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REGULA FARNER<br />
«Ich war mit den<br />
Kindern zu Hause,<br />
als das Hochwasser<br />
kam. Wir mussten<br />
durch den Garten<br />
fliehen.»<br />
Saxophon, Geige, ein wenig Klavier, Rasseln,<br />
Trommeln und singen. Ich versuche eigentlich<br />
mit allem zu spielen, was gerade zur<br />
Verfügung steht.<br />
Zu Ihren Auftritten nehmen Sie alle<br />
Instru mente mit?<br />
Ja, am liebsten nehme ich alle mit. Wenn ich<br />
etwa in einer Galerie spiele, weiss ich nicht<br />
im Voraus, wie die Kunstwerke sind und wie<br />
die Stimmung ist. Ich versuche dann, mit<br />
dem passenden Instrument das, was im<br />
Raum ist, als Klang auszudrücken.<br />
Sie produzierten vor einigen Jahren den<br />
Tonträger «Eisvogel flieg».<br />
Es ist eine CD mit selbst geschriebenen und<br />
vertonten Liedern. Ich genoss eine klassische<br />
Gitarren-Ausbildung und spielte mit vielen<br />
guten Leuten. Später sang ich mit unseren<br />
Kindern eigene Lieder. Als ich 40 Jahre alt<br />
wurde, hatte ich das Bedürfnis, diese Lieder,<br />
die so über alle die Jahre entstanden sind,<br />
aufzunehmen. Ein Kollege hatte gerade ein<br />
Studio eingerichtet und so nahm ich mit ihm<br />
zusammen während anderthalb Jahren verschiedene<br />
Lieder auf. Besonders berührend<br />
war für mich dabei, dass Menel und viele<br />
Freunde mitspielten und so meine Lieder<br />
ganz neu interpretierten.<br />
Weshalb der Name «Eisvogel flieg»?<br />
Weil damals in der Lochmühle oft ein Eisvogel<br />
vor unserem Fenster sass. Als ich einmal<br />
mit der CD-Produktionsfirma telefonierte,<br />
schaute er zum Fenster herein. Das war<br />
der Impuls für diesen Namen. Es ist vielleicht<br />
ein Zufall, dass Pro Natura 2006 den Eisvogel<br />
als Tier des Jahres deklarierte.<br />
Was dem Verkauf geholfen hat?<br />
Das weiss ich nicht. Die Hälfte der produzierten<br />
CDs haben wir verkauft oder verschenkt.<br />
Die andere Hälfte hat das Hochwasser<br />
mitgenommen.<br />
Dieses Hochwasser 2007 hatte auf Ihr Leben<br />
eine einschneidende Wirkung.<br />
Unsere Familie hatte Glück im Unglück: Viele<br />
Menschen aus Huttwil und der ganzen<br />
Schweiz haben uns geholfen. Ich sagte jeweils:<br />
Es sind Engel mit Gummistiefeln,<br />
Handschuhen und Schaufeln gekommen.<br />
Diese Solidarität hat uns getragen, sie bleibt<br />
uns in leuchtender Erinnerung. Für diese<br />
Hilfe danken wir allen von Herzen!<br />
Wie erlebten Sie dieses Hochwasser?<br />
Ich war mit unseren Kindern alleine zu<br />
Hause, als das Hochwasser kam. Wir<br />
mussten durch den Garten und über<br />
den Zaun fliehen. Als wir oben am<br />
Hang standen und hinunterschauten,<br />
dachte ich: Solche Fluten gibt es sonst<br />
in Bangladesch oder anderswo. Nun passiert<br />
es bei uns und wir müssen es nehmen,<br />
wie es ist. Zwar hatten wir versucht, noch<br />
zu retten, was zu retten war. Möglichst viele<br />
von Menels Werken hatten wir in die oberen<br />
Stockwerke getragen. Aber die Flut liess<br />
uns zu wenig Zeit. Bei den Aufräumarbeiten<br />
sassen wir mit den Leuten, die uns halfen,<br />
jeden Abend zusammen und alle konnten<br />
erzählen, was sie an diesem Tag erlebt hatten.<br />
So konnte die Schockverarbeitung gleich<br />
beginnen. Die Traurigkeit blieb zwar bestehen,<br />
aber sie war besser zu ertragen. Die<br />
Arbeit von Jahren ging verloren. Viele Künstlerfreunde<br />
halfen uns, Gemälde zu retten.<br />
Drei Jahre später verlor Menel durch einen<br />
Brand die andere Hälfte seines Werks. Es<br />
Regula Farner vor<br />
dem Bild eines<br />
Eisvogels, das<br />
ihr Mann Menel<br />
gemalt hat.<br />
blieben nur noch die Bilder, die sich gerade<br />
an Ausstellungen befanden.<br />
Wie kamen Sie über diese Verluste hinweg?<br />
Wir waren geschockt und traurig, aber auch<br />
gefordert. Menel verlor fast alle Bilder, die<br />
während Jahrzehnten entstanden waren. Es<br />
war auch so etwas wie der Verlust seines<br />
gemalten Lebens-Tagebuches. Noch heute<br />
gibt es Situationen, da wird uns wieder bewusst:<br />
Dieses oder jenes Bild gibt es nicht<br />
mehr. Aber Menel malt neue Gemälde. Ich<br />
kenne niemanden, der eine so grosse Schaffenskraft<br />
hat wie er.<br />
Aber jetzt ist es gut oben auf dem Rohrbachberg.<br />
Ja, hier haben wir eine wunderbare Lebensqualität.<br />
Wir leben und arbeiten hier und es<br />
passt.<br />
Sie brauchen im Luftschloss keine Luxusgüter<br />
zur Ablenkung.<br />
Nein.<br />
Auch keinen Fernseher?<br />
Wenn wir Fernsicht brauchen, gehen wir<br />
nach draussen und schauen über’s Tal in die<br />
Berge. Das ist Luftschloss-Fernsehen : Wind,<br />
Weite und Visionen.<br />
10 s’Positive 2 / <strong>2018</strong>