Festspielzeit Sommer 2017 Extra
Das Magazin der Bregenzer Festspiele
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OPERNSTUDIO AM KORNMARKT<br />
Der Reiz<br />
der komplexen<br />
Gefühle<br />
Regisseur Jörg Lichtenstein inszeniert mit Die Hochzeit des Figaro<br />
zum zweiten Mal eine Mozart-Oper im Opernstudio am Kornmarkt.<br />
Nach Così fan tutte vor zwei<br />
Jahren folgt nun die Inszenierung<br />
von Die Hochzeit des<br />
Figaro. Was verbindet diese beiden<br />
Stücke und was unterscheidet sie?<br />
Spielte diese Frage bei der Konzeption<br />
eine Rolle?<br />
Jörg Lichtenstein: Natürlich habe<br />
ich versucht, mich Figaro zu nähern,<br />
ohne allzu oft an die Così-Arbeit<br />
zu denken. Das hat auch geklappt,<br />
denn die Werke sind extrem unterschiedlich,<br />
auch wenn sie denselben<br />
Librettisten da Ponte haben und<br />
gemeinsam mit Don Giovanni oft als<br />
Zyklus gesehen werden. Was Figaro<br />
von Così fundamental unterscheidet,<br />
ist vor allem die dramatische<br />
Grundlage. Bei Così hatten mich,<br />
vereinfacht gesagt, als erstes die<br />
Widersprüchlichkeiten und Seltsamkeiten<br />
des Librettos fasziniert. Es<br />
machte Spaß, zu überlegen: Welche<br />
schön absurde Stelle ließe sich ins<br />
Extrem treiben, um eine interessante<br />
szenische Qualität zu erreichen,<br />
und könnten die Frauenfiguren nicht<br />
aktiver sein? All das ist bei Figaro<br />
anders. Beaumarchais' zugrunde<br />
liegendes Stück Der tolle Tag ist<br />
eine sehr gut gebaute Komödie, deren<br />
politische Dimension legendär<br />
ist. Sie hat kaum Schwächen, dafür<br />
tolle Rollen, die ich sofort spielen<br />
möchte! Mir Così ohne Mozarts<br />
Musik vorzustellen, gelänge mir<br />
dagegen gar nicht. Die beiden Annäherungsphasen<br />
waren also sehr<br />
verschieden.<br />
Mit Beaumarchais' Stück vertonte<br />
Mozart als einzige Oper ein zeitgenössisches<br />
Drama, das zudem zensiert<br />
war und nicht aufgeführt werden<br />
durfte. Hat das heute noch eine<br />
Relevanz für die Konzeption, wenn<br />
ein paar hundert Jahre zwischen der<br />
Komposition und der Inszenierung<br />
liegen?<br />
Mozart wollte Der tolle Tag unbedingt<br />
komponieren, obwohl er nun<br />
8<br />
wirklich keinen Auftrag dazu hatte,<br />
vor allem weil er die politischen<br />
Themen seiner Zeit darin fand und<br />
verarbeiten konnte. Sein persönliches<br />
und berufliches Schicksal<br />
von Wohlwollen oder Schikane<br />
einer absolutistischen Obrigkeit<br />
abhängig zu sehen, prägte schließlich<br />
sein ganzes Leben. Außerdem<br />
war das Stück in aller Munde,<br />
obwohl es verboten war oder gerade<br />
deshalb. Das zu wissen, ist wichtig,<br />
zeigt mir aber nicht, was die Oper<br />
für uns heute brisant macht. Zum<br />
Glück erzählt uns die Musik, welche<br />
Konflikte Mozart besonders erregten,<br />
wo er sich mit Beaumarchais'<br />
Zorn identifizieren konnte, welche<br />
Figuren ihn besonders berührten<br />
und für wen er Räume des Unnennbaren<br />
und Verrätselten entdeckte.<br />
Damit übertraf er weit die Möglichkeiten<br />
des Schauspiels. Auf Anhieb<br />
spannend fand ich die verwickelten<br />
Liebeskämpfe, Verzweiflungen und<br />
Einsamkeiten vor allem der weiblichen<br />
Figuren und natürlich die