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Ostbayern-Kurier_Dezember-2017_NORD

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18 <strong>Ostbayern</strong><br />

www.ostbayern-kurier.de<br />

Klinikpersonal kämpft gegen Überlastung<br />

Pflegekräfte gegen unzumutbare Zustände für Mitarbeiter und Patienten: Kollektive Gefährungsanzeigen<br />

<strong>Ostbayern</strong>. Für Krankenschwester<br />

Erika (Name geändert)<br />

ist jeder Arbeitstag<br />

ein Horrortrip. Weil ihre<br />

Kolleginnen und sie einfach<br />

zu wenige sind, um<br />

die ihnen „anvertrauten“<br />

Patienten so zu versorgen,<br />

wie es fachlich richtig und<br />

gesetzlich vorgeschrieben<br />

wäre.<br />

Über „Ganzkörper-Hygiene<br />

in vier Minuten“, hastige<br />

Tabletten-Füllerei in der<br />

offiziellen Pause, Patienten,<br />

die eine halbe Stunde und<br />

länger auf der Toilette ausharren<br />

müssen und weitere<br />

Alltags-Albträume hat uns<br />

die alleinerziehende Mutter<br />

in der Juni-Ausgabe berichtet.<br />

Nun zeichnet sich ein<br />

Silberstreif am Horizont ab.<br />

Das liegt zunächst einmal<br />

nicht an Gesundheitsministerin<br />

Melanie Huml. Für das<br />

Statement aus deren Hause,<br />

das wir im Juni ebenfalls<br />

veröffentlicht haben, hat<br />

Erika nur ein verächtliches<br />

Schnauben übrig, als wir uns<br />

vier Monate später erneut im<br />

Café treffen.<br />

Grob gesagt, ließ das Ministerium<br />

wissen, dass es keine<br />

staatliche Überwachung für<br />

Krankenhäuser gebe. Sollten<br />

durch zu wenig Personal<br />

Fehler und Unterlassungen<br />

bei der Betreuung der Patienten<br />

vorkommen – etwa<br />

wenn eine Schwester eine<br />

Krankenblatt-Dokumentation<br />

mit Fantasie-Zahlen füllt,<br />

weil ihr die Zeit fehlt, die entsprechenden<br />

Maßnahmen<br />

tatsächlich abzuarbeiten –<br />

dann könnten die Kolleginnen<br />

das ja dem Arbeitgeber<br />

melden. Der könne dann<br />

disziplinarisch tätig werden<br />

und Strafanzeige erstatten.<br />

„Der Arbeitgeber weiß es”<br />

„Dem Arbeitgeber melden,<br />

der weiß es doch eh“, so Erika,<br />

„der sieht doch jeden Monat,<br />

wie unsere Überstunden<br />

steigen!“ Von Melanie Huml<br />

hält sie nicht viel. Die kenne<br />

zwar den Arbeitsalltag von<br />

Ärzten einigermaßen, vom<br />

Pflegepersonal verstehe sie<br />

aber anscheinend deutlich<br />

weniger.<br />

Mehr Vertrauen hat Erika<br />

in eine Kollegin, die sie bei<br />

An die Geschäftsführung<br />

der XXXXXX<br />

Bahnhofstr.<br />

Gefährdungsanzeige<br />

Arbeitsüberlastung am XXXX auf der Abteilung .flkdflfldfjl<br />

Sehr geehrte Frau XXXX,<br />

der Pflege-Demo im Juni in<br />

Regensburg kennengelernt<br />

hat. Auch in deren ostbayerischem<br />

Krankenhaus<br />

habe es die Mängel in der<br />

Patienten-Betreuung gegeben,<br />

die Erika von ihrem<br />

eigenen Arbeitsplatz in<br />

einem großen Oberpfälzer<br />

Haus so gut kennt. Die<br />

Kollegin – nennen wir sie<br />

Simone – riet ihr: „Macht gegenüber<br />

eurem Arbeitgeber<br />

Gefährdungsanzeigen.“<br />

Doch dabei gebe es einiges<br />

zu beachten.<br />

Pflicht nicht erfüllt<br />

Was ist eine Gefährdungsanzeige<br />

überhaupt? „Dein<br />

Arbeitgeber stellt dich ein,<br />

damit du nach Treu und<br />

Glauben die Pflichten erledigst,<br />

die dein Arbeitsvertrag<br />

vorsieht“, erklärt mir Erika.<br />

Wenn das nicht möglich<br />

Vorbach, du.si.ds.s<br />

in unserer Abteilung XXXXXXXXXXXX ist es am XX.XX.XXXX zu einer erheblichen Arbeitsüberlastung<br />

aufgrund des ungeplanten Personalausfalls sowie der unbesetzten Stellen gekommen.<br />

Wir konnten aufgrund der engen Personaldecke nicht mehr gewährleisten alle Patienten regelmäßig<br />

zu lagern. Die Lagerungspläne sowie die Dokumentation konnte bei folgenden Patienten nicht<br />

ordnungsgemäß erledigt werden:<br />

- Manueal Dietz<br />

- Manuela Ddietz<br />

- Manuela Dietz<br />

- Manuelafle fkjj<br />

- Manue Dieldsie<br />

- SLDkfjie sljfiefj<br />

Des Weiteren konnten wir die täglich geforderten Überwachungen von Vitalzeichen bei folgenden<br />

Patienten nicht erbringen:<br />

- _ Manfle<br />

- LDfiejfelfalf<br />

- Manfldfeiaf<br />

- Kdlfdajfj<br />

- Dfklaöfja<br />

Wir können aufgrund der Personalsituation unsere Arbeit nicht ordnungsgemäß und gründlich<br />

erledigen. Wir weisen darauf hin, dass im Falle derartiger Überlastung Fehler bei der Erbringung der<br />

Arbeitsleistung nicht ausgeschlossen sind. Wir möchten Sie deshalb darauf hinweisen, dass es<br />

insbesondere in folgenden Bereichen möglicherweise Schäden<br />

auftreten....................................................................................................................................................<br />

.........................................................<br />

Aufgrund der Tatsache, dass diese Überlastung auf einer von uns nicht zu vertretenden Organisation<br />

der Abteilung beruht, können wir die Verantwortung für eventuell auftretende Fehler im Rahmen<br />

unserer Arbeitsleistung nicht übernehmen. Dies gilt insbesondere für eventuelle<br />

Schadensersatzansprüche Dritter. Wir werden etwaige Rügen unserer Arbeitsleistung, z.B. in Form von<br />

Abmahnungen oder Ermahnungen zurückweisen. Des Weiteren behalten wir uns vor,<br />

Arbeitsleistungen zu verweigern, die über den Rahmen der gesetzlichen oder vertraglichen<br />

Bestimmungen hinausgehen.<br />

Wir sind gerne bereit in einem Gespräch mit Ihnen und der Arbeitnehmervertretung mögliche<br />

Abhilfemaßnahmen zu diskutieren.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Station .dflkf<br />

Eine Gefährdungsanzeige kann Erika und ihren Kolleginnen vielleicht helfen. Doch dabei<br />

gibt es einiges zu beachten.<br />

ist – etwa alle Patienten zu<br />

versorgen – dann müssen<br />

die Arbeitnehmer das<br />

dem Arbeitgeber melden,<br />

sonst sind sie selbst bei<br />

Beschwerden oder Anzeigen<br />

in der Verantwortung. Die<br />

Arbeitnehmer haben ihre<br />

arbeitsvertragliche Pflicht<br />

nicht erfüllt.<br />

Durch die Gefährdungsanzeige<br />

bekommt der<br />

Arbeitgeber offiziell Kenntnis<br />

davon, dass und warum das<br />

nicht ging – nun wandert die<br />

Verantwortung zu ihm.<br />

Vorsicht vor Repressalien<br />

Aber dabei, weiß Erika<br />

von Simone, sei Vorsicht<br />

geboten: Klinik- und Seniorenheimbetreiber<br />

reagieren<br />

nicht immer erfreut über<br />

solche Gefährdungsanzeigen.<br />

Ein einzelner<br />

Arbeitnehmer, der den Kopf<br />

zu weit hinausstreckt, ist<br />

meist leichte Beute für den<br />

Arbeitgeber – auch wenn<br />

der Beschäftigte hundert<br />

Mal im Recht ist. Gezieltes<br />

Mobbing, ungerechtfertigte<br />

Abmahnungen – selbst wenn<br />

sie hinterher wieder kassiert<br />

werden –, Versetzungen, fadenscheinige<br />

Kündigungen<br />

und vieles mehr gehören<br />

zum alltäglichen Arsenal.<br />

Also doch kein Silberstreif?<br />

„Schon“, sagt Erika. „Wenn<br />

man die Gefährdungsanzeige<br />

als Kollektiv macht.“<br />

Ihre Kollegin Simone ließ<br />

damals die komplette Abteilung<br />

mit Ausnahme der<br />

beiden Abteilungsleiterinnen<br />

unterschreiben. „Du kannst<br />

schließlich bei der heutigen<br />

Personalsituation nicht eine<br />

ganze Abteilung auf einmal<br />

kündigen“, grinst Erika.<br />

Idee kam über ver.di<br />

Auf die Idee der kollektiven<br />

Gefährdungsanzeige kam<br />

Simone im Frühjahr durch<br />

Manuela Dietz, stellvertretende<br />

Bezirksgeschäftsführerin<br />

bei ver.di Oberpfalz.<br />

Dietz hat selbst jahrelang als<br />

Schwester gearbeitet und<br />

ist mit den Problemen von<br />

Erika und Simone bestens<br />

vertraut. Wir haben uns über<br />

das Thema „Gefährdungsanzeige“<br />

separat mit Manuela<br />

Dietz unterhalten (siehe<br />

nebenstehendes Interview).<br />

Erika und ihre Kolleginnen<br />

sind zwischenzeitlich größtenteils<br />

in ver.di organisiert.<br />

Das Beispiel von Simones<br />

Abteilung spornt sie an.<br />

Deren Arbeitgeber hat nach<br />

zähem Ringen jetzt mehreren<br />

Verbesserungen zugestimmt,<br />

um die Zustände in<br />

der Klinik menschenwürdiger<br />

zu machen. Für Patienten und<br />

Personal. Vor allem wurden<br />

die Stunden-Kontingente

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