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soziologie heute Oktober 2011

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22 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong><br />

pro<br />

Burkav<br />

Schutz der oder Ansch<br />

Paul Ertl<br />

Frankreich und Belgien haben es schon eingeführt, und<br />

es ist<br />

gen werden: das Verbot der Ganzkörperverschleierung, das „<br />

Problematik stellt sich ganz allgemein die Frage: sind derartig<br />

nen, liberalen Staat des 21. Jahrhunderts?<br />

Schon immer galt die Burka muslimischer Frauen als Bekenntnis zur Religion und persönlicher Werthaltungen. Neuerdings<br />

gibt es aber deshalb immer öfter Anlass zu politischen und juristischen Debatten und Auseinandersetzungen,<br />

die auch vor Gerichten und Parlamenten ausgetragen werden. Die einen fordern das zumindest teilweise Verbot,<br />

die anderen die grundlegende Erlaubnis zum Tragen der Burka. Meist geht es dabei um die Vermummung des<br />

Gesichts, was die Kommunikation erschwert oder es unmöglich macht, jemanden zu erkennen. Das hat durchaus<br />

praktischen Nutzen für die Person. So haben im Februar letzten Jahres zwei Bewaffnete ein Postamt in Athis-Mons<br />

und im Mai 2010 eine Person in Sydney einen Geldboten überfallen. Und erst jüngst wurde im deutschen Rattingen<br />

eine Spielhalle ausgeraubt. Auffallend: Alle Diebe kleideten sich mit Burkas.<br />

Über diesen Sachverhalt wird oft auf die kulturellen und sozialen Ursprünge dieses Kleidungsstücks vergessen:<br />

Zuerst war im Islam nur der Hidschab geboten. Ein langes Tuch zur Umhüllung des Körpers, das ursprünglich als<br />

Schutz vor der Sonne verwendet worden war. Mit dem Vormarsch des Islam wurde er als Unterscheidungsmerkmal<br />

zwischen den Gesellschaftsschichten verwendet und die häusliche Isolierung und Verhüllung der Frau wurde dabei<br />

immer wichtiger. Später wurden die Beschränkungen für die Bewegungsfreiheit der Frau außer Haus und für ihre<br />

Bekleidung immer strikter, was eine vollständige Bedeckung des Gesichts und des gesamten Körpers der Frau bedeutete.<br />

Die Burka war geboren. Der Zwang zur Verhüllung setzte in vielen islamischen Staaten die Frauen massivem<br />

Druck und Repressalien aus. Nach der islamischen Revolution im Iran und der Eroberung der Macht in Afghanistan<br />

durch die Taliban wurden Hidschab und Burka zu politischen Symbolen gegen die westliche Kultur. In der Folge<br />

ist es den Islamisten auch gelungen, diese Symbole in westeuropäischen Gesellschaften für politische und soziale<br />

Störmanöver zu nutzen. Prominentestes und auffälligstes Beispiel dieser politisch-sozialen Agitation – aber auch des<br />

aufrichtigen Glaubens vieler Trägerinnen – ist einmal mehr die Burka.<br />

Aufgrund der negativen Auswirkungen wird schon seit längerer Zeit in vielen Ländern über ein mögliches Verbot<br />

der Burka diskutiert. Frankreich, Belgien und Teile Spaniens haben da bereits eine Entscheidung getroffen. So hat<br />

beispielsweise der Stadtrat von Sa Pobla (Mallorca) beschlossen, das Tragen von Burkas in öffentlichen Gebäuden<br />

und an jeglichen öffentlichen Plätzen zu verbieten, was den obligaten Aufschrei in der Multikulti-Szene und der islamischen<br />

Gemeinschaft verursachte. Viele Befürworter, wie der niederländische Politiker Piet Hein sind zudem der<br />

Überzeugung, dass ein „vollständig bedecktes Gesicht nicht in unsere Gesellschaft passt“. Die Gegner des Burkaverbots<br />

argumentieren, dass es sich um ein religiöses Vorurteil einer an sich legitimen Kleidungsordnung handelt. Sie<br />

befürchten, dass ein Verbot der Burka bald auch in verschiedenen anderen freien europäischen Ländern umgesetzt<br />

und damit individuelle Rechte unterminiert werden könnten. Interessanterweise wird dabei auf das grundlegende<br />

Prinzip der individuellen Freiheit verwiesen, das der Urgrund unserer Gesellschaft zu sein scheint. Die Freiheit ist<br />

in dieser Argumentation bezeichnenderweise mit einer Begrenzung verbunden. Sie wird mit der Einschränkung der<br />

persönlichen Freiheit sich individuell zu kleiden bzw. sich (nicht) in der Öffentlichkeit zu zeigen, gleichgesetzt. Diese<br />

sogenannte „Freiheit“ dient hier dazu, der Freiheit selbst verlustig zu werden. Philosophisch ist diese Polarität so alt<br />

wie die Menschheit selber: Alle naturgegebenen Anlagen des Menschen, die für das Zusammenleben in größeren Gefügen<br />

wichtig sind, müssen vor dem Hintergrund dieser Spannung gesehen werden: Zwischen dem Freiheitsstreben

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