akzent Januar 2018 BO
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN
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<strong>BO</strong>DY & SOUL<br />
ewigen Geschwafel über die Kindheit<br />
– ich kennen so viele Patienten,<br />
die sind missbraucht worden<br />
und haben trotzdem eine erfüllte<br />
Sexualität. Und was hilft es denn,<br />
wenn ich weiß, warum ich krank<br />
bin? Das erklärt mir die Gegenwart,<br />
aber es heilt nicht. Es reißt<br />
höchstens noch mehr Wunden<br />
auf. Mich stört vor allem, dass<br />
die meisten Therapeuten nur aufs<br />
Negative fokussieren – dabei ist<br />
in jeder Biografie auch Positives.<br />
Bei vielen Patienten ist es meine<br />
Aufgabe, einfach nur zu sagen:<br />
Es ist völlig okay, wie Sie sind. Sie<br />
dürfen so sein. Solange es keinen<br />
anderen beeinträchtigt.<br />
<strong>akzent</strong>: Was kann man tun? Was<br />
ist beste Therapie?<br />
C. P. Dogs: Freunde haben und<br />
Gefühle zulassen. Nicht gleich dagegen<br />
angehen. Viele Dinge gehen<br />
von selber vorbei, wenn ich ihnen<br />
nicht diese Bedeutung gebe.<br />
Wenn ich in die Akzeptanz gehe,<br />
verlieren Gefühle ihren Schrecken.<br />
Ich darf mich schuldig fühlen, ich<br />
darf traurig sein. Nur wer unten<br />
kennt, kennt auch oben. Wenn<br />
ich Gefühle akzeptiere, dürfen sie<br />
mich sogar ein Leben lang begleiten.<br />
Ich muss sie nicht abarbeiten.<br />
Sie machen nicht krank. Sie<br />
sind nicht behandlungsbedürftig.<br />
Zum Trauma werden viele Dinge<br />
erst, weil wir sie zum Trauma machen.<br />
Deswegen sage ich: Ja, sei<br />
traurig, ja, hab Angst. Wer lernt,<br />
die Gefühle abzuspalten, die nicht<br />
erlaubt sind, wird wirklich krank.<br />
Wer seine Traurigkeit immer unterdrückt,<br />
bekommt wirklich eine<br />
schwere Angststörung oder eine<br />
schwere Depression.<br />
<strong>akzent</strong>: Und wie weiß man, dass<br />
man wirklich Hilfe braucht?<br />
C. P. Dogs: Die Grenze zwischen<br />
Depression und Trauer ist relativ<br />
leicht zu ziehen. Der Traurige<br />
kann seinen Affekt modulieren,<br />
kann mal lachen, mal weinen.<br />
Kann am Grab sehr traurig sein<br />
und beim Totenmahl auch wieder<br />
lachen. Der Depressive kann nicht<br />
mehr lachen, hat gar keine Freude<br />
mehr, hat den Kontakt zu seinen<br />
Gefühlen verloren. Er ist versteinert.<br />
Wenn ich merke, ich kann<br />
meinen Affekt nicht mehr verändern,<br />
dass ich das Gefühl der Gefühlslosigkeit<br />
habe, obwohl keine<br />
Lebensereignisse da sind, die<br />
dazu hätten führen können, dann<br />
brauche ich Hilfe. Aber ich brauche<br />
keinen, der mich krank redet,<br />
sondern einen, der mir hilft, an<br />
meine Ressourcen zu kommen. Es<br />
hilft nicht, immer wieder in alten<br />
Wunden zu stochern, die wir oft<br />
nicht einmal kennen.<br />
<strong>akzent</strong>: Warum nehmen Depressionen<br />
und Burnouts zu?<br />
C. P. Dogs: Viele Deutsche leben<br />
so, dass sie depressiv werden<br />
müssen. Wir Deutschen leben<br />
hochfunktional. Wir arbeiten die<br />
ganze Zeit bis zur Erschöpfung.<br />
Das bringt Anerkennung. Wir<br />
beherrschen unsere Gefühle und<br />
sind auch noch stolz darauf. Das<br />
macht krank. Das erste Anzeichen<br />
für beginnenden Burnout ist,<br />
wenn die Leute keine Lust mehr<br />
haben, im Auto das Radio einzuschalten.<br />
<strong>akzent</strong>: Sie wurden als Kind<br />
schwer misshandelt – körperlich<br />
und psychisch. Sind auf die schiefe<br />
Bahn geraten, waren drogensüchtig.<br />
Warum erzählen Sie das<br />
öffentlich?<br />
C. P. Dogs: Die meisten Therapeuten<br />
verstecken sich. Das muss<br />
aufhören. Wie soll man Bindung<br />
aufbauen, wenn der eine die Hosen<br />
runterlässt und der andere<br />
sich gar nicht zeigt? Mein großer<br />
Vorteil in der Psychiatrie ist, dass<br />
ich eben nicht der ferne Arzt bin.<br />
Mit meiner eigenen Geschichte,<br />
von der ich einen Bruchteil erzähle,<br />
zeige ich, dass auch mit<br />
einem katastrophal zerstörenden<br />
Start ein erfülltes und erfolgreiches<br />
Leben möglich ist. Dass es<br />
einen Ausweg gibt aus Angst und<br />
Depressionen. Ich sage meinen