soziologie heute Oktober 2011
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34 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong><br />
wer (direkt oder indirekt) von ihr betroffen<br />
ist. Wir kennen die Positionen<br />
des „lachenden“ bzw. „weinenden“<br />
Dritten, aber wenn wir Zusammenhänge<br />
perspektivisch betrachten,<br />
d.h. auch die Folgen, die aus Situationen<br />
resultieren (können), ins Auge<br />
fassen, wird die Liste der (potentiellen)<br />
Betroffenen auf den verschiedenen<br />
Ebenen immer größer.<br />
Kommunikation zwischen den Betroffenen<br />
aufbauen<br />
Dies erfordert ein behutsames Vorgehen<br />
dem Motto entsprechend:<br />
„Behutsamkeit verhindert Streit“.<br />
Zugleich erscheint es aber besser,<br />
wenn Beteiligte und Betroffene mit<br />
einander streiten und nicht aneinander<br />
vorbei agieren. Sich zusammenstreiten<br />
ist eine Möglichkeit, die<br />
aber nur dann praktikabel ist, wenn<br />
die Beteiligten „gepflegt“ streiten.<br />
Behutsamkeit erfordert sowohl Zeit<br />
als auch Aufmerksamkeit.<br />
Vertrauensbildende Maßnahmen<br />
schaffen<br />
Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann<br />
hat auf die Bedeutung von<br />
Vertrauen für den Abbau von Komplexität<br />
hingewiesen. 9 In einer hochkomplexen<br />
Weltgesellschaft wird<br />
es nicht genügen, Finanzmittel und<br />
Rohstoffe zu sichern, es wird auch<br />
das „Humankapitel“ zu entwickeln<br />
und zu erhalten sein, soll ein lebensfreundliches<br />
und menschenwürdiges<br />
Zusammenleben der Menschen<br />
erreicht werden.<br />
Gemeinsame Ziele entwickeln<br />
Es ist oft schwer, Gemeinsamkeiten<br />
zwischen unterschiedlichen Menschen<br />
zu entdecken; dies stellt aber<br />
die notwendige Voraussetzung dar,<br />
diese Gemeinsamkeiten zu stützen<br />
und zu entfalten. Manchmal – wenn<br />
eine entsprechende Grundeinstellung<br />
vorhanden ist – fällt es leichter,<br />
oft überwiegen die trennenden<br />
Faktoren. Eine besondere Funktion<br />
hat in diesem Zusammenhang der<br />
Neid auf allen (potentiellen) Kooperationsebenen,<br />
worauf der aus Graz<br />
stammende in den USA und Deutschland<br />
bekannt gewordene Soziologe<br />
Helmut Schoeck in eindrucksvoller<br />
Weise aufmerksam gemacht hat. 10<br />
Das Gemeinsame vor das Trennende<br />
zu stellen, ist ein langsamer Prozess<br />
und benötigt – immer wieder – positives<br />
Feed-back, das durch negative<br />
Ereignisse in den Wechselbeziehungen,<br />
vor allem wenn sie nicht ehrlich<br />
aufgearbeitet werden, schwer beeinträchtigt<br />
werden kann.<br />
Kooperationen auf allen Ebenen<br />
Alle Planungs-Schritte müssen auf allen<br />
Ebenen (vom Individuum bis zur<br />
Weltgesellschaft) gesehen werden<br />
und gewinnen dann an Bedeutung,<br />
wenn ebenenüberschreitende Gemeinsamkeiten<br />
entdeckt, geschaffen<br />
und gestärkt werden.<br />
1. Individuelle Ebene<br />
Planungen auf der individuellen Ebenen<br />
können sehr unterschiedlichen<br />
Charakter haben und von Träumen<br />
und vagen Hoffnungen bis zur systematischen<br />
Karriereplanung reichen.<br />
2. Gruppen Ebene<br />
Auf der Gruppen-Ebene sind die Planungen<br />
nach Inhaltsaspekten, Verfassung<br />
der Gruppen und nach jeweiliger<br />
gesellschaftlicher Bedeutung<br />
von Gruppen sehr unterschiedlich.<br />
In den entwickelten Gesellschaften<br />
sind Planungen im wirtschaftlichen<br />
und politischen Bereich von großer<br />
Bedeutung.<br />
3. Gesellschaftliche Ebene<br />
Auf gesellschaftlicher Ebene hat sich<br />
Otto Rühle mit den verschiedenen<br />
Bauplänen einer (neuen) Gesellschaft<br />
in systematischer Weise beschäftigt<br />
11 und auch in anregender<br />
Weise zu den verschiedenen Ansätzen<br />
Stellung bezogen. Manche Ansätze<br />
haben zeitweise stark auf andere<br />
Ebenen ausgestrahlt und zu ideologischen<br />
Haltungen auf allen Ebenen<br />
geführt.<br />
4. Weltebene<br />
Auf der Weltebene wurden immer<br />
wieder Weltreiche entworfen und<br />
zum Teil auch errichtet, die mehr<br />
oder minder lange Zeit gedauert haben,<br />
auch wenn sie auf eine „Ewigkeit“<br />
hin ausgerichtet waren, wie das<br />
„tausendjährige Reich“ der Nationalsozialisten<br />
in Deutschland. Seit<br />
der Existenz einer Weltorganisation<br />
– Völkerbund und Vereinte Nationen<br />
– wurden systematische Überlegungen<br />
auf Weltebene häufiger. Nach<br />
dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />
wurde versucht, durch Weltkonferenzen<br />
sowohl gemeinsame Pläne<br />
zu entwickeln als auch zu gemeinsamem<br />
Handeln zu kommen. 12<br />
Die Millenium-Erklärung der Vereinten<br />
Nationen vom 8. September<br />
2000 kann zwar als „Novum in der<br />
Geschichte der Entwicklungspolitik“<br />
13 bezeichnet werden, aber die<br />
Erklärung von acht (allgemeinen)<br />
Schwerpunkten zu Millenium-Entwicklungszielen<br />
darf nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, dass eine breite<br />
Mobilisierung der Menschen bisher<br />
nicht erreicht wurde.<br />
Koordiniert Handeln<br />
Es wird notwendig und günstig sein<br />
herauszufinden, in welchen Bereichen<br />
ein gemeinsames oder (wenigstens)<br />
koordiniertes Handeln<br />
erforderlich ist. Ein Menschheitsbewusstsein<br />
oder auch ein gemeinsames<br />
„Bedrohungsbewusstsein“, worin<br />
immer die Bedrohungen bestehen,<br />
kann dafür förderlich sein. Seit es<br />
eine vielfache Over-Kill-Capacity<br />
gibt, seit die modernen Risken 14 bewusst<br />
werden und die Welt nur mehr<br />
als interdependente Welt verstehbar<br />
ist, 15 wird koordiniertes und gemeinsames<br />
Handeln eine Notwendigkeit.<br />
Gemeinsam über die Tätigkeitserfolge<br />
verfügen<br />
Planen, Handeln und brauchbare<br />
Produkte werden langfristig nur dann<br />
eine Einheit bilden können, wenn<br />
eine entsprechende Teilhabe aller gesichert<br />
ist. Die Welt – in allen ihren<br />
Facetten – sollte letztendlich unser<br />
aller Angelegenheit sein bzw. werden.<br />
Das Verfügen-Können kann sehr unterschiedlich<br />
sein, aber es muss –<br />
langfristig, subjektiv und objektiv –<br />
bei vielen (tendenziell allen) gegeben<br />
sein und es darf keine (relevante)<br />
Gruppe geben, die ausgeschlossen<br />
wird oder sich ausgeschlossen fühlt.<br />
Letztlich muss es gelingen, immer<br />
wieder das Gemeinsame und das Verbindende<br />
vor das Egoistische und<br />
Trennende zu stellen. Das braucht<br />
kontinuierliche Anstrengungen im<br />
Denken, Handeln, Fühlen, Wollen<br />
und Tun. Das kann nur in einer „Friedensspirale“<br />
(langsam) wachsen.<br />
Klaus Zapotoczky<br />
em. Professor für Soziologie an der JKU-<br />
Linz. Wissenschaftlicher Gesamtleiter der<br />
body&health academy, der WWEDU-World<br />
Wide Education und der emca academy<br />
technik+wirtschaft, Lehrbeauftragter für<br />
Geistes- u. Kulturgeschichte und für Kommunikationstheorie<br />
der Universität für<br />
Design und Künstlerische Gestaltung Linz.