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Neujahrsempfang 2018 des Erzbischofs von Bamberg

Erzbischof Dr. Ludwig Schick hat im Januar in Bamberg zum Neujahrsempfang geladen. In dieser Broschüre sind die Reden des Tages dokumentiert. Darunter der Vortrag des stellvertretenden ZDF-Chefredakteurs Elmar Theveßen zur Frage, ob wir einen "Kampf der Kulturen" erleben.

Erzbischof Dr. Ludwig Schick hat im Januar in Bamberg zum Neujahrsempfang geladen. In dieser Broschüre sind die Reden des Tages dokumentiert. Darunter der Vortrag des stellvertretenden ZDF-Chefredakteurs Elmar Theveßen zur Frage, ob wir einen "Kampf der Kulturen" erleben.

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46 Elmar Theveßen<br />

Elmar Theveßen 47<br />

machen. Freiheit, Sicherheit, Wohlstand, Perspektiven, all das zu ermöglichen.<br />

Und nicht dadurch, dass man sich weiter polarisieren<br />

und spalten lässt, sondern dass man zusammensteht. Was im Umkehrschluss<br />

heißt: Wenn das über Jahrzehnte möglich war und uns<br />

an diesen Punkt gebracht hat, wovor haben wir eigentlich Angst?<br />

Wir müssen keine Angst haben.<br />

Haben wir Angst vor ein paar Idioten, die auf der Domplatte in Köln<br />

in der Silvesternacht die Regeln brechen, das Gastrecht missbrauchen<br />

und Angst verbreiten? Müssen wir vor denen Angst haben?<br />

Oder müssen wir uns einfach überlegen, wie wir sicherstellen, dass<br />

so etwas nicht wieder passiert? Das geht in einem sehr einfachen<br />

Dreisprung. Man muss es nur machen. Erstens: Menschen wie denen,<br />

bevor sie an diesen Punkt kommen, Perspektiven anbieten.<br />

Und noch mal: nicht auf dem silbernen Tablett servieren. Sondern<br />

zweitens: an strikte Bedingungen knüpfen. Wenn man das tut, dann<br />

fehlt noch ein Drittes, nämlich: jeden Regelverstoß hart ahnden. Es<br />

kann nicht sein, dass ein Mensch, der immer und immer wieder<br />

Straftaten begeht, keine Sanktion dafür spürt und am nächsten Tag<br />

wieder auf der Straße steht und Gleiches tut. Denn wenn er keine<br />

Sanktion spürt, sendet diese Gesellschaft das Signal: Du bist uns<br />

gleichgültig, es ist uns egal, was du machst, du kannst gleich weitermachen.<br />

Aber was nicht geht, ist: nur Sanktionen, nur Strafen.<br />

Sondern das funktioniert nur, wenn wir auch Perspektiven bieten<br />

und an strikte Bedingungen knüpfen. Nur in diesem Dreiklang. Da<br />

kam man eine Menge mehr tun in Sachen Prävention.<br />

Das ist hier zum Abschluss das Bild einer Schulklasse, die im Kanzleramt<br />

war, weil sie einen Preis gewonnen hat für ihr Engagement<br />

gegen Gewalt. Unter denen, die da im Kanzleramt waren, war dieser<br />

junge Mann, den sie sehr gut kennen, denn ich habe am Anfang<br />

schon mal <strong>von</strong> ihm erzählt. Das ist Arid Uka, der erste erfolgreiche<br />

islamistische Terrorist auf deutschem Boden.<br />

Hier liegt der Hebeakt: Wie kriegen wir den Fuß in die Tür zwischen<br />

dem Arid Uka da oben und dem da unten? Das ist nicht Aufgabe der<br />

Polizei, der Geheimdienste oder <strong>des</strong> Militärs. Das ist auch wichtig.<br />

Aber es kann nur funktionieren, wenn die gesamte Gesellschaft sich<br />

ein Stück weit verantwortlich fühlt. Wenn Freunde, Bekannte, Verwandte,<br />

Familie, Schule, Vereine, Verbände, Wirtschaftsorganisationen<br />

und auch staatliche Einrichtungen gemeinsam den Menschen<br />

in den Blick nehmen. Und wenn auch die religiösen Gemeinschaften<br />

in Deutschland, die Kirchen, die muslimischen und jüdischen Gemeinden<br />

alle gemeinsam sich um die Menschen kümmern. Dann<br />

wird der fruchtbare Boden so klein, dass Extremisten, egal welcher<br />

Couleur, keine Chance mehr haben.<br />

Das müssen wir irgendwie hinbekommen. Ein Kollege hat das einmal<br />

mit einem ganz guten Satz gesagt, er hat gesagt: Demokratie<br />

ist die beste Regierungsform der Welt, die beste Herrschaftsform<br />

der Welt. Warum? Weil sie so viele Freiheiten lässt. Diese Freiheiten<br />

ermöglichen Wohlstand, Sicherheit, Fortschritt. Aber in dem Moment,<br />

wo die Demokratie angegriffen wird, ist sie die schwächste<br />

Herrschaftsform der Welt. Warum? Weil sie so viele Freiheiten lässt.<br />

Die Freiheiten können missbraucht werden, um die Demokratie zu<br />

untergraben. Und in diesem Moment braucht die Demokratie nicht<br />

irgendwelche Politiker alleine oder irgendwelche Sicherheitsbehörden.<br />

Sie braucht jeden Einzelnen, der in dieser Demokratie, in dieser<br />

Gesellschaft profitiert <strong>von</strong> diesen Freiheiten, um gemeinsam diese<br />

Demokratie zu verteidigen.<br />

Nun komme ich ganz am Ende zurück auf dieses wunderschöne Bild,<br />

wie ich finde. Da steht: „No tinc por!“ Ich habe keine Angst! Das ist<br />

die wichtigste Antwort, die man geben kann. Denn nur, wenn man<br />

keine Angst hat, findet man den Mut, die Zukunft positiv zu gestalten.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

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