E_1928_Zeitung_Nr.057
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22 AUTOMOBIL-REVUE<br />
Unsere amüsante Seite Ich und cfie* !$BBtB«l»i»Bn3£*Sl»OV#<br />
«Der arme Kerl,» sagte meine damalige<br />
Frau wieder, «jetzt hat er zwölf Jahre daran<br />
gearbeitet, und jetzt schreiben sie nur ein<br />
paar Zeilen über ihn, und über Dich und<br />
Deine langweiligen Reden und Deine dummen<br />
Sprünge schreiben sie ganze Seiten.<br />
Und wenn Du einmal an einem Tage mit<br />
den Leuten ein wenig trinken sollst, so bist<br />
Du am anderen Tage krank. Du solltest Dich<br />
eigentlich schämen vor solchen Leuten wie<br />
dieser Professor.»<br />
«Ja, ja,» sagte ich.<br />
«Du solltest ihm ein wenig helten; er hat<br />
es wahrscheinlich nicht gerade amüsant.»<br />
«Ich werde ihm ein Billet zu meiner nächsten<br />
Vorführung schicken und ihn bitten, hieher<br />
zu kommen.» Ich merkte schon, woher<br />
der Wind pfiff.<br />
Meine Frau war zufrieden. Sie wollte natürlich<br />
nur das Original der Photographie<br />
sehen. Seit sie an der Universität gewesen<br />
war und dort ihr Examen und ihr erstes<br />
männliches Opfer eingefangen hatte, interessierte<br />
sie die Wissenschaft so wenig wie<br />
mich. Wenn man einen Titel und ein gutes<br />
Auskommen hat, braucht man ja das nicht<br />
mehr.<br />
Ich schrieb dem Pentola, dass ich ihn<br />
gerne kennen lernen möchte, da wir einander<br />
gegenüber in der <strong>Zeitung</strong> ständen. Zuerst<br />
antwortete er, er habe keine Zeit. Als ich<br />
ihm wieder schrieb, kam er endlich. Wir<br />
wurden gute Freunde. Trotzdem er ein Professor<br />
war, war er ein vernünftiger und netter<br />
Mensch.<br />
Als sich meine Frau mit Gammelbom verheiratete,<br />
war er zur Hochzeit geladen. Ich<br />
glaube, es war damals, dass die beiden verabredeten,<br />
später zusammen einmal eine<br />
Ehe einzugehen.<br />
Einige Tage nach jener Hochzeit wurde mir<br />
ein hoher schwedischer Orden angeboten.<br />
Ich sollte nach Schweden fahren, um nur<br />
noch dort zu bilhoppen. Ich fragte die<br />
schweizerische Regierung an, ob ich den<br />
Orden entgegennehmen dürfe. Die Sache<br />
wurde einen halben Tag vor den halbgefüllten<br />
Bänken der Bundesversammlung diskutiert.<br />
Zum Schluss wurde beschlossen, eine<br />
Kommission zum Studium der Frage einzusetzen.<br />
An ihrer Spitze stand der Herr<br />
Pfollimann, ein Mann von hohem Ansehen.<br />
Automobilistische Erlebnisse eines Schweizers in Nordeuropa, von C.E.W.<br />
(Schluss)<br />
Die vier anderen Mitglieder waren teils<br />
mehrfache, teils einfache Verwa!tungsräte.<br />
Sie begannen damit, die Geschäfte ihres<br />
Bureaus und ihrer Gesellschaften auf portofreiem<br />
Wege zu erledigen. Sie reisten nach<br />
Ouchy, Vevey, Montreux und als die Saison<br />
fortgeschritten nach Interlaken, Weggis,<br />
Zermatt und an verschiedene andere empfehlenswerte<br />
Orte der Schweiz, um dort Sitzungen<br />
zu halten.<br />
Nachdem sie alle eigenen Geschäfte erledigt<br />
und sich alle Witze, welche sie wussten,<br />
fünfmal erzählt hatten, schlich sich die<br />
Langweile ein. Plötzlich bekam der Verwaltungsrat<br />
Dreier die Idee, man könnte<br />
mein Gesuch behandeln. Alle hatten es vergessen.<br />
Man setzte sich jeden Tag eine<br />
Stunde hin und begann zu diskutieren. Ein<br />
Sekretär musste die interessanten Ausführungen<br />
zu Papier bringen. Nach einer Woche<br />
waren die Bedenken schon so schwerwiegend,<br />
dass das Protokoll mehr als ein Kilo<br />
wog.<br />
Es wurde beschlossen, die Kommission<br />
müsse nach Finnland reisen, um die Sache<br />
an Ort und Stelle zu studieren. Sie begann,<br />
sich über die Wein- und Bierverhältnisse des<br />
Landes zu informieren. Als sie vernahm,<br />
dass sie in ein Totalverbotsland zu reisen<br />
beschlossen habe, wurde der Beschluss von<br />
neuem diskutiert. Man war einig darüber,<br />
dass man mit einer solchen Reise dem Vaterlande<br />
ein ungeheures Opfer bringe. Pfollimann<br />
wollte besonders unterstrichen haben,<br />
dass es in jenem Lande keine Dreierwirtschaften<br />
gebe.<br />
Zwei Mitglieder interessierten sich gar<br />
nicht für Exportgeschäfte. Sie stimmten in<br />
Anbetracht der Umstände gegen die Reise.<br />
Die anderen und mit ihnen der Pfollimann<br />
hofften, gute, Geschäfte zu machen. Man<br />
stritt hin und her.<br />
Nach drei Wochen glaubte die Kommission,<br />
ausserhalb der finnischen Küste ihren<br />
letzten Cognac zu trinken.<br />
Am Quai in Helsingfors standen einige<br />
Herren vom auswärtigen Amt, der schweizerische<br />
Generalkonsul, mein Freund Gammelbom<br />
und ich. Schon von weitem sahen<br />
wir auf dem Decke die Silhouetten der eidgenössischen<br />
Kommission. Als sie sich über<br />
den Landungssteg hinunterwälzte, hielt einer<br />
der finnischen Herren eine Rede über die<br />
freundschaftlichen Beziehungen zwischen der<br />
Schweiz und Finnland.<br />
Darauf nahm Pfollimann das Wort. Er betonte,<br />
dass die Freundschaft der beiden Republiken<br />
sehr schön sei; aber man dürfe sich<br />
nicht damit begnügen. In der Schweiz würden<br />
sehr feine Produkte fabriziert. Er zählte<br />
einige auf, natürlich aus seinen Untertanenbetrieben.<br />
Finnland müsse solche importieren.<br />
Eventueller Zoll darauf müsse abgeschafft<br />
werden. Erst wenn dies geschehen<br />
sei, könnte mit der allgemeinen Abrüstung<br />
und dem Weltfrieden begonnen werden. Dies<br />
sei der erste Schritt zu den hohen Idealen<br />
der Menschheit. Er schloss mit den Worten:<br />
«...Ich nehme Veranlassung, der Hoffnung<br />
Ausdruck zu geben, dass sich die Freundschaft<br />
und besonders der Warenaustausch<br />
unter möglichst guten Bedingngen recht angenehm<br />
und lebhaft gestalten möge.» Alle<br />
klatschten. Als schweizerische Amtsperson<br />
hatte Herr Pfollimann seine Rede in einem<br />
Kreuzungsprodukt zwischen Schweizerdeutsch<br />
und Hochdeutsch gehalten. Da die<br />
meisten Leute in Finnland Zürideutsch nicht<br />
verstehen, musste ich die Rede übersetzen.<br />
Am anderen Morgen konnte man die ganze<br />
Rede in der <strong>Zeitung</strong> lesen. Man sah die Bilder<br />
unserer Eidgenossen. Darunter las man<br />
ihre interessanten Ansichten über die verschiedensten<br />
Fragen der Politik, Kunst,<br />
Sport, Landwirtschaft, Moral usw.<br />
Die gastfreundlichen Finnländer Hessen es<br />
sich nicht nehmen, die Kommission zu jedem<br />
Essen irgendwohin einzuladen. Ueberall<br />
wurde sie von den Journalisten interwiewt.<br />
Pfolliman bevorzugte es, sich über die<br />
schweizerischen Partei-Ideale auszusprechen.<br />
Er war darin unermüdlich. Er behauptete,<br />
diese Ideale zu verkörpern. Da er sehr<br />
trinkfest war, glaubten die Finnländer, das<br />
sei ein ganz wichtiger Programmpunkt<br />
schweizerischer Politik. Er wurde denn<br />
auch eifrig über das Alkoholverbot befragt.<br />
In einer Rede sagte er unter anderem folgendes<br />
: «...Vielleicht übertreibe ich meine<br />
Bescheidenheit, wenn ich zugebe, dass<br />
9?8<br />
N*57<br />
in der schweizerischen Eidgenossenschaft,<br />
obwohl sie zu einem grossen Teile durch<br />
mich regiert wird, nicht alles ist, wie es sein<br />
sollte; ich kann aber ohne Uebertreibufig behaupten,<br />
•— und dafür haben wir immer gekämpft<br />
wie die Löwen, — dass bei uns in der<br />
Schweiz der Alkohol, der Schnaps, das Gläslein<br />
des armen Mannes, der gute Kirsch, der<br />
feine Cognac, der Trester, dass all das bei<br />
uns am billigsten ist in ganz Europa, so dass<br />
er noch viel mehr als hier, ein wichtiges<br />
Volksgetränk darstellt.»<br />
Diese Rede wurde das Tagesgespräch in<br />
ganz Finnland. Pfollimann wurde überall<br />
bewundert. Man lernte seine eigentümliche<br />
Mischsprache in allen Kreisen, um seine markigen<br />
Reden in der Originalsprache verstehen<br />
zu können. Ich schrieb ein Lehrbuch im<br />
Pfollimann'schen Idiom und verdiente viel<br />
Geld damit.<br />
Leider studierte Pfollimann die Frage, ob<br />
man mir die Erlaubnis geben sollte, einen<br />
Orden zu tragen, recht wenig; er machte<br />
gute Geschäfte. Als ich ihn einmal fragte,<br />
wie weit die Kommission gekommen sei, erklärte<br />
er mir wütend, ich solle ihn nicht immer<br />
stören. Ich sollte mich überhaupt schämen,<br />
als junger Kerl mich so in den Vordergrund<br />
zu drängen: gestern, nach dem grossen<br />
Meeting in Helsingfors, sei mein Bild<br />
3 cm grösser in den <strong>Zeitung</strong>en gedruckt<br />
worden als das seinige. Ich könne überzeugt<br />
sein, dass es mit dem Orden nichts<br />
sein werde.<br />
«Aber die Kommissionsarbeit.» wagte ich<br />
in meiner schüchternen Art zu fragen.<br />
«Machen Sie, dass Sie hinauskommen, Sie<br />
unverschämter Mensch,» brüllte er mich an.<br />
Von da an versuchte er, mich bei jeder Gelegenheit<br />
herunterzumachen. Ich bekam<br />
neue Schwierigkeiten mit meinem Auslandsurlaub.<br />
Die Militärsteuer wurde mir erhöht.<br />
Als ich höflich anfragte, warum sie erhöht<br />
worden sei, bekam ich ein Schreiben ohne<br />
Erklärungen, aber mit vielen Schimpf warten;<br />
aus dem Briefe wehte Heimatluft. Ich sollte<br />
heimkehren und einrücken, damit ich nicht<br />
mehr bilhoppen könnte und damit das Bild<br />
der eidgenössischen Kommission allein in der<br />
<strong>Zeitung</strong> stände.<br />
Ich blieb und verbesserte jede Woche<br />
meine Rekorde.<br />
Mit der Zeit hatte sich Finnnland eine<br />
grosse Schar von Bilhoppern ausgebildet,<br />
arbeiteten sich vorwärts mit der bestimmten<br />
Zähigkeit der finnischen Sportsleute. Eines<br />
Tages kamen sie meinen Rekorden ganz<br />
nahe.<br />
An einem Morgen stand ein deutscher<br />
Professor in meinem Zimmer. Er befragte<br />
mich über den tieferen Sinn des Bilhoppens.<br />
Da er mir gleich sagte, was ich darauf zu<br />
Zum europäischen Wagen<br />
Zum amerikanischen Wagen!<br />
ra* ent in 16 Staaten anq