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BIRGID HELMY<br />
Mit der Zunahme wirtschaftlicher und sozialer<br />
Probleme zu Beginn des letzten Jahrhunderts verschlechterten<br />
sich kontinuierlich die Versorgung, Behandlung<br />
und Fürsorge. Heilung und humane Medizin rückten aus<br />
dem Fokus. Stattdessen traten Fragen der Wirtschaftlichkeit<br />
in den Vordergrund. In der Folge wurden in der<br />
NS-Diktatur auf dem Eichberg Kinder und Erwachsene<br />
ermordet und zwangssterilisiert, andere nach Hadamar<br />
deportiert. Überlebens chancen hatten nur Patienten,<br />
welche als arbeitstauglich eingestuft wurden. Dieser Teil<br />
der Geschichte wurde mir erst bewusst, nachdem ich<br />
mein Atelier bezogen hatte und zur Mitarbeit in einen<br />
Arbeitskreis „Gedenkstätte“ von Vitos <strong>Rheingau</strong> eingeladen<br />
wurde. Dort werden die konzeptionellen Vorarbeiten<br />
für eine künstlerisch gestaltete Erinnerungsstätte entwickelt.<br />
Ein Gedenkstein für die ermordeten Kinder gibt es<br />
schon und eine öffentliche Gedenkveranstaltung mit informativen<br />
Vorträgen am 1. September jedes Jahres ist<br />
bereits Tradition.<br />
Dieser besondere Ort, auf dem sich mein Atelier befindet,<br />
wirkt auf die künstlerische Arbeit über die Auseinandersetzung<br />
mit den Themen, die sich dort stellen. Die<br />
tägliche Anwesenheit, nicht als Klinikangestellte, nicht<br />
als Patient, nicht als Besucher oder Tourist, bildet nahezu<br />
seismographische Parameter. Alles dringt ein, mal die<br />
sanfte, mal die dramatisch illuminierte Landschaft, der<br />
verletzte Mensch, das Heilen und Vernichten, die Verzweiflung<br />
und die Hoffnung und letztlich die Suche nach<br />
Perspektiven. Themen, die sich auch in den künstlerischen<br />
Arbeiten der anderen Ateliers im Haus 6 wiederfinden.<br />
Großartige Kunstwerke, die im Patientenatelier<br />
entstehen, sind in einer Sammlung zusammengefasst<br />
und gehen immer wieder von dort zu Ausstellungen<br />
quer durch Deutschland oder ins benachbarte Ausland.<br />
Die Ateliers und das Archiv des Künstlerhauses 6<br />
werden nach telefonischer Vereinbarung für Besucher<br />
geöffnet. Das Gelände der Klinik kann jederzeit besucht<br />
werden. Es lohnt sich.<br />
Skulptur „Bubble Gum" auf dem Gelände der Vitos Klinik Rheinhöhe<br />
Alles dringt ein, mal die sanfte, mal die<br />
dramatisch illuminierte Landschaft, der<br />
verletzte Mensch, das Heilen und Vernichten,<br />
die Verzweiflung und die Hoffnung<br />
und letztlich die Suche nach Perspektiven.