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soziologie heute Oktober 2011

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<strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 41<br />

nes Gegenstandes, sondern im einzelnen<br />

gegebenen Gegenstand selbst.<br />

Naheliegender Weise finden wir bei<br />

ihm denn auch großes Interesse für<br />

Naturphänomene. Er hat viele wissenschaftliche<br />

Disziplinen selbst gegründet<br />

oder maßgeblich beeinflusst.<br />

Große Teile des damaligen Wissens,<br />

das er in theoretische, praktische und<br />

poietische Wissenschaft einteilte, wurden<br />

von seinem Werk abgedeckt.<br />

Während seine exoterischen, für ein<br />

breites Publikum bestimmten Schriften<br />

verloren gegangen sind, sind die esoterischen,<br />

für den internen Gebrauch<br />

vorgesehenen, größtenteils (selbstverständlich<br />

nur in Abschriften) erhalten<br />

geblieben. Man ordnet üblicher Weise<br />

das sehr umfangreiche Werk in die<br />

Schriften zur Logik (die Kategorienlehre<br />

enthält die beiden Analytiken, nämlich<br />

die Lehre von den Schlüssen und<br />

von der Beweisführung und die Topik<br />

die „Dialektik“), die Schriften zur Naturwissenschaft<br />

(8 Bücher über Physik<br />

sowie Schriften über die Lebewesen),<br />

die Schriften zur Metaphysik (die Lehre<br />

von den allgemeinen Ursachen der<br />

Dinge), die Schriften zur Ethik (die 10<br />

Bücher der „Nikomachischen Ethik“),<br />

die 8 Bücher zur Politik und Schriften<br />

zur Literatur und Rhetorik.<br />

Ein zentraler Gedanke der aristotelischen<br />

Physik betrifft die allerorts vermutete<br />

Zweckmäßigkeit. Da das, was<br />

regelmäßig auftritt, nicht vom Zufall<br />

hergeleitet werden kann, erklärt Aristoteles<br />

diese durchgängige Zweckmäßigkeit<br />

der Natur mit der Behauptung,<br />

dass der eigentliche Grund der Dinge in<br />

ihren Endursachen, ihrer Zweckbestimmung,<br />

liegen müsse. Man nennt diese<br />

Art der Naturerklärung teleologisch.<br />

Das Lebendige sieht er dadurch ausgezeichnet,<br />

dass es sich selbst bewegen<br />

kann. Aus dem in der Metaphysik formulierten<br />

Gedanken, dass Bewegung<br />

nur geschehen könne, wo neben Bewegtem<br />

auch Bewegendes ist, schließt<br />

er, dass das, was sich selbst bewegt,<br />

sowohl ein Bewegtes wie auch ein<br />

Bewegendes in sich enthalten müsse.<br />

Das Bewegte wird als der Leib, das Bewegende<br />

als die Seele bestimmt. Die<br />

den Leib bewegende und formende<br />

Seele nennt Aristoteles „Entelechie“.<br />

Diese ist bei ihm Zweck des Leibes.<br />

Als unterste Stufe des Organischen<br />

nennt Aristoteles die Pflanzen mit ihren<br />

Lebensfunktionen Ernährung und<br />

Fortpflanzung, bei den Tieren tritt die<br />

Fähigkeit zur Sinneswahrnehmung<br />

und Ortsveränderung hinzu, beim<br />

Menschen die Fähigkeit zu denken.<br />

Entsprechend unterscheidet er drei<br />

Arten von Seelen: die ernährende<br />

oder Pflanzenseele, die empfindende<br />

oder Tierseele und die denkende oder<br />

Menschenseele, wobei die jeweils höhere<br />

nicht ohne die niedere bestehen<br />

könne.<br />

Zu den niederen Seelentätigkeiten tritt<br />

also beim Menschen der Geist, meint<br />

Aristoteles. Er sei unsterblich und<br />

vergehe nicht mit dem Leib. Höchstes<br />

Gut des Menschen ist für Aristoteles<br />

(wie für die meisten anderen Hellenen)<br />

die Glückseligkeit. Für jedes Lebewesen<br />

sieht er die Vollkommenheit<br />

in der vollkommenen Ausbildung der<br />

ihm eigentümlichen Tätigkeit, also<br />

beim Menschen die Ausbildung seines<br />

Vernunftwesens. Darin besteht die<br />

Tugend. Entsprechend der doppelten<br />

Natur des Menschen unterscheidet<br />

Aristoteles zwei Arten von Tugenden:<br />

die ethischen Tugenden bestehen in<br />

der Herrschaft der Vernunft über die<br />

sinnlichen Triebe, die dianoetischen<br />

Tugenden bestehen in der Steigerung<br />

und Vervollkommnung der Vernunft<br />

selbst.<br />

Darüber hinaus bestimmt Aristoteles<br />

den Menschen als ein zoon politikon,<br />

ein geselliges Lebewesen, das der Gemeinschaft<br />

mit anderen bedarf. Er ist<br />

also gleichsam darauf angelegt, Staaten<br />

zu bilden. Und wie der sittlich beste<br />

Mensch nach Aristoteles der glückseligste<br />

ist, so erscheint ihm auch der<br />

Staat als glückselig, wenn er bestens<br />

funktioniert. Die Gemeinschaft ist hier<br />

also um des Menschen willen da, und<br />

alle Politik muss sich demzufolge nach<br />

dem sittlichen Ziel desselben richten.<br />

Die sittliche Gemeinschaft der Bürger<br />

in einem auf Gesetz und Tugend<br />

gegründeten guten Staat gilt ihm als<br />

höchste und eigentliche Form der Sittlichkeit.<br />

Während die Betrachtung der<br />

Tugend nur die Vorstufe und der theoretische<br />

Teil der Ethik bei ihm ist, ist<br />

die Staatslehre ihr angewandter und<br />

praktischer Teil.<br />

Aristoteles gemalt<br />

von Raffaello Santi<br />

(1483-1520)<br />

Unter den Verfassungen unterscheidet<br />

unser Philosoph zwischen Monarchie<br />

(Herrschaft eines einzelnen), Aristokratie<br />

(Herrschaft weniger) und Politie<br />

(Herrschaft vieler), Tyrannis, Oligarchie<br />

und Demokratie hält er für Entartungen<br />

dieser Formen. Keiner gibt er<br />

absoluten Vorrang, vielmehr fordert<br />

er, dass die Verfassung sich nach den<br />

konkreten Erfordernissen angesichts<br />

gegebener Menschen und Umstände<br />

richten müsse. Stetigkeit und Vermeidung<br />

von Extremen sind ihm dabei die<br />

wichtigsten Kriterien.<br />

Ähnlich wie Plato entwirft auch Aristoteles<br />

eine Lehre des idealen Staates,<br />

die aber unvollendet blieb. Klar allerdings<br />

ist, dass auch er den idealen<br />

Staat lediglich innerhalb der engen<br />

Grenzen der griechischen Stadtstaaten<br />

denkt, zu seiner Zeit sich eigentlich<br />

schon abzeichnende Reichsbildungen<br />

spielen in seinem Denken keine Rolle.<br />

Sklaverei ist ihm eine Selbstverständlichkeit,<br />

Ehe, Familie und Gemeinde<br />

haben einen sehr hohen Stellenwert.<br />

Platos Forderung, Ehe und Privateigentum<br />

dem Staat zu opfern, lehnt er<br />

allerdings ab. Hier werde, so seine Begründung,<br />

der Staat als einheitliches<br />

Wesen gedacht, während dieser doch<br />

ein in Untergemeinschaften gegliedertes<br />

Ganzes sein müsse.<br />

Literatur:<br />

Höffe, Ottfried (Hg.), 2009: Aristoteles. Die Hauptwerke,<br />

Tübingen: Francke<br />

Höffe, Ottfried, 1996: Aristoteles, München: Beck<br />

Knoll, Manuel, 2009: Aristokratische oder demokratische<br />

Gerechtigkeit? München u.a.: Fink

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