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akzent Januar 2018 BO

akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN

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34<br />

<strong>BO</strong>DY & SOUL<br />

ewigen Geschwafel über die Kindheit<br />

– ich kennen so viele Patienten,<br />

die sind missbraucht worden<br />

und haben trotzdem eine erfüllte<br />

Sexualität. Und was hilft es denn,<br />

wenn ich weiß, warum ich krank<br />

bin? Das erklärt mir die Gegenwart,<br />

aber es heilt nicht. Es reißt<br />

höchstens noch mehr Wunden<br />

auf. Mich stört vor allem, dass<br />

die meisten Therapeuten nur aufs<br />

Negative fokussieren – dabei ist<br />

in jeder Biografie auch Positives.<br />

Bei vielen Patienten ist es meine<br />

Aufgabe, einfach nur zu sagen:<br />

Es ist völlig okay, wie Sie sind. Sie<br />

dürfen so sein. Solange es keinen<br />

anderen beeinträchtigt.<br />

<strong>akzent</strong>: Was kann man tun? Was<br />

ist beste Therapie?<br />

C. P. Dogs: Freunde haben und<br />

Gefühle zulassen. Nicht gleich dagegen<br />

angehen. Viele Dinge gehen<br />

von selber vorbei, wenn ich ihnen<br />

nicht diese Bedeutung gebe.<br />

Wenn ich in die Akzeptanz gehe,<br />

verlieren Gefühle ihren Schrecken.<br />

Ich darf mich schuldig fühlen, ich<br />

darf traurig sein. Nur wer unten<br />

kennt, kennt auch oben. Wenn<br />

ich Gefühle akzeptiere, dürfen sie<br />

mich sogar ein Leben lang begleiten.<br />

Ich muss sie nicht abarbeiten.<br />

Sie machen nicht krank. Sie<br />

sind nicht behandlungsbedürftig.<br />

Zum Trauma werden viele Dinge<br />

erst, weil wir sie zum Trauma machen.<br />

Deswegen sage ich: Ja, sei<br />

traurig, ja, hab Angst. Wer lernt,<br />

die Gefühle abzuspalten, die nicht<br />

erlaubt sind, wird wirklich krank.<br />

Wer seine Traurigkeit immer unterdrückt,<br />

bekommt wirklich eine<br />

schwere Angststörung oder eine<br />

schwere Depression.<br />

<strong>akzent</strong>: Und wie weiß man, dass<br />

man wirklich Hilfe braucht?<br />

C. P. Dogs: Die Grenze zwischen<br />

Depression und Trauer ist relativ<br />

leicht zu ziehen. Der Traurige<br />

kann seinen Affekt modulieren,<br />

kann mal lachen, mal weinen.<br />

Kann am Grab sehr traurig sein<br />

und beim Totenmahl auch wieder<br />

lachen. Der Depressive kann nicht<br />

mehr lachen, hat gar keine Freude<br />

mehr, hat den Kontakt zu seinen<br />

Gefühlen verloren. Er ist versteinert.<br />

Wenn ich merke, ich kann<br />

meinen Affekt nicht mehr verändern,<br />

dass ich das Gefühl der Gefühlslosigkeit<br />

habe, obwohl keine<br />

Lebensereignisse da sind, die<br />

dazu hätten führen können, dann<br />

brauche ich Hilfe. Aber ich brauche<br />

keinen, der mich krank redet,<br />

sondern einen, der mir hilft, an<br />

meine Ressourcen zu kommen. Es<br />

hilft nicht, immer wieder in alten<br />

Wunden zu stochern, die wir oft<br />

nicht einmal kennen.<br />

<strong>akzent</strong>: Warum nehmen Depressionen<br />

und Burnouts zu?<br />

C. P. Dogs: Viele Deutsche leben<br />

so, dass sie depressiv werden<br />

müssen. Wir Deutschen leben<br />

hochfunktional. Wir arbeiten die<br />

ganze Zeit bis zur Erschöpfung.<br />

Das bringt Anerkennung. Wir<br />

beherrschen unsere Gefühle und<br />

sind auch noch stolz darauf. Das<br />

macht krank. Das erste Anzeichen<br />

für beginnenden Burnout ist,<br />

wenn die Leute keine Lust mehr<br />

haben, im Auto das Radio einzuschalten.<br />

<strong>akzent</strong>: Sie wurden als Kind<br />

schwer misshandelt – körperlich<br />

und psychisch. Sind auf die schiefe<br />

Bahn geraten, waren drogensüchtig.<br />

Warum erzählen Sie das<br />

öffentlich?<br />

C. P. Dogs: Die meisten Therapeuten<br />

verstecken sich. Das muss<br />

aufhören. Wie soll man Bindung<br />

aufbauen, wenn der eine die Hosen<br />

runterlässt und der andere<br />

sich gar nicht zeigt? Mein großer<br />

Vorteil in der Psychiatrie ist, dass<br />

ich eben nicht der ferne Arzt bin.<br />

Mit meiner eigenen Geschichte,<br />

von der ich einen Bruchteil erzähle,<br />

zeige ich, dass auch mit<br />

einem katastrophal zerstörenden<br />

Start ein erfülltes und erfolgreiches<br />

Leben möglich ist. Dass es<br />

einen Ausweg gibt aus Angst und<br />

Depressionen. Ich sage meinen

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