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KÖLN 7<br />
schen Initiativen wie den Pride Salon, die<br />
Rainbow Refugees oder das Rubicon, wo<br />
hervorragende Arbeit geleistet wird. Die<br />
gibt es in Berlin aber natürlich auch. Von<br />
daher haben beide Städte etwas.<br />
Was erwartest von einer neuen<br />
Regierung?<br />
Ich würde mir wünschen – und ich erwarte<br />
das auch – dass eine neue Regierung<br />
sich nicht vom Rollback im Land und der<br />
Präsenz der AfD treiben lässt, sondern<br />
dass sie im Gegenteil eine progressive<br />
Gesellschaftspolitik macht. Wenn wir<br />
unserem Grundgesetz entsprechen<br />
wollen, also gleiche Rechte und Würde<br />
für alle, müssen wir noch sehr viel tun<br />
in Bereichen wie Antidiskriminierung,<br />
gesellschaftliche Vielfalt und Selbstbestimmung.<br />
Ich erwarte, dass von der<br />
neuen Bundesregierung diese Haltung in<br />
den Mittelpunkt ihrer Gesellschaftspolitik<br />
gestellt wird. Das erwarte ich übrigens<br />
von jeder Bundesregierung, unabhängig<br />
davon, ob Grüne daran beteiligt sind oder<br />
nicht.<br />
Hättet ihr die CDU mit zwei<br />
liberalen Parteien als Partner zu<br />
mehr Zugeständnissen in diesen<br />
Fragen zwingen können?<br />
Ja. Ich fand, in gesellschaftspolitischen<br />
Fragen hätten sich FDP und Grüne<br />
verbünden sollen. Schon in der ersten<br />
Runde der Sondierungen hatte die Union<br />
klargestellt, dass sie bei „nicht traditionellen<br />
Familienformen“ eigentlich keinen<br />
Änderungsbedarf sah. Ich allerdings<br />
sehe da massiven Änderungsbedarf,<br />
weil der Staat nicht vorschreiben sollte,<br />
wie jemand zu<br />
leben hat, sondern<br />
die Vielfalt<br />
der Lebensweisen<br />
anerkennen und<br />
rechtlich absichern<br />
sollte. Ich glaube, das<br />
sieht die FDP ähnlich.<br />
Beispielsweise bei dem von uns<br />
geforderten Aktionsplan gegen Homound<br />
Transfeindlichkeit, bei der Reform<br />
des Transsexuellengesetzes – ich glaube<br />
da sind Bündnisse möglich und notwendig,<br />
denn bei der Union ist da wenig zu<br />
erwarten.<br />
„Wir müssen Armut<br />
in diesem Land<br />
verringern. Das ist<br />
mein persönliches<br />
Ziel.“<br />
Was möchtest du in den vier Jahren<br />
erreichen?<br />
Ich werde einen Schwerpunkt meiner Arbeit<br />
auf das Thema soziale Gerechtigkeit<br />
und Armutsvermeidung setzen, vor allem<br />
bei Älteren und bei Kindern und Familien.<br />
Wie geht es Menschen ohne Wohnung,<br />
Hartz-IV-Empfängern, Alleinerziehenden?<br />
Da haben wir noch einiges zu tun, damit<br />
Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde<br />
des Menschen ist unantastbar“ auch für<br />
diese Menschen<br />
gilt. Die nächste<br />
Regierung muss<br />
so arbeiten, dass<br />
man in vier Jahren<br />
sagen kann: Wir<br />
haben Armut in diesem<br />
Land verringert. Das ist<br />
mein persönliches Ziel.<br />
Hättest du auch mit Nein<br />
gestimmt, wenn es doch geklappt<br />
hätte mit der Jamaika-Koalition,<br />
aber diese Ziele nicht erreicht<br />
worden wären?<br />
Ich hätte meine Zustimmung zu einem<br />
Vertrag davon abhängig gemacht, ob ein<br />
Politikwechsel, für den ich und wir Grüne<br />
im Wahlkampf angetreten sind, erkennbar<br />
und garantiert ist. Ich lege großen<br />
Wert darauf, dass Abgeordnete in ihrer<br />
Entscheidung frei sind. Wenn ich persönlich<br />
diesen Politikwechsel – vor allem<br />
in den sozialen und gesellschaftspolitischen<br />
Fragen – nicht erkennen kann,<br />
dann hätte ich ein solches Projekt auch<br />
nicht mitgetragen.<br />
Gibt es schon irgendeine<br />
Überraschung, irgendetwas, womit<br />
du nicht gerechnet hättest hier in<br />
deinem neuen Job?<br />
Nichts Spezielles. Ich fühle mich in einigen<br />
Sachen bestätigt, hier läuft alles<br />
schneller und professioneller. Man muss<br />
dann aber natürlich auch sehr gewieft<br />
sein, um politisch Einfluss nehmen zu<br />
können.<br />
*Interview: Christian Knuth