GAB Januar 2018
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32 GESUNDHEIT<br />
Thema<br />
„Depression“<br />
FOTO: PDPICS, PIXABAY.COM, GEMEINFREI<br />
Manuel „Suri“ Fricke ist nach<br />
seinem Jahr als Mr Leather<br />
Hessen zum Mr Fetish Germany 2017<br />
gewählt worden. Seine Amtszeit<br />
möchte er nutzen, um auf das Tabuthema<br />
„Depression“ aufmerksam<br />
zu machen. Im Interview erzählt er<br />
warum.<br />
Dein Anliegen als Mr Fetisch Germany<br />
ist unter anderem dem Thema<br />
„Depression“ eine Stimme zu geben;<br />
du hast selbst Erfahrung damit<br />
gesammelt. Warum ist es so schwer<br />
darüber zu sprechen?<br />
Es ist für viele schwierig darüber zu sprechen,<br />
weil sie Angst haben, offen zuzugeben,<br />
dass sie eine Schwäche haben. Bei der Arbeit<br />
möchte man funktionieren oder bei Freunden<br />
nicht als Jammerlappen dastehen.<br />
Du hast ja auch einen Spitznamen,<br />
Suri, was hat es damit auf sich?<br />
Suri ist die Kurzform für meinen Spitznamen<br />
„Survivor“. Den habe ich seit meinem<br />
15. Lebensjahr, ich habe ihn in einer Brieffreundschaft<br />
benutzt. Meine Brieffreundin<br />
und spätere beste Freundin, hat „Survivor“<br />
in „Suri“ gekürzt. Dieser Spitzname hat<br />
mich seit meiner ersten Depression, die ich<br />
vor zehn Jahren hatte, begleitet. „Survivor“<br />
– sich durchkämpfen, überleben und<br />
einfach weitermachen. Ich hatte damals<br />
einen Selbstmordversuch hinter mir, und<br />
danach habe ich mir gesagt, jetzt muss<br />
sich was ändern, und da war „Survivor“<br />
einfach auch begleitend. Und ich benutze<br />
„Suri“ immer noch sehr stolz.<br />
Was hast du gegen deine Depression<br />
unternommen?<br />
Noch bevor ich meine Depression selbst<br />
INTERVIEW<br />
EINER MUSS DEN<br />
ERSTEN SCHRITT WAGEN<br />
anerkannt habe, habe ich eigentlich immer<br />
die Probleme anderer analysiert und geholfen<br />
wo ich helfen konnte. Ich wusste eigentlich<br />
auch sehr schnell, wo meine eignen<br />
Probleme herrühren, ich war bloß immer zu<br />
faul oder zu feige, etwas dagegen zu unternehmen.<br />
Und ich habe sie durch die Probleme<br />
der anderen unter den Teppich gekehrt.<br />
Nach meinem Selbstmordversuch habe ich<br />
beschlossen, meine Probleme zu beenden.<br />
Zumindest die Probleme, von denen ich<br />
damals dachte, dass es die Probleme sind,<br />
um die es geht. Ich habe mit meiner Familie<br />
gesprochen, ich habe eine Beziehung beendet,<br />
die mir nicht gut getan hat, bin umgezogen<br />
und so weiter. Vor drei Jahren hatte<br />
ich dann einen argen Rückfall, zu viel Stress<br />
nach einer Berufsausbildung, erfolglose<br />
Jobsuche, das schlechte Gewissen, meinem<br />
Mann auf der Tasche zu liegen, und vieles<br />
mehr. Und da habe ich mir professionelle<br />
Hilfe geholt. Ich hatte Glück und schnell<br />
einen Therapieplatz bekommen. Da musste<br />
einfach alles rausgeheult und rausgeschrien<br />
werden. Bei meiner Therapeutin konnte ich<br />
mich richtig öffnen und mit ihr über alles<br />
reden. Das tat mit sehr gut. Sie hat mir aber<br />
auch sehr viele Dinge aufgezeigt, die mir gar<br />
nicht so bewusst waren. Ich habe auch mit<br />
Freunden über ihre Therapien gesprochen.<br />
Der Austausch war wichtig, um zu lernen:<br />
Ja, das hat etwas Gutes, dies auch, und<br />
auch mein eigener Weg hat auch etwas<br />
Gutes, vielleicht finde ich einen Mittelweg.<br />
Der Austausch zwischen Gleichleidenden<br />
tut sehr gut!<br />
Gibt es Stellen, wo man sich hinwenden<br />
kann?<br />
Ich persönlich höre immer gerne zu, ich<br />
muss aber auch sagen, dass ich kein<br />
Professioneller bin. Ich kann auch nur aus<br />
meiner Erfahrung berichten. Ansonsten<br />
kann man natürlich erst mal mit dem<br />
Leben mit Depression<br />
Hausarzt reden, je nachdem<br />
wie man ihm vertraut. So war<br />
das bei mir. Mein Hausarzt<br />
hat mich an die Uniklinik in<br />
die Abteilung für Psychologie<br />
und Psychotherapie<br />
geschickt. Dort hatte ich ein<br />
Beratungsgespräch, und man<br />
hat mit Adressen weitergeholfen.<br />
Man kann bei Therapeuten<br />
auch erst mal einen Probetermin<br />
ausmachen, einfach um festzustellen, wie<br />
dringend eine Therapie ist. Es gibt auch<br />
die Deutsche Depressionshilfe, mit denen<br />
ich gerade versuche, eine Kooperation<br />
aufzubauen.<br />
FOTO: IWAN VALENTIN<br />
Was hast du gelernt, das du weitergeben<br />
kannst?<br />
Ich sage immer, Stress macht man sich<br />
selbst, und ein Stückweit geht es mit<br />
den Depressionen den gleichen Weg. Der<br />
Grund für dein Glück sind immer die eigenen<br />
Wünsche und die Realität; wie sieht<br />
der Wunsch aus und wie die Realität – da<br />
muss man einen Kompromiss finden. Ich<br />
hatte lange überlegt, ob ich zur Wahl zum<br />
Mr Fetish Germany antreten soll, ob ich<br />
mir das nochmal zutraue. Aber ich habe<br />
mich entschieden, es zu tun und mit dem<br />
Thema „Depression“ auf die Bühne zu<br />
gehen. Und nicht, weil ich Mitleid möchte.<br />
Das wäre das Falsche gewesen, denn daran<br />
wäre ich wieder zugrunde gegangen. Aber<br />
ich spreche über das Thema. Einer muss ja<br />
mal den ersten Schritt machen. Da bin ich<br />
jetzt schon einfach stolz drauf. Ich weiß,<br />
ich habe vielen bereits Mut gemacht, und<br />
wenn auch nur einer zum Arzt gegangen<br />
ist, reicht es schon. Und wenn nicht, habe<br />
ich es zumindest versucht.<br />
*Interview: Björn Berndt<br />
Kontakt über Facebook<br />
unter „Manuel Fricke“<br />
VERANSTALTUNGSTIPP<br />
Verbockt! Depression und<br />
Suizidgedanken<br />
Autor Markus Bock spricht über Depressionen<br />
und Suizidgedanken. Es geht nicht<br />
um Zahlen, Daten, Fakten, sondern um<br />
einen ungeschönten Blick auf die Gefühlswelt<br />
in depressiven Lebensabschnitten.<br />
Ein verständnisvoller Tatsachenbericht.<br />
*bjö<br />
11.1., Switchboard, Alte Gasse 36,<br />
Frankfurt, 20 Uhr,<br />
www.switchboard-ffm.de