Grundschule aktuell 134
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Thema: Flüchtlingskinder – Herausforderungen und Chancen<br />
nur zu suchen, wenn es Probleme gibt.<br />
Um dem zu begegnen, sollten regelmäßige<br />
Lernstands- und Entwicklungsgespräche<br />
durchgeführt werden. Dabei<br />
muss eine einseitige Stärkenorientierung<br />
vermieden und auch über Lücken<br />
und Defizite gesprochen werden. Die<br />
ungewohnte Beschränkung auf Fortschritte<br />
und Stärken kann Eltern nämlich<br />
zu groben Fehleinschätzungen verleiten.<br />
Gemeinsames Bemühen<br />
um den Bildungserfolg<br />
Auch Flüchtlinge und Asylsuchende<br />
gehen zunächst davon aus, dass die<br />
von ihnen erwartete Unterstützung der<br />
schulischen Bildungsarbeit in Hausaufgabenhilfe<br />
besteht. Diesem Eindruck<br />
gilt es entgegenzuwirken. Es genügt<br />
vollkommen, wenn sie sich darauf beschränken,<br />
darauf zu achten, dass die<br />
Kinder ihre Aufgaben zu vernünftigen<br />
Zeiten, vollständig und sorgfältig erledigen.<br />
Erfolgreiche häusliche Unterstützung<br />
der schulischen Bildungsarbeit<br />
besteht nach neueren Metaanalysen<br />
(Hill & Tyson 2009; Jeynes 2011) im<br />
Wesentlichen aus drei Elementen:<br />
●●<br />
Eltern sollten hohe, aber realistische<br />
Leistungserwartungen gegenüber dem<br />
Kind zeigen, die mit viel Vertrauen in<br />
die Fähigkeiten des Kindes und mit viel<br />
Optimismus gepaart sind.<br />
●●<br />
Sie sollten einen autoritativen Erziehungsstil<br />
praktizieren, der charakterisiert<br />
ist durch<br />
––<br />
Liebe und Wärme,<br />
––<br />
Ermutigung und Förderung von<br />
Selbstständigkeit,<br />
––<br />
Disziplin, Struktur, Ordnung und<br />
Regeln.<br />
●●<br />
Sie sollten intensiv und häufig kommunizieren<br />
mit dem Kind – keineswegs<br />
nur über Schulangelegenheiten,<br />
und auch nicht zwingend über anspruchsvolle<br />
Themen. PISA-Begleituntersuchungen<br />
zeigten, dass auch schon<br />
regelmäßige Gespräche mit Kindern<br />
bei den Mahlzeiten mit durchschnittlichen<br />
Leistungsvorsprüngen von jeweils<br />
einem ganzen Schuljahr sowohl im<br />
Lesen als auch in Mathematik und in<br />
den Naturwissenschaften einhergehen<br />
(OECD 2010, S. 189).<br />
Bemerkenswert ist, dass diese drei<br />
Elemente der wünschenswerten häuslichen<br />
Unterstützung weder einen höheren<br />
Schulabschluss noch die Beherrschung<br />
der deutschen Sprache voraussetzen.<br />
Man darf also Flüchtlinge und<br />
Asylsuchende, die häufig glauben, nur<br />
wenig zum Bildungserfolg ihrer Kinder<br />
beitragen zu können, durchaus ermutigen.<br />
Zugleich sind sie mit dem Hinweis<br />
auf diese Befunde aber auch stärker in<br />
die Verantwortung zu nehmen.<br />
Das alles macht natürlich einen erheblichen<br />
Bedarf an Elternberatung<br />
und Elternbildung sichtbar. Die nötigen<br />
Hinweise und Hilfen können<br />
Flüchtlinge und Asylsuchende in persönlichen<br />
Gesprächen und in besonderen<br />
Veranstaltungen an der Schule<br />
erhalten, die sich aber auch der Unterstützung<br />
durch externe Personen und<br />
Institutionen versichern muss. Oft gibt<br />
es zudem kompetente und bereite Eltern,<br />
die entsprechende Arbeitsgruppen<br />
und Gesprächskreise übernehmen.<br />
Betreuer für jedes Kind<br />
Flüchtlingen und Asylsuchenden ist es<br />
oft zumindest in der Anfangszeit nicht<br />
möglich, die Betreuerrolle für das eigene<br />
Kind zu übernehmen. In diesem Falle<br />
sollte die Schule andere Personen gewinnen,<br />
die dies ersatzweise tun – einzelne<br />
Lehrkräfte, Elternvertreter, andere<br />
Eltern, welche eine Art Patenschaft<br />
übernehmen, Sozialarbeiter oder spezielle<br />
Integrationslotsen, die im Ausland<br />
unter verschiedenen Bezeichnungen<br />
firmieren: Cultural Broker, Home Liaisons,<br />
Refugee Worker oder Multicultural<br />
Aides. Auch wenn deren Aufgaben-<br />
und Tätigkeitsbereiche nicht immer<br />
ganz deckungsgleich sind, so sind<br />
sie doch immer Mittler zwischen den<br />
Flüchtlingen und Asylsuchenden einerseits<br />
und der Schule oder anderen Institutionen<br />
und Behörden andererseits.<br />
Wichtig ist, dass die Betreuer nicht für<br />
zu viele Kinder zuständig sind, um eine<br />
wirklich persönliche Begleitung zu gewährleisten.<br />
Machtteilung<br />
Bei Entscheidungen der Schule in Gremien<br />
mitzuwirken, wird den meisten<br />
Flüchtlingen und Asylsuchenden zunächst<br />
mehr oder weniger unmöglich<br />
sein. Falls Verständigungsmöglichkeiten<br />
bestehen oder organisiert werden,<br />
kann man Einzelne gelegentlich oder<br />
auch regelmäßig zur Beratung hinzuziehen.<br />
Eine weitaus größere Zahl aber<br />
kann man an der Gestaltung der Schule<br />
beteiligen, indem man sie um Hilfeleistungen<br />
in der Schule und für die<br />
Schule bittet – zumindest bei Aufgaben,<br />
die wenig sprachliche Kompetenz<br />
erfordern. Manche bringen auch Qualifikationen<br />
mit, die es erlauben, ihnen<br />
Verantwortung bei der Betreuung von<br />
zugewanderten Kindern zu übertragen.<br />
Zusammenarbeit mit Gemeinde<br />
und Region<br />
Es wäre zynisch, würden die Vertreter<br />
der Schule sich bei ihren Kontakten<br />
mit Flüchtlingen und Asylsuchenden<br />
auf schulische Fragen und Probleme<br />
beschränken und die Augen vor allen<br />
übrigen Schwierigkeiten verschließen,<br />
mit denen diese Familien zu kämpfen<br />
haben. Selbstverständlich wird man<br />
sich um eine ganzheitliche Betreuung<br />
bemühen. Geleistet werden kann diese<br />
aber nur in der Vernetzung mit externen<br />
Personen, Institutionen und Organisationen.<br />
Interkulturelle Elternarbeit<br />
Bei allen Bemühungen, auf die besonderen<br />
Bedürfnisse der Flüchtlinge und<br />
Asylsuchenden einzugehen, sollte Elternarbeit<br />
interkulturell ausgerichtet<br />
sein, d. h. darauf abzielen, sie in die Gesamtelternschaft<br />
der Schule zu integrieren.<br />
Grundsätzlich wird das dadurch<br />
gewährleistet, dass sich alle Maßnahmen<br />
an den allgemeinen Leitlinien für<br />
eine erfolgreiche Erziehungs- und Bildungspartnerschaft<br />
orientieren. Dadurch<br />
werden diese auch deutschen Eltern<br />
und ihren Kindern zugute kommen.<br />
Das allein wird diesen aber noch<br />
nicht die verbreiteten Ängste nehmen,<br />
ihre Kinder könnten spätestens dann,<br />
wenn die Flüchtlingskinder nach dem<br />
Besuch von Übergangsklassen auf Regelklassen<br />
verteilt werden, in Nachteil<br />
geraten – zumal dann, wenn es nicht<br />
nur einige wenige Kinder sind.<br />
Einschlägige Forschung (Stanat 2006;<br />
Stanat u. a. 2010) hat ergeben, dass der<br />
Migrantenanteil in Klassen als solcher<br />
sich nicht negativ auf die Leistungen<br />
der Schülerinnen und Schüler auswirkt.<br />
Wo solche nachteiligen Effekte beobachtet<br />
wurden, lassen sie sich auf unterschiedliche<br />
Vorkenntnisse und unterschiedliche<br />
kognitive Grundfähigkeiten<br />
der Schülerinnen und Schüler sowie<br />
auf Unterschiede des sozio-ökonomi<br />
18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>134</strong> • Mai 2016