat, wer die eigenen<br />
körperlichen und geistigen Handlungsmöglichkeiten im Alter<br />
kreativ einsetzt, damit eher Chancen zu einer „Entfaltung“<br />
als mit Produkten, die angeblich Muskeln stärken, die<br />
Haut straffen und das Gedächtnis verbessern.<br />
Erich Kerkhoff<br />
Zeichen der Jahre<br />
von Helga Düringer<br />
Das Leben zieht an Dir vorbei,<br />
es ist schon reich an Jahren;<br />
Du hast ihn schon, den letzten Schrei,<br />
stehst da mit grauen Haaren!<br />
Mit Würde trägst Du Deine Falten,<br />
ja, die sind – Natur;<br />
noch zählst Du Dich nicht zu den Alten,<br />
genießest – Leben pur!<br />
Doch fängst Du an zu schwächeln,<br />
die Füße wollen nicht wie Du;<br />
Dein Atem klingt wie Hecheln,<br />
brauchst Du Gesundheitsschuh!<br />
So geht‘s vielleicht noch Jahre,<br />
Dein Mut hält Dich auf Trab;<br />
Dein Wille Dir bewahre,<br />
mach bloß nicht einfach schlapp!<br />
Freu Dich auf den neuen Tag,<br />
hoffe auf Dein Glück;<br />
warte was er bringen mag,<br />
denke nicht zurück!<br />
38 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Wissen<br />
Wikipedia, die freie<br />
Enzyklopädie<br />
„Stell Dir eine Welt vor, in der jeder<br />
freien Zugang zum gesamten Wissen<br />
der Menschheit hat. Das ist unser Ziel.<br />
Und wir brauchen Deine Hilfe.“<br />
Der Traum der französischen Aufklärung –<br />
freier Zugang zu Wissen für jedermann – ist<br />
mit den Mitteln des Internets heute in greifbare<br />
Nähe gerückt. In der Wikipedia arbeiten seit<br />
2001 tausende von Freiwilligen aus aller Welt<br />
daran, eine Enzyklopädie in über 100 Sprachen<br />
zu verfassen.<br />
Was anfangs niemand für möglich hielt, hat tatsächlich<br />
funktioniert. In einem völlig offenen Prozess, kontrolliert<br />
nur durch die Autorengemeinschaft, ist ein Werk entstanden,<br />
das traditionellen Enzyklopädien durchaus das Wasser<br />
reichen kann, wie Tests renommierter Zeitschriften wie Nature<br />
und Zeit zeigen.<br />
Mittlerweile gehört Wikipedia zu den zehn meistbesuchten<br />
Websites der Welt und ist die wohl umfangreichste<br />
gemeinschaftlich erstellte Sammlung freien Wissens. Allein<br />
die deutschsprachige Ausgabe umfasst über 500.000<br />
Artikel. Jeder Leser kann innerhalb von Sekunden zum<br />
Mitautor werden, wenn er einen Tippfehler gefunden hat<br />
oder eine inhaltliche Lücke füllen möchte. Um Änderungen<br />
vorzunehmen, ist nicht mal eine Anmeldung erforderlich.<br />
In der Wikipedia arbeiten derzeit noch überwiegend junge,<br />
männliche Autoren. Deshalb startete man in diesem Jahr<br />
ein Projekt „Generation 50+“, um auch lebensältere Menschen<br />
als aktive Autoren in der Wikipedia zu gewinnen.<br />
Gibt man im Suchfeld von Wikipedia ein: „WP:50+“,<br />
dann gelangt man zur entsprechenden Projektseite, auf<br />
der man einen ersten Leitfaden für die Arbeit in Wikipedia<br />
herunterspeichern kann. Durch die teilweise massiven<br />
Angriffe auf die Wikipedia durch Konkurrenz und Presse<br />
hat sich die Gemeinschaft ein strenges Regelwerk gegeben,<br />
das die Kontrolle der Einträge ermöglicht. Neue Beiträge<br />
werden grundsätzlich kontrolliert und gegengelesen. Was<br />
nicht den Ansprüchen einer Enzyklopädie entspricht oder<br />
nicht als ausdrücklich gemeinfrei nachgewiesen wird, wird<br />
von anderen Autoren nachgearbeitet und möglicherweise<br />
auch schon einmal gelöscht. Wer als Autor in der Wikipedia<br />
arbeiten möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass er<br />
hier nicht selbstverantwortlich arbeitet, sondern sich unter<br />
Umständen mit anderen auseinandersetzen muss, damit seine<br />
Formulierungen Bestand haben. Alle Neueinträge werden<br />
grundsätzlich durchgesehen und bei vandalistischen<br />
Einträgen sofort gelöscht. Wer selbst als Autor in der Wikipedia<br />
mitarbeiten möchte, sollte dies langsam angehen.<br />
Es sind viele wichtige Kriterien zu beachten.<br />
Eine weitere Einführung zum Thema können<br />
interessierte Leserinnen und Leser des durchblick im<br />
„Senecafe“ von Alter Aktiv, dass sich im städtischen<br />
Seniorenzentrum „Haus Herbstzeitlos“ befindet, erhalten.<br />
Quellen: http://de.wikipedia.org „Das kleine Wikipedia-Einmaleins“<br />
Antonie Dell<br />
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durchblick 3/<strong>2008</strong> 39
Philosophischer Essay<br />
Bildbearbeitung: durchblick - Bildredaktion, Gottfried Klör<br />
Kritische Gedanken über das Für und Wider moderner Transplantationsmedizin 1)<br />
Warum ich diesen Beitrag schreibe?<br />
Es sind nun schon viele Jahre ins Land gegangen, seit<br />
ich mich erstmals mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt<br />
habe. Damals, es mögen ungefähr 15 Jahre her<br />
sein, es gab in Deutschland noch kein Transplantationsgesetz,<br />
habe ich zwei Bücher gelesen und zwar „Organspende“<br />
von Renate Greinert und Gisela Wuttke und „Mit dem<br />
Herzen eines anderen leben?“ von Elisabeth Wellendorf.<br />
Nach der Lektüre dieser beiden Bücher, ich kann mich noch<br />
sehr gut erinnern, war ich innerlich ziemlich aufgewühlt<br />
und durcheinander. War ich doch bis dahin der Auffassung<br />
gewesen, dass ich mit der Bereitschaft, nach meinem Tod<br />
brauchbare Organe von mir zu spenden, nicht zuletzt auch<br />
im Sinne christlicher Nächstenliebe handeln würde.<br />
Warum, so meine damalige Überlegung, sollte durch<br />
meine Organspende das Leben anderer Menschen nicht<br />
verlängert und ihr Leiden gemildert werden, wenn die<br />
moderne Transplantationsmedizin diese Möglichkeit bietet.<br />
Nach all dem aber, was ich in diesen beiden Büchern<br />
aus verschiedenen Blickrichtungen von Betroffenen, Angehörigen,<br />
Psychologen, Ärzten und Pflegepersonal über<br />
ihre selbst erlebten, praktischen Erfahrungen und ihr<br />
fachmännisches Wissen über Organspende und Organtransplantation<br />
gelesen hatte, kamen erhebliche Zweifel<br />
und kritische Fragen bei mir auf, die ich vorher so nie<br />
bedacht hatte. Es kam zu einer inneren Kehrtwende und<br />
dem Entschluss, dass für mich eine Organspende nicht<br />
(mehr) in Frage kam, sowohl als Spender (Explantierter)<br />
als auch als Empfänger (Implantierter). Wie gesagt, eine<br />
Entscheidung, die ich schon vor vielen Jahren für mich<br />
ganz persönlich getroffen habe.<br />
Und heute? In der Zwischenzeit ist die Transplantationsmedizin<br />
weltweit in ihrer Entwicklung weiter vorangeschritten<br />
und verzeichnet beachtenswerte Erfolge. Die<br />
Möglichkeiten und Chancen durch ein fremdes Spenderorgan,<br />
bedrohtes Leben zu verlängern und krankheitsbedingtes<br />
Leid zu mildern, haben sich in den letzten Jahren<br />
ständig verbessert. Das Thema Organspende rückt mehr<br />
und mehr in den Blick der Öffentlichkeit. Die Deutsche<br />
Stiftung Organtransplantation (DSO) startete in diesem<br />
Jahr die bisher größte bundesweite Informationskampagne<br />
„Fürs Leben“ unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel. Gestartet wurde die Kampagne am<br />
7. Juni d. J. dem Tag der Organspende. Auf Großplakaten in<br />
17 Städten in Deutschland und einem neuen Internetportal<br />
„fuers-leben.de will die DSO mit emotionalen Geschichten<br />
von Betroffenen die Menschen im Lande aufrütteln und<br />
auf das Schicksal von Tausenden aufmerksam machen, die<br />
durch eine Organspende auf eine Überlebenschance hoffen.<br />
Bekannte und berühmte Sportler und Sportjournalisten wie<br />
Boris Becker, Franz Beckenbauer, Jürgen Klinsmann, Steffi<br />
Graf, Michael Schumacher, Jens Weißflog, J. B. Kerner,<br />
Reinhold Beckmann, um nur einige wenige zu nennen,<br />
werben in einem speziell dafür gegründeten Verein für die<br />
Organspende, und Politiker aller Parteien gehen auf die<br />
Straße und werben für sich und für Organspenderausweise.<br />
Eine Entwicklung, die mich veranlasst hat, meine damalige<br />
Entscheidung erneut auf den Prüfstand zu stellen. Dies wiederum<br />
bedeutete für mich, meinen bisherigen Wissensstand<br />
zu aktualisieren und in alle möglichen Richtungen neu zu<br />
recherchieren.<br />
JA oder NEIN, die Entscheidung ist wichtig<br />
Gleich zu Anfang mein Rat. Jeder von uns sollte sich<br />
umfassend informieren und die Argumente der Befürworter<br />
und Gegner der Organspende sorgfältig abwägen, bevor er<br />
40 durchblick 3/<strong>2008</strong>
seine Entscheidung trifft. Eine Entscheidung, die man sicherlich<br />
nicht jeden Tag trifft und die aufgrund ihrer Tragweite<br />
und möglicher Konsequenzen gut überlegt sein will.<br />
Ganz unabhängig aber davon, wie ich mich entscheide, ob<br />
für oder gegen eine Organspende, viel wichtiger erscheint<br />
mir, dass ich mich entscheide und diese Entscheidung deutlich,<br />
am besten schriftlich, zum Ausdruck bringe, damit im<br />
Ernstfall nicht Angehörige oder Freunde diese schwerwiegende<br />
Entscheidung für mich treffen müssen und dies nicht<br />
selten in einem Augenblick, wo sie sich selbst in einer seelischen<br />
Notlage befinden. „Es ist die schwierigste Frage<br />
zum schmerzlichsten Zeitpunkt an die unglücklichste Familie“<br />
so die Aussage eines Arztes.<br />
Wer die Entwicklung in der Transplantationsmedizin<br />
aufmerksam verfolgt, stellt fest, der Druck in unserer Gesellschaft<br />
nimmt zu, sich vorher zu entscheiden und einen<br />
Organspenderausweis auszustellen. Nicht zuletzt aus dem<br />
Argument heraus, dass in Deutschland über 12.000 Menschen<br />
auf eine Organspende warten, die meisten von ihnen<br />
vergebens. So ist die amtierende Gesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt (SPD) für die Einführung einer<br />
Organspende-Rubrik auf der neuen elektronischen<br />
Gesundheitskarte und es gibt Gemeinden,<br />
bei denen die Bürger mit ihren Ausweispapieren<br />
einen Organspenderausweis erhalten.<br />
Hinzu kommt, dass die Widerspruchslösung,<br />
wonach jeder automatisch Organspender ist,<br />
es sei denn, er widerspricht ausdrücklich,<br />
erneut in die öffentliche Diskussion geraten<br />
ist. Der Slogan der Transplantationsmedizin:<br />
„Leben schenken – Organe spenden“ ist eine<br />
sehr griffige Aussage, die (vordergründig) nur<br />
Zustimmung hervorrufen kann. Aber es gibt auch gewichtige<br />
Gegenargumente, die, wie ich finde, bei einer gut informierten<br />
und „aufgeklärten“ persönlichen Entscheidung<br />
mit bedacht werden sollten.<br />
Es geht um mehr!<br />
Ob Organspende ja oder nein, diese Entscheidung wirft<br />
Fragen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf. Neben<br />
dem Aspekt der medizinisch machbaren Möglichkeit,<br />
ihren Chancen und Risiken, berührt sie gesellschaftlich<br />
fundamental wichtige Bereiche wie Recht, Ethik, Religion<br />
aber auch Psychologie und Philosophie. Nicht zuletzt stellt<br />
sich die Frage nach dem heutigen Menschenbild. Welches<br />
Menschenbild habe ich, haben wir, heute, angesichts der<br />
medizinischen, biologischen und neurologischen Erkenntnisse?<br />
„Was ist dem Mensch der Mensch?“ ist eine Frage,<br />
die heute, angesichts der Transplantationsmedizin (und<br />
nicht zuletzt der Genforschung) auf breiter Basis neu zu<br />
stellen ist. Dies wiederum bedeutet aber, dass die Frage<br />
nach der Organspende, obwohl sie immer nur von jedem<br />
Einzelnen zu beantwortet ist, letztlich weit über eine ganz<br />
persönliche Entscheidung hinaus reicht, denn in ihr spiegelt<br />
sich die Einstellung und der Umgang mit Sterbenden und<br />
Philosophischer Essay<br />
Ein Volk ist<br />
daran zu<br />
erkennen, wie<br />
es mit seinen<br />
Toten umgeht<br />
Perikles (490-429 v. Chr.)<br />
Toten in unserer Gesellschaft wider, was wiederum die Frage<br />
nach der Würde des Menschen und sein Recht auf Leben<br />
aufwirft, die beide im Grundgesetz (Artikel 1 Abs. 2 sowie<br />
Artikel 2 Abs. 2) fest verankert sind. Schon der griechische<br />
Staatsmann Perikles (490-429 v. Chr.) hat gesagt: „Ein Volk<br />
ist daran zu erkennen, wie es mit seinen Toten umgeht“.<br />
Die Entscheidung für oder gegen Organspende will<br />
gut und sorgfältig bedacht sein, aber, und das ist wichtig<br />
zu beachten, sie ist keine Entscheidung von richtig oder<br />
falsch. Sie ist schwierig, denn sie konfrontiert uns mit Fragen<br />
über Tod und Sterben, denen wir nur allzu gerne aus<br />
dem Weg gehen. Hinzu kommt die oft große Unsicherheit<br />
durch Unwissenheit. Gut zu erkennen daran, dass 80 Prozent<br />
der Bevölkerung der Organspende grundsätzlich positiv<br />
gegenüberstehen, fast 70 Prozent einer Organentnahme<br />
nach ihrem Tod zustimmen, aber nur 12 Prozent einen<br />
Organspenderausweis haben. Diese Zahlen wiederum<br />
lassen, trotz überwiegender Zustimmung, auf ein großes<br />
„Unbehagen“ schließen, dass die meisten Menschen beim<br />
Thema Organspende haben. Sie sind sich nicht sicher, haben<br />
so ein „ungutes Gefühl“, das sie aber<br />
nicht erklären können. Auf der einen Seite<br />
ja, auf der anderen nein. Sie bleiben in der<br />
Mitte, was bedeutet, sie treffen keine Entscheidung.<br />
Vielleicht kann dieser Beitrag ja<br />
ein wenig zur Aufklärung und zur persönlichen<br />
Entscheidungsfindung beitragen, in<br />
welche Richtung auch immer. Und wenn<br />
der eine oder andere Leser bzw. die eine<br />
oder andere Leserin meint, er oder sie sei<br />
sowieso zu alt für eine Organspende, dann<br />
kann ich nur sagen, weit gefehlt, denn auch<br />
Menschen über 65 Jahre können heutzutage noch Organe<br />
spenden. Der älteste Organspender war 82 Jahre alt. Nicht<br />
das biografische sondern das biologische Alter, also der<br />
Gesundheitszustand eines Menschen ist heute für eine Organspende<br />
entscheidend. Das Durchschnittsalter der Organspender<br />
im Jahr 2007 lag bei 52 Jahren, Tendenz steigend.<br />
Die Transplantationsmedizin in Deutschland 1)<br />
(einige Zahlen und Fakten)<br />
Keine Frage, die Transplantationsmedizin ist eine Erfolgsmedizin.<br />
Im Jahre 1954, also vor mehr als 50 Jahren,<br />
verpflanzten Ärzte in Boston erstmals erfolgreich eine Niere<br />
und viele Leserinnen und Leser werden sich noch gut an die<br />
Schlagzeilen und Bilder aus dem Jahr 1967 erinnern, die<br />
um die ganze Welt gingen, als Dr. Christiaan Barnard aus<br />
Kapstadt dem 55-jährigen Patienten Louis Washkansky das<br />
Herz eines anderen Menschen (einer 24-jährigen jungen<br />
Frau) implantierte, der aber bereits nach 18 Tagen verstarb,<br />
weil sein Körper das fremde Organ abstieß. Seitdem ist<br />
die Transplantationsmedizin auf Erfolgskurs. In Deutschland<br />
konnten in den vergangenen 45 Jahren insgesamt<br />
rund 89.000 gespendete Organe verpflanzt werden, darunter<br />
fast 60.000 Nieren, über 14.000 Lebern, mehr als <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 41
9.000 Herzen und knapp 2.700 Lungen. Im Jahr 2007 gab<br />
es 1.313 Organspender (54 und damit 4,3 Prozent mehr als<br />
2006). Da bei über 80 Prozent der Organspender mehrere Organe<br />
entnommen wurden, konnte über 4.000 Menschen mit<br />
einer Transplantation geholfen werden. 2) Obwohl schon fast<br />
50 Jahre in Deutschland Organe transplantiert werden, gibt<br />
es erst seit gut 10 Jahren, genau, seit dem 1. Dezember 1997<br />
ein Transplantationsgesetz (TPG). Mit diesem Gesetz wurden<br />
für die sensiblen Themen Organspende und Organtransplantation<br />
klare Regeln und damit Rechtssicherheit für alle<br />
Beteiligten geschaffen, um nicht zuletzt auch jegliche Form<br />
von Missbrauch (Organhandel) effektiv auszuschließen.<br />
Hinter all diesen statistischen Zahlen, hinter jeder Organtransplantation<br />
steht das ganz persönliche Schicksal<br />
eines einzelnen Menschen, dessen Leben durch die Transplantation<br />
oft eine tief greifende, vielfach positive, Veränderungen<br />
erfahren hat. Liest und hört man Aussagen dieser<br />
Menschen, spürt man ihr Glück und ihre Dankbarkeit,<br />
durch die Organspende eines anderen, ihnen völlig fremdem<br />
Menschen, ein zweites, oft nicht mehr erhofftes, besseres<br />
und längeres Leben erhalten zu haben. Auch wenn sie für<br />
den Rest ihres Lebens unter medizinischer Kontrolle stehen<br />
und dauerhaft Medikamente mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen<br />
einnehmen müssen, für viele ist die Organspende<br />
ein Geschenk, manche leben seitdem<br />
bewusster und nicht wenige feiern den Tag<br />
der Transplantation als ihren 2. Geburtstag.<br />
Aus der Sicht dieser Menschen kann man dem<br />
Werbeslogan der DSO verstehen: Zukunft<br />
schenken – Organe spenden.<br />
Aber, wie heißt es im Volksmund: „des<br />
einen Freud, des andern Leid“. Da, wo Licht<br />
ist, da ist auch Schatten. Übertragen auf die<br />
Organtransplantation 3) bedeutet das: hier das<br />
Licht des Lebens, dort der Schatten des Todes.<br />
Das Tragische daran ist, wie so oft im Leben,<br />
das eine ist ohne das andere nicht zu haben.<br />
Um es „organisch“ kurz und knapp zu formulieren: mein<br />
Leben, dein Tod (?). Ich setze hier hinter „Tod“ bewusst ein<br />
Fragezeichen in Klammern. Warum, wird im nachfolgenden<br />
Absatz hoffentlich deutlich. Auch die Medaille der Transplantationsmedizin<br />
hat zwei Seiten. Trotz ihrer Erfolge, ihrer<br />
populären Befürworter und einer breiten Zustimmung in der<br />
Öffentlichkeit, ist sie nach wie vor auch in Fachkreisen teilweise<br />
heftig umstritten, denn sie wirft nicht nur medizinisch<br />
sondern auch ethisch, rechtlich und religiös kritische Fragen<br />
auf, die bis heute auf eine befriedigende Antwort warten.<br />
Weltweit anerkannte und namhafte Mediziner, Rechtswissenschaftler,<br />
Kulturhistoriker sowie Philosophen und Theologen<br />
haben öffentlich eindeutig eine kritische bis ablehnende<br />
Position bezogen. Nachzulesen in vielen fachbezogenen<br />
Publikationen. Im Nachfolgenden daher mein Versuch, auf<br />
diese kritische, weniger angenehme Seite, mit ihren Zweifeln,<br />
Bedenken, Einwänden, ihren Erlebnissen und oft bedrückenden<br />
Fragen etwas näher einzugehen.<br />
Philosophischer Essay<br />
so tot wie<br />
nötig,<br />
so lebendig<br />
wie<br />
möglich*<br />
* Buchtitel von Werner<br />
Schneider (Lit-Verlag)<br />
Der umstrittene Hirntod<br />
Der wohl umstrittenste Punkt in der Transplantationsmedizin,<br />
an dem sich die Geister scheiden, ist der Hirntod. Die<br />
entscheidende Kardinalfrage dabei lautet: Ist der aufgrund<br />
bestimmter Kriterien festgestellte Hirntod gleichzusetzen<br />
mit dem Tod des ganzen Menschen? Sie ist deshalb so entscheidend,<br />
weil es bei der Beantwortung dieser Frage nur<br />
ein klares „Ja“ oder „Nein“ geben kann. Tod oder Leben?<br />
Ein „jein“ dazwischen ist nicht möglich, denn zwischen<br />
Tod und Leben gibt es keinen dritten Zustand. 10) Oder vielleicht<br />
doch? Sollte mit dem Hirntodkonzept ein modernes,<br />
medizinisch nützliches Zwischenwesen geschaffen worden<br />
sein? Eine tote Person in einem lebendigen Körper mit vitalen,<br />
brauchbaren Organen? Ein lebender Leichnam? Spiegelt<br />
sich hier nicht Segen und Fluch der modernen Medizin<br />
wider? Ohne an dieser Stelle auf diese Frage näher einzugehen,<br />
spüren Sie die Brisanz und vielfältige Problematik,<br />
die sich hier auftut? Aber der Reihe nach.<br />
Den Begriff „Hirntod“ gibt es bereits seit Ende des 18.<br />
Jahrhunderts. Die Auseinandersetzung mit ihm, seine wirkliche<br />
Bedeutung und Tragweite, kam aber erst Mitte der<br />
50er Jahre des 20. Jahrhunderts, als die Medizin in der Lage<br />
war, bewusstlose Patienten, die aus eigener Kraft nicht mehr<br />
atmen konnten, über einen längeren Zeitraum<br />
maschinell zu beatmen. Die Entwicklung<br />
der Gerätemedizin hat seitdem erhebliche<br />
Fortschritte zu verzeichnen. Heute können<br />
Maschinen über Stunden, Wochen oder gar<br />
Monate ganz bestimmte Organfunktionen<br />
wie Herz, Lunge oder Niere vorübergehend<br />
übernehmen. Damit ist es möglich geworden<br />
z. B. schwierige Operationen durchzuführen,<br />
Heilungsprozesse zu ermöglichen und das Leben<br />
der Betroffenen zu verlängern. Schwierig<br />
wurde es, als bei Patienten, die sich aufgrund<br />
einer unwiederbringlichen (irreversiblen)<br />
Hirnschädigung, in einem Zustand permanenter<br />
Bewusstlosigkeit befanden und bei denen das EEG<br />
(Hirnstrommessung) dauerhaft eine Null-Linie aufwies, die<br />
Frage aufkam, sind diese Patienten noch als „lebend“ anzusehen.<br />
Um einen solchen Zustand medizinisch von dem<br />
eines „tiefen Komas“ abzugrenzen, wurde er als „jenseits<br />
des Komas“ bezeichnet. Für die Mediziner ein „inneres Todeszeichen“.<br />
Eine Definition mit tief greifenden Folgen.<br />
1968, ein Jahr nach der bereits erwähnten ersten Herztransplantation<br />
in Kapstadt, wurden an der Harvard Medical<br />
School in Boston von einer Ad-hoc-Kommission erstmals<br />
Richtlinien zur Hirntoddiagnostik festgelegt, die sogenannten<br />
Harvard-Kriterien. Ziel dieser Richtlinien war es nicht,<br />
den objektiven Tod auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />
und umfangreicher Patientendaten festzustellen,<br />
sondern das primäre Ziel war, das „irreversible Koma“ als<br />
Kriterium des Todes einzuführen. Dies wiederum galt dem<br />
ausschließlichen Zweck, vitale Organe einem Sterbenden<br />
zu entnehmen, ohne dabei vom Gesetzgeber zur Verant-<br />
42 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Philosophischer Essay<br />
wortung gezogen zu werden. Diese Harvard-<br />
Kriterien hatten weltweit einen entscheidenden<br />
Einfluss auf die Feststellung des Todes und<br />
indirekt auch auf die Entwicklung der Transplantationsmedizin.<br />
Sie setzten neue Standards<br />
zur Feststellung des Todes. Zu ihnen zählten:<br />
Wahrnehmungs- und Reaktionslosigkeit (tiefes<br />
Koma), keine Atmung, keine Bewegungen, keine<br />
Reflexe und ein flaches Elektroencephalogramm.<br />
Die Hirntoddiagnostik, eine Folter?<br />
Heute gibt es bei uns in Deutschland für die<br />
Feststellung des Hirntodes umfassende Richtlinien<br />
der Bundesärztekammer auf der Grundlage von §<br />
16 des Transplantationsgesetzes. Allerdings wurden diese<br />
Richtlinien schon mehrfach geändert. Wie aber verläuft das<br />
Prozedere einer Hirntoddiagnostik? Voraussetzung für ihre<br />
Durchführung ist, dass bei dem Patienten entweder eine primäre<br />
(direkte Verletzung) oder sekundäre (z. B. Herzinfarkt),<br />
irreversible Hirnschädigung, verbunden mit einer tiefen Bewusstlosigkeit<br />
(Koma), vorliegt. Zur Diagnose gehören die<br />
sogenannten „Klinischen Untersuchungen“. Sie bestehen<br />
aus: der Pupillenreaktion, dem Puppenkopfphänomen, dem<br />
Hornhautreflex, Reaktionen auf Schmerzreize, Würg- und<br />
Hustenreflex sowie die Überprüfung der Spontanatmung<br />
(Apnoe-Test). Diese Untersuchungen werden von zwei intensivmedizinisch<br />
erfahrenen Ärzten, getrennt und unabhängig<br />
voneinander, vorgenommen und bei Erwachsenen<br />
nach einer Beobachtungszeit von 12 Stunden wiederholt.<br />
Alternativ zu der Wiederholung dieser klinischen Untersuchungen<br />
können auch apparative Untersuchungen, wie die<br />
Erstellung einer Elektroenzephalografie (EEG), oder auch<br />
andere apparative Verfahren zur Prüfung von Gehirnaktivitäten<br />
durchgeführt werden. Ein Zwischenruf zum besseren<br />
Verständnis:<br />
Ärzte, die diese Untersuchungen vornehmen, müssen zu<br />
Beginn der Untersuchung davon ausgehen, dass der Patient<br />
noch lebt. Warum ist das wichtig? Weil die Hirntoddiagnose<br />
mit ihren vorgeschriebenen Tests am Körper eines Patienten<br />
letztlich einer „Folter“ gleichkommt, die ein Arzt bei einem<br />
Lebenden niemals ohne dessen Zustimmung durchführen<br />
dürfte, ohne sich der Körperverletzung strafbar zu machen.<br />
Ich verzichte hier bewusst auf Einzelheiten. Erwähnt sei<br />
nur der Apnoe-Test, der sich nach Aussagen vieler Mediziner<br />
therapeutisch negativ auswirkt, da das ohnehin schon<br />
stark geschädigte Gehirn durch diesen Test zusätzlich erheblich<br />
belastet und noch vorhandenes Heilungspotenzial<br />
unwiederbringlich verloren geht. Der japanische Kardiologe<br />
Dr.Yoshio Watanabe ist der Auffassung, wenn die Patienten<br />
nicht dem Apnoe-Test ausgesetzt würden, könnten<br />
sie eine 60-prozentige Chance zur Rückkehr ins Leben haben,<br />
wenn sie rechtzeitig mit therapeutischer Unterkühlung<br />
behandelt würden. 6) Es gibt Mediziner, die die Hirntoddiagnostik<br />
mit dem Apnoe-Test als unethisch verurteilen<br />
und meinen, wenn die Angehörigen um die Brutalität und<br />
Risiken dieses Verfahrens wüssten, würden die meisten ihre<br />
Zustimmung verweigern. Um seine Fragwürdigkeit zu<br />
verdeutlichen, wird er verglichen mit einem Patienten, bei<br />
dem man nach einem erlittenen schweren Herzinfarkt ein<br />
Belastungs-EKG durchführt, um damit den Herzinfarkt zu<br />
bestätigen. Soweit der Zwischenruf.<br />
Sind alle Untersuchungs- und Testergebnisse der Hirntoddiagnostik<br />
negativ, d. h. der Patient zeigt auf die an ihm<br />
durchgeführten Maßnahmen keinerlei Reaktionen oder Reflexe,<br />
und das EEG weist eine Null-Linie auf, wird er für<br />
hirntot erklärt. Um den Hirntod zu dokumentieren, wird<br />
ein Formular (ein detailliertes „Protokoll zur Feststellung<br />
des Hirntodes“) ausgefüllt. Für das gesamte Prozedere sind<br />
insgesamt 8 Unterschriften notwendig. Mit der letzten Unterschrift<br />
tritt der Tod ein, sozusagen als ein bürokratischer<br />
Akt. Durch diesen diagnostischen Totenschein wird der<br />
Patient unmittelbar zu einem potenziellen und begehrten<br />
Organspender. Soweit der Verlauf der Hirntoddiagnose in<br />
Kurzfassung.<br />
Als Laie kann ich hier nur staunen, wie schnell durch die<br />
Feststellung des Hirntodes aus einem Patienten plötzlich<br />
eine Leiche wird. Und das, obwohl sich an seinem äußeren<br />
Zustand überhaupt nichts verändert hat. Er ist warm,<br />
sein Brustkorb hebt und senkt sich, sein Herz schlägt, er<br />
schwitzt und er hat eine rosige Haut. Er unterscheidet sich<br />
rein äußerlich überhaupt nicht von den anderen Patienten,<br />
die auf der Intensivstation liegen und gerätemedizinisch<br />
versorgt und überwacht werden. An ihm finden sich keinerlei<br />
äußere Zeichen des Todes. „Herz-Kreislauffunktion,<br />
Nierenfunktion, Verdauung, Regulierung des Wasser- und<br />
Mineralhaushaltes, immunologische Reaktionen und Atmung<br />
auf Zellebene sind erhalten.“ 4) Die normale menschliche<br />
Wahrnehmung des Todes mit seinen äußeren Zeichen<br />
(Atemstillstand, Herzstillstand, Leichenblässe, kalte Haut)<br />
wird bei einer Hirntoddiagnose völlig außer Kraft gesetzt.<br />
Einzig die Aussage der Mediziner, der Patient sei aufgrund<br />
„innerer Zeichen“ tot, muss genügen. Widerstand regt sich<br />
in mir und ich frage mich verwirrt: „Was ist das für ein<br />
Tod, bei dem der Mensch noch lebt?“ 12) Ist die Diagnose<br />
des Hirntodes nicht eher eine Prognose, eine me- <br />
Bildquelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 43
Philosophischer Essay<br />
Bildquelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />
dizinische Voraussage auf den nahen und unabwendbaren<br />
Tod? Belegt sie nicht eher die Irreversibilität des Sterbens?<br />
Das könnte ich ja verstehen. Aber dann ist der Patient kein<br />
Toter, sondern ein Sterbender, also ein Lebender. Das wiederum<br />
wirft die Frage auf, wird durch die Hirntoddiagnose<br />
der Todeszeitpunkt eines sterbenden Menschen nicht vorverlegt,<br />
eben zum Zweck der Organentnahme? Diese kritische<br />
Frage hat schon der weise Philosoph Hans Jonas vor<br />
vielen Jahren gestellt, als er in einem seiner letzten Briefe,<br />
fast flehentlich, die Mediziner aufforderte: „Lasst sie zuerst<br />
sterben“. 11)<br />
„tot ist tot“, aber wie lebendig ist<br />
ein Hirntoter?<br />
Zu all diesen beklemmenden Fragen kommt noch erschwerend<br />
hinzu, dass die Kriterien zur Feststellung des<br />
Hirntodes nicht einheitlich sind. Weltweit gibt es schon seit<br />
1978 über 30 verschiedene Kriteriengruppen. 4) Das wiederum<br />
bedeutet, dass ein Patient an einem bestimmten Ort auf<br />
der Welt, nach den dort bestehenden Kriterien für tot erklärt<br />
wird, nicht aber an einem anderen Ort, wo nach anderen<br />
Kriterien entschieden wird. Hier tot, dort lebendig. Außerdem<br />
haben Änderungen der Kriterien die Tendenz, weniger<br />
strikt zu sein als die früheren 4) . So setzten die Harvard-<br />
Kriterien von 1968 noch eine völlige Reflexlosigkeit für<br />
den Nachweis des Hirntodes voraus. Nach diesen Kriterien<br />
wäre die Diagnose des Hirntodes in Deutschland heute in<br />
den meisten Fällen gar nicht haltbar. 4) Inzwischen gelten in<br />
Europa und den USA bestimmte Reflexe und Bewegungen<br />
mit dem Status einer Leiche als durchaus vereinbar, davon<br />
17 bei Männern (darunter die Erektion des Penis) und 14<br />
bei Frauen. „Lt. Statistik der Transplantationsmedizin sind<br />
75 Prozent aller Hirntoten noch in der Lage sich zu bewegen.<br />
Dazu gehören beispielsweise Reflexe der unteren<br />
Extremitäten, der Fußsohle, der Achillesferse, Nacken-,<br />
Finger-, Rumpf-Beugereflexe sowie Bauch-, Vaginal-, Unterleib-<br />
oder Analreflexe, wovon 11 durch Stiche ausgelöst<br />
werden.“ 5) Viele dieser oder anderer Bewegungen und Reflexe<br />
sind laut der Transplantationsmedizin nur noch (!)<br />
„spinale Reaktionen“ des Rückenmarks. Trotzdem irritieren<br />
sie immer wieder, auch erfahrenes OP-Personal. Unter<br />
ihnen auch das sogenannte „Lazarus-<br />
Syndrom“, bei dem sich der Hirntote<br />
mit seinem Oberkörper aufrichtet und<br />
Umarmungsbewegungen macht. Wie<br />
fragwürdig die Definition ist, der Hirntod<br />
sei der Tod des ganzen Menschen,<br />
wird besonders dadurch deutlich, dass<br />
hirntote Schwangere in der Lage sind,<br />
gesunden Kindern Leben zu schenken.<br />
Die längste Schwangerschaft einer<br />
Hirntoten betrug 107 Tage. Sie wurde<br />
durch Kaiserschnitt von einem gesunden<br />
Jungen entbunden, der sich normal<br />
entwickelte. 4) Von einer anderen,<br />
hirntoten Schwangeren ist bekannt, dass ihr Körper nach<br />
der Geburt begann, Muttermilch zu produzieren und die<br />
Brustwarzen anzuregen. Eine Funktion, die nur durch ein<br />
Signal im Gehirn (einer bestimmten Gehirnregion) ausgelöst<br />
werden kann. 6) Wie immer man zu der Schwangerschaft<br />
einer hirntoten Frau auch stehen mag, sicher ist, nur<br />
ein lebender Organismus kann Leben weitergeben. Welche<br />
Zweifel hochkarätige Experten am Hirntodkonzept haben,<br />
mögen die Aussagen zweier renommierter Hirnforscher<br />
verdeutlichen. Prof. Dr. Detlef Linke, Bonn ( + 2005) stellte<br />
schon vor Jahren die Frage: „Kann ein Mensch für tot<br />
angesehen werden, wenn 97 % seiner Körperzellen noch<br />
funktionieren, aber nur 3 %, die sein Gehirn ausmachen,<br />
ausgefallen sind“? (...) der Organismus stirbt während der<br />
Operation (Explantation) im Rahmen der Kochsalzdurchspülung<br />
des Kreislaufsystems ab.“ 7) Prof. Dr. Gerhard Roth,<br />
Bremen, sagte bei einer Expertenanhörung des Bundestagsausschusses<br />
für Gesundheit bereits im Jahr 1995 u.a.:<br />
„Die Aussage, der Tod eines Menschen sei dann eingetreten,<br />
wenn seine gesamte Hirnfunktionen irreversibel ausgefallen<br />
sind, ist aus physiologischer Sicht nicht haltbar<br />
(....). Der Ausfall der gesamten Hirnfunktionen kann mit<br />
den heute angewandten Verfahren nicht zweifelsfrei festgestellt<br />
werden (...). Eine wirkliche Leiche ist für eine Organentnahme<br />
ungeeignet. Will man Organtransplantation,<br />
dann muss man akzeptieren, dass man die Organe einem<br />
lebenden Menschen entnimmt, dessen Hirn irreversible<br />
geschädigt ist“ 7) . Von einem Neurophysiologen stammt die<br />
Aussage: Ohne Gehirn ist alles nichts, aber das Gehirn ist<br />
nicht alles. Hinter diesem (nur scheinbar) lapidaren Satz<br />
tut sich ein weites Feld interessanter und nachdenkenswerter<br />
Fragen auf, die es wert sind, dass man ihnen einmal<br />
nachgeht, auch und gerade im Umfeld der Hirntoddiagnostik.<br />
Die Organentnahme (Explantation)<br />
Dieses Kapitel berührt mich, ich gebe es ehrlich zu, am<br />
heftigsten. Aber es gehört zu meinen kritischen Gedanken<br />
dazu, denn gerade im Ablauf der Organentnahme wird für<br />
mich die ganze Fragwürdigkeit einer Organtransplantation<br />
und mit ihr die Glaubwürdigkeit der Hirntoddefinition be-<br />
44 durchblick 3/<strong>2008</strong>
sonders deutlich. Obwohl der Organspender nach der Hirntoddiagnose<br />
ein Toter ist, wird er in den meisten Fällen<br />
durch einen anwesenden Anästhesisten narkotisiert, um die<br />
bereits erwähnten vielfältigen Schmerz- und Bewegungsreflexe<br />
zu vermeiden, die während der Organentnahme sehr<br />
störend sein können, sowohl operativ als auch psychologisch.<br />
Was einstmals „Lebenszeichen“ waren, sind jetzt<br />
nur noch „Todesreflexe“. Der Schnitt in die Bauchdecke<br />
kann zu ansteigender Herzfrequenz und einem erhöhten<br />
Blutdruck führen. Bei anderen Operationen gelten diese<br />
Zeichen als Hinweise auf Stress bzw. Schmerz. Da es sich<br />
bei über 80 Prozent einer Organspende um eine sogenannte<br />
„Multiorganentnahme“ handelt, bei der mehrere Organe<br />
entnommen werden, wird der Körper von der Kehle bis zum<br />
Schambein aufgeschnitten. Wie schon bei der Hirntoddiagnose<br />
verzichte ich auch hier bewusst auf Details. Für jedes<br />
einzelne Organ kommt ein spezielles Transplantationsteam.<br />
Entnommen werden, je nach Zustand des Spenders, Herz,<br />
Lunge, Niere, Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse, Knochen,<br />
Bänder, Augen etc. Bis zu 20 Ärzte können es sein, die sich<br />
aus dem Körper des Spenders bedienen. Eine Explantation<br />
kann bis zu fünf Stunden dauern. Während dieser Zeit hat<br />
der Anästhesist neben der Schmerz- und Reflexunterdrückung<br />
die Aufgabe, das Herz so lange stabil zu halten, bis<br />
es selbst entnommen wird. All dies geschieht<br />
unter der Kontrolle eines „Transplantationskoordinators“<br />
der den Zeitplan festlegt und<br />
bestimmt, wo die einzelnen Organe hintransportiert<br />
werden, europaweit. Für mich kein<br />
Wunder, dass aus den Reihen des Pflegepersonals<br />
und der Ärzte, die bei Explantationen<br />
im Einsatz waren, Bezeichnungen und<br />
Vergleiche wie: „Abernten, Ersatzteillager, Autofriedhof,<br />
Recycling auftauchen und sich bei einer Umfrage ca. 60<br />
Prozent des Pflege- und OP-Personals kritisch bis ablehnend<br />
geäußert haben. 7) .<br />
Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Anna Bergmann weist in<br />
ihrem Artikel „Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in der<br />
Transplantationsmedizin“ u.a. auf zwei eklatante Tabuverletzungen<br />
bei der Organentnahme hin. Folgt man, entgegen<br />
seiner sinnlichen Wahrnehmung, dem Hirntodkonzept und<br />
sieht in dem Patienten einen endgültig verstorbenen Menschen,<br />
... „überschreitet die Organtransplantationsmedizin<br />
das Todestabu, das den Toten vor der Bemächtigung anderer<br />
in seinem unberührten Status schützt. (...) Wie ist das Recht<br />
auf Totenruhe mit dem Akt der chirurgischen Zerstückelung<br />
überhaupt vereinbar? Die Zergliederung des Organspenders<br />
in Augen, Haut, Herz, Lungen, Bauchspeicheldrüse, Luftröhre,<br />
Leber, Niere, Gelenke, Innenohren, Kieferknochen,<br />
Dünndärme und neuerdings auch Hände und Unterarmen<br />
entspricht dem Akt der Leichenschändung.“ 5) Folgt man<br />
dem Hirntodkonzept nicht, wird das Tötungsverbot unmittelbar<br />
berührt. „Halten die an der Organentnahme professionell<br />
beteiligten Menschen an dem Herztod als den Zeitpunkt<br />
eines abgeschlossenen Sterbeprozesses fest, der für<br />
Philosophischer Essay<br />
die<br />
Umwandlung<br />
einer Person<br />
zur Sache<br />
jeden von sinnlich wahrnehmbaren Todeszeichen markiert<br />
ist, dann entsteht durch die Mitarbeit an einer Explantation<br />
ein Tötungsbewusstsein und mobilisiert Schuldgefühle.“ 5)<br />
Die ergreifenden Aussagen, Erzählungen und Berichte vieler<br />
Pflegekräfte bestätigen dies, denn sie erleben die Explantation<br />
nicht partiell, wie die einzelnen chirurgischen<br />
Teams, sondern von Anfang bis Ende. Sie sind es, die zu<br />
Beginn einen Patienten in den OP-Saal fahren, dessen Herz<br />
schlägt und dessen Körper zu 97 Prozent arbeitet und die<br />
am Ende den „Restkörper“ zu einer ansehnlichen Leiche<br />
herrichten müssen. Dazwischen erleben sie, wie nach und<br />
nach ein Mensch sein Leben verliert, d. h. den „medizinisch<br />
systematisch herbeigeführten Moment des Herztodes von<br />
hirnsterbenden Patienten und die sich einstellenden Todeszeichen.“<br />
5) Sie sind auch dabei, wenn aus einer Person eine<br />
Sache wird, getrennt nach wiederverwendbar und nicht<br />
mehr zu gebrauchende biologische Einzelteile. !!! Wenn das<br />
nicht an die Nieren geht. !!! Jede andere Operation, und<br />
sei sie auch noch so schwierig und blutig, hat immer das<br />
Ziel zu heilen und zu helfen. Aber bei einer Explantation<br />
geschieht genau das Gegenteil. Wie traumatisch solche Verarbeitungsprozesse<br />
für das Pflegepersonal sein können, mag<br />
die Aussage eines OP-Pflegers verdeutlichen: „Ich werde<br />
nach Hause gehen, mich schlafen legen, und dann werde ich<br />
im Traum noch einmal das Ganze erleben. Ich<br />
werde diesen Toten sehen, der erst sein eigenes,<br />
dann das Gesicht eines mir nahestehenden<br />
Menschen und schließlich mein Gesicht tragen<br />
wird. Alles Verdrängte, Verschluckte, ein<br />
Hexenkessel voller Gefühle wird aufbrechen.<br />
Sie werden ein grausames Spiel mit mir treiben<br />
– ungehindert, ungebremst, sich austoben<br />
bis zum Exzess. Erst dann wird diese Entnahme für mich<br />
vorbei sein.“ 7) Bei mir erfährt die grässliche Vorstellung<br />
einer Explantation noch eine Steigerung darin, dass ich auf<br />
dem Operationstisch ein sterbendes Kind liegen sehe. Nein,<br />
weiter möchte ich nicht denken, nur an die Eltern, die ihr<br />
Kind zur Organspende „freigegeben“ und diesen Schritt im<br />
Nachhinein bitter bereut haben. (Nachzulesen im Internet<br />
unter www.initiative-kao.de oder www.transplantation-information.de.<br />
Das Fremde im Eigenen 8)<br />
Bei der Implantation eines Organs ist es nicht nur das<br />
Immunsystem des Empfängers, welches sich ein Leben<br />
lang vehement weigert, dass fremde Organ zu akzeptieren,<br />
nein, auch seine Psyche meldet sich und signalisiert<br />
zum Teil massiven Widerstand. Dazu Frau Dr. Anna Bergmann:<br />
„Die Transplantationsmedizin hat einen neuartigen<br />
Patiententypus mit ganz eigenen psychischen Konflikten<br />
hervorgebracht. Zwischen 50 und 70 Prozent aller Empfänger<br />
von lebenswichtigen Organen leiden an Persönlichkeitsveränderungen,<br />
Identitätsproblemen, Angstzuständen<br />
und Depressionen (...). In den ersten beiden Wochen nach<br />
der Operation können transplantierte Patienten in <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 45
Wahnzustände geraten, im weiteren Verlauf kann es zu<br />
Depressionen und Psychosen kommen, die psychiatrisch<br />
behandelt werden müssen. Es wird eine hohe Dunkelziffer<br />
von psychischen Erkrankungen nach einer Organtransplantation<br />
vermutet, da viele der Patienten eine Scheu davor<br />
haben, ihre tabubelegten Konflikte offenzulegen.“ 5)<br />
Nicht selten beginnen psychische Probleme schon vor<br />
der Transplantation, während der Zeit der „Warteliste“.<br />
Schon hier können sich Schuldgefühle entwickeln. Sie warten<br />
und hoffen auf ein passendes Organ, das aber nur zum<br />
Preis eines anderen Menschenleben zu haben ist. Sie wollen<br />
ja gar nicht den Tod des Spenders, nein, sie wünschen sich<br />
nur eines seiner Organe. Dieser Konflikt arbeitet im Unterbewusstsein<br />
und während der langen Zeit des<br />
Wartens stellen sich die „bösen Gedanken“ ein.<br />
Wann steigen meine Chancen auf ein Organ? Im<br />
Frühjahr, wenn bei den ersten Sonnenstrahlen<br />
die Motorradfahrer unterwegs sind, oder im<br />
Herbst bei Nebel und Glatteis, wenn steigende<br />
Unfallzahlen zu erwarten sind. Manche der Betroffenen<br />
sagen es offen heraus, manche aber<br />
erleben diese Gedanken als furchtbar und schuldhaft. Diese<br />
Schuldgefühle bleiben oft auch nach der Transplantation<br />
erhalten und verbinden sich mit der Angst vor einer Veränderung<br />
der eigenen Identität, die nicht selten zu beobachten<br />
ist. Hierzu gibt es seit dem Beginn der Transplantationsmedizin<br />
viele, ungezählte Beispiele, die belegen, dass es zu<br />
Identifikationsstörungen bei Geschlecht, Charakter, Hautfarbe<br />
und im Essverhalten kommen kann. Schon der erste<br />
Herztransplantierte Washkansky bezeichnete sich 1967 als<br />
„neuen Frankenstein“. Männer, die erfahren haben, dass<br />
sie das Herz einer Frau haben, kämpfen mit dem Problem<br />
eine Frau zu sein, andere kommunizieren mit ihrem neuen<br />
Frauenherz und sprechen es mit „Lady“ an, die sich<br />
unterzuordnen habe. Andere wundern sich, dass sie nach<br />
der Transplantation einen Heißhunger auf Lebensmittel<br />
entwickeln, die sie früher verabscheuten. Wieder andere<br />
spüren, wie von dem neuen Organ „fremde Kräfte“ ausgehen,<br />
die sie bedrängen. Dadurch, dass sie sich das fremde<br />
Organ im wahrsten Sinne des Wortes „einverleibt“ haben,<br />
leiden manche Organempfänger unter kannibalistischen<br />
Träumen, in denen sie als Raubtier anderen Menschen das<br />
Herz herausreißen. Neben der Behandlung solcher psychischen<br />
Nebenwirkungen müssen die Organempfänger<br />
Bildquelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />
Der Tod<br />
ist keine<br />
Ansichts<br />
sache<br />
Philosophischer Essay<br />
ihr Leben lang bis zu 30 Tabletten am Tag einnehmen, um<br />
das Immunsystem daran zu hindern, das fremde Organ abzustoßen.<br />
Bedingt durch die permanente Schwächung des<br />
Immunsystems können zusätzliche Nebenwirkungen wie<br />
z. B. Pilzinfektionen auftreten. Sie bleiben ihr Leben lang<br />
an die Transplantationsmedizin gekettet.<br />
All diese körperlichen und psychischen Reaktionen auf<br />
ein fremdes Organ zu reagieren zeigen mir, dass der Mensch,<br />
auch im Zeitalter moderner Transplantationsmedizin, eine<br />
geheimnisvolle, psychosomatische Einheit ist. Die Erforschung<br />
der tief greifenden Wechselwirkungen zwischen<br />
Leib und Seele weist noch viele weiße, unerforschte Flecken<br />
auf. Allein schon so alltägliche Aussagen wie „an die<br />
Nieren gehen“, „auf den Magen schlagen“, „unter die Haut<br />
gehen“, oder „da kommt einem die Galle hoch“, lassen die<br />
enge Verbundenheit unserer seelischen Befindlichkeit mit<br />
dem Befinden bestimmter körperlicher Organe erkennen<br />
und spüren. Ganz zu schweigen von der Bedeutung des<br />
Herzens. Wozu steht nicht alles unser Herz. Denken Sie einmal<br />
selbst nach und sie werden schnell feststellen, wie stark<br />
besetzt unser Herz ist, wenn es darum geht, unser seelisches<br />
Befinden zum Ausdruck zu bringen und welch umfassende,<br />
kulturgeschichtliche Bedeutung es hat. Ich für meinen Teil<br />
kann nur sagen, dass es für mich eine „Herzensangelegenheit“<br />
war, diesen Beitrag zu schreiben. Wie tief<br />
die Verbundenheit zwischen Leib und Seele ist,<br />
wird für mich am Beispiel einer 15-jährigen<br />
Organempfängerin besonders intensiv deutlich,<br />
die angesichts ihrer bevorstehenden Operation<br />
fragt: „Was werden sie mit meinem herausgeschnittenen<br />
Herzen machen, werden sie es mit<br />
blutigen Binden und Krebsgeschwüren in den<br />
Müll werfen? Wenn ich es herausschneiden lasse, wenn es<br />
vor mir stirbt, will ich ein Grab dafür, in das man mich<br />
später hineinlegen soll.“ 9)<br />
Der Hirntodbegriff im Konflikt mit dem<br />
Grundgesetz?<br />
Es hat mich als ein völliger Laie schon erstaunt, als<br />
ich in dem Artikel „Leben retten durch Töten?“ von Prof.<br />
Dr. Wolfgang Waldstein, Rechtswissenschaftler an der<br />
Universität Salzburg las, dass namhafte Verfassungsrechtler<br />
zu dem Ergebnis gekommen sind, „dass der hirntote<br />
Mensch im Grundrechtssinne lebt und das Hirntodkriterien<br />
daher nicht den Tod eines Menschen, sondern nur die Irreversibilität<br />
und damit die Endgültigkeit seines Sterbens<br />
dokumentiert.“ 10) Er bezieht sich dabei auf eine ausführliche<br />
Analyse von Prof. Dr. Ralph Weber, Universität Rostock<br />
unter dem Titel: „Der Hirntodbegriff und der Tod des Menschen.“<br />
In dieser Analyse ist der Kernpunkt der Kritik das<br />
„Abgehen vom biologischen Todesbegriff“ (...) „es muss<br />
der Tod als Endpunkt des biologischen Lebens (...) eine biologische<br />
Größe bleiben, weil es zwischen Tod und Leben<br />
keinen dritten Zustand geben kann. (...) Eine Todesdefinition,<br />
die sich nicht an der physischen Existenz orientiert, son-<br />
46 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Philosophischer Essay<br />
dern dem Menschen aufgrund des Fehlens<br />
kognitiver (= wahrnehmbarer d. Verf.) Fähigkeiten<br />
das Recht (...) auf sein Leben abspricht,<br />
ist schon deshalb mit Art. 2 Abs. 2,<br />
Satz 1 GG (= Jeder hat das Recht auf Leben<br />
und körperliche Unversehrtheit d. Verf.)<br />
nicht vereinbar. Das bedeutet, dass der Tod<br />
des Menschen nur und erst bei einem Funktionsverlust<br />
beider wesentlicher Systeme,<br />
des Bewusstseins und des physischen<br />
Organismus eintritt; der irreversible Ausfall<br />
nur eines dieser Systeme reicht nicht<br />
aus, um vom Todeseintritt zu sprechen.“ 10)<br />
Wenn das Recht und Gesetz ist, kann ich als<br />
einfacher Bürger dieses Landes nur irritiert<br />
fragen: Warum darf man dann Sterbenden,<br />
also lebenden Menschen, seit Jahrzehnten straffrei Organe<br />
entnehmen? Schlimmer noch. Wird bestehendes Recht unter<br />
dem Deckmantel humanitärer Hilfe auf dem Altar wirtschaftlicher<br />
Interessen geopfert?<br />
... und was sagen die Kirchen?<br />
In fast keiner Broschüre der Transplantationsmedizin<br />
fehlt der Hinweis auf den „Segen“ der beiden großen Kirchen<br />
in Deutschland zur Organspende. In einer gemeinsamen<br />
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und<br />
des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland aus<br />
dem Jahr 1990 (!!) heißt es u. a.: „ Angehörige, die die<br />
Einwilligung zur Organtransplantation geben, machen sich<br />
nicht eines Mangels an Pietät gegenüber dem Verstorbenen<br />
schuldig. Sie handeln ethisch verantwortlich, weil sie ungeachtet<br />
des von ihnen empfundenen Schmerzes im Sinne des<br />
Verstorbenen entscheiden, anderen Menschen beizustehen<br />
und durch Organspende Leben zu retten (...) Aus christlicher<br />
Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem<br />
Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit<br />
Kranken und Behinderten.“<br />
An dieser Auffassung hat sich nach meinen Recherchen<br />
bis heute nichts geändert, obwohl es mir<br />
Christliche<br />
Nächstenliebe<br />
durch Töten?<br />
dringend notwendig erscheint, diese Position<br />
erneut auf den Prüfstand zu stellen.<br />
Getan hat dies im Februar 2005 die „Päpstliche<br />
Akademie der Wissenschaften“. Auf<br />
Einladung des damaligen Papstes Johannes<br />
Paul II. kamen hochkarätige Experten aus<br />
aller Welt zusammen, um gemeinsam über das Thema „Die<br />
Zeichen des Todes“ zu diskutieren. Herausgekommen ist<br />
eine Abhandlung mit dem Titel: „Hirntod ist nicht Tod“. Ich<br />
kann jedem Interessierten nur empfehlen, diese Abhandlung<br />
zu lesen, insbesondere die 13 Punkte im Absatz VII<br />
Anzeichen des Todes. Hier seien nur die Punkte 11 und 13<br />
wiedergegeben: (11) „Eine Diagnose des Todes durch neurologische<br />
Kriterien allein ist Theorie, keine wissenschaftliche<br />
Tatsache. Sie reicht nicht aus, die Lebensvermutung zu<br />
überwinden.“ (13) „Das Beenden eines unschuldigen Lebens<br />
bei dem Versuch, ein anderes Leben zu retten, wie es im<br />
Falle der Transplantationsmedizin von unpaarigen lebenswichtigen<br />
Organen geschieht, mildert nicht das Übel, einem<br />
unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen. Böses darf<br />
nicht getan werden, damit Gutes daraus entstehen möge.“<br />
Es ist an der Zeit, dass sich beide Kirchen in Deutschland<br />
mit diesem Thema erneut auseinandersetzen und daran<br />
denken: >In dubio pro vita< (im Zweifel für das Leben).<br />
Nicht ohne Grund warnt Prof. Dr. Waldstein vor den (...)<br />
„tödlichen Folgen falscher Theorien. Es muss leider im<br />
Zusammenhang mit einer gewaltigen >Erdrutsch< Bewegung<br />
gesehen werden, in der die >unverletzlichen und<br />
unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder<br />
menschlichen Gemeinschaft< im Namen des Fortschritts<br />
der Wissenschaften und der Nützlichkeit zunehmend hinweggefegt<br />
werden“ 10)<br />
Behütetes Sterben<br />
Ich habe diesen Artikel mit einer persönlichen Einleitung<br />
begonnen und möchte ihn auch mit einem persönlichen<br />
Fazit beenden. Ein JA zur Organspende ist für mich<br />
verbunden mit der Zustimmung, einem Menschen, in der<br />
finalen Phase seines Sterbens, Organe zu<br />
entnehmen. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter<br />
der Ambulanten ökumenischen Hospizhilfe<br />
Siegen habe ich es mir zur Aufgabe<br />
gemacht, schwerstkranke und sterbende<br />
Menschen bis zu ihrem Tod zu begleiten.<br />
Ein hirntoter Mensch ist für mich ein sterbender<br />
Mensch, der, am Ende seines Lebens angekommen,<br />
neben der medizinischen Versorgung, alle nur erdenkliche<br />
menschliche Zuwendung von uns braucht, um auch die letzte<br />
Phase seines Lebens in Würde zu bestehen und damit sein<br />
Leben als Ganzes zu vollenden. Bei einem Hirntoten, der<br />
explantiert werden soll und der in die zweckgebundenen<br />
Abläufe der Transplantationsmedizin zur Erhaltung seiner<br />
Organe gerät, kann eine solche menschliche, hospizlich orientiere<br />
Begleitung nur sehr begrenzt stattfinden. Es ist für<br />
mich selbstverständlich, dass ich einen Organspen- <br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 47<br />
Bildquelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)
Philosophischer Essay<br />
der bis zum letztmöglichen Augenblick begleiten würde,<br />
aber die Vorstellung, ihn bis zum Operationssaal zu begleiten,<br />
in dem er explantiert werden soll, assoziiert in mir das<br />
Bild einer Begleitung hin zu einer „chirurgischen Schlachtbank“,<br />
auf der ich ihn zusammen mit seinen Angehörigen<br />
schutz- und hilflos zurücklassen müsste. Ein Hirntoter ist<br />
ein „Lebender im Prozess des Sterbens“, der im sozialen<br />
Kontext seiner Angehörigen und Freunde am Ende seiner<br />
diesseitigen Biografie angekommen und bis zum letzten<br />
Atemzug und Herzschlag eine individuelle Person bleibt<br />
und keine gesichts- und geschichtslose Menge verwertbarer<br />
bzw. unbrauchbarer Organe.<br />
Erhöhte Wachsamkeit ist angesagt, denn es wird zunehmend<br />
nicht mehr danach gefragt, was können wir für<br />
Sterbende und Tote tun, sondern was können wir mit ihnen<br />
machen. Dieses utilitaristische Denken, dieser medizinische<br />
Nützlichkeitswahn und der steigenden Gier nach<br />
immer mehr Lebenszeit, muss seine Grenze finden in der<br />
Würde jeder einzelnen Person, d.h. auch in der eines hirntoten<br />
Menschen.<br />
Eberhard Freundt<br />
Buchempfehlungen: „Der entseelte Patient“ die moderne<br />
Medizin und der Tod von Anna Bergmann (Aufbau-<br />
Verlag). „Unversehrt Sterben“ Konfliktfall Organspende<br />
von Renate Greinert (Kösel-Verlag)<br />
Quellenangaben: 1) Anmerkung: Die Transplantationsmedizin (TPM) als Sammelbegriff<br />
umfasst sowohl die Organtransplantation als auch die Gewebetransplantation.<br />
Beide sind aber sowohl aus medizinischer Sicht als auch vom Gesetzgeber<br />
her zu unterscheiden. Die Gedanken in diesem Beitrag beschäftigen sich in<br />
der Hauptsache mit der Problematik der Organtransplantation 2) Alle Zahlen und<br />
Angaben wurden dem Jahresbericht der Deutschen Stiftung Organtransplantation<br />
(DSO) sowie einer Presseinformation der Aktion „Fürs Leben“ entnommen. 3) mit<br />
Ausnahme von: Lebendspenden 4) entnommen einem Vortrag von Prof. Dr. med.<br />
Linus S. Geisler „Ist die Hirntod-Definition aus biologisch-medizinischer Sicht<br />
plausibel ?“ 5) Dr. Anna Bergmann in „Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in<br />
der Transplantationsmedizin 6) „Hirntod ist nicht Tod“, Essay von einer Tagung<br />
der Päpstlichen Akademie der Wissenschaft Anfang Februar 2005 veröffentlicht<br />
in der Schriftenreihe der Aktion Leben e.V. (Heft 24) 7) Niederschrift des Vortrages<br />
von Walter Ramm: „Hirntod und Organtransplantation“ aus der Schriftreihe der<br />
Aktion Leben e.V. 8) Begriff von Psychotherapeut Rainer Ibach 9). Elisabeth Wellendorf:<br />
Was kann man einem Menschen zumuten, ohne ihn zu zerstören? In: Organspende<br />
– Kritische Ansichten zur Transplantationsmedizin (Lamuv-Verlag).<br />
10)<br />
„Leben retten durch Töten?“) von Prof. Dr. Wolfgang Waldstein in Bezug auf<br />
die Analyse „Der Hirntodbegriff und der Tod des Menschen“ von Prof. Dr. Ralph<br />
Weber 11) Prof. Dr. med. Linus S. Geisler in „Die Zukunft des Todes – Überlegungen<br />
zum Hirntod“ 12) Prof. Dr. med. Linus S. Geisler in „Behütetes Sterben<br />
und Organspende“.<br />
Ambulante<br />
ökumenische<br />
Hospizhilfe Siegen e.V.<br />
Im Rahmen unseres diesjährigen<br />
Schwerpunktthemas<br />
„Ethische Fragen am Lebensende“<br />
laden wir zu zwei Vorträgen herzlich ein<br />
Donnerstag, 4. September <strong>2008</strong>, 19.30 Uhr<br />
St. Marien Krankenhaus, Saal 5.OG<br />
Vortrag von Dr. Friedhelm Decher<br />
„END-Zeit“ philosophisch-ethische Fragen<br />
zur Sterbehilfe<br />
Montag, 3. November <strong>2008</strong>, 19.30 Uhr<br />
St. Marien Krankenhaus, Saal 5. OG.<br />
Vortrag von Dr. Dr. Hans-Günther Scheuer<br />
„Was darf der Mensch“?<br />
theologisch-ethische Fragen<br />
zur Selbstbestimmung am Lebensende<br />
- Eintritt frei-<br />
48 durchblick 3/<strong>2008</strong>
Leserbriefe<br />
„Wie viele Menschen (er)trägt die Erde?“ und „Des<br />
Menschen Heimat ist die Erde, gestern wie heute – und<br />
MORGEN? durchblick 1/<strong>2008</strong> und 2/<strong>2008</strong><br />
Wieder ist es Eberhard Freundt gelungen, ein brisantes<br />
und hochaktuelles Thema unserer Zeit auf eine eindringliche,<br />
herausfordernde Weise in Form philosophischer Essays<br />
darzustellen. Seine „Gedanken“ über die immer weiter<br />
wachsende Weltbevölkerung, ihre steigenden Ansprüche<br />
bei schwindenden Ressourcen und die daraus erwachsenen<br />
Folgen sind nicht unbekannt, aber sie rütteln in ihrer<br />
Brisanz neu auf.<br />
Den inhaltlichen Ausführungen zum Wachsen der Weltbevölkerung,<br />
ihren soziologischen Folgen und den ökologischen<br />
Auswirkungen ist wenig hinzuzufügen. Herr Freundt<br />
hat wie immer sorgfältig in der einschlägigen Literatur und<br />
den Fachmedien recherchiert und überzeugend und herausfordernd<br />
argumentiert. Die Richtigkeit seiner Darstellung<br />
bestätigt sich in der Realität: rücksichtslose Ausbeutung der<br />
natürlichen Ressourcen zugunsten wirtschaftlichen Wachstums,<br />
und damit verbundener Kapitalansammlung in den<br />
Händen weniger, Umweltverschmutzung und -zerstörung,<br />
Klimaveränderungen, zunehmende Unwetterkatastrophen,<br />
verhungernde Menschen.<br />
Man verspürt die Betroffenheit des Verfassers bei der<br />
Beschäftigung mit der Thematik in der Verfassung einer<br />
„Kurzanalyse über das Wesen des Menschen“ (durchblick<br />
1/<strong>2008</strong>, S. 42). Das Menschenbild, das hier gezeichnet<br />
wird, ist fürwahr nicht schmeichelhaft, aber im Blick auf<br />
die Wirklichkeit zutreffend.<br />
Daraus und aus dem Artikel insgesamt nur „Angriffe auf<br />
die Menschenrechte“ und Zeichnung von „Weltuntergangsszenarien“<br />
herauszulesen (siehe Leserbrief Bernard Nolz in<br />
durchblick 2/<strong>2008</strong>, S. 54) erscheint mir als ein erhebliches<br />
Missverständnis der Intentionen Freundts. Jedenfalls komme<br />
ich bei der Lektüre der beiden Artikel nicht zu dieser<br />
Folgerung. Ich kann auch nicht nachvollziehen, wie man in<br />
die Ausführungen Freundts Menschenverachtung hineininterpretieren<br />
kann. Ich lese hier aber Sorge über die Zukunft<br />
der Menschheit heraus.<br />
Eberhard Freundts Essays im durchblick haben ein Niveau,<br />
das den Anspruch eines lokalen Vereins-Presseorgans<br />
weit übersteigt. Themen, wie „Der Mensch“, Gotteshauch<br />
oder Zufallsprodukt“ „Gott nur ein Hirngespinst, der freie<br />
Wille eine Illusion?“ u. a. zeigen das weite Interessenspektrum<br />
und die Motivation des Verfassers, sich mit Grenzfragen,<br />
die nachdenkliche Zeitgenossen bewegen, auf anspruchsvolle<br />
Weise auseinanderzusetzen.<br />
Die Literaturrecherchen in Theologie (u. a. Drewermann),<br />
Philosophie (u. a. John Eccles), Hirnforschung (u. a. Gerhard<br />
Roth, Wolf Singer) fundieren die Essays überzeugend.<br />
Freundt setzt sich intensiv und ausführlich mit den jeweiligen<br />
Themenstellungen auseinander, er schürft tief und<br />
begründet fundiert. Das erfordert von dem Leser hohe Konzentration<br />
und Ausdauer. Aber, wer lässt sich schon von gehalt-<br />
und anspruchsvoller Lektüre abhalten? Einen Gewinn<br />
haben die Leserin und der Leser allemal.<br />
Für den durchblick und seine Leser ist die Mitarbeit von<br />
Eberhard Freundt ein nicht zu unterschätzender Gewinn.<br />
Seine Beiträge in dem Presseorgan der Stadt Siegen/Leitstelle<br />
Leben im Alter, verleihen dem Blatt ein, beachtenswertes<br />
Anspruchsniveau.<br />
Man kann nur wünschen, dass Eberhard Freundt weiterhin<br />
seine wertvolle essayistische Tätigkeit pflegt.<br />
Helmut Heinrich, Hilchenbach<br />
Alte Straßen – stille Winkel, durchblick 1/<strong>2008</strong>. Mit<br />
großem Interesse habe ich im durchblick Ihre beiden Abhandlungen<br />
über Wilhelm Busch und die alten Siegener<br />
Straßen gelesen. Beide Berichte sind informativ und gut<br />
lesbar.<br />
Seit Jahrzehnten habe ich ein Privatarchiv angelegt und<br />
Ihre beiden Berichte finden dort Eingang.<br />
In der kurzen Busch-Biografie erwähnen Sie auch den<br />
Ort Ebergötzen. In der dortigen Mühle befindet sich ein<br />
Wilhelm-Busch-Museum, welches Sie, Frau Istock, vermutlich<br />
auch bereits besucht haben. Als ich vor einigen Jahren<br />
dort war, hatten wir das Glück, eine sehr sachkundige<br />
Präsentantin zu finden, die sehr anschaulich darstellte, dass<br />
sich in den Handlungen und im Aussehen der beiden Buben<br />
die beiden Freunde aus der Kindheit widerspiegeln.<br />
Wenn der Müller und die Müllerin in kleinsten Kammern<br />
in unmittelbarer Nähe des lauten Mühlrades schlafen<br />
mussten, war dies sicherlich nur für die ersten zwei Nächte<br />
romantisch, dann jedoch äußerst schlafstörend.<br />
In den sehr informativen Bericht über Siegens Straßen<br />
haben Sie, Frau Istock, sehr viel Zeit investiert. Die vielen<br />
Fakten müssen zusammengetragen werden und gleichzeitig<br />
„wasserdicht“ sein. Ihre Darstellung ist eine wertvolle Ergänzung<br />
zur Stadtgeschichte Siegens. Wer weiß schon, wie viele<br />
Metzgereien es Mitte des 15. Jahrhunderts in Siegen gab?<br />
Heinz Stötzel, Nethphen<br />
Bei Frau Istock habe ich mich persönlich bedankt für<br />
ihren schönen Stadtbericht. - Schwierigkeiten hatte ich<br />
mit dem Oberen Schloss auf Seite 4. Meine Frau ist eine<br />
Stadtkennerin von über 70 Jahren und ich über 40 Jahre.<br />
- Die Schönheit des Bildes haben wir nicht nachvollziehen<br />
können. Ich hab mich in das „Marburger Tor“ bis zur<br />
Einhorn-Apotheke begeben. Dort hatte ich den durchblick<br />
bis auf das Torhaus des Oberen Schlosses mit dem richtigen<br />
Blickwinkel. – Nur die ganzen darunterliegenden Häuserzeilen<br />
einschließlich Bewuchs am Fußpunkte des Betrachters<br />
konnte ich nirgends finden.<br />
Hartmut Gerkan per E-Mail<br />
Anm. der Redaktion: Starke Teleobjektive ziehen die<br />
Perspektive zusammen und sorgen für neue optische Eindrücke.<br />
Standort des Fotografen war auf einem mittlerweile<br />
nicht mehr vorhandenen Erdhügel an der Kinderklinik.<br />
durchblick 3/<strong>2008</strong> 49
Unterhaltung / Impressum<br />
Es fiel uns auf …<br />
…dass die Gehirne älterer Menschen einer neuen<br />
Studie zufolge noch wachsen können. Bei 44<br />
„Versuchskaninchen“ im Alter von 50 bis 67 Jahren wurde<br />
nachgewiesen, dass nach einem dreimonatigen Training im<br />
Jonglieren eine Vergrößerung im Hippocampus stattfand.<br />
Diese Gehirnregion ist für das Lernen wichtig, in der sich<br />
neue Hirnzellen bilden können.<br />
…dass eine 68-Jährige aus Engelskirchen auf Gran<br />
Canaria wieder aufgetaucht ist. Die Seniorin, die als<br />
orientierungslos beschrieben wurde, war im April aus einem<br />
Altenheim verschwunden. Damals hatte die Polizei mit<br />
vielen Beamten, Hubschraubern und speziell ausgebildeten<br />
Spürhunden nach der Frau gesucht. Sie wurde auf der<br />
Kanareninsel „gut erholt und frohen Mutes“ in der Sonne<br />
sitzend erkannt.<br />
…dass die Menschen weltweit immer glücklicher<br />
werden. Das ist das Ergebnis eines 25-jährigen<br />
Forschungsprojekts in den USA. Die Bürger aus 97 Ländern<br />
freuen sich vor allem über wachsenden Wohlstand, neu<br />
gewonnene Freiheit oder mehr Rechte. Bei uns hingegen<br />
sinkt das gefühlte Glück wegen der sinkenden Reallöhne<br />
seit Jahren. Sind wir Deutschen Miesepeter?<br />
Gedächtnistraining: Lösungen von Seite: von Seite ??<br />
Sportarten: 1. Basketball (5), 2. Wasserball (7), 3. Volleyball (6),<br />
4. Hockey (11), Staffelllauf (4), 6. Fußball (11). Bekannte<br />
Sportler: 1. b-Leichtathletik, 2. c-Schwergewichtsboxen,<br />
3. a-Weitsprung, 4. b-Hochsprung, 5. a-Schwimmen,<br />
6. c-Schwimmen, 7. b-Basketball, 8. a-Springreiten,<br />
9. c-Hochsprung, 10. a-Zehnkampf, 11. b-Gewichtheben,<br />
12. b-Radrennsport. Piktogramme: 1. Gewichtheben,<br />
2. Basketball, 3. Fußball, 4. Boxen, 5. Golf, 6. Turmspringen,<br />
7. Kanu, 8. Bogenschiessen. Keine olympischen Disziplinen: Golf.<br />
Wortsuche: Badminton, Baseball, Basketball, Bogenschiessen,<br />
Boxen, Fechten, Fussball, Gewichtheben, Handball, Hockey,<br />
Judo, Kanurennsport, Kanuslalom, Leichtathletik, Bahnradrennen,<br />
BMX-Radsport, Mountainbike, Strassenradrennen, Dressurreiten,<br />
Military, Springreiten, Ringen, Rudern, Schiessen, Kunstspringen,<br />
Turmspringen, Schwimmen, Synchronschwimmen,<br />
Wasserball,Segeln, Softball, Taekwondo, Tennis, Tischtennis,<br />
Triathlon, Kunstturnen, Rhythmische Sportgymnastik, Trampolin,<br />
Volleyball, Beachvolleyball.<br />
Zu guter Letzt:<br />
Bekannt als gewissenhafte Person nahm unsere<br />
Kollegin Helga kürzlich ein wichtiges Internet -Telefonat<br />
entgegen. Beflissen wollte sie sich Notizen machen<br />
und fand nach kurzem Suchen in ihrem wohlgeordneten<br />
Haushalt auch Stift und Schreibblock.<br />
Nur, wo war denn jetzt das schnurlose Telefon samt<br />
Kopfhörer geblieben? Verzweifelt suchte sie ihre<br />
kleine Wohnung ab und fand tatsächlich das Quasselmonstrum.<br />
Beschämt stellte sie im Vorbeigehen am<br />
Spiegel fest, dass sich alles noch am Ohr befand.<br />
durchblick<br />
Herausgeber:<br />
durchblick-siegen Information und Medien e.V.,<br />
Im Auftrag der Stadt Siegen – Regiestelle Leben im Alter<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
„Haus Herbstzeitlos“, Marienborner Str. 151, 57074 Siegen<br />
Telefon 0271 61647 ,Mobil: 0171-6206413<br />
E-Mail: redaktion@durchblick-siegen.de<br />
Internet: www.durchblick-siegen.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis donnerstags von 10.00 bis 12.30 Uhr<br />
dienstags auch von von 15.00 bis 17.00 Uhr<br />
Redaktion:<br />
Maria Anspach; Friedhelm Eickhoff (verantw); Fritz Fischer;<br />
Eberhard Freundt; Dieter Gerst; Inge Göbel; Gerda Greis;<br />
Dorothea Istock; Erich Kerkhoff; Erika Krumm; Horst Mahle;<br />
Helga Siebel-Achenbach; Ulli Weber<br />
Bildredaktion:<br />
Thomas Benauer; Friedhelm Eickhoff; Gottfried Klör; Tessie Reeh;<br />
Agnes Spar; Peter Spar; Sabine Völkel<br />
Internet:<br />
Thomas Benauer<br />
An dieser Ausgabe haben ferner mitgewirkt:<br />
Barbara Kerkhoff; Dr. Horst Bach; Helga Düringer; Antonie Dell<br />
Fotos/Zeichnungen/Graphik (soweit nicht im Bild angegeben):<br />
M. Anspach, D. Istock, E. Freundt, Fritz Fischer, E. Kerkhoff,<br />
Toni Diehl, D. Gerst, S. Völkel, A. Spar, Dr. H. Bach; G. Klör;<br />
H. Mahle, T. Benauer, H. Siebel-Achenbach, ,,durchblick-Photoshop-Club<br />
Hör-CD: Helmut Drabe (verantwortlich); Hans-Peter Gebhardt;<br />
Kruno Schmidt; Horst Mahler; Inge Göbel; Erika Grum; Ingrid Drabe;<br />
Siegbert Ullrich; Horst Ehrenspeck<br />
Gestaltung, Satz und Layout:<br />
durchblick – Lektorat<br />
Herstellung und Druck:<br />
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Erscheinungsweise: März, Juni, September, Dezember<br />
Verteilung: Helga Siebel-Achenbach (Ltg.), alle Redakteure, Ellen<br />
Schumacher, Fred Schumacher, Hannelore Münch, Paul Jochum,<br />
Elisabeth Flöttmann, Helga Sperling, Hermann Wilhelm, Dieter<br />
Wardenbach, Ingrid Drabe<br />
Auflage: 10.500. Der durchblick liegt kostenlos in Sparkassen, Apotheken,<br />
Arztpraxen, Zeitungsverlagen, City-Galerie, Geschäften des<br />
Siegerlandzentrums und öffentlichen Gebäuden aus. Für die Postzustellung<br />
berechnen wir für vier Ausgaben jährlich 8 Euro.<br />
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50 durchblick 3/<strong>2008</strong>