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Neujahrsempfang 2018 des Erzbischofs von Bamberg

Erzbischof Dr. Ludwig Schick hat im Januar in Bamberg zum Neujahrsempfang geladen. In dieser Broschüre sind die Reden des Tages dokumentiert. Darunter der Vortrag des stellvertretenden ZDF-Chefredakteurs Elmar Theveßen zur Frage, ob wir einen "Kampf der Kulturen" erleben.

Erzbischof Dr. Ludwig Schick hat im Januar in Bamberg zum Neujahrsempfang geladen. In dieser Broschüre sind die Reden des Tages dokumentiert. Darunter der Vortrag des stellvertretenden ZDF-Chefredakteurs Elmar Theveßen zur Frage, ob wir einen "Kampf der Kulturen" erleben.

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40 Elmar Theveßen<br />

Elmar Theveßen 41<br />

Oder Franco A., der Offizier der Bun<strong>des</strong>wehr, der in seinem Pamphlet<br />

schreibt, in seiner Abschlussarbeit: „Es lässt sich nicht bestreiten,<br />

dass eine massive Einwanderung, wie wir sie in der Vergangenheit<br />

erlebt haben und wie wir sie heute erleben, zum Untergang der<br />

betroffenen Völker führt. Das ist eine mathematische Gewissheit.<br />

Diese Realität zu tabuisieren, ist ein super subversiver Akt.“ Das ist<br />

erstens falsch, empirisch total zu widerlegen, dass die Behauptung<br />

irgendeine Grundlage hätte, dass im Jahr 2050 wir auf einmal eine<br />

Mehrheit <strong>von</strong> Muslimen in Deutschland oder Europa hätten. Völliger<br />

Blödsinn. Wir haben wachsende Zahlen, aber weit <strong>von</strong> dem entfernt.<br />

Und es als subversiven Akt zu bezeichnen, lässt im Umkehrschluss<br />

dann auch Gewalt dagegen rechtfertigen.<br />

Die andere Seite findet das super. Ich habe Ihnen gerade die rechtsextremistische<br />

Seite gezeigt. Die islamistische Seite nutzt das in ihrer<br />

Propaganda. Da steht in einem Pamphlet <strong>des</strong> Islamischen Staates:<br />

„Die Neonazis versuchen bereits, Politiker und einflussreiche<br />

Leute in der Gesellschaft für ihre Sache, ihre islamfeindliche Sache<br />

zu gewinnen. Diese Teilung wird in den kommenden Jahren noch<br />

klarer, wenn mehr und mehr extrem rechte politische Gruppen mit<br />

Neonazischlägern als ihrer Miliz zu Anführern in Städten und Ländern<br />

gewählt werden.“ Die größten Wahlpartys der<br />

letzten Jahre fanden in Rakka in Syrien<br />

statt. Die haben<br />

sich gefreut über das, was teilweise in Westeuropa in den Wahlen<br />

geschehen ist, weil sie die Polarisierung, die Spaltung der Gesellschaft<br />

brauchen, um neue Anhänger zu werben. Vor diesem Hintergrund<br />

ist tatsächlich eben die Frage: Wie gehen wir mit dieser<br />

Herausforderung um, die auch die Flüchtlinge für uns sind, die da<br />

kommen? Meine persönliche Meinung ist dazu zunächst mal, dass<br />

Hunderttausende <strong>von</strong> ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfern<br />

dazu beigetragen haben in diesem Land zu zeigen, dass wir in der<br />

Lage sind, diese Herausforderungen zu meistern – so schwer das<br />

war und so wichtig es ist, dass politische Maßnahmen auch dafür<br />

sorgen, dass das nicht ungeregelt weitergehen kann –, aber diesen<br />

Menschen ist zu verdanken, dass das bisher ganz gut gelungen ist.<br />

Und dass es keine Rechtfertigung für etwas gibt, was dieser Mann,<br />

der sich gerade anschickt, wiedergewählt zu werden als Präsident<br />

der Tschechischen Republik, in einem Interview gesagt hat, nämlich<br />

dass es eine genetische Abhängigkeit gebe, dass Men-schen aus Algerier,<br />

Libyen oder beispielsweise Mali keine Fähigkeit haben, sich<br />

zu adaptieren.<br />

Wohin so etwas führt, kann man eine Stunde <strong>von</strong> hier in Flossenbürg<br />

sich anschauen gehen. Da findet sich in den Dokumenten die<br />

Begründung, dass man Menschen, die man als andersartig deklariert<br />

hat, zu Zwangsarbeit verurteilen und ermorden, vergasen und<br />

verbrennen kann. Dazu kann so ein Denken führen. Das hat weder<br />

etwas mit europäischer Wertegemeinschaft aus meiner Sicht – und<br />

ich schreibe groß „Kommentar“ über das, was ich Ihnen hier sage,<br />

darüber – nichts mit europäischer Wertegemeinschaft zu tun, und<br />

es hat auch nichts mit Christentum zu tun, mit Christsein. Ich bin<br />

Katholik. Ich bin nicht einer, der jeden Sonntag in die Kirche geht.<br />

Aber ich glaube, dass, wenn man sich einer Herausforderung gegenübersieht,<br />

man wissen muss, auf welchem Fundament man selber<br />

steht. Sie, lieber Herr Erzbischof, haben vorhin in Ihrer Rede einige<br />

Grundprinzipien aus dem Evangelium angesprochen. Eines da<strong>von</strong><br />

steht im Evangelium auch im Kapitel 25 bei Matthäus. Ich zitiere<br />

das mal, das kennen Sie alle, dieses Zitat: „Wahrlich, ich sage euch,

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